Urteil des LG Köln vom 29.08.2007
LG Köln: verteilung der beweislast, gesetzliche vermutung, verfügung, verwertungsgesellschaft, wiederholung, verschulden, entgeltlich, meldung, inhaber, merkblatt
Landgericht Köln, 28 S 7/07
Datum:
29.08.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 S 7/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 137 C 336/06
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 07.02.2007 (137 C 336/06) wird
aufgeho-ben, soweit das Amtsgericht die Klage hinsichtlich eines den
Betrag in Höhe von 299,84 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basis-zinssatz seit dem 20.11.2003 zzgl. Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
1.401,12 € vom 18.10. bis 19.11.2003 übersteigenden Betrages
abgewiesen hat;
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.292,20 € zzgl. 5
Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
20.11.2003 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf 2.390,28 € vom 18.10 bis 19.11.2003 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits - beider Instanzen - trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht Ansprüche wegen
Zahlung der Betreiberabgabe gemäß § 54a UrhG geltend. Die Klägerin ist auf Grund
einer Abtretung Inhaber der hier streitgegenständlichen, ursprünglich der
Verwertungsgesellschaft Wort (im folgenden: VG Wort) zustehenden Ansprüche gegen
den Beklagten geworden.
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Der Beklagte ist Inhaber eines Kopiergeschäftes in B. Er ist Mitglied des
Einzelhandelsverbandes. Aufgrund dieser Mitgliedschaft räumt die VG Wort allen
Mitgliedern einen Rabatt auf die sonst festgesetzten Tarife von 20 % ein, wenn die
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Gerätemeldung rechtzeitig und vollständig abgegeben wird. Hinsichtlich der einzelnen
von Kopierläden zu zahlenden Tarife wird auf das Merkblatt der VG Wort, das als
Anlage K1 zur Klageschrift eingereicht worden ist, Bezug genommen.
Da der Beklagte zunächst keine Gerätemeldung für das Jahr 2003 an die VG Wort
versandte, forderte die VG Wort den Beklagten zur Abgabe einer solchen Erklärung mit
Schreiben vom 04.04.2003 unter Fristsetzung zum 25.04.2003 auf. Ob der Beklagte auf
dieses Schreiben reagierte, ist umstritten. Jedenfalls sandte die VG Wort einen
Außendienstmitarbeiter, der dem Beklagten persönlich aus Besuchen in den Vorjahren
bekannt war, am 25.06.2003 in das Geschäftslokal des Beklagten. Dort nahm der
Außendienstmitarbeiter der VG Wort sodann die Anzahl der aufgestellten Kopiergeräte
auf und fertigte an einem Kopiergerät einige Kopien an, die er auch bezahlte. Als
Mitarbeiter der VG Wort gab sich der Beklagte nicht zu erkennen und war als solcher
auch im Übrigen nicht erkennbar.
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Zum Zeitpunkt der Überprüfung befanden sich in dem Kopiergeschäft des Beklagten 11
Fotokopiergeräte. Es handelte sich um 8 Schwarz-Weiß-Fotokopierer mit einer
Kopierleistung zwischen 13 und 70 Vervielfältigungen pro Minute, einem Kopierer mit
einer Kopierleistung von über 70 Vervielfältigungen pro Minute und zwei Farbkopierern.
Ob diese Kopierer alle Kunden zur Vervielfältigung von Unterlagen zur Verfügung
gestellt wurden, ist umstritten. Jedenfalls wurden den Kunden des Beklagten 6
Fotokopierer mit einer Kopierleistung zwischen 13 und 70 Vervielfältigungen pro Minute
und 1 Fotokopierer mit einer Kopierleistung von mehr als 70 Vervielfältigungen pro
Minute sowie 1 Farbkopierer zur Verfügung gestellt.
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Die VG Wort versandte am 26.09.2003 eine Rechnung über 3.791,40 € an den
Beklagten. Am 19.11.2003 zahlte der Beklagte auf diese Rechnung einen Betrag von
1.199,36 €.
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Die Klägerin behauptet, ihr Außendienstmitarbeiter X habe am 25.06.2003 in dem
Kopierladen des Beklagten festgestellt, dass alle oben aufgeführten und aufgestellten
Fotokopierer betriebsbereit gewesen seien. Eine Gerätemeldung vom 17.04.2003 habe
sie nicht erhalten. Das Absenden der entsprechenden Meldung werde daher bestritten.
Sie ist daher der Ansicht, ihr stünden für das Bereithalten von allen oben genannten
Kopierern entsprechende Entgelte zu. Diese beliefen sich auf insgesamt 1.895,70 €.
Aufgrund der nicht abgesandten und eingegangenen Gerätemeldung sei dieser
Anspruch auf insgesamt 3.791,40 € zu verdoppeln. Abzüglich der unstreitig geleisteten
Zahlung von 1.199,36 € bestehe daher ein weiterer Anspruch in Höhe von 2.592,04 €.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 07.02.2007 (137 C 336/06) aufzuheben,
soweit das Amtsgericht die Klage hinsichtlich eines den Betrages in Höhe von
299,84 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 20.11.2003 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.401,12 € vom 18.10. bis 19.11.2003
übersteigenden Betrages abgewiesen hat;
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.292,20 € zzgl. 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2003 zzgl.
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
10
2.390,28 € vom 18.10 bis 19.11.2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, er habe die als Anlage zur Klageerwiderung eingereichte
Gerätemeldung vom 17.04.2003 auch an diesem Tag an die Klägerin versandt. Auch
seien die weiteren unstreitig in seinem Ladenlokal vorhandenen Kopierer nicht
funktionsfähig gewesen. Vielmehr hätten diese verkauft werden sollen bzw. wären zum
Ausschlachten von Ersatzteilen bestimmt gewesen. Er ist der Ansicht, die Aussage des
Außendienstmitarbeiters der Beklagten sei nicht verwertbar, da dieser die Kontrolle
(unstreitig) durchgeführt habe, ohne sich zu erkennen zu geben. Insoweit habe die
beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen können, dass die von der VG Wort
behauptete Zahl von Kopierern bereitgestellt worden sei. Da er die Gerätemeldung vom
17.04.2003 abgesandt habe, treffe ihn jedenfalls kein Verschulden an der fehlenden
Meldung, so dass eine Verdoppelung der von der VG Wort festgesetzten Tarife nicht in
Betracht komme.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da die Klägerin einen
Anspruch auf Zahlung der Betreiberabgabe gemäß § 54a Abs. 2 UrhG gegen den
Beklagten in Höhe von insgesamt 2.592,04 € hat. Im Einzelnen:
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1. Der Anspruch zur Zahlung der Betreiberabgabe gem. § 54a Abs. 2 UrhG ist dem
Grunde nach gegeben. Die VG Wort ist die zur Wahrnehmung berechtigte und
verpflichtete Verwertungsgesellschaft im Sinne von § 54h UrhG. Der Beklagte
betrieb jedenfalls in dem fraglichen Zeitraum 2003 eine Einrichtung, die Geräte für
die Herstellung von Ablichtungen entgeltlich bereithielt; dies ist zwischen den
Parteien unstreitig. Auch ist die grundsätzlich zu leistende Vergütungshöhe im
Sinne von § 54d UrhG nicht streitig. Die Tarife sind von der VG Wort wie aus ihrem
Merkblatt ersichtlich zutreffend festgesetzt worden (die grundsätzliche
Berechtigung zur Festlegung der Tarife ist für die VG Wort in Bezug auf
Kopierläden vom BVerfG in NJW 1997, 249, ausdrücklich bestätigt worden). Es ist
auch ausreichend, dass die VG Wort anhand ihrer Tarife eine Abgabe festlegt, die
der wahrscheinlichen Nutzung durch den Betreiber entspricht (vgl. BVerfG GRUR
1997, 124 – Kopierladen II).
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Auch hat die VG-Wort ihrer Berechnung die zutreffende Anzahl an Kopiergeräten
zugrunde gelegt:
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Im Geschäftslokal des Beklagten standen unstreitig die der Berechnung der VG
Wort zugrundegelegten Kopierer. Allein streitig zwischen den Parteien und
maßgeblich für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ist, wie viele der
unstreitig im Ladenlokal des Beklagten aufgestellten Geräte im fraglichen Zeitraum
abgabepflichtig waren. Denn die so genannte Betreiberabgabe nach § 54a UrhG
fällt nur dann an, wenn Kopierergeräte entgeltlich "bereitgehalten" werden. Die
nach § 54a Abs. 1 UrhG erforderliche Zweckbestimmung der Geräte zur
Vervielfältigung begründet eine widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass die
Geräte auch entsprechend ihrer Zweckbestimmung benutzt werden (vgl.
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Loewenheim, Hdb. des Urheberrechts, § 86 Rdnr. 42 unter Hinweis auf BGH
GRUR 1993, 553 – Readerprinter zu § 54 Abs. 3 UrhG alter Fassung). Die
Beweislast dafür, dass die Geräte nicht "bereitgehalten" worden sind, also nicht
einsatzbereit und nicht in Betrieb waren, liegt bei dem Betreiber (vgl. BVerfG
GRUR 1997, 124 - Kopierladen II).
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die vorgenannten Entscheidungen für
den streitgegenständlichen Sachverhalt auch heranzuziehen, da der Sachverhalt
vergleichbar ist. Insoweit ist über die entscheidungserhebliche Frage zu befinden,
wer die Beweislast dafür trägt, dass entgegen einem verursachten Rechtsschein
tatsächlich in einem Kopiergeschäft befindliche Vervielfältigungsgeräte nicht zum
Einsatz für den jeweiligen Kunden - wie in einem Kopiergeschäft grundsätzlich
anzunehmen - bereitgehalten wurden.
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Diesen ihm obliegenden Gegenbeweis hat der Beklagte nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht führen können. So sind die Aussagen der Zeuginnen B2
und T bereits nicht ergiebig.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Köln vom 10.01.2007 hat die
Zeugin B2 zwar bestätigt, dass auch Geräte im Ladenlokal standen, die nicht
funktionsfähig waren. Sie hat ausgesagt, es habe sich hierbei um ein oder zwei
Geräte gehandelt. Sonst hätten 4 bis 5 Fotokopierer im Geschäft gestanden, ein
größerer Kopierer und ein oder zwei Farbkopierer. Aufgrund dieser Aussage kann
nicht geschlossen werden, dass und wenn ja wie viele Kopiergeräte tatsächlich
zwar im Geschäftsraum des Beklagten standen, jedoch nicht zum kopieren
bereitgehalten wurden. Darüber hinaus ist die Aussage auch wenig glaubhaft. So
stimmt die von der Zeugin genannte Anzahl an Kopierern schon nicht mit der
Anzahl von unstreitig mindestens 7 (6 Klasse II und einer Klasse IV) s/w Kopierern
überein. Auch bei der Anzahl der Farbkopierer ist die Zeugin nicht sicher. Es seien
1 oder 2 weitere Kopierer im Geschäft gewesen.
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Auch die Aussage der Zeugin T führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch ihre
Aussage weicht schon bei der Anzahl von Kopiergeräten von den unstreitigen
Zahlen ab. Sie schätzt im Gegensatz zur Zeugin B2 die Anzahl der weiteren
Kopierer, die nicht kopierbereit waren, auf 3 oder 4. Weitere Details konnte die
Zeugin nicht beantworten. So hatte sie keine Erinnerung mehr daran, ob die
Kopiergeräte mit dem Stromnetz verbunden waren. Sie seien jedenfalls nicht
benutzt und nicht eingeschaltet gewesen.
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Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass die Zeuginnen insgesamt zwar
beide bestätigt haben, dass auch Kopiergeräte im Geschäft des Beklagten standen,
die nicht für Kunden zum Kopieren zur Verfügung standen. Da die Zeuginnen
jedoch von unterschiedlichen Zahlen ausgingen und ihre Aussagen insgesamt
wenig detailreich und überzeugend waren, steht auch bei einer Gesamtwürdigung
der Aussagen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine bestimmte
Anzahl der im Laden befindlichen Kopiergeräte nicht bereit gehalten wurde.
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Auf die gegenbeweisliche - unergiebige - Aussage des Zeugen X kommt es daher
nicht an.
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Auch einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedarf es vorliegend nicht.
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Insoweit bezieht sich die durch den Beklagten zitierte Fundstelle (Gummer/Heßler
in Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 529 Rn. 2a) auf einen anderen Fall. Entgegen der
Auffassung des Beklagten bedarf es dann einer neuen Beweisaufnahme, wenn
diese aufgrund einer Verkennung der Beweislast nicht oder zu einer anderen
Frage stattgefunden hat. Einer Wiederholung bedarf es jedoch nicht, wenn über
eine entscheidungserhebliche Frage Beweis erhoben und lediglich im Rahmen der
Beweiswürdigung die Verteilung der Beweislast verkannt wurde.
2. Damit besteht der Anspruch der Klägerin der Höhe nach mit den unstreitigen
1.895,70 €. Ferner steht der Klägerin auch die geltend gemachte Verdoppelung auf
3.791,40 € zu. Grundsätzlich steht es nach § 54g Abs. 3 UrhG im Ermessen, ob
eine Verdoppelung vorgenommen werden kann. Ein Ermessensfehler ist nicht
gegeben, wenn die VG Wort bzw. jetzt - aus abgetretenem Recht - die Klägerin die
doppelte Gebühr verlangt. Denn der Anspruch wird schon durch eine
unvollständige oder sonst unrichtige Erstauskunft ausgelöst (vgl.
Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 54g Rdnr. 4). Nur wenn der
Verpflichtete von sich aus nachbessert, bevor die Verwertungsgesellschaft ihn
dazu auffordert, wird der Sanktionszweck des § 54g Abs. 3 UrhG nicht berührt,
sodass dessen Rechtsfolge nicht eintritt. Danach führt mithin bereits die falsche
Stückzahl dazu, dass insgesamt eine Verdoppelung gerechtfertigt ist. Dies
entspricht dem mit der Vorschrift beabsichtigten Sanktionscharakter, der sich auf
die unvollständige Angaben insgesamt bezieht. Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall gegeben. Denn der Beklagte ist von den Kontrolleuren der VG
Wort aufgesucht worden. Damit liegen die objektiven Voraussetzungen für die
Verdoppelung vor. Auch die Tatsache, dass die VG Wort die Verdoppelung
ausdrücklich auf die Nichteinsendung gestützt hat, ändert an diesem Ergebnis
nichts.
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Die Tatsache, dass jedenfalls im Prozess Auskunft erteilt wurde, führt entgegen der
Auffassung des Amtsgerichts schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, da
diese nach den zugrunde liegenden Feststellungen unzutreffend war.
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Da die Kammer vorliegend davon ausgeht, dass die gemeldete Anzahl der
Kopiergeräte nicht zutreffend war, liegt auch das von der Rechtsprechung
geforderte Verschulden (vgl. OLG Köln NJW-RR 1998, 1263) vor.
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3. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.
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4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
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Streitwert für die Berufung: 2.292,20 €.
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