Urteil des LG Köln vom 27.03.2007

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Landgericht Köln, 16 O 314/04
Datum:
27.03.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 O 314/04
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner unter Abweisung der Klage
im Übrigen verurteilt, an den Kläger zu 1) 1.577,49 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.11.2003 zu zahlen.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1) 46 % und die Beklagten
54 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger
zu 1) 46 %, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen
die Beklagten 27 %. Ihre sonstigen außergerichtlichen Kosten tragen der
Kläger zu 1) und die Beklagte selbst.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.
T A T B E S T A N D:
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Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall vom 16.06.2003
gegen 17.45 Uhr auf der U-Allee in L, Höhe Autobahnunterführung der BAB 1. Dabei
stießen der vom Kläger zu 1) geführte, seinem Arbeitgeber, der Klägerin zu 2)
gehörende Pkw Toyota Corolla, amtl. Kennzeichen anonym1 mit dem vom Beklagten zu
1) geführten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Vento, amtl.
Kennzeichen anonym2 zusammen. Die Klageforderung der Klägerin zu 2) ist dieser mit
Teilurteil vom 04.10.2005 in voller Höhe zuerkannt worden. Die Haftung der Beklagten
aus dem Unfallereignis dem Grunde nach in voller Höhe ist nach Rechtskraft des
Teilurteils unstreitig.
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Der Kläger zu 1) macht im Wege des Schadenersatzes nunmehr noch geltend
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a. Ersatzunfall beschädigter Gegenstände 1.200,08 €
b. Für Heilmittel 33,88 €
c. Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Heilbehandlung 153,00 €
d. Schmerzensgeld 7.000,00 €
e. Haushaltsführungsschaden 765,00 €
f. Nutzungsausfallentschädigung 532,00 €
g. Kostenpauschale 25,00 €
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Summe: 9.708,96€
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Hiervon sind die Positionen b, c, f und g unstreitig bzw. im Verlauf des Rechtsstreits
unstreitig geworden (Position f). Unstreitig hat die Beklagte zu 2) auf den Schaden des
Klägers zu 1) vorprozessual ohne Tilgungsbestimmung 4.778,16 € gezahlt.
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Der Kläger zu 1) behauptet zu a, soweit die Beklagten betreffend die Position Docking
Station, Freisprecheinrichtung und Funkhandsender "Neu für Alt" eingewandt hätten, sei
dieses bereits in der Klageschrift berücksichtigt worden. Der Kläger behauptet weiter,
über die unstreitig beim Unfall erlittenen Prellungen und Glassplitterverletzungen im
Gesicht sowie des Umfangs seiner Arbeitsunfähigkeit seien Glassplitter aus seinem
Augenlied nicht vollständig entfernt worden. Man habe die Splitter bewusst im Auge
gelassen, da eine Operation im Hinblick auf seine Sehkraft zu risikoreich gewesen
wäre. Er müsse daher mit einem Dauerschaden am Auge rechnen. Dadurch, dass er 3
Wochen für die Tätigkeit im Zweipersonenhaushalt ausgefallen sei und seine Ehefrau u.
a. durch Urlaub dieses habe kompensieren müssen, seien dadurch 3 Wochen mit
insgesamt 76,5 á 10,00 € auszugleichen.
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Der Kläger zu 1) beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn
4.930,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2003 zu zahlen sowie
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet seien, ihm allen materiellen und immateriellen
Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfallereignis
mit dem Beklagten zu 1) am 16.06.2003 in G noch entstehen
werde, soweit der Anspruch nicht auf einen
Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen
sei.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, der Kläger zu 1) habe bei den streitigen unfallbeschädigten
Gegenständen keinen Abzug "Neu für Alt" vorgenommen. Ein Anspruch auf Ersatz von
Restbenzin im Tank stehe ihm nicht zu. Die Behauptung des Klägers zu 1) vom
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drohenden Dauerschaden am Auge werde durch die ärztlichen Unterlagen nicht
bestätigt, so dass ein Schmerzensgeld von 7.000,00 € übersetzt sei. Die Angaben des
Klägers zum Haushaltsführungsschaden seien zu bestreiten, insbesondere, dass der
Kläger zu 1) sich mit 50 % an diesen Arbeiten beteilige. Nach den einschlägigen
Tabellen sei von einer Verteilung von 38,5 % (Kläger zu 1)) und 61,6 % (Ehefrau)
auszugehen.
Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 04.10. / 09.12.2005 Beweis erhoben
durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers, der Zeugin C2, zum
Haushaltsführungsschaden sowie durch Einholung eines Gutachtens der Universitäts
Augenklinik C3 (Prof. Dr. M zum behaupteten Schaden am Auge. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.02.2006 (Bl. 192 ff. d.
A.) mit Ergänzung vom 09.08.2006 (Bl. 219 ff. d. A.) und im Übrigen auf die
Sitzungsniederschrift vom 13.02.2007 (Bl. 242 ff. d. A.) Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die dem Grunde nach gerechtfertigte Klage ist der Höhe nach betreffend den Kläger zu
1) nur teilweise begründet.
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Der Kläger zu 1) kann von den Beklagten nach §§ 823 BGB, 7, 17, 18 StVG i. V. m. § 3
Pflichtversicherungsgesetz nur noch Zahlung von 1.577,49 € verlangen. Wegen des
weitergehenden Anspruchs ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
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Mit Recht monieren die Beklagten, dass der Kläger zu 1) bei der Forderung auf
Schadenersatz wegen einzelner unfallbedingt beschädigter Gegenstände keinen Abzug
"Neu für Alt" vorgenommen hat, wie sich aus der Aufstellung auf Seite 7 der Klageschrift
ergibt. Einen Grund hierfür hat er nicht erläutert und möglicherweise übersehen, dass
ein Abzug dort nicht erfolgt ist. Die Kammer schätzt daher gemäß § 287 ZPO, dass bei
der Docking-Station, der Freisprecheinrichtung und dem Funkhandsender jeweils ein
Abschlag von 10 % berechtigt ist, wie ihn der Kläger zu 1) auch beim dem Pocket-PC
Compaq Ipaq 3660 vorgenommen hat. Das führt zu Schadenpositionen von 39,50 €,
27,00 € und 53,38 €. Ersatz von Restbenzin steht dem Kläger zu 1) nicht zu. Es kann
dahin stehen, ob diese Schadenposition überhaupt ersatzfähig ist, wie teilweise in der
Rechtsprechung angenommen wird. Sie ist jedenfalls nicht substantiiert dargelegt.
Ausweislich der Tankquittung Bl. 23 d. A. hatte der Kläger zu 1) am 01.06.2003 zuletzt
45,34 l Superbenzin getankt, warum am Tage des Unfalls, dem 16.06.2003 davon noch
für 25,00 € Benzin im Tank gewesen sein soll, ist bereits nicht nachvollziehbar.
Insgesamt ergibt sich hier folglich eine bereinigte Gesamtforderung des Klägers zu 1)
von lediglich 1.161,77 €.
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An Schmerzensgeld steht dem Kläger zu 1) in Anbetracht der beim Unfall erlittenen
Verletzungen und deren Folgen nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € zu.
Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände ist eine Zahlung in dieser Höhe
erforderlich aber auch hinreichend, um der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des
Schmerzensgeldes gerecht zu werden. Ein Schmerzensgeld in Höhe der vom Kläger zu
1) geforderten Summe von 7.000,00 € wäre nur in Betracht gekommen, wenn ihm
unfallbedingt eine Dauerschädigung des verletzten Auges gedroht hätte. Das ist nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber auszuschließen.
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Nach dem ausführlichen nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten der
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Sachverständigen Professorin M2 hat diese beim Kläger am linken Auge folgendes
festgestellt:
1. Ein mittig gelegene, ca. 3,5 cm lange, waagerecht verlaufene Hautnarbe, ohne
dass Vorliegen von hypertrophem Narbenwachstum oder Strikturen.
2. Eine minimal fühlbare Verhärtung ohne Druckschmerz im temporalen
Oberlidanteil.
3. Eine nur sehr hauchige, oberflächlich gelegene Hornhaut-Trübung im Sinne einer
Hornhautnarbe außerhalb der optischen Achse.
4. Ein eindeutiger Anhalt auf Vorliegen weiterer Glasfremdkörper im Oberlidbereich.
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Die unter den Punkten 1 bis 3 genannten Veränderungen sind auf das Unfallgeschehen
vom 16.06.2003 mit Verletzung durch Glassplitter zurückzuführen. Bei allen drei
benannten Veränderungen ist jedoch nicht von einer funktionellen Einschränkung
auszugehen. Die Narbe am Oberlied des linken Auges ist allenfalls kosmetische
Einschränkung anzusehen. Aus der klinischen Erfahrung heraus ist bekannt, dass bei
Vorliegen von Glasfremdkörpern im Lidbereich im Regelfall mit keinen Spätfolgen zu
rechnen ist. Ein Versuch, diese Unfallfolgen operativ zu beseitigen, steht deshalb in
keinerlei Relation zu den möglicherweise interventionell bedingten Komplikationen. Die
allgemeine Einschränkung des Klägers zu 1) in seinem Arbeitsumfeld und auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt ist nicht erschwert und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
liegt nicht vor.
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Die vom Kläger zu 1) gegen dieses Gutachten geäußerten Bedenken greifen nicht
durch. Sie sind durch das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen ausgeräumt
worden. Zunächst hat diese dort sämtliche unfallbedingten Verletzungen am Auge des
Klägers zu 1) dokumentiert. Sie hat darüber hinaus weiter überzeugend erläutert, warum
nicht feststellbar ist, dass ein Glasfremdkörper im Lidbereich verblieben ist, und es sich
beim Kläger zu 1) angesichts des vorgefundenen Befundes um einen Regelfall mit
entsprechender Beurteilungssicherheit handelt. Ferner hat sie erläutert, dass Symptome
wie brennen im linken Schläfenbereich nicht auf eine etwaige Veränderung im
Lidbereich schließen lassen.
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Aus den Gründen dieses Gutachtens sind weitere Komplikationen auszuschließen, so
dass auch der vom Kläger zu 1) gestellte Feststellungsantrag unbegründet ist. Zwar sind
die Anforderungen an einen derartigen Feststellungsantrag nicht sonderlich hoch. Wenn
aber nach der medizinischen Untersuchung des Klägers zu 1) Spätfolgen
auszuschließen sind, ist für einen solchen Feststellungsantrag kein Raum mehr.
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Aufgrund der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin C2 schätzt die Kammer
schließlich die auf den Kläger zu 1) bei der Haushaltshilfe pro Woche entfallenden
Stunden auf 15. Ausgehend von der glaubhaften Bekundung der Zeugin, dass pro Tag
eine Stunde Arbeit für den Kläger zu 1) im Haushalt anfalle und am Wochenende
weitere 2 bis 3 Stunden für "Großreinemachen", ergibt sich die vorgenannte Zahl unter
Berücksichtigung eines maßvollen Risikoaufschlags zugunsten des Klägers zu 1).
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Damit stellt sich seine Forderung hier auf 450,00 €.
Zusammenfassend hat der Kläger zu 1) demnach folgende Ansprüche:
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a. Sachschäden 1.161,77 €
b. Für Heilmittel 33,88 €
c. Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Heilbehandlung 153,00 €
d. Schmerzensgeld 4.000,00 €
e. Haushaltsführungsschaden 450,00 €
f. Nutzungsausfallentschädigung 532,00 €
g. Kostenpauschale 25,00 €
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Summe: 6.355,65 €.
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Von den einzelnen Positionen sind die vorgerichtlichen Leistungen von der Beklagten
zu 2) von 4.778,16 € abzuziehen. Da keine Tilgungsbestimmung getroffen wurde und
auch die Regelung des § 366 BGB mangels unterscheidbarer Kriterien nicht greift, ist
der vorgenannte Betrag anteilig und prozentual auf die einzelnen Positionen
anzurechnen. Im Ergebnis führt das dazu, dass die berechtigte Forderung von zunächst
insgesamt 6.355,06 € um den Betrag von 4.778,16 € zu reduzieren ist. Das führt zu dem
zuerkannten Betrag von 1.577,49 €.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.
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Die Nebenentscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf
den §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 709, 711 ZPO.
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Streitwert:
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Kläger zu 1) 4.930,80 €
35
1.000,00 €
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Klägerin zu 2) 3.571,93 €
37
Summe:
9.502,73 €
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