Urteil des LG Köln vom 24.11.2010

LG Köln (geschäftsführung ohne auftrag, höhe, neues tatsächliches vorbringen, abmahnung, gütliche einigung, unerlaubte handlung, örtliche zuständigkeit, adresse, gebühr, download)

Landgericht Köln, 28 O 202/10
Datum:
24.11.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 202/10
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 4) zu gleichen
Teilen 3.454,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.02.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten zu 41 % und den
Klägerinnen zu je 14,75 % auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dies gilt für die Klägerinnen nur
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages. Die Klägerinnen dürfen die
Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche auf Schadensersatz aufgrund von
möglichem Filesharing über den Internetzugang des Beklagten.
2
Die Klägerinnen zählen zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Sie sind
jeweils Inhaber von zahlreichen Leistungsschutz- und Urheberrechten an
verschiedenen Musikstücken. Ob die Klägerinnen Inhaberinnen der ausschließlichen
Nutzungsrechte an den in der Klageschrift S. 6-9 aufgezählten Musikstücken sind, ist
umstritten. In sog. Online-Tauschbörsen werden Musikstücke als MP3-Dateien von den
jeweiligen Beteiligten zum Download angeboten. Hier kann jeder Nutzer der
Tauschbörse Musikstücke von den Computern des Anbietenden herunterladen.
Hierdurch entstehen den Klägerinnen jährlich erhebliche Schäden. Die Klägerin zu 3)
firmierte bis 14.01.2009 als G Entertainment (Germany) GmbH.
3
Der Beklagte ist Polizist und Mitglied der polizeilichen Informations- und
Kommunikationsgruppe für Onlinerecherche und Internetpiraterie. Er ist Inhaber eines
Internetzugangs. Dieser Internetanschluss ist in der Privatwohnung des Beklagten
4
installiert. In seinem dortigen Haushalt leben auch die Ehefrau des Beklagten und deren
volljähriger Sohn.
Die Firma F Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH stellte im Auftrag der
Klägerinnen über die IP-Adresse ##### am 12.06.2006 um 10:18:22 Uhr MESZ eine
vermeintliche Urheberrechtsverletzung dergestalt fest, dass mittels einer Filesharing
Software, die auf dem Gnutella-Protokoll basiert, 3.749 Audiodateien zum
Herunterladen verfügbar gemacht wurden. Dabei wurden die Aufnahmen "Leuchtturm"
und "99 Luftballons" von Nena zu Beweissicherungszwecken heruntergeladen und
probegehört.
5
Daraufhin erstatteten die Klägerinnen Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der
Staatsanwaltschaft die IP-Adresse des Internetnutzers mit, von dem die angeblichen
Downloads ermöglicht wurden. Auf die Anfrage der Staatsanwaltschaft Heilbronn zum
Az. 52 Js 24632/06 an die A AG bzw. die B Internet AG ergab sich, dass die
obengenannte IP-Adresse zum streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Beklagten
zugeordnet war. Davon erhielten die Klägerinnen durch Akteneinsicht Kenntnis.
6
Nach Abmahnung durch ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen
vom 30.01.2007 gab der Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Eine gütliche Einigung über die Kosten des
Verfahrens bzw. die Forderungen der Klägerinnen von Schadenersatz kam nicht
zustande. Der Beklagte lehnte die Zahlung der begehrten Rechtsanwaltskosten ab.
7
Die Klägerinnen behaupten, dass sie jeweils die Inhaberinnen der ausschließlichen
Nutzungsrechte an den auf Bl. 4-6 der Klageschrift im Einzelnen aufgezählten
Musikstücke sind. Die o.g. IP-Adresse sei zu dem genannten Zeitpunkt dem
Internetzugang des Beklagten zuzuordnen gewesen. Über den Anschluss des
Beklagten seien zum fraglichen Zeitpunkt 3.749 Musikdateien zum Download
angeboten worden.
8
Die Klägerinnen haben bis zur teilweisen Klagrücknahme ihre Forderung zum einen auf
Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nach den Grundsätzen der
Lizenzanalogie gestützt und insoweit einen Schaden von 2.471 EUR geltend gemacht.
Sie begehren jetzt nur noch den Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen
Rechtsverfolgungskosten. Dabei gehen sie von einem Gegenstandswert für die
Abmahnung in Höhe von 400.000 EUR aus und berechnen daraus eine 1,3 Gebühr in
Höhe von 3.434,60 zzgl. 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale.
9
Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten bei der Abmahnung nicht gewusst, dass der Sohn
der Ehefrau des Beklagten die Tat gegenüber der Polizei gestanden habe, da aus der
Einstellungsmitteilung, die die Klägerinnen erhielten, hervorging, beide
Tatverdächtigen, der Beklagte und der Sohn seiner Ehefrau hätten vom
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Ergebnisse der
Hausdurchsuchung bei dem Beklagten seien nicht geeignet, Beweis über die
Täterschaft zu erbringen, da der "Hausbesuch" ohne Durchsuchungsbeschluss von
Beamten der Dienststelle erfolgt sei, bei der auch der Beklagte selber seinen Dienst tut.
10
Die Klägerinnen haben am 30.12.2009 einen Mahnbescheid gegen den Beklagten
beantragt auf Zahlung von 5.925,60 EUR, der dem Beklagten am 10.02.2010 zugestellt
wurde. Zunächst ist die Adresse des Beklagten mit "C-Straße, D" angegeben worden,
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nachdem der Adressat unter der Anschrift nicht zu ermitteln war, haben die Klägerinnen
darüber Nachricht erhalten und nach einer Auskunft durch das Einwohnermeldeamt am
03.02.2010 die Neuzustellung an die jetzige Adresse des Beklagten beantragt. Die
Hauptforderung ist im Mahnbescheid wie folgt beschrieben Worden: "Schadenersatz
aus Unfall/Vorfall gem. Rechtsanwaltshonorar – 06-32862 KS vom 12.06.06 bis
30.01.07".
Die Klägerinnen beantragen, nachdem sie die Klage in Höhe von 2.471 €
zurückgenommen haben,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen zu 1) bis 4) zu gleichen Teilen
3.454,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 19.04.2010 zu zahlen.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Der Beklagte trägt vor, die Klägerinnen seien hinsichtlich der aufgeführten Musiktitel
nicht aktivlegitimiert. Er habe die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen nicht
begangen und sei auch nicht als Störer passivlegitimiert. Vielmehr habe der
erwachsene Sohn seiner Ehefrau gegenüber der Polizei gestanden, die Dateien
heruntergeladen zu haben.
16
Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht Köln sei nicht zuständig. Im Übrigen
wendet er Verjährung ein.
17
Er trägt weiter vor, die Kosten seinen den Klägerinnen nicht entstanden. Ihr Vorgehen
sei rechtsmissbräuchlich. Die Zahlungen kämen nicht den Rechteinhabern zugute, der
eigentliche Kläger sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen. Es stehe dem
Prozessbevollmächtigten nämlich frei, als angemessen zu betrachten und dann zu
behalten, was zu erlangen sei. Diese Vereinbarung liege der Beauftragung des
Prozessbevollmächtigten zugrunde.
18
Darüber hinaus seien die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft nicht verwertbar
gewesen, da diese verfassungswidrig erlangt worden seien. Es folge daraus ein
Beweisverwertungsverbot.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
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Die Klage ist zulässig und mit dem nach der Rücknahme verbleibenden Antrag
begründet, da den Klägerinnen der noch geltend gemachte Anspruch gegen den
Beklagten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht. Im
Einzelnen:
22
I.
23
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist gegeben, da die
Verletzungshandlung planmäßig über das Internet auch in Köln und damit im
Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Köln erfolgte. Die Zuständigkeit gemäß § 32
ZPO ist daher gegeben, da die unerlaubte Handlung auch in Köln begangen wurde (vgl.
Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 32 Rn. 17, m.w.N.).
24
II.
25
Den Klägerinnen steht ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von
3.454,60 € gegen den Beklagten zu.
26
1.
27
Der Anspruch ist nicht bereits verjährt. Zwar konnte der am 30.12.2009 beantragte
Mahnbescheid erst am 10.02.2010 zugestellt werden. Dies war jedoch noch demnächst
im Sinne von § 167 ZPO, so dass die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ab
diesem Zeitpunkt gehemmt war. Denn die durch den Wohnungswechsel des Beklagten
erfolge Verzögerung hindert die Rückwirkung nicht (Greger in Zöller, ZPO, § 167
Rz. 13). Der Anspruch war auch hinreichend konkret bezeichnet, da es um die
Erstattung der Rechtsanwaltskosten aufgrund des Urheberrechtsvorfalls am 12.06.2006
ging.
28
2.
29
Die Abmahnkosten sind über das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag zu
ersetzen. Denn derjenige, der vom Störer die Beseitigung einer Störung bzw.
Unterlassung verlangen kann, hat nach ständiger Rechtsprechung im Urheberrecht
grundsätzlich über dieses Institut einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gem.
§§ 683 S. 1, 670 BGB, soweit er bei der Störungsbeseitigung hilft und im Interesse und
im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig wird (BGH,
NJW 1970, 243; 2002, 1494). Die gesetzliche Sonderregelung in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG
schließt außerhalb des Wettbewerbsrechts den Ersatz von Abmahnkosten über den
vorgenannten Weg nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 12 UWG nur die
Grundsätze nochmals ausdrücklich anerkannt, die zuvor die Rechtsprechung zum
Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten im Rahmen der Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen bereits entwickelt hatte (vgl. Bornkamm, in:
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004 § 12 Rn 1.77 f. 1.85 ff.) Es
entspricht dem mutmaßlichen Willen des Störers, die durch die Verletzungshandlung
entstehenden Kosten, auch die der Abmahnung selbst, möglichst gering zu halten.
Insbesondere die durch Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts veranlassten Kosten
sind daher zu ersetzen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendig sind.
30
Das an den Beklagten gerichtete Abmahnschreiben vom 30.01.2007 war veranlasst.
Denn es lag eine Rechtsverletzung vor, für die der Beklagte jedenfalls als Störer haftet
und die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen war nicht
rechtswidrig.
31
Den Klägerinnen stand nach § 97 UrhG ein Unterlassungsanspruch gegen den
Beklagten zu. Die Aktivlegitimation der Klägerinnen für die Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs ist gegeben, da die Klägerinnen Inhaberinnen der
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ausschließlichen Nutzungsrechte an den auf S. 6-9 der Klageschrift genannten Titeln
sind.
Zwar hat der Beklagte die Aktivlegitimation bestritten. Dies erfolgte jedoch ersichtlich ins
Blaue hinein und ist daher unbeachtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,
dass sich aus der H Datenbank die Rechteinhaberschaft der Klägerinnen zusätzlich
ergibt. Die Klägerinnen sind nicht verpflichtet gewesen, eine vollständige Rechtekette
für jeden Titel im Einzelnen darzulegen, die sie lückenlos mit dem ursprünglichen
Rechteinhaber verbindet. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass eine
entsprechende Darlegung erforderlich ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen,
wenn der Verletzer seinerseits in abweichender Einspielung oder äußerer Gestaltung
Tonträger oder digitale Versionen von Musikstücken angeboten bzw. vertrieben und
sich darauf berufen hat, ihm seien von dritter Seite entsprechende Rechte eingeräumt
worden bzw. das Schutzrecht des Anspruchstellers sei abgelaufen oder in Deutschland
nicht rechtsbeständig (vgl. OLG Hamburg in GRUR-RR 2008, 282). Anders verhält es
sich indes im vorliegenden Fall. Der Beklagte bestreitet die Rechteinhaberschaft der
Klägerin lediglich pauschal und unsubstantiiert. Er tut dies erkennbar ausschließlich aus
prozesstaktischen Erwägungen, um den Klägerinnen die Durchsetzung ihrer Rechte zu
erschweren, was sich aus den pauschalen und in allen Verfahren wiederkehrenden
formularmäßigen Schriftsätzen zeigt.
33
Soweit die Klägerinnen ihren Vortrag zu dem Lied "Nur Geträumt" von Nena insoweit
korrigiert haben, als dieses versehentlich zu Unrecht in der Liste der
Anspruchsbegründung S. 6 aufgeführt wurde, haben sie dargelegt, dass es sich
richtigerweise um das Lied "Leutturm" handelte, das an anderer Stelle zutreffend
aufgeführt war. Der Beklagte trägt im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Vortrag der Klägerinnen insoweit unzutreffend sein könnte. Die Kammer geht daher
davon aus, dass sich der Beklagte nicht erfolgreich "ins Blaue hinein" auf ein
pauschales Bestreiten der Rechteinhaberschaft beschränken kann. Eine derartige
Rechtsverteidigung kann nur erfolgreich sein, wenn der Beklagte einzelfallbezogen
konkrete Anhaltspunkte vorträgt, die Zweifel an der Rechteinhaberschaft der jeweiligen
Klägerin wecken können. Dies ist vorliegend nicht geschehen (vgl. OLG Hamburg
a.a.O.). Deshalb waren die Klägerinnen auch nicht verpflichtet, zu allen der geltend
gemachten Verletzungstitel vollständige Rechteketten nachzuweisen. Ein derartiges
Verlangen würde letztlich den Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz leer
laufen lassen (vgl. OLG Hamburg a.a.O.).
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Ohne weiteres handelt es sich bei den Musikdateien um geschützte Werke im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG bzw. um Musikstücke, an denen Leistungsschutzrechte
gemäß §§ 73, 85 UrhG bestehen.
35
Die Passivlegitimation des Beklagten im Rahmen einer Haftung als Störer ist ebenfalls
gegeben. Es ist davon auszugehen, dass die 3.749 Musikdateien zum Download über
den Internetanschluss des Beklagten angeboten wurden. Hierfür spricht bereits die als
Anlage K1 vorgelegte Log-Datei. Die Klägerinnen tragen insoweit unbestritten vor, dass
diese Datei als Ergebnis aus den Ermittlungen der F GmbH ausgedruckt worden sei.
Aus diesem Ausdruck ergibt sich, dass über die fragliche IP-Adresse 3.749 Musik-
Dateien zu dem genannten Zeitpunkt zum Download angeboten wurden. Ohnehin trägt
der Beklagte vor, der Sohn seiner Ehefrau habe diese Dateien über den Internetzugang
des Beklagten zugänglich gemacht.
36
Weiteres Bestreiten des Beklagten ist aus diesem Grund unbeachtlich. Die Frage eines
Beweisverwertungsverbotes kann mangels streitiger Tatsache insoweit dahinstehen.
37
Bei dieser Sachlage haftet der Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung auf
Unterlassung. Denn den Vortrag des Beklagten zugrunde gelegt, ist davon auszugehen,
dass es kein unbekannter Dritter war, der die Musikstücke über das Internet öffentlich
zugänglich machte, sondern der Sohne der Ehefrau des Beklagten. Im Rahmen des
Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder
als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu
sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen
Beeinträchtigung mitgewirkt hat (vgl. Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009, Az. 6 U
101/09, m.w.N.).
38
Wenn der Beklagte Dritten, auch und gerade Mitgliedern seines Haushalts, innerhalb
seines Haushalts einen Internetzugang zur Verfügung stellte und ihnen dadurch die
Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglichte, dann war dieses willentliche
Verhalten adäquat kausal für die Schutzrechtsverletzung. Jedenfalls seit dem Auftreten
der Filesharing-Software "Napster" im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr
ungewöhnlich und wird insbesondere und gerade von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen vielfältig in Anspruch genommen. Durch die gesetzgeberischen
Bemühungen, dem entgegenzuwirken, und dem verstärkten Tätigwerden der
Strafverfolgungsbehörden ist dieser Umstand in den letzten Jahren auch nachhaltig in
das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden. Zudem hatte der Beklagte nach
eigener Auskunft aus seiner Tätigkeit als Polizeibeamter und Mitglied der polizeilichen
Informations- und Kommunikationsgruppe für Onlinerecherche und Internetpiraterie
besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet. Vor diesem Hintergrund konnte der Beklagte
nicht die Augen davor verschließen, dass das Überlassen eines Internetzugangs an
einen Dritten die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit mit sich bringt, dass von diesem
derartige Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löst Prüf- und
Handlungspflichten desjenigen aus, der den Internetzugang ermöglicht, um der
Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.
39
Die Erfüllung dieser Prüf- und Handlungspflichten hat der Beklagte jedoch nicht
dargetan.
40
Wenn demnach von einer Rechtsverletzung auszugehen ist, ist der Beklagte auch zur
Erstattung der Abmahnkosten nach den Grundsätzen der GOA verpflichtet.
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Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war auch grundsätzlich erforderlich im Sinne von
§ 670 BGB (vgl. OLG Köln a.a.O.).
42
Die Rechtsverfolgung durch die Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich gem.
§ 242 BGB. Die illegale öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter
Musikwerke hat in den letzten Jahren ein enormes Ausmaß angenommen. Das
Unrechtsbewusstsein der Mehrzahl der Rechtsverletzer ist dabei erschreckend wenig
ausgebildet. Durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln im Internet über
Filesharing-Systeme wird die Musikindustrie jedes Jahr in einem ganz erheblichen
Umfang geschädigt, was durch verstärkte Berichterstattung in den Medien auch seit
einigen Jahren eindringlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wird. Dieser
Umstand hat auch den Gesetzgeber inzwischen bewogen, tätig zu werden und die
einschlägigen Gesetze zu verschärfen, um derartigen Rechtsverletzungen wirksam
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entgegen zu treten und die Rechtsstellung der Urheber und der Inhaber von
Nutzungsrechten zu stärken (vgl. hierzu auch OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342). Vor
diesem Hintergrund sind die verstärkten Bemühungen der Musikindustrie, gegen
Urheberrechtsverletzungen vorzugehen und diese zu unterbinden, zu sehen, die sich in
der erhöhten Anzahl an Abmahnungen niederschlägt. Ein Rechtsmissbrauch kann darin
nicht erblickt werden. Diese Bemühungen stellen sich vielmehr als legitime
Wahrnehmung von berechtigten Rechten und Ansprüchen von Unternehmen wie den
Klägerinnen dar und darüber hinaus als einziges Mittel, um den Rechtsverletzungen
wirksam und effektiv entgegen zu wirken (vgl. OLG Köln a.a.O.).
Hinsichtlich der Höhe der Abmahnkosten hat das OLG Köln (a.a.O.) in einem ähnlichen
Fall folgendes ausgeführt:
44
"Der Höhe nach steht den Klägerinnen neben der Portopauschale von 20 € nur eine 1,3
Gebühr nach VV 2300 zum RVG in Höhe von 2.360,00 € zu.
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Der Berechnung ist ein Gegenstandswert von 50.000 € für jede der vier Klägerinnen, in
der Summe mithin ein Wert von 200.000 € zugrunde zu legen. Die Abmahnung diente
dem Ziel, ein weiteres Anbieten von zu Gunsten der jeweiligen Klägerin geschützten
Musiktiteln im Internet zum Download zu verhindern. Dieses Interesse ist nicht in
mathematischer Abhängigkeit von der Anzahl der in das Netz gestellten Titel zu
bemessen, vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Jede der vier Klägerinnen hatte im Ausgangspunkt schon wegen der unberechtigten
Nutzung eines der zu ihren Gunsten geschützten Titel ein erhebliches Interesse an der
Durchsetzung ihrer Ansprüche, weil bei einer Fortsetzung der Teilnahme an der
Tauschbörse ein erneutes Einstellen von Titeln in nicht vorherzusehender Anzahl
drohte. Dieses Interesse war noch dadurch gesteigert, weil von dem Internetanschluss
der Beklagten bereits in ganz erheblichem Umfang Rechtsverletzungen vorgenommen
worden waren. Es sind am 9.8.2005 insgesamt 964 Musikdateien im MP-3 Format von
dem Computer der Beklagten aus zum Download angeboten worden. Die Klägerinnen
mussten danach befürchten, dass ohne ein erfolgreiches Einschreiten zukünftig in
ähnlichem Umfang Rechtsverletzungen vorgenommen werden würden. Dabei ist es von
untergeordneter Bedeutung, dass nur für 131 Titel die Rechtsinhaberschaft einer der
Klägerinnen konkret dargelegt worden ist. Für den aus der hohen Zahl von nahezu 1000
Titeln folgenden Gefährdungsgrad ist es unerheblich, dass die Titel nicht alle zu
Gunsten der jeweiligen einzelnen Klägerin geschützt waren. Andererseits ist zu
berücksichtigen, dass es sich zumindest bei einer Anzahl von Musikstücken – wie etwa
denjenigen von "The Who” - nicht um aktuelle Neuerscheinungen gehandelt hat. Es
kann danach nicht von einer besonders hohen Zugriffswahrscheinlichkeit ausgegangen
werden. Nicht zuletzt angesichts der von den Klägerinnen selbst in deren als Anlage K 8
vorgelegtem Schreiben vom 11.1.2006 vorgenommenen Berechnung, wonach für den
legalen Erwerb der in Rede stehenden 964 Titel ein Betrag von ca. 1.339 €
aufzubringen gewesen wäre, schätzt der Senat unter Berücksichtigung dieser Umstände
das Interesse der vier Klägerinnen einheitlich auf je 50.000 €, woraus sich der
Gesamtwert von (4 x 50.000 € =) 200.000 € ergibt.
46
Entsprechend den Ausführungen der Klägerinnen auf S. 15 der Klageschrift ist eine 1,3
Gebühr aus VV 2300 der Anlage 1 zum RVG entstanden. Diese Gebühr ist nicht gem.
VV 1800 der Anlage 1 zum RVG um insgesamt 0,9 Gebühren auf 2,2 Gebühren zu
erhöhen, weil es sich für die Bevollmächtigten der Klägerinnen nicht um dieselbe
Angelegenheit im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG gehandelt hat. Die vier
47
Klägerinnen machen nicht denselben, sondern jede eigene Ansprüche geltend, indem
sie sich - wie es die Aufstellung auf S. 5 ff der Klageschrift ausweist - auf die Verletzung
von speziellen, jeweils nur einer von ihnen zustehenden Rechten an unterschiedlichen
Musiktiteln berufen. Entgegen der im Berufungsverfahren von den Beklagten im
Schriftsatz vom 27.11.2009 geäußerten Auffassung steht ihnen die Gebühr auch nicht in
einer den Satz von 1,3 übersteigenden Höhe zu, weil ihre Tätigkeit im Abmahnverfahren
weder schwierig noch umfangreich war. Den Klägerinnen mag einzuräumen sein, dass
die Materie nicht jedem Rechtsanwalt vertraut sein wird. Es ist aber davon auszugehen,
dass die Erarbeitung der Abmahnung für ihre auf die Materie spezialisierten
Rechtsanwälte keinen überdurchschnittlichen Aufwand erfordert hat und sogar
weitgehend der Einsatz von Textbausteinen möglich war. Anhaltspunkte für besondere
Schwierigkeiten des Einzelfalles sind nicht ersichtlich oder vorgetragen. Insbesondere
brachte es auch keinen Mehraufwand mit sich, die Abmahnung statt nur für einen
Mandanten für die vier Klägerinnen auszusprechen.
Zusätzlich zu der 1,3 Gebühr gem. VV 2300 in Höhe von 2.360 € hat die Beklagte auch
die Portopauschale in Höhe von 20 € aus VV 7002 zum RVG zu zahlen, woraus sich
der tenorierte Gesamtbetrag von 2.380 € ergibt.”
48
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an. In Anbetracht der Tatsache, dass
die Anzahl der online gestellten Titel vorliegend bei 3.749 lag, schätzt die Kammer den
Streitwert unter Berücksichtigung der durch das Oberlandesgericht dargestellten
Kriterien wie das OLG Köln in dem genannten Verfahren auf 100.000,00 € pro Klägerin.
Insgesamt ist somit von einem Streitwert in Höhe von 400.000,00 € auszugehen.
Hieraus ergibt sich, dass nach dem RVG eine Vergütung in Höhe von 3.434,60 € zzgl.
Unkostenpauschale in Höhe von 20,00 €, insgesamt 3.454,60 €.
49
Der Anspruch der Klägerinnen scheitert auch nicht daran, dass sie nicht dargelegt
haben, dass die Rechtsanwaltskosten bereits in der geltend gemachten Höhe bezahlt
wurden. Soweit die Klägerinnen ihre Rechtsanwälte bislang nicht bezahlt haben,
können sie aufgrund der Weigerung des Beklagten, die Rechtsanwaltskosten zu tragen,
direkt auf Leistung klagen (OLG Köln MMR 2008, 477).
50
Soweit der Beklagte gegen die von den Klägerinnen aus § 683 BGB geltend gemachten
Aufwendungen einwendet, die Zahlungen kämen nicht den Rechteinhabern zugute, der
eigentliche Kläger sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen, führt dies, wie auch
der Vortrag, es stehe dem Prozessbevollmächtigten frei, als angemessen zu betrachten
und dann zu behalten, was zu erlangen sei, diese Vereinbarung liege der Beauftragung
des Prozessbevollmächtigten zugrunde, zu keinem anderen Ergebnis.
51
Die Behauptungen des Beklagten, die Zahlungen kämen nicht den Rechteinhabern
zugute, der eigentliche Kläger sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen, sowie
es stehe dem Prozessbevollmächtigten frei, als angemessen zu betrachten und dann zu
behalten, was zu erlangen sei, erfolgen hier ins Blaue hinein. Der Beklagte kennt keine
Einzelheiten der Vereinbarung zwischen den Klägerinnen und deren
Prozessbevollmächtigten. Er stellt vielmehr Mutmaßungen über deren Inhalt an, für die
er keine hinreichenden Anhaltspunkte vorträgt. Dies gilt ungeachtet des Umstandes,
dass er sich zum Beweis auf die Mitarbeiter der Rechtsabteilungen der Klägerinnen
bezieht, hier ist nicht erkennbar, dass er sich insoweit auf mehr als bloße Vermutungen
bezieht.
52
Der nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Beklagten vom
12.11.2010 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Soweit er neues tatsächliches Vorbringen enthält war dieses verspätet, denn einen
Schriftsatznachlass hatte der Beklagte weder beantragt und nicht eingeräumt erhalten.
Gleiches gilt für den Schriftsatz der Klägerinnen vom 22.11.2010.
53
III.
54
Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
55
IV.
56
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
57
Streitwert: 5.925,60 EUR bis 03.11.2010, danach 3.454,60 EUR.
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