Urteil des LG Köln vom 30.11.2010

LG Köln (angebot, option, preis, kauf, kläger, übereinstimmende willenserklärungen, irrtum, zug, wert, geschäftsbedingungen)

Landgericht Köln, 18 O 150/10
Datum:
30.11.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 O 150/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND
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Der Kläger machte gegen den Beklagten eine Forderung auf Lieferung eines Whirlpools
nach Kauf über das Internetauktionshaus ebay geltend.
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Die Beklagte vertreibt über das Internet Whirlpools.
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Unter der Artikelnummer ### gab die Beklagte am 15.03.2010 über das Aktionshaus
ebay ein "Sofort-Kaufen" – Angebot über einen Whirlpool, Produktart Outdoor Whirlpool
der Marke A "Jacuzzi für 6 Personen" (Kapazität 6 Personen, Leergewicht 320 kg, Breite
und Länge 228 cm, Spezifikation transportierbar) ab. Der Verkaufspreis ("Sofort-
Kaufen") sollte 1,00 Euro betragen. Hinzu kommen sollten noch 389,00 € für
Verpackung und Versand. Am Ende des Angebots stand: "Nach erfolgreichem
Höchstgebot/Vertragsabschluss muss der Käufer dem Verkäufer einen Anzahlung von
15 % leisten."
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Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gelten für die
Geschäftsbeziehungen zwischen B GmbH (ebay alias b), ausschließlich die
nachfolgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen in ihrer zum Zeitpunkt der
Bestellung gültigen Fassung.
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Gemäß § 2 (Vertragsschluss) kommt der Kauf im Falle eines Festpreisangebots mit
Inanspruchnahme der "Sofort kaufen" – Option zwischen dem Besteller und der
Beklagte zustande.
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Gemäß § 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der
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deutschsprachigen ebay-Websites stellte ebay seinen Mitgliedern eine Vielzahl von
Angebotsformaten und Funktionen zur Verfügung, um auf dem ebay Marktplatz wirksam
Verträge abzuschließen (§ 9.1). Gemäß § 10.4 können Angebote mit der Option "sofort
kaufen" (Festpreis) versehen werden. In diesem Fall kommt ein Vertrag über den Erwerb
des Artikels unabhängig vom Ablauf der Angebotszeit und ohne Durchführung einer
Aktion bereit zum "sofort kaufen" – Preis (Festpreis) zustande, wenn ein Mitglied diese
Option ausübt. Stellt ein Anbieter einen Artikel im Angebotsformat "sofort kaufen" ein,
gibt er ein verbindliches Angebot ab, dass andere Mitglieder den Artikel zu dem
angegeben Preis erwerben können. Der Vertragsschluss kommt zustande, wenn ein
Mitglied die Schaltfläche "sofort kaufen" und den Vorgang bestätigt.
Der Kläger nahm das Angebot der Beklagten zum "sofort kaufen" – Preis in Höhe von
1,00 Euro am Montag, den 15.03.2010, 15:21:23 Uhr an.
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Am 15.03.2010 um 16:46 Uhr erhielt der Kläger eine Mail von der Beklagten. In dieser
heißte es: "Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie den o.g. Artikel nicht
käuflich erworben haben; unserem Verkaufsteam ist ein folgenschwerer Fehler
unterlaufen, bei der Entwicklung dieses Angebotes. Das Format sollte nicht "Sofort-
Kaufen", sondern "1 Euro Startpreis" Aktion sein." Ferner verweist die Beklagte in dem
Schreiben auf § 119 BGB.
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Der Kläger behauptete, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien
zustande gekommen sei. Eine Anfechtung sei ausgeschlossen, da ein Irrtum nicht
möglich sei. Eine Einstellung des Angebotes dergestalt, wie es die Beklagte
vorgenommen habe, erfordere schon technisch eine mehrmalige Bestätigung der
Verkaufsoption. Vor diesem Hintergrund sein ein Irrtum nicht möglich. Ebay würde
verschiedene Möglichkeiten anbieten Ware dagegen zu sichern, dass diese unter Preis
verkauft würden. Nutze der Verkäufer diese Möglichkeiten nicht, würde er die gebotene
Sorgfalt außer Acht lassen.
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Der Kläger beantragt:
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1. Die Beklagte zu verurteilen an ihn einen Whirlpool "Outdoor Jacuzzi" mit
der Kapazität 6 Personen, Leergewicht 320 kg, Breite 228 cm, Länge 228 cm,
Wassermenge 1.600 l, Grundform quadratisch, der Produktart Outdoor
Whirlpool und der Marke A, neu gemäß der Produktbeschreibung Anlage K1,
Zug um Zug gegen Zahlung von 390,00 € zu liefern.
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2. Festzustellen, dass die Beklagte mit der Verpflichtung aus Ziffer 1 in
Annahmeverzug ist.
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3. Die Beklagte zu verurteilen an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe
von 661,16 € zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, dass die Einstellung unter der Rubrik "Sofort-Kaufen" auf
einem Versehen ihrer Mitarbeiter beruhte. Sie habe daher diese Willenserklärung
wirksam anfechten können.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
09.11.2010 Bezug genommen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übergabe des Whirlpools Zug
um Zug gegen Zahlung von 390,00 €. Insbesondere ergibt sich dieser Anspruch nicht
aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.
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Zwar haben die Parteien am 15.03.2010 um 15:21 Uhr über die "Sofort-Kaufen-Option"
bei dem Internetauktionshaus ebay einen Kaufvertrag im Sinne von § 433 BGB über
einen Whirlpool geschlossen. Bei einem Kauf über die Sofort-Kaufen-Option bei einer
Internetplattform kommt ein Vertrag nach den allgemeinen Regeln zustande, namentlich
durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen nach den §§ 145 ff. BGB (vgl. hierzu
BGH v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, MMR 2002, 95). Die Beklagte stellte den Whirlpool
unstreitig unter dem Format Sofort-Kaufen bei ebay ein und machte auf diese Weise ein
Angebot zum Verkauf des Whirlpool zu einem Preis von 1,00 €. Es handelt sich dabei
um ein bindendes Angebot, dass von demjenigen angenommen werden kann, der
zuerst die Schaltfläche "Kaufen" auf der Internetseite durch Mausklick aktiviert und im
folgenden bestätigt (so auch AG Bremen v. 25.05.2007 – 9 C 124/07, 9 C, juris). Dies
ergibt sich auch aus § 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, sowie §
9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Internetplattform ebay.
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Der Kläger nahm damit dieses Angebot an, indem er durch Anklicken der
entsprechenden Schaltfläche von der Sofort-Kauf Option gebrauch machte und diese
Handlung bestätigte. Der Zugang der Willenserklärung erfolgte durch elektronische
Übermittlunge der Erklärung an den Plattformbetreiber als Empfangsvertreter (BGH
a.a.O.). Damit ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande
gekommen.
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Dieser Vertrag ist jedoch mit E-Mail vom 15.03.2010 (16:46 Uhr) von der Beklagten
wirksam angefochten worden.
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Dabei steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagte bei Einstellung des
Angebotes einen Erklärungsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB unterlagt und
damit ein Anfechtungsgrund gegeben ist.
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Ein Irrtum im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn schon der äußere
Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht (Palandt/ Heinrichs,
69. Auflage, § 119 BGB, Rn. 10).
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Irrtums, für den
Ursachenzusammenhang zwischen Irrtum und Erklärung und auch dafür, das er die
Erklärung bei verständiger Würdigung nicht abgegeben hätte, trägt dabei nach
allgemeinen Grundsätzen der Anfechtende, also die Beklagte. Vorliegend hat die
Beklagte jedoch glaubhaft vorgetragen, dass sich ein Mitarbeiter von ihr beim Verfassen
des Angebots "verklickt" hat und das Angebot entgegen ihrem Willen zu einem
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Festpreis von 1,00 € eingestellt wurde anstatt als Auktion mit einem Startpreis von 1,00
€.
Die Darstellungen der Beklagten begegnen von Seiten des Gerichtes keinem
vernünftigen Zweifel. Bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes ist ohne weiteres
anzunehmen, dass der Beklagte einen neuen Whirlpool, welcher unstreitig eine Wert
von 8.000,00 € hat nicht über die Option "Sofort-Kaufen" für einen Betrag von 1,00 €
angeboten haben würde. Durch die "Sofort-Kaufen" Option erhält der Verkäufer die
Möglichkeit, ein Artikel sogleich zu verkaufen, ohne das Ergebnis einer Versteigerung
abwarten zu müssen. Diese Wahl der Option macht daher für ihn nur dann Sinn, wenn
er einen Verkaufpreis wählt, der letztlich demjenigen Betrag entspricht, den er für
angemessen ansieht und für den er bereit ist, den angebotenen Artikel auf jeden Fall zu
verkaufen (so auch AG Kassel v. 23.04.2009 – 421 C 746/09, juris; LG Kiel v.
11.02.2004 – 1 S 153/03, juris). Vor diesem Hintergrund ist es fern liegend anzunehmen,
die Beklagte habe sich als angemessene Preis einen Betrag in Höhe von 1,00 €
vorgestellt, zumal der streitgegenständlichen Whirlpool einen unstrittigen Neu-Preis von
8.000,00 € hat. In diesem Falle übersteigen schon die entstehende Gebühren für die
Einstellung des Angebots den Kaufpreis, so dass es keinen Sinn ergibt, einen Artikel zu
einem Preis von 1,00 € zu verkaufen. Das Angebot der Beklagte stellte sich faktisch als
Schenkungsangebot dar.
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Zwar bestand auch im Falle einer Versteigerung letztlich die Gefahr, dass das
Höchstangebot unterhalb des tatsächlichen Wertes des zu versteigernden
Gegenstandes – hier des Whirlpools bleiben würde. Hieran hätte sich der Beklagte auch
festhalten müssen. Jedoch liegen die Risiken im Falle der Versteigerung ganz anders
als diejenigen bei Wahl der "Sofort-Kaufen-Option".
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Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Erklärungsirrtum
möglich ist, wenn das Angebot statt als Aktion (mit einem Startpreis von 1,00 €) durch
Versehen zum Sofort-Kauf angeboten wird (LG Kiel v. 11.02.2004 – 1 S 153/03, juris:
Verstärker im Wert von 1.000,00 € zum Sofort-Kauf von 1,00 €; LG Stuttgart v.
21.12.2007 – 24 O 317/07, juris: Auto im Wert von 45.000,00 € zum Sofort-Kauf von
100,00 €; AG Kassel v. 23.04.2009 – 421 C 746/09, juris: neues i-Phone im Wert von
500,00 € zum Sofort-Kauf von 1,00 €; AG Bremen v. 25.05.2007 – 9 C 142/09; 9 C
0142/07, juris: zwei Werder-Bremen Stammkarten zum Preis von 1,00 €). Allen Fällen ist
gemeinsam, dass ein evidentes Missverhältnis, zwischen dem Sofort-Kauf-Angebot und
dem Wert des angebotenen Gegenstandes liegt. Dieses ist im streitgegenständlichen
Fall auch zu bejahen. Aus Sicht eines objektiven Dritten war offensichtlich, dass die
Beklagte nicht einen neuen qualitativ hochwertigen Whirlpool für 6 Personen für 1,00 €
verkaufen wollte.
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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass auch schon aus dem Angebot ersichtlich war,
dass die Beklagte eine Versteigerung wollte. Ausweislich des Angebotes musste nach
erfolgreichem Höchstgebot/Vertragsabschluss der Käufer dem Verkäufer eine
Anzahlung von 15 % leisten. Dies zeigt zum einen, dass eine Versteigerung der
Beklagte als Verkäufer angedacht war, zum anderen macht dieser Zusatz nach Ansicht
des Gerichtes noch einmal deutlich, dass mehr als 1,00 € Kaufpreis von den Beklagten
angedacht waren. Hier wäre eine Anzahlung von 15 % (= 15 Cent) widersinnig.
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Die tatsächliche abgegebene Erklärung der Beklagte kann daher nur auf eine
unbewusste Verkennung des wahren Sachverhaltes, also als Erklärungsirrtum i.S.d. §
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119 Abs. 1 BGB zurückzuführen werden.
Es mag zwar sein, dass durch, die separaten Abfrage ein Irrtum erschwert. Aber auch
durch eine mehrfache unbewusste falsche Eingabe wird letztlich ein Irrtum nicht
ausgeschlossen (so auch LG Kiel v. 11.02.2004 – 1 S 153/03, juris; AG Kassel
v. 23.04.2009 – 421 C 746/09, juris). Ein solcher Irrtum kann auch und vielleicht gerade
einem erfahren Benutzer unterlaufen, der aufgrund einer vermeintlichen Sicherheit im
Umgang mit dem System von ebay beim Einstellen eines Angebotes seine Angabe
möglicherweise weniger sorgfältig überprüft (vgl. AG Kassel aaO.)
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Die Beklagte hat mit E-Mail vom 15.03.2010 die Anfechtung auch form- und fristgemäß
erklärt. Insbesondere war die Anfechtung, da sie noch am selben Tag erfolgt- fristgemäß
i.S.v. § 124 BGB.
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Der geschlossene Kaufvertrag gilt daher gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an
nichtig.
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Der Kläger hat daher keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Lieferung eines
Whirlpools Zug um Zug gegen Zahlung von 390,00 €.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 8.000,-- € festgesetzt.
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