Urteil des LG Köln vom 14.05.2009

LG Köln: verfügung von todes wegen, letztwillige verfügung, gegen die guten sitten, vergütung, handschriftliches testament, unerlaubte handlung, nachlass, sittenwidrigkeit, vermächtnis, bereicherung

Landgericht Köln, 15 O 586/08
Datum:
14.05.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 586/08
Tenor:
Das Versäumnisurteil der 21. Zivilkammer vom 20.11.2008 – 21 O
206/08 – wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte zur Zahlung von
19.391,22 € verurteilt worden ist, im übrigen wird das Versäumnisurteil
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20 % und der
Beklagte zu 80 %, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, welche dem
Beklagten insgesamt zur Last fallen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Geldbetrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom
20.11.2008 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Geldbetrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Frau P, Mutter des Klägers, fertigte am 06.11.1996 ein handschriftliches Testament, in
welchem sie den Kläger, ihren einzigen Abkömmling, als Alleinerben bestimmte. Weiter
ordnete sie Testamentsvollstreckung an und benannte den Beklagten als
Testamentsvollstrecker.
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Frau P (im Folgenden: Erblasserin) mandatierte den Beklagten erstmals im März 1996,
auch, um mit seiner Hilfe ein Testament anzufertigen. Sie hatte zur damaligen Zeit vor,
ihren Sohn zu enterben, da sie mit seinem Lebenswandel nicht einverstanden war. Es
kam zu mehreren Beratungsgesprächen zwischen der Erblasserin und dem Beklagten,
in deren Folge sich ein besonderes Vertrauens- und Betreuungsverhältnis zwischen
ihnen entwickelte und die Erblasserin dem Beklagten durch notarielle Urkunde des
Notars Dr. E vom 14.06.1996 Generalvollmacht erteilte. Der Inhalt des von der
Erblasserin am 06.11.1996 geschriebenen Testaments wurde zwischen ihr und dem
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Beklagten in vielen Gesprächen auch hinsichtlich der Testamentsvollstreckung und dem
damit verbundenen Vergütungsanspruch erörtert. In dem Testament vom 06.11.1996,
auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 8 – 11 der
Akten), setzte die Erblasserin den Kläger zu ihrem Alleinerben ein und bedachte ihr
Enkelkind U mit einem Vermächtnis. Sie benannte den Beklagten als
Testamentsvollstrecker. Hinsichtlich der Vergütung des Testamentsvollstreckers traf sie
folgende Bestimmung:
"Der Testamentsvollstrecker erhält neben dem Ersatz seiner notwendigen
Auslagen eine Vergütung in Höhe von 10 % des Wertes meines Nachlasses und
zwar jährlich. Darüber hinaus hat er für jede einzelne Geschäftstätigkeit einen
Anspruch, den er mit 10/10 aus dem jeweiligen Wert nach der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abrechnen soll, im übrigen sind die
sonstigen Auslagen und Steuern hinzuzurechnen."
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Die Textfassung des Testaments beruht in jeder Hinsicht auf den Beratungsgesprächen
zwischen der Erblasserin und dem Beklagten und den vom Beklagten unterbreiteten
Empfehlungen. Dies gilt auch hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des Beklagten.
5
Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin am 11.03.2002 befanden sich im Nachlass
neben dem hier nicht streitigen Hausgrundstück unterschiedliche Kontenguthaben bei
der Volksbank S in Höhe von insgesamt 66.413,93 €. Auf die Aufstellung der Volksbank
S, Blatt 13 der Akten wird verwiesen. Der Beklagte nahm die Erbschaft nach Vorlage
des Testamentsvollstreckerzeugnisses am 08.02. oder 09.02.2003 in Besitz. Der
Barbestand wurde zunächst auf dem Konto Nr. #### und sodann über ein
Treuhandkonto bei der Volksbank S verwaltet. Insoweit wird wegen der einzelnen
Kontobewegungen auf die Kontoauszüge Blatt 45, 46 (Konto Nr. ####) und 47, 48
(Treuhandkonto) der Akten verwiesen.
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Während seiner Zeit als Testamentsvollstrecker stellte der Beklagte dem Kläger für
seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bzw. als Testamentsvollstrecker unterschiedliche
Beträge in Rechnung. Insoweit wird auf die Anlagen K7 bis K11, Blatt 17 – 25 der Akten
verwiesen. Der Beklagte entnahm die jeweiligen Rechnungsbeträge der Rechnungen
K7 – K10 dem Nachlass. Zur Begleichung der Rechnung vom 02.06.2005 über 9.811,49
€ entnahm er nur 4.309,31 € dem Nachlass, damit war der Guthabenbetrag auf dem
Treuhandkonto erschöpft. Er legte mit Schreiben vom 02.06.2005, Blatt 14 der Akten,
sein Amt als Testamentsvollstrecker nieder, da der Barnachlass aufgebraucht war. Mit
Schreiben vom 01.10.2007, Blatt 26, 27 der Akten, hat der Kläger das Testament
hinsichtlich der Anordnung der Testamentsvollstreckung angefochten. Mit Schreiben
vom 14.01.2008, Blatt 28, 29 der Akten, forderte der Kläger den Beklagten durch
anwaltliches Schreiben auf, die beiden Rechnungsbeträge über 15.081,91 € (Rechnung
vom 04.11.2004, Blatt 24 der Akten) und über 9.811,49 € (Rechnung vom 02.06.2005,
Blatt 25 der Akten) bis zum 25.01.2008 zurückzuzahlen.
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Mit der Klage macht der Kläger, vertreten durch seinen Betreuer, im Wege der Teilklage
die Rückzahlung dieser beiden Beträge, insgesamt 24.166,44 € geltend. Der Beklagte
hat die Einrede der Verjährung erhoben.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte habe sämtliche liquiden Mittel des Nachlasses für
seine Vergütungen verbraucht. Dennoch habe er die wesentlichen Aufgaben eines
Testamentsvollstreckers nicht wahrgenommen. Er habe weder ein Nachlassverzeichnis
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erstellt noch läge bisher eine ordnungsgemäße Rechnungslegung vor. Er ist der
Ansicht, die Vergütungsregelung für den Beklagten als Testamentsvollstrecker im
Testament sei unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Testamentes
sittenwidrig und damit unwirksam. Zudem habe er als Testamentsvollstrecker und damit
als Treuhänder gegen die ihm obliegenden Treuepflichten verstoßen.
Das Landgericht hat am 20.11.2008 antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen (21 O
206/08) und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 24.166,44 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2008 zu zahlen. Gegen
dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
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Der Kläger beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 20.11.2008 aufrecht zu erhalten.
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Der Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 20.11.2008 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, eine Auslegung des Testamentes ergäbe, dass nicht
der Kläger als Erbe eingesetzt worden sei, sondern er als ehemaliger Berater und
Vertrauter der Erblasserin. Von der tatsächlichen Anordnung der
Testamentsvollstreckung und dem genauen Wortlaut des Testamentes habe er erst
nach dem Tode der Erblasserin erfahren. Das Testament und die darin enthaltenen
Regelungen entsprächen in jeder Hinsicht dem Willen des Erblassers und seien daher
auch rechtswirksam. Selbst wenn er die Beträge zu Unrecht erhalten habe, bestehe
keine Rückzahlungspflicht, er berufe sich auf den Wegfall der Bereicherung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen
überreichten Urkunden Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17
Die Klage ist bis auf einen Betrag von 4.775,22 €, welcher dem Nachlass unstreitig nicht
entnommen wurde, begründet.
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Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 20.11.2008
ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden.
Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der §§
338 ff ZPO eingelegt worden.
19
Der Kläger hat gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB; 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs.
1 Alt. 2 StGB einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von insgesamt
19.391,22
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Der Beklagte hat diesen Betrag auf Kosten des Klägers und ohne rechtlichen Grund
erlangt. Er hat dem Nachlasskonto bei der Volksbank S – T am 04.11.2004 15.081,91 €
und am 02.06.2005 weitere 4.309,31 € entnommen, obwohl der Kläger ihm diesen
Betrag weder als Testamentsvollstreckervergütung noch aus einem anderen
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Gesichtspunkt schuldete.
Die Entnahme des Geldbetrages erfolgte ohne rechtlichen Grund, denn die
Vergütungsbestimmung in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin, auf welche sich
der Beklagte beruft, ist unwirksam.
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Die durch die letztwillige Verfügung von Todes wegen getroffene Bestimmung der
Testamentsvollstreckervergütung ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß §
138 Abs. 1 BGB nichtig. Es liegt ein wucherähnliches Geschäft im Sinne dieser
Vorschrift vor.
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Zwischen der Leistung des Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeiten als
Testamentsvollstrecker und der versprochenen bzw. letztwillig bestimmten
Gegenleistung besteht ein auffälliges, besonders grobes Missverhältnis. Der Beklagte
sollte nach der testamentarischen Vergütungsbestimmung, die gemäß § 2221 BGB
jeder anderen Vergütungsregelung vorgeht, für seine Tätigkeit jährlich 10 % des
Nachlasswertes erhalten und darüber hinaus jede weitere Tätigkeit und alle
hinzukommenden Auslagen sowie Steuern abrechnen können. Diese Regelung stellt
eine in besonderem Maße unverhältnismäßige Vergütung dar. Zwar gibt es in der Praxis
keine einheitliche Vergütung für Testamentsvollstrecker, so dass auch eine Berechnung
der Testamentsvollstreckervergütung nach Bruchteilen des Nachlass-wertes durchaus
möglich ist (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl. § 2221, Rn. 4). Aus den
einschlägigen Tabellen – z.B. Rheinische Tabelle, Neue Rheinische Tabelle,
Möhringsche Tabelle, Klingelhöffersche Tabelle und Eckelskempersche Tabelle – und
der hier ebenfalls als Anhaltspunkt zugrunde zu legenden Vergütungsempfehlung des
Deutschen Notarvereins (im Internet: www.dnotv.de oder www.anonym1.de ) ergibt sich
ein prozentualer maximaler Vergütungsgrundbetrag von einmalig 4 – 5 % des
Nachlasswertes. Die hier getroffene Vergütungsbestimmung übersteigt somit die übliche
Vergütung eines Testamentsvollstreckers um ein Vielfaches. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass eine als angemessen und üblich zu bezeichnende Vergütung
nach Bruchteilen
einmalig
des Nachlasswertes, also eine für sich genommen schon überhöhte Vergütung auch
noch jährlich hat versprechen lassen. Diese völlig aus dem Rahmen fallende Vergütung
kann auch nicht mit aufwendigen Grundtätigkeiten, komplexer Nachlassverwaltung oder
Dauertestamentsvollstreckung begründet werden. Der Beklagte hat dazu schon nicht
substantiiert vorgetragen. Selbst wenn Erschwernisse vorlägen, wäre damit die
vereinbarte Höhe der Testamentsvollstreckervergütung nicht zu begründen. Selbst für
den Fall einer Dauertestamentsvollstreckung beträgt die übliche Vergütung nur 1/2 bis
1/3 Prozent des Nachlassbruttowertes jährlich oder jährlich 2 - 4 % des
Nachlassbruttoertrages. Diese übliche Vergütungsregelung wird durch die hier
getroffene Bestimmung jedoch sogar um fast das zwanzigfache überschritten. Diese
erhebliche Überschreitung durch die im Testament festgelegte
Testamentsvollstreckervergütung indiziert eine sittenwidrigkeitsbegründende
Äquivalenzstörung zwischen den gegenseitigen Leistungen. Dabei kann es
dahinstehen, ob der Beklagte, wie vom Kläger behauptet, seinen Pflichten als
Testamentsvollstrecker nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Ein grobes
Missverhältnis besteht nämlich selbst dann, wenn der Beklagte seine Leistung
ordnungsgemäß erbracht hat.
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Diese unverhältnismäßige Vergütung entsprach auch nicht dem wirklichen Willen der
Erblasserin. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ihr Nachlass, wie dem Testament zu
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entnehmen ist, dem Kläger als Altersabsicherung dienen sollte. Diese Aussage steht
jedoch in direktem Widerspruch zu der getroffenen Verfügung, durch die zumindest das
gesamte Barkapital nach weniger als 10 Jahren aufgebraucht ist und daher dem Kläger
nicht mehr als Altersvorsorge dienen kann.
Die für die Annahme der Sittenwidrigkeit erforderliche subjektive Komponente in Gestalt
einer verwerflichen Gesinnung auf Beklagtenseite wird bei Vorliegen eines besonders
groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung vermutet (vgl. BGH,
Urt. v. 23. Juni 2006 - V ZR 147/05 in NJW 2006, 3054; NJW 92, 899; BGH Urteil v.
19.1.2001 – V ZR 437/99 in NJW 2001, 1127; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl. § 138
Rn. 34 a). Ein besonders grobes Missverhältnis ist nach der Rechtsprechung bereits
dann zu bejahen, wenn die Leistung annähernd das Doppelte der Gegenleistung
beträgt (vgl. BGH aaO). Ausgehend von der bereits genannten üblichen
Maximalvergütung ist diese Voraussetzung hier erfüllt. Dem Beklagten ist es nicht
gelungen diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen. Die zwischen der Erblasserin
und dem Beklagten gewechselten Schreiben und seine Angaben im Schriftsatz vom
10.10.2008 (Blatt 70 ff. der Akten) belegen letztlich sogar die vermutete verwerfliche
Gesinnung des Beklagten. So hat der Beklagte ausgeführt, das Testament vom
06.11.1996 beruhe in jeder Hinsicht auf seinen Beratungsgesprächen mit der
Erblasserin und seinen ihr unterbreiteten Empfehlungen. Aus dem vorgelegten
Schriftwechsel zwischen dem Beklagten und der Erblasserin geht eindeutig hervor,
dass der Beklagte auch in einem ganz besonderen Vertrauensverhältnis zur Erblasserin
stand und einen großen Einfluss auf sie ausgeübt hat. Ihr besonderes Vertrauen dem
Beklagten gegenüber ergibt sich auch daraus, dass er als Generalbevollmächtigter
eingesetzt war.
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Aus einem Schreiben des Beklagten an die Erblasserin vom 10.05.1999 (Blatt 64 der
Akten) ergibt sich zudem, dass der Beklagte entgegen seinen Behauptungen schon vor
dem Ableben der Erblasserin von seiner Benennung als Testamentsvollstrecker und
somit von der von ihm vorgegebenen Vergütungsregelung wusste.
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Der Annahme der Sittenwidrigkeit der Vergütungsbestimmung gemäß § 138 Abs. 1 BGB
steht auch nicht entgegen, dass diese testamentarisch getroffen wurde. Eine
Testamentsvollstreckervergütungsbestimmung des Erblassers kann wirksam nur durch
letztwillige Verfügung erfolgen (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2221 Rn.1).
Der Erblasser kann grundsätzlich über sein Eigentum frei verfügen und im Rahmen
seiner ihm nach Art. 14 Abs. 1 GG zukommenden Testierfreiheit über die Verteilung
seines Vermögens bestimmen (Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138, Rn. 49). Dies
führt aber nicht dazu, dass § 138 BGB bei Testamenten nicht anwendbar ist.
Maßgeblich ist letztlich der Wille des Erblassers. In der vorliegenden Konstellation kann
dem Willen des Erblassers, der insbesondere darauf gerichtet war, dem Sohn eine
Altersversorgung zu sichern, nur entsprochen werden, wenn die Sittenwidrigkeit der
Vergütungsklausel entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zur Unwirksamkeit führt.
Die Einlassung des Beklagten, § 138 BGB sei auf Testamente nicht anwendbar, ist in
dieser Allgemeinheit unzutreffend. Insbesondere hier, wo es nicht um durch das
Testament benachteiligte bzw. nicht bedachte Personen geht, sondern um eine
Vergütungsbestimmung, die kein Erbe sondern einen Lohnanspruch manifestieren soll,
ist § 138 BGB durchaus anwendbar. Auch bei Rechtsgeschäften, deren Bestehen und
Inhalt durch letztwillige Verfügung von Todes wegen festgelegt werden, handelt es sich
um Rechtsgeschäfte, auf die § 138 BGB grundsätzlich Anwendung findet. Dabei ist zu
beachten, dass lediglich die Vergütungsbestimmung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist.
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Die weiteren im Testament getroffenen Verfügungen stehen hiermit nicht in
unmittelbaren Zusammenhang, so dass diesbezüglich der testamentarisch festgelegte
Wille der Erblasserin maßgeblich bleibt und bleiben muss. Nur so kann dem Willen der
Erblasserin im Rahmen der ihr zukommenden Testierfreiheit ausreichend Rechnung
getragen werden.
Die Auffassung des Klägers, eine unangemessen hohe, testamentarisch bestimmte
Vergütungsregelung sei nicht nichtig sondern ein, evtl. durch die Amtsannahme
bedingtes, Vermächtnis im Sinne des § 2177 BGB (vgl. Bayerisches OLG, Urt. v.
04.02.1982 – BREg 1 Z 109/81 in Rpfleger 1982, 226; Palandt/Edenhofer, BGB, 68.
Aufl., § 2221, Rn. 2) ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Nur liegt ein solcher Fall
hier nicht vor. Die Vergütungsbestimmung ist nicht unangemessen hoch, sondern
wegen Sittenwidrigkeit nichtig (vgl. Zimmermann, Die angemessene Testaments-
vollstreckervergütung, ZVE 2001, 334). Würde die Annahme eines Vermächtnisses
auch hier greifen, so würde der Schutz des § 138 Abs. 1 BGB leer laufen. Darüber
hinaus soll diese Umdeutung in ein Vermächtnis keineswegs den wirtschaftlichen
Interessen des Testamentsvollstreckers dienen, sondern vielmehr dem Schutz der
Nachlassgläubiger bei Nachlassinsolvenz. Durch die rechtliche Behandlung als ein
Vermächtnis soll verhindert werden, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker
durch Festlegung einer überhöhten Vergütung zum Nachteil anderer Nachlassgläubiger
bevorzugen kann (vgl. BFH, Urt. v. 02.02.2005, II R 18/03 in NJW 2005, 1967).
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Der Beklagte hat den Betrag in Höhe von 19.391,22 € auf Kosten des Klägers erlangt.
Der Kläger ist, entgegen der Ansicht des Beklagten, Alleinerbe seiner verstorbenen
Mutter. Etwas anderes kann der letztwilligen Verfügung der Erblasserin nicht
entnommen werden. Eine andere Auslegung des testamentarisch Festgelegten würde
dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung widersprechen und die Erblasserin in ihrer
Testierfreiheit verletzen. Sie benennt den Kläger in ihrem Testament wörtlich zum
alleinigen Erben. Davon ist auch der Beklagte ausgegangen, er bezeichnet den Kläger
in dem Schreiben vom 10.05.1999 an die Erblasserin – also zeitlich nach Erstellung des
Testaments – als Alleinerben und hat zudem einen Erbschein zugunsten des Klägers
beantragt, so dass seine Ausführungen zur Erbenstellung des Klägers widersprüchlich
sind.
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Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs.
3 BGB berufen. Es kann dahinstehen, ob es sich, wie der Beklagte vorträgt, bei den
Geldern um betrieblich verausgabte Mittel handelt, sein diesbezügliches Vor-bringen ist
jedenfalls nicht hinreichend substantiiert.
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Der Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 19.391,22 € ergibt sich auch aus
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB, da er eine unerlaubte Handlung im
Sinne dieser Vorschrift begangen hat, indem er ohne rechtliche Befugnis dem
Nachlasskonto am 04.11.2004 den genannten Betrag entnahm.
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Der Beklagte hat den Tatbestand der Untreue in der Treuebruchalternative nach § 266
Abs. 1 Alt. 2 StGB erfüllt. Er hatte als Testamentsvollstrecker eine Vermögens-
betreuungspflicht sowohl gegenüber dem Kläger als Alleinerben als auch gegenüber
den Vermächtnisnehmern (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. § 266 Rn. 36). Der Beklagte hat
seine Treuepflicht gegenüber dem Kläger verletzt, als er dem Nachlasskonto den
Geldbetrag entnahm. Zu dieser Entnahme war der Beklagte – wie bereits festgestellt –
nicht befugt. Er hat mit der Entnahme des Geldes eine Vermögensverfügung zu seinen
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Gunsten getroffen. Die Entnahme war pflichtwidrig, da sie ohne Einverständnis des
Klägers als Alleinerben und ohne Berechtigung erfolgte. Dem Kläger ist hierdurch ein
Vermögensnachteil und auch ein Schaden in Höhe des genannten Betrages
entstanden. Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft. Eine konkrete
Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.
§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist in jeder Hinsicht ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.2
S. 1 BGB (vgl. BGH 100, 190; BGH Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 47/98 in NJW 99, 2817).
Schutzgut des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist das Vermögen des Treugebers (Fischer,
StGB, 56. Aufl., § 266 Rn. 2; BGH 8, 254 ff; 14, 38, 47; 43, 297). Die Rechtswidrigkeit ist
durch die Schutzgesetzverletzung indiziert (vgl. BGH NJW 1993, 1580). Der Kläger hat
einen Schaden in Höhe von 19.391,22 € erlitten, denn er ist Alleinerbe der Erblasserin
und Berechtigter.
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Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Hinsichtlich des
Anspruchs in Höhe von 4.309,31 € gilt dies bereits, weil die Verjährungsfrist dieses im
Jahr 2005 entstandenen Anspruchs durch den Antrag des Klägers auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe vom 28.04.2008, also vor Ablauf der Dreijahresfrist am 31.12.2008
gehemmt worden ist. Soweit Ansprüche aus der Rechnung vom 04.11.2004 in Höhe von
15.081,91 € geltend gemacht werden, war die dreijährige Verjährungsfrist zwar Ende
2007 abgelaufen, dem Kläger steht insoweit jedoch ein Herausgabeanspruch gemäß §
852 BGB nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung zu, da der Anspruch auf einer unerlaubten Handlung des Beklagten
beruht. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug, §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 344, 708 Nr.
11, 709 S. 1, 3, 711 ZPO.
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Streitwert: 24.166,44 €
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