Urteil des LG Köln vom 26.10.2006

LG Köln: schwangerschaft, allgemeine geschäftsbedingungen, komplikationen, reisevertrag, flug, reiseveranstalter, ezb, versicherungsleistung, ruhe, werktag

Landgericht Köln, 24 S 40/06
Datum:
26.10.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 S 40/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 121 C 107/06
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 18.05.2006 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Köln – 121 C 107/06 – unter Zurückweisung der
Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Begklagt wird verurteilt, an die Kläger 852,35 € nebst 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2005
zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 29 % und die
Beklagte zu 42 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Kläger nehmen die Beklagte aus einer Reiserücktrittskostenversicherung in
Anspruch.
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Das klägerische Ehepaar buchte am 20.08.2005 eine Urlaubsreise vom 14.10. bis zum
31.10.2005 auf die Seychellen zu einem Gesamtpreis von 4.567,- € . Zugleich
schlossen sie bei der Beklagten eine Reiserücktrittskostenversicherung mit einer
Selbstkostenbeteiligung von 50,- € ab, die mit einem Beitrag von 111,- € im
Gesamtreisepreis enthalten ist.
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Am 10.10.2005 wurde der Klägerin seitens ihres Gynäkologen attestiert, aufgrund der
Zwillingsschwangerschaft von der Flugreise Abstand zu nehmen. Daraufhin erklärten
die Kläger noch am selben Tag die Stornierung der Reise. Der Reiseveranstalter
berechnete den Klägern eine vertragsgemäße Reiserücktrittsgebühr in Höhe von 80 %
des Reisepreises und zahlte 913,40 € an die Kläger zurück.
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Die Kläger wandten sich daraufhin an die Beklagte. Diese zahlte 35 % des
Reisepreises abzüglich eines vereinbarten Selbstbehaltes in Höhe von 50,- €, mithin
1.548,45 € an die Kläger. Eine weitergehende Zahlung hat die Beklagte mit dem
Argument verweigert, die Kläger hätten gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit
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verstoßen, da – dies ist unstreitig – bereits am 29.09.2005 eine
Zwillingsschwangerschaft festgestellt worden sei. Hätten die Kläger den Reisevertrag
spätestens am 30.09.2005 storniert, so wäre – auch dies ist unstreitig – gegenüber dem
Reiseveranstalter eine Reiserücktrittsgebühr von lediglich 35 % des Reisepreises
angefallen.
Den Differenzbetrag zwischen 35 % und 80 %, d.h. 45 % der Reisekosten machen die
Kläger nunmehr gerichtlich gegenüber der Beklagten geltend. Eine Mahnung war zum
30.11.2005 erfolgt.
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Bei einer Stornierung vom 13. bis 18. Tag vor Reisebeginn hätte die Stornostaffel 55 %
des Reisepreises betragen.
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Erstinstanzlich ist die Klage abgewiesen worden mit der Begründung, die Kläger hätten
grob fahrlässig die Reise zu spät storniert. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug
genommen.
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Die Kläger haben gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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Sie behaupten, am 29.09.2005 seien die Voraussetzung für einen Rücktritt vom
Reisevertrag noch nicht gegeben gewesen, da die Schwangerschaft bis dahin
komplikationslos verlaufen sei und – dies ist ausweislich B § 1 Nr. 1) der
Reiserücktrittsversicherungsbedingungen (Bl. 17 GA) unstreitig – nur "Komplikationen in
der Schwangerschaft" und nicht die Schwangerschaft als solche einen Grund darstellen,
welcher der Zumutbarkeit eines Reiseantritts entgegenstehen kann.
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Die Klägerin behauptet, zum Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung keinerlei Probleme
mit der Schwangerschaft gehabt zu haben. Der behandelnde Gynäkologe habe sie nur
auf die Risiken einer Flugreise für das ungeborene Leben hingewiesen. Sie habe sich
damals in guter körperlicher Verfassung befunden und, da die bevorstehende Reise für
die Kläger von besonderer Bedeutung gewesen sei, sich für die Durchführung der Reise
entschieden. Erst ca. 1 Woche nach dem 29.09.2005 seien bei der Klägerin
Beschwerden aufgetreten, die dann zu dem Arztbesuch vom 10.10.1005 und dem
vorgenannten Attest geführt hätten.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 18.05.2006 – 121 C 107/06 – abzuändern
und die Beklagte zu verpflichten, an sie 2.055,15 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz der EZB seit dem 11.12.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass bereits der Umstand der
Zwillingsschwangerschaft einer 35-jährigen, erstgebärenden Frau die Annahme einer
Risikoschwangerschaft rechtfertige. Zudem weist sie darauf hin, dass die Kläger
unstreitig selbst in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 27.10.2005 ausgeführt haben,
sie hätten "trotz ärztlicher Einwände" überlegt, die Reise anzutreten, da diese von
besonderer Bedeutung für sie habe sein sollen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Kläger seien bereits überzahlt, da sie bei der
Berechnung der Versicherungsleistung irrigerweise nicht nur den Reisepreis, sondern
auch die Kosten für die Reisekostenrücktrittsversicherung mit zugrunde gelegt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.#
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist überwiegend begründet.
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Von einem grob fahrlässigen Versstoß gegen die Schadensminderungspflicht im Sinne
des § 62 VVG bzw. B § 1 Nr. 5 der Reiserücktrittsversicherungen kann vorliegend nur
ausgegangen werden, soweit die Kläger es verabsäumt haben, die Reise zwischen
dem 13. und 18. Tag vor Reiseantritt zu stornieren. Die Kläger müssen sich zwar
entgegenhalten lassen, dass der Gynäkologe - wie sie in ihrem Schreiben an die
Beklagte vom 27.10.2005 selbst erklärt haben - bereits zum Zeitpunkt der Feststellung
der Zwillingsschwangerschaft am 29.09.2005 Einwände gegen die geplante Reise, die
mit einem längeren Flug verbunden war, erhoben hat. Die Schwangerschaft bestand
damals ausweislich des ärztlichen Attestes in der 7./8. Schwangerschaftswoche. Es ist
allgemein bekannt, dass es gerade in der ersten Zeit einer Schwangerschaft allgemein -
und nicht nur bei Zwillingsschwangerschaften - bedenklich ist, Flugreisen zu
unternehmen. Von daher wären die Kläger auch wenn keine konkreten Beschwerden
am 29.09.2005 vorlagen, berechtigt gewesen, im Falle einer sofortigen Reisestornierung
die Beklagte in Anspruch zu nehmen. Denn jedenfalls angesichts der für Allgemeine
Geschäftsbedingungen geltenden Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB liegen
"Komplikationen in der Schwangerschaft" im Sinne der Reiserücktrittsversicherungen
auch dann vor, wenn sich in der Schwangerschaft als solcher zwar noch keine
Komplikationen ergeben haben, die Besonderheiten der Reise - wie etwa ein längerer
Flug - jedoch befürchten lassen, dass Komplikationen in der Schwangerschaft bei
Durchführung der Reise auftreten. Jedenfalls nach einer gewissen Bedenkzeit hätte es
sich den Klägern aufdrängen müssen, dass das Risiko einer langen Flugreise
angesichts der Schwangerschaft nicht eingegangen werden kann, nachdem der
behandelnden Gynäkologe auch Einwände gegen die Reise erhoben hatte. Allerdings
müssen die Kläger sich nicht als nicht zu entschuldigende Nachlässigkeit
entgegenhalten lassen, nicht bereits spätestens am nächsten Werktag nach dem
29.09.2005 die Reise storniert zu haben, denn es muss auch bedacht werden, dass das
Für und Wider eines nicht alltäglichen Urlaubs vor dem Hintergrund der gerade erst
bekannt gewordenen Schwangerschaft in Ruhe bedacht werden will.
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Bei einer Stornierung zwischen dem 13. und 18. Tag vor Reisebeginn hätte die
Stornostaffel 55 % des Reisepreises betragen, d.h. 2.450,80 €. Hierbei ist berücksichtigt,
dass die Kosten für die Reiserücktrittsversicherung in Höhe von 111,- € von den Klägern
in vollem Umfang zu tragen sind, denn die Leistungspflicht der Beklagten blieb ja
ungeachtet des Rücktritts vom Reisevertrag ungeschmälert.
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Abzuziehen ist sodann die Selbstbeteiligung in Höhe von 50 E sowie die vorgerichtlich
bereits erstatteten 913,40 €, so dass eine berechtigte Klageforderung in Höhe von
1.487,40 € zuzüglich Verzugszinsen verbleibt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr.
10, 713 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
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