Urteil des LG Köln vom 16.03.2005

LG Köln: geschäftsführung ohne auftrag, medienrecht, verbandsklage, kritik, papst, stadt, befreiung, werturteil, unterlassen, brief

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 28 O 604/04
16.03.2005
Landgericht Köln
28. Zivilkammer
Urteil
28 O 604/04
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/2.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Der Kläger zu 1) ist als stellvertretender Landesvorsitzender ehrenamtlich für den Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband NRW e.V. tätig. Der Kläger
zu 2) ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied des BUND Rhein-Sieg-Kreis. Der Beklagte zu
1) ist Parteivorsitzender des CDU-Kreisverbandes Köln, der Beklagte zu 2) war
Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt Köln und ist 1. Stellvertreter des
Oberbürgermeisters der Stadt Köln.
Die Kläger engagierten sich als Vertreter des BUND bei der Planung der
Abschlussveranstaltung des Weltjugendtages 2005, der vom 11. bis zum 21. August 2005
in Deutschland stattfinden wird. Nach Tagen der Begegnung in den einzelnen Bistümern
sollen sich die Gäste mit ihren Gastgebern zu zentralen Veranstaltungen im Erzbistum Köln
versammeln. Den Abschluss soll eine Papstmesse unter freiem Himmel bilden, zu der rund
eine Million Menschen erwartet werden. Als Standort dafür war durch die Weltjugendtags-
gGmbH (im Folgenden WJT-GmbH) anfangs ein Gebiet am Hangelarer Flughafen in St.
Augustin in die engere Wahl genommen. Diese Veranstaltungsfläche wurde durch die
Beklagten unterstützt, obwohl der Auswahl zahlreiche naturschutzrechtlich relevante
Schutzkategorien i.S.d. § 62 LG NW sowie planungsrechtliche Ausweisungen (geschützter
Landschaftsbestandteile gemäß Landschaftsplan Nr. 7; Bereich für den Schutz der Natur
gemäß Gebietsentwicklungsplan) entgegenstanden. Überdies waren zehn Flora-Fauna-
Habitat-Arten sowie ca. 130 gefährdete oder noch stärker bedrohte ROTE LISTE-Arten auf
dem Gelände nachgewiesen. Ein weiteres Problem war die mutmaßliche Belastung des
Geländes mit Kampfmitteln aus dem zweiten Weltkrieg, deren Beseitigung nicht nur
erhebliche finanzielle Mittel verschlungen hätte, sondern eine weitere Belastung der
Biotope mit sich bringen musste.
Ziel der WJT-GmbH war während der Planungen aber durchaus auch der Schutz
ökologischer Belange im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, wobei man sich über
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Umfang und Details im Unklaren war. Die Kläger äußerten fortlaufend Bedenken im
Hinblick auf die Eignung der Fläche, u.a. auch auf einem Workshop der WJT-GmbH am 13.
Februar 2004 und in einem Flugblatt vom 8. Februar 2004. Ihre Kritikpunkte wurden indes
nicht in die Sitzungsvorlage des Kreis-Umweltausschusses am 11. Februar 2004
aufgenommen, was vom BUND mit Schreiben vom 8. Februar 2004 gegenüber dem
Landrat des Rhein-Sieg-Kreises moniert wurde. Da aus Sicht der Kläger keine
hinreichende Auseinandersetzung mit naturschutzrechtlichen Belangen stattgefunden
hatte, legte der BUND in der Kreismitgliederversammlung am 29. März 2004 eine
Beschlussvorlage zur Durchführung einer Verbandsklage vor, die mit überragender
Mehrheit angenommen wurde. Die Landesdelegiertenkonferenz des BUND stimmte der
Verbandsklage am 24. April 2004 ebenfalls zu. Ein Festhalten an dem Standort hielt man
nur bei einer ökologisch tragbaren Umplanung der Veranstaltung für vertretbar. Zeitgleich
schlug man einen Alternativstandort vor.
Mit diesem Vorschlag wurde man erneut nicht gehört. Die untere Landschaftsbehörde
sprach vielmehr – trotz umfangreicher Eingaben des BUND vom 14. Juli und 9. August
2004 - eine Befreiung von den Verbotsvorschriften des Landschaftsrechts aus. Daraufhin
ersuchte der Landesverband Nordrhein-Westfalen des BUND das Verwaltungsgericht Köln
um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag, die zwischenzeitlich erteilte
Ausnahmegenehmigung/Befreiung zum Zwecke einer Kampfmitteldetektion auf dem
Gelände in Hangelar außer Vollzug zu setzen und ferner vorläufig jegliche Maßnahmen zu
unterlassen, die zu einer Beeinträchtigung der Biotope führen könnte. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Antragsschrift in Anlage K 8, Bl. 54 d.A. verwiesen. Kurz nach
Einreichung des Eilantrages nahmen die Organisatoren des Weltjugendtages von dem
Veranstaltungsort in Hangelar Abstand; eine gerichtliche Entscheidung erging nicht mehr.
Die Hintergründe der Entscheidung sind im Detail umstritten.
Das Geschehen war von einer Fülle kontroverser Presseveröffentlichungen begleitet. Die
Beklagten, welche kommunalpolitisch mit dem Scheitern in Hangelar in Verbindung
gebracht wurden, nahmen die Abbruchentscheidung zum Anlass, sich zur Sache zu
äußern. Auf der Internetseite www.cdu-koeln.de wurde unter der Überschrift ”CDU fordert
politische Folgen für Absage der Papstmesse in Hangelar” folgender Bericht (Anlage K 10,
Bl. 63 f. d.A.) verbreitet:
”Vor wenigen Tagen hat die Weltjugendtag GmbH mitgeteilt, dass sie wegen der
Schwierigkeiten, die der BUND bezüglich des ursprünglich vorgesehenen Geländes für die
Papstmesse in Hangelar macht, auf dieses Gelände verzichtet und im September 2004
neue Planungen an einem anderen Standort vorstellen wird. Seit dieser Meldung ist es still
geworden um die vom BUND provozierte Absage für Hangelar. Die CDU Köln kann sich
jedoch mit diesem ungeheuerlichen Vorgang nicht abfinden und fordert politische
Konsequenzen, insbesondere auch im Hinblick auf evtl. zukünftige Planungen.
Der Kölner Parteivorsitzender S, der Fraktionsvorsitzende N und mit Ihnen viele
Christen aus Köln fragen sich, kann es sein, dass einige militante BUND – Funktionäre
verhindern können, das der Papst eine Messe mit ca. 800.000 Jugendlichen aus der
ganzen Welt in Hangelar feiert. Dies fragt man sich umso mehr, wenn man weiß, dass die
Weltjugendtag GmbH zugesagt hat, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die
bedrohten Kröten und Gräser zu schützen. ”Dies kann nicht so einfach hingenommen
werden und wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Hier müssen auf politischer
Ebene nun Konsequenzen gezogen werden, damit zukünftig derartige
Behinderungstaktiken auch rechtlich nicht mehr möglich sind” fordert der Kölner CDU-
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Vorsitzende S alle Bundes – und Landespolitiker auf, die einschlägigen Gesetze
entsprechend zu ändern.
Der Fraktionsvorsitzende der Kölner CDU im Rat der Stadt Köln N fordert darüber
hinaus, dass sich der Regionalrat Köln in seiner nächsten Sitzung mit diesem ”Trauerspiel
deutscher Umweltbürokratie” auseinandersetzt und in einer Resolution diesen Vorgang
ebenfalls brandmarkt sowie die Forderung gegenüber Bundesregierung und
Landesregierung zur Abänderung der Gesetze und Verordnungen unterstützt. Er erklärt
hierzu: ”Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nicht mehr gewährleistet, wenn die
berechtigten Interessen von Millionen von Gläubigen hinter destruktiven BUND –
Überlegungen gestellt werden müssen. Dies muss alsbald geändert werden.”
Die Beklagten wurden am 9. September 2004 unter Fristsetzung fruchtlos zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung betreffend einiger Passagen des Artikels etc.
aufgefordert. Wegen der Einzelheiten der Schreiben wird auf die Anlagen K 12 und K 13,
Bl. 66 d.A. verwiesen.
Die Kläger sind der Ansicht, die Gesamterklärung der Beklagten sei auch unter
Berücksichtigung der darauf aufbauenden Wertungen im Kern eine Tatsachenbehauptung,
die bewusst unwahre Elemente enthalte. So sei die Einordnung der Kläger als ”militante
Funktionäre” unwahr und geeignet, diese in ihrer Funktion als ehrenamtliche und
demokratisch legitimierte Mitglieder in einer anerkannten Organisation in Ehre und
Persönlichkeit zu verletzten. Die Kläger seinen jedem interessierten Leser, der die
Angelegenheit verfolgt habe, unmittelbar auch ohne Namensnennung erkennbar, zumal sie
als maßgebliche Vertreter des BUND aufgetreten sind. Die Folgen zeige ein anonymer
Brief vom 8. September 2004, der an das Ökozentrum des BUND in Bonn gerichtet war und
der zertretene Amphibien enthalten hat (vgl. Anlage K 11, Bl. 65 d.A.). In der Sache sei die
Wahl der Verbandsklage als Mittel der Auseinandersetzung nicht als ”militant” zu
beanstanden, weil es sich um ein gesetzlich gewolltes Instrument zum Zwecke der
Kontrolle der Verwaltung handele.
Die Kläger behaupten, dass die Einreichung der Antragsschrift durch den BUND – und
gerade nicht durch die Kläger persönlich, welche nur aus ihrer demokratisch legitimierten
Funktion heraus gehandelt hätten – sei zudem nicht für den Abbruch (sondern allenfalls
den Zeitpunkt) entscheidungserheblich. Hintergrund seien allein die vorhandenen und in
der Antragsschrift nur nochmals gerügten Planungsmängel und Finanzierungsprobleme.
Vor diesem Hintergrund sei es weder wahr, dass die Kläger die Papstmesse ”verhindert”
hätten noch dass man eine Zusage der WJT-GmbH zur Durchführung aller notwendiger
Umweltschutzmaßnahmen gehabt habe. Die Bezeichnung als ”militante” Funktionäre stelle
jedenfalls eine unzulässige Schmähkritik dar, da allein die Diffamierung der Kläger im
Vordergrund stehe. ”Militant” meine ”mit gewaltsamen Mitteln für eine Überzeugung
kämpfend”; dies werde der demokratischen Legitimation der Kläger und der Tatsache, dass
man mit dem Antragsrecht nach § 12 b Abs. 1 LG NW nur ein gesetzliches Instrumentarium
regelgerecht angewandt habe, nicht gerecht.
Angesichts der Verletzungshandlung stehe den Klägern ferner ein Freistellungsanspruch
für nicht anrechnungsfähige Anwaltskosten zu.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagten bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise
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Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu verurteilen, es zu unterlassen,
wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten die Kläger
seien ”militante BUND – Funktionäre” und das diese ”verhindern können, dass der Papst
eine Messe mit ca. 800.000 Jugendlichen aus der ganzen Welt in Hangelar feiert. Dies fragt
man sich um so mehr, wenn man weiß, dass die Weltjugendtag GmbH dem BUND
zugesagt hat alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die bedrohten Kröten und
Gräser zu schützen.”
2. Die Beklagten zu verurteilen, die Kläger von der Kostenrechnung der Rechtsan-
wälte T, Siegburg mit der Kundennummer ####1
in Höhe von 770,59 € freizustellen.
Hilfsweise beantragen sie,
festzustellen, dass die Tatsachenbehauptung der Beklagten ”dass einige militante
BUND-Funktionäre verhindern (..), dass der Papst eine Messe mit ca. 800.000
Jugendlichen aus der ganzen Welt in Hangelar feiert. Dies fragt man sich um so mehr,
wenn man weiß, dass die Weltjugendtag GmbH dem BUND zugesagt hat alle notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen, um die bedrohten Kröten und Gräser zu schützen.” nicht
erweislich wahr sind.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Kläger seien durch den Bericht mangels namentlicher Nennung
schon nicht betroffen. Zudem habe die Kritik an der Verbandsklage im Vordergrund
gestanden, nicht Kritik an den Klägern in Person. Mit der Formulierung ”militant” von lat.
miles = ”kriegerisch” habe man zum Ausdruck gebracht, dass das Instrument der
Verbandsklage unverantwortlich missbraucht worden sei. Es handele sich um Werturteile,
die im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung die Grenze zur unzulässigen
Schmähkritik nicht überschreiten. Kritikwürdig sei zudem, dass andere Naturschützer das
ursprüngliche Konzept akzeptiert hätten. Der BUND habe nur einseitig versucht, weitere
Zugeständnisse gegen ”Freigabe” des Areals zu erreichen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von diesen zu den Akten
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage hat weder mit dem Haupt – noch dem Hilfsantrages Erfolg.
1. Der begehrte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts aus §
823 Abs. 1 BGB i.V.m. §1004 BGB analog steht den Klägern nicht zu.
a) Schon im Ansatz fraglich ist bereits, ob die Kläger selbst durch die streitgegenständliche
Berichterstattung überhaupt betroffen sind – was jedoch Voraussetzung für einen
Unterlassungsanspruch ist (vgl. Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.43 ff.). Zwar ist eine individuelle Betroffenheit im
Sinne einer Erkennbarkeit einzelner Personen (BGH NJW 1993, 930, 931; Prinz/Peters,
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Medienrecht, 1999, Rn 305) nicht nur bei expliziter namentlicher Nennung zu bejahen,
sondern schon gegeben, wenn sich dem Durchschnittsleser die Identität des Betroffenen
durch Hinzuziehen weiterer Medien oder dem Kontext erschließt (LG Berlin, NJW-RR
1992, 1379, 1380; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn 305; Burkhardt, in: Wenzel, das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.54 f.). Insoweit sind die
Kläger damals in der Presseberichterstattung über die Ereignisse sicherlich als namhafte
Vertreter des BUND besonders im Fokus der Öffentlichkeit gewesen. Dennoch spricht die
Erstmitteilung nur ganz pauschal von ”BUND-Funktionären” und bezieht sich gerade auf
die Wahrnehmung gesetzlich verbriefter Rechte durch den BUND. Wird eine Gruppe
angesprochen, sind die Angehörigen derselben im Allgemeinen aber nicht ohne weiteres
als betroffen anzusehen (Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.51). Dass insoweit erhebliche Unsicherheiten
bestehen, zeigt sich auch daran, dass die Kläger selbst im Rahmen ihrer strafbewehrten
Unterlassungserklärung von den Beklagten noch eine explizite Bestätigung einholen
wollten, dass diese mit der streitgegenständlichen Passage ”insbesondere” (!) die Kläger
”gemeint” haben (vgl. den ersten Absatz der vorformulierten Erklärung auf Bl. 65 d. A). Auch
soweit die Kläger sich speziell durch den anonymen Brief mit den zertretenen Amphibien
betroffen fühlen, ist festzustellen, dass auch dieser gerade nicht an die Kläger persönlich,
sondern an den BUND (als Gruppierung) gerichtet ist.
b) Letztlich mag diese Frage aber dahinstehen. Denn selbst bei unterstellter
Betroffenheit/Erkennbarkeit der Kläger stellt die angegriffene Äußerung der Beklagten
keine Verletzung von deren Persönlichkeitsrechten dar.
aa) Insbesondere ist die angegriffene Äußerung keine Tatsachenbehauptung, so dass es –
anders als die Kläger meinen - nicht auf ihren Wahrheitsgehalt ankommt. Die
streitgegenständliche Passage ist insgesamt als bloße Meinungsäußerung zu bewerten.
Das gilt augenscheinlich für die Bewertung und Einordnung als ”militante BUND-
Funktionäre”, die nur ein pauschales Werturteil vergleichbar der Einordnung eines
Politikers als ”Zwangsdemokrat” zum Ausdruck bringt (dazu BVerfG, NJW 1991, 95). Dass
es sich um eine reine Meinungsäußerung handelt, gilt aber auch für den Rest der
angegriffenen Erstmitteilung. Denn für die Beantwortung der Frage, ob eine
Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, ist allein auf den
Gesamtzusammenhang und den Kontext abzustellen, in dem die Äußerung gefallen ist
(BGH, NJW 1996, 1131, 1133; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn 7). Eine
Meinungsäußerung ist durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des
Meinens geprägt (BVerfG, NJW 1983, 1415; NJW 2003, 277; Burkhardt, in: Wenzel, das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.48 ff.). Auch soweit einem
Werturteil ein als solches vielleicht noch dem Beweise zugänglicher Tatsachenkern
zugrunde liegt, kommt es für die Einordnung maßgeblich darauf an, ob der tatsächliche
oder der wertende Charakter im konkreten Fall überwiegt und die Elemente ohne
Sinnentstellung voneinander zu lösen sind. Ein Überwiegen des Meinungscharakters ist
anzunehmen, wenn – wie hier - der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist,
dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt (BVerfG, NJW-RR 2001,
411; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 11; Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort-
und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.50). Wird eine Äußerung – wie vorliegend - in
entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme geprägt, ist sie aber als
Meinungsäußerung in vollem Umfang durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt (st. Rspr. BGH,
NJW 1996, 1131; 2002, 1192; vgl. auch Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.50, 52 f.). Eine isolierte Betrachtung und
atomisierende Aufspaltung einzelner Teile der Äußerung ist dann unzulässig, wenn es –
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wie im vorliegenden Fall – um pauschale Behauptungen und Urteile geht, zumal bei
fehlender klarer Trennbarkeit im Zweifel ohnehin insgesamt von einer Meinungsäußerung
auszugehen ist (BVerfG, NJW 1992, 1439, 1440; BGH, NJW 1994, 124, 126).
Hier ergibt sich aus dem Gesamtkontext, dass es den Beklagten mit ihren Äußerungen
darum ging, die rechtlich gewährten Handlungsmöglichkeiten für die Wahrnehmung des
Umweltschutzes aus aktuellem Anlass zu hinterfragen. Dies zeigt sich deutlich an der
Überschrift des Artikels, mit der ”politische Folgen” gezogen werden sollen und maßgeblich
an der Äußerung des Beklagten zu 1) ” Hier müssen auf politischer Ebene nun
Konsequenzen gezogen werden, damit zukünftig derartige Behinderungsaktionen auch
rechtlich nicht mehr möglich sind.” Dies wird gefolgt von der Aufforderung ”die
einschlägigen Gesetze entsprechend zu verändern.” In die gleiche Richtung geht die
Forderung des Beklagten zu 2) einer ”Abänderung der Gesetze und Verordnungen”. Wenn
die Beklagten in diesem Kontext davon sprechen, dass die Kläger die Papstmesse
”verhindert” haben, wird dann auch der Begriff des ”Verhinderns” vor dem Hintergrund der
Ereignisse maßgeblich von Elementen der Stellungnahme und Bewertung geprägt, zumal
zu Beginn des Textes nur von einer vom BUND ”provozierten” Absage gesprochen wird.
Aber selbst wenn man daraus (etwa hinsichtlich der Frage der Kausalität für die
Abbruchentscheidung) einen dem Beweis zugänglichen ”Tatsachenkern” herausschälen
wollte, tritt dieser hinter die in eine Art rhetorische Frage gekleidete Stellungnahme zurück,
dass man sich frage, ob es dem BUND möglich sein könne, gegen die Papstmesse bzw.
den Veranstaltungsort der Papstmesse erfolgreich vorzugehen. Die Formulierung zielt nicht
auf eine inhaltlich nicht feststehende Antwort, vielmehr haben die Fragenden damit deutlich
gemacht, dass die richtige Antwort aus ihrer Sicht nur ein klares ”Nein” zu sein hat – was
aber eine reine Bewertung der Vorgänge darstellt. Gleiches gilt für die ggf. auch in
Teilbereichen einen Tatsachenkern enthaltende Äußerung, der WJT-GmbH habe
Umweltschutzmaßnahmen zugesagt. Auch dies steht in untrennbarem Zusammenhang mit
der vorangegangen Beurteilung. Gerade dort steht ferner maßgeblich eine zusätzliche
Bewertung im Raum: Es geht darum, dass die WJT-GmbH ”alle notwendigen” Maßnahmen
zugesagt haben soll. Gerade die ”Notwendigkeit” ist aber erneut allein Frage des
Dafürhaltens und war auch damals Kern der Diskussionen um das Gelände. Denn im
Detail war unklar und auch allein Frage des jeweiligen politischen Standpunkts, welche
Maßnahmen ”erforderlich” und ”notwendig” gewesen wären, um die - nicht von der Hand zu
weisenden - Umweltschutzbelange in Hangelar hinreichend zu wahren.
bb) Selbst wenn man letzteres anders beurteilen wollte und die beiden Passagen als
Tatsachenelemente herausstellen wollte, stände den Klägern dennoch kein
Unterlassungsanspruch zu. Denn diese Tatsachen sind nicht unwahr. So räumen die
Kläger selbst in der Klageschrift ein, dass die Verbandsklage des BUND zumindest
mitursächlich für die Abbruchentscheidung zum konkreten Zeitpunkt gewesen ist, da man
Planungsmängel und rechtliche Bedenken erneut vor Augen geführt habe und endlich
gehört worden sei. Gerade das Thema ”Kampfmittelräumung” wurde vom BUND seit
längerer Zeit thematisiert (vgl. auch S. 3 der als Anlage K 8 zu den Akten gereichten
Antragsschrift vom 9. August 2004, Bl. 56 d.A.). Auf dieser Tatsachenbasis darf aber fraglos
von einem ”Verhindern” gesprochen werden. Soweit ferner geäußert wurde, dass die WJT-
GmbH Maßnahmen ”zugesagt hat...”, ist auch dies nach dem übereinstimmenden
Parteivortrag nicht unwahr, da durchaus gewisse Planungen der WJT-GmbH zur Wahrung
von Umweltbelangen vorgenommen wurden. Streitpunkt ist allein die Frage, ob dies
ausreichend war und alle ”notwendigen” Maßnahmen zugesagt wurden. Dies jedoch ist
wieder allein eine Frage der Bewertung und enthält gerade keinen dem Beweis
zugängliche Tatsachenkern.
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cc) Schließlich stellt auch die Einordnung als ”militante BUND-Funktionäre” – so sie denn
die Kläger betrifft (s.o.) - keine unzulässige ”Schmähkritik” dar. Die insofern von den
Beklagten getätigte Meinungsäußerungen verletzt die Kläger daher auch unter diesem
Aspekt nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht. Denn das Recht zur freien Meinungsäußerung
garantiert es jedermann, seine Meinung zu äußern. Werturteile sind von Artikel 5 Abs. 1 GG
durchweg geschützt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung ”wertvoll” oder
”wertlos”, ”richtig” oder ”falsch”, emotional oder rational begründet ist (BVerfGE 7, 198, 208
f.; 33, 1, 14 f.; BVerfG, NJW 1992, 2815, 2816; Prinz/Peters, Medienrecht 1999, Rn. 4). Die
Meinungsfreiheit tritt nur dann hinter den grundrechtlich geschützten Achtungsanspruch
des Einzelnen zurück, wenn die Äußerung eine reine Schmähkritik darstellt (BVerfGE 61,1,
12; BVerfG, NJW 1993, 1462). Überzogene und selbst ausfällige Kritik wird – gerade bei
Fragen von öffentlichem Interesse wie der vorliegenden - davon aber nicht ohne weiteres
erfasst. Schmähkritik liegt nur vor, wenn die Auseinandersetzung sich von der Sache völlig
löst und allein auf die Diffamierung und Herabsetzung der Person angelegt ist (BVerfG,
NJW 1993, 1462; 2000, 3421, 3422; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 91; Burkhardt, in:
Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.97 ff.). So liegt
der Fall hier nicht, denn dies ist erst anzunehmen, wenn die Kritik auch aus Sicht des
Kritikers keine verwertbare Grundlage mehr enthält, sondern auf eine vorsätzliche
Ehrkränkung abzielt (Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung,
5. Aufl. 2003, Rn. 5.97). Solange aber – wie hier - noch ein gewisser sachlicher Bezug
besteht, handelt es sich gerade noch nicht um Schmähkritik (BGH, NJW 1987, 1398;
Prinz/Peters, Medienrecht 1999, Rn 93). Die Äußerung ”militante BUND –Funktionäre”
steht nach dem Kontext allein vor dem Hintergrund der politischen Kontroversen um die
damaligen Geschehnisse und um den Gebrauch der rechtlichen Mittel der Verbandklage
durch den BUND. Dass dann das Bedürfnis für dieses gesetzliche Instrumentarium von den
Beklagten vor dem Hintergrund der Ereignisse in Frage gestellt wird, zeigt gerade, dass es
um eine sachliche Auseinandersetzung im politischen Meinungskampf geht, bei der
keinesfalls nur einzelne Personen diffamiert werden sollen. Speziell das Wort ”militant” ist
auch keinesfalls grob ehrabschneidend. Legt man den Begriff im Lichte der
Meinungsfreiheit aus, wird damit nur ein besonders vehementes und ggf. auch als
uneinsichtig/verbohrt bewertetes Eintreten für die eigene Auffassung zum Ausdruck
gebracht. Dies stellt aber allein noch keine unzulässige Diffamierung der Person dar,
ähnlich der bereits angesprochenen Bewertung als ”Zwangsdemokrat”.
2. Mangels Verletzungshandlung ist dann auch der Zahlungsantrag zu 2) – der sich auch
im Presserecht gemäß wettbewerbsrechtlicher Grundsätze verschuldensunabhängig über
das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag hätte konstruieren lassen
(Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 929) - unbegründet.
3. Der Hilfsantrag ist nach Auffassung der Kammer zwar zulässig, hätte er als Vorfrage
auch an sich im Wege der Zwischenfeststellungsklage erhoben werden können und mögen
bei der Feststellung der Unwahrheit einer Behauptung teilweise auch Bedenken am
Vorliegen eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 ZPO geäußert werden (vgl. Reichold, in:
Thomas/Putzo, 26. Auflage, § 256 Rn. 10). Der Antrag ist jedoch nach dem Vorgenannten
unbegründet, weil Werturteile und Meinungsäußerungen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt
überprüft werden können bzw. ein etwa enthaltener Tatsachenkern hier keine unwahre
Behauptungen enthält.
II.
Die Nebenentscheidungen basieren auf §§ 91, 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Streitwert: