Urteil des LG Köln vom 26.03.2008

LG Köln: grobe fahrlässigkeit, wohnung, mangel, widerklage, anschlussberufung, vermieter, gemälde, unterlassen, sorgfalt, beweislast

Landgericht Köln, 10 S 190/07
Datum:
26.03.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 190/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 223 C 78/03
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln
vom 17.4.2007 – 223 C 78/03 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird der Kostentenor des Urteils
des Amtsgerichts Köln vom 17.4.2007 – Az. wie vor – abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Berufungsverfahren 10 S 357/05 LG Köln werden dem
Kläger zu 18 % auferlegt; die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die
Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I. Zwischen den Parteien bestand ein – mittlerweile beendetes – Mietverhältnis
über eine Altbauwohnung in Köln. Die Beklagte, Mieterin, räumte die Wohnung
Mitte April 2003. Nach der Räumung der Wohnung hat der Kläger gegen die
Beklagte Klage auf Zahlung von 12.033,94 € wegen unterlassener
Schönheitsreparaturen erhoben. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage
Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von 89.036,96 € wegen durch
Feuchtigkeit verursachter Schäden an von ihr in die Wohnung eingebrachten
Sachen – Gemälde, Bücher, diverse Schuhe, Lederjacke, Lederkoffer, Ledersofa -
geltend gemacht. Das Amtsgericht hat durch Teilurteil vom 29.11.2005 – 223 C
78/03 AG Köln - die Klage in voller Höhe und die Widerklage in Hinblick auf
Substantiierungsmängel in Bezug auf einen Teil der angeblich beschädigten
Sachen in Höhe von 55.726,96 € abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 29.11.2005 – 223 C 78/03 –
verwiesen.
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Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten hat die Kammer durch Urteil
6.9.2006 – 10 S 357/05 – die Berufung des Klägers zurückgewiesen und das o.g.
Urteil des AG Köln vom 29.11.2006, soweit über die Widerklage entschieden
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worden ist, als unzulässiges Teilurteil aufgehoben und die Sache insoweit zur
weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Amtsgericht
zurückverwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil der
Kammer vom 6.9.2006 – 10 S 357/05 – verwiesen. Durch Schlussurteil vom
17.4.2007 hat das Amtsgericht – 223 C 78/03 AG Köln - die Widerklage der
Beklagten abgewiesen; die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Kläger, die
Kosten des Rechtsstreit der ersten Instanz dem Kläger zu 12% und der Beklagten
zu 88% auferlegt worden. Das Amtsgericht hat zur Begründung im wesentlichen
ausgeführt, die Beklagte habe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass
ein Mangel an der Mietsache dazu geführt habe, dass eingelagerte Gegenstände
beschädigt worden seien. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Urteil des
Amtsgerichts Köln vom 17.4.2007 – 223 C 78/03 – verwiesen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte weiterhin
im wesentlichen geltend, dass Feuchtigkeit und daraus resultierend
Schimmelbefall bestanden habe. Nachdem es mehrere Wasserrohrbrüche
gegeben habe, die behoben worden seien, und der Kläger erklärt habe, dass
nunmehr keine Feuchtigkeitsschäden mehr möglich seien, habe sie erst die Bilder
im Souterrain gelagert. Sie habe ausreichend gelüftet; eine tägliche oder auch nur
routinemäßige Überprüfung sei aber nicht erforderlich gewesen. Sie vertritt die
Ansicht, der Kläger habe das Nichtvorliegen baulicher Mängel darzulegen und zu
beweisen. Sie behauptet, ihre Gemälde seien bei der Einlagerung einwandfrei
gewesen; beim Auszug sei der Mangel letztlich festgestellt und angezeigt worden.
Da auch an anderen Gegenständen Schimmel aufgetreten sei, sei auf zu hohe
Feuchtigkeit zu schließen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an sie 89.036,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,
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unter teilweise Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Köln vom
17.4.2007 (223 C 78/03) über die Kosten dahin zu entscheiden, dass die
Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz der Kläger zu 12% und die
Beklagte zu 88% sowie die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu
18% und die Beklagte zu 82% tragen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit die Widerklage
abgewiesen worden ist. Im übrigen beantragt er die Abänderung der
erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Wege der Anschlussberufung.
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In der mündlichen Verhandlung vom 27.2.2008 hat die Beklagte persönlich
vorgetragen, sie habe im September 2002 in Süddeutschland einen Unfall erlitten
und sei dort zwei Monate lang stationär behandelt worden; als sie in die Wohnung
zurückgekehrt sei, seien die Wände, die vor ihrem Aufenthalt in Süddeutschland
noch trocken gewesen seien, schwarz gewesen.
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II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die
Anschlussberufung des Klägers ist hingegen die Kostenentscheidung erster
Instanz abzuändern.
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1) Der Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz
gemäß § 536 a Abs. 1 BGB zu. Zwar folgt die Kammer nicht der von dem
Amtsgericht vertretenen Auffassung, wonach es Sache der Beklagten sei
darzulegen, welche Ursachen zu der von ihr behaupteten erhöhten Feuchtigkeit in
der angemieteten Wohnung geführt hat. Vielmehr hat der Vermieter darzulegen
und ggfs. zu beweisen, dass eine erhöhte Feuchtigkeit und Schimmelbildung
nicht auf einen bauseitigen Mangel zurückzuführen ist (Schmidt-
Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB, Rn. 454 m.w.N.).
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Die Anspruchsvoraussetzungen liegen indes auch dann nicht vor, wenn man das
Vorhandensein eines zu erhöhter Feuchtigkeit in der Wohnung führenden
bauseitigen Mangels als gegeben unterstellt. Auch kann dahin stehen, ob der
Vermieter einen als gegeben unterstellten bauseitigen Mangel zu vertreten hat,
was allerdings nahe liegt, da die vertragliche Haftungsbeschränkung gemäß § 14
des hier maßgeblichen, im Jahre 1999 geschlossenen Mietvertrages, mit dem die
Haftung ausgeschlossen ist, sofern der Vermieter nicht Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten hat, gemäß § 9 AGBG unwirksam sein dürfte (vgl. zu
einer ähnlichen Fallgestaltung BGH RE v. 24.20.2001, VIII ARZ 1/01, NJW 2002,
673 ff.) und zudem seitens des Klägers nicht dargetan ist, dass er alles
Erforderliche zur Vermeidung von erhöhter Feuchtigkeit getan hätte.
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Der Mieter ist jedoch gemäß § 536 c Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB nicht berechtigt,
Schadensersatz zu verlangen, wenn er die gemäß § 536 c Abs. 1 S. 1 BGB
gebotene Anzeige unterlassen hat und der Vermieter infolge der Unterlassung der
Anzeige nicht Abhilfe schaffen konnte. Die Anzeigepflicht verletzt nicht nur, wer
einen Mangel erkannt hat und nicht anzeigt, sondern auch, wenn der Mangel
infolge grober Fahrlässigkeit vom Mieter übersehen worden ist, d.h. wenn der
Mangel jedem Mieter bei Beachtung der üblichen Sorgfalt hätte auffallen müssen
(BGHZ 68, 281 ff. – zitiert nach juris; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 c BGB,
Rn. 10).
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Bereits auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten ist davon auszugehen,
dass sie ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat ihren
Vortag bezüglich der Umstände des ersten Entdeckens von Schimmel in der
Wohnung in der mündlichen Verhandlung dahin präzisiert, dass sie im September
2006 in Süddeutschland einen Unfall erlitten habe und zwei Monate in einem
Krankenhaus stationär behandelt worden sei; als sie in ihre Wohnung
zurückgekehrt sei, seien die Wände, die vor dem Aufenthalt in Süddeutschland
noch trocken gewesen seien, schwarz gewesen. Der Beklagten war also die hohe
Feuchtigkeit in der Wohnung seit ihrer Rückkehr in ihre Wohnung noch vor Ende
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des Jahres 2002 positiv bekannt. Das Auftreten von Schimmel an den Wänden
hätte sie dem Kläger alsbald anzeigen müssen, damit Gegenmaßnahmen
ergriffen werden konnten, um eine weitere Verschlechterung der Mietsache wie
auch der eingebrachten Sachen zu verhindern. Gleichwohl hat sie unstreitig eine
Anzeige der signifikanten Verschlechterung des Mietobjektes unterlassen.
Darüber hinaus fällt ihr auch für die Zeit vor Ende des Jahres 2002 grobe
Fahrlässigkeit zur Last. Schimmel bildet sich nicht derart plötzlich aus, dass
buchstäblich von heute auf morgen die Wände schwarz werden. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass sich Flecken zeigten, bevor die Wände schwarz
geworden sind. Zudem ist eine starke Schimmelbildung regelmäßig mit der
Ausbreitung eines eigentümlichen muffigen Geruchs verbunden, dies
insbesondere, wenn eine Schimmelausbildung nicht nur zur Beschädigung von
Gemälden und Büchern geführt hat, wofür schon eine geringe, kaum
wahrnehmbare Schimmelbildung ausreichen mag, sondern sogar hochwertige
Bergschuhe - wie die Beklagte geltend macht - zerstört worden sind. Zu einer über
die Ausbildung von Nässekränzen und von oberflächlichem abwaschbarem
Schimmel hinaus gehende Zerstörung von hochwertigen Bergschuhen kann es
nämlich nach der Lebenserfahrung nur kommen, wenn sie dauerhaft völlig
durchnässt waren. Es ist ausschließbar, dass es einem Mieter, der die Wohnung
regelmäßig betritt, um diese beispielsweise pflichtgemäß zu lüften, bei Beachtung
der üblichen Sorgfalt entgangen sein konnte, dass es in den Räumen muffig roch
und sich Schimmelflecken zeigten. Soweit sich die Beklagte wegen ihrer
Erkrankung über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten nicht in ihrer Wohnung
aufgehalten hatte, hätte sie jemanden anderen damit beauftragen müssen, für sie
die ihr obliegenden Pflichten wahrzunehmen und die Wohnung regelmäßig –
gemäß § 10 Abs. 1 des Mietvertrages ganzjährig mindestens zweimal täglich - zu
lüften. Soweit sie jemanden damit beauftragt haben sollte, kann dieser aus den
soeben dargelegten Gründen seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß
nachgekommen sein. Für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen hat der
Mieter indes gemäß § 278 BGB einzustehen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid,
§ 536 c BGB Rn. 29).
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Von der Verpflichtung, regelmäßig zu lüften, was auch zu einer früheren
Entdeckung von erhöhter Feuchtigkeit in der Wohnung geführt hätte, war die
Beklagte nicht wegen Erklärungen des Klägers in Bezug auf zu erwartende
Feuchtigkeit entbunden. Zwar kann sich auch durch die individuelle
Vertragsgestaltung das Maß der den Parteien obliegenden Obhutspflichten
ergeben (BGHZ 68, 281 ff. – zitiert nach juris). Soweit die Beklagte geltend macht,
der Kläger habe ihr gegenüber bezüglich der Feuchtigkeit eine Garantieerklärung
abgegeben, ist angesichts der Divergenzen im Vortrag zum Inhalt der angeblichen
Erklärung schon nicht erkennbar, was genau der Kläger gesagt haben soll; so soll
der Kläger gesagt haben, dass von ihm getroffenen Maßnahmen eine
Wiederholung (gemeint offenbar: die Wiederholung von Wassereinbrüchen)
verhinderten (Schriftsatz vom 29.8.2005, S. 2), oder, dass die Räume trocken
seien (Schriftsatz vom 11.10.2005, S. 2) oder, dass eine Trockenheit "garantiert"
sei ( Schriftsatz vom 16.10.2006, S. 2), oder, dass das Souterrain unbedenklich
nutzbar sei (Schriftsatz vom 30.1.2007, S. 2). Jedenfalls kann dem in keinem Fall
entnommen werden, dass die Beklagte von der Pflicht, regelmäßig zu lüften, oder
sonst von Obhutspflichten entbunden worden wäre.
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Die Beklagte ist daher mit der Geltendmachung der Schäden ausgeschlossen, die
in der Zeit entstanden sind, als der Mangel für jeden deutlich erkennbar war,
jedenfalls bezüglich der Schäden, die seit ihrer Rückkehr aus Süddeutschland an
den von ihr eingebrachten Sachen entstanden sind. Es kann davon ausgegangen
werden, dass der Vermieter nach einer Anzeige von Feuchtigkeitserscheinungen
Abhilfe hätte schaffen können, beispielsweise durch Herabsetzung der relativen
Luftfeuchte mit Hilfe eines Raumluftentfeuchters und durch Zur-Verfügung-Stellen
von Lagerräumlichkeiten für empfindliche Bücher und Gemälde, wodurch einer
Beschädigung der eingebrachten Sachen oder jedenfalls eine Ausweitung von
Schädigungen hätte begegnet werden können. Der Umstand, dass es wegen der
Nichtanzeige der Schimmelbildung und der so bewirkten Verhinderung von
Gegenmaßnahmen nicht möglich ist festzustellen, wann genau die von der
Beklagten – so ihr Vortrag – erst bei ihrem Auszug Mitte März entdeckten
Schäden an den von ihr eingebrachten Sachen entstanden sind, wobei es hoch
wahrscheinlich erscheint, dass ein nicht unerheblicher Teil der Schäden gerade
auch in den letzten Monaten entstanden ist, geht zu Lasten der Beklagten. Der
Mieter trägt nämlich die Beweislast dafür, dass es auch bei rechtzeitiger Anzeige
zu demselben Schaden gekommen wäre (zur Beweislast des Mieters für den
fehlenden Kausalzusammenhang zwischen der Nichtanzeige des Mangels und
dem entstandenen Schaden vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 c BGB Rn.
30, 42).
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Die Berufung der Klägerin gegen amtsgerichtliche Urteil war daher
zurückzuweisen.
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2) Auf die Anschlussberufung des Klägers war die Kostenentscheidung erster
Instanz abzuändern. Gegenstand des Berufungsverfahrens 10 S 357/05 LG Köln
ist nicht nur die Klage gewesen, über die schließlich mit Urteil der Kammer vom
6.9.2006 rechtskräftig entschieden worden ist, sondern auch ein Teil der von der
Beklagten mit ihrer Widerklage – letztlich erfolglos – geltend gemachten
Ansprüche. Daher ist eine Quote entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen
entsprechend dem Streitwert von Klage und Widerklage in jenem
Berufungsverfahren (vgl. Streitwertfestsetzung im Anschluss an das Urteil der
Kammer vom 6.9.2006) zu bilden, die sich für den Kläger auf 18% beläuft.
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3) Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen im übrigen aus §§ 97 Abs. 1,
92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
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für die Berufung: 89.036,96 €;
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für die Anschlussberufung: bis 13.000 €.
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