Urteil des LG Köln vom 18.02.2009
LG Köln: treu und glauben, ärztliches gutachten, invaliditätsgrad, abrechnung, unfallfolgen, versicherer, empfehlung, unfallversicherung, sicherheitsleistung, vollstreckbarkeit
Landgericht Köln, 25 O 591/04
Datum:
18.02.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 O 591/04
Tenor:
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den
Kläger 24.159,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.4.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 7/10 der Kläger und zu 3/10 die
Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
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Der Kläger begehrt mit der Klage Leistungen aus einer bei der Beklagten bestehenden
Unfallversicherung, der u.a. die AUB 61 zugrundeliegen. Die Versicherungssumme ist
für den Invaliditätsfall mit 225.000,00 DM/115.041,00 € als Kapitalzahlung mit
Progression vereinbart. Dabei ist vorgesehen:
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Die Invaliditätsentschädigung erfolgt nach dem festgestellten Invaliditätsgrad aus der
vereinbarten Versicherungssumme. Darüber hinaus gilt folgendes:
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a. Für jedes Prozent, das den Invaliditätsgrad von 25 % übersteigt, zahlt der
Versicherer zusätzlich 2 % aus der Versicherungssumme;
b. Für jedes Prozent, das den Invaliditätsgrad von 50 % übersteigt, zahlt der
Versicherer zusätzlich weitere 1 % aus der Versicherungssumme.
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Der Kläger erlitt am 25.11.2000 als Motorradfahrer einen Unfall. Wegen der dauernden
Unfallfolgen hat die Beklagte vorprozessual nach Einholung eines Gutachtens an den
Kläger auf der Grundlage eines Gesamtinvaliditätsgrades von 40 % Leistungen
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erbracht, wobei sie auf der Grundlage dieses eingeholten Gutachtens Dr. T von
folgenden Werten nach der Gliedertaxe ausgegangen ist: Invalidität rechtes Bein 1/10;
linkes Bein 4/10; linker Arm 1/14. Vorprozessual gezahlt: wurde von der Beklagten an
den Kläger ein Betrag in Höhe von insgesamt 80.527,88 €.
Der Kläger verlangt mit der Klage von der Beklagten weitergehende Leistungen auf der
Grundlage eines unfallbedingten Gesamtinvaliditätsgrades von 77 %. Dazu trägt er
insbesondere vor, der Invaliditätsgrad hinsichtlich des rechten Beines betrage 2/10,
hinsichtlich des linken Beines betrage er 8/10 und hinsichtlich des linken Armes betrage
er 1/10. Zusätzlich sei ein Invaliditätsgrad anzunehmen, weil der Kläger unfallbedingt
ständig unter einer sog. Marcumarisierung stehe.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 96.635,26 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.4.2004
zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, eine höhere Invaliditätsleistung als vorprozessual erfolgt könne
der Kläger wegen des streitgegenständlichen Unfalls keinesfalls verlangen. Hilfweise
erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die
von der Beklagten an den Kläger vorprozessual erbrachte Invaliditätsleistung
hinsichtlich 1/14 Armwert mit dem Vortrag, diesbezüglich fehle es an den formellen
Voraussetzungen für eine Invaliditätsleistung.
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Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst
vorgelegter Unterlagen Bezug genommen. Es ist gemäß Beweisbeschluss vom
27.5.2005, Beschluss vom 17.6.2006, Beschluss vom 19.3.2007 und Beschluss vom
30.1.2008 Beweis erhoben worden durch Einholung von Sachverständigengutachten
nebst Ergänzungen und mündlicher Anhörung. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Unfallchirurgische Gutachten Prof. Dr. S vom 7.1.2006,
das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S vom 2.11.2006, die
Sitzungsniederschrift vom 28.11.2007 und das Unfallchirurgisch-Orthopädische 2.
Ergänzungsgutachten Prof. Dr. S vom 24.9.2008 Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist in dem zugesprochenen Umfang begründet und im übrigen unbegründet.
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Der Kläger kann aufgrund des Unfallversicherungsvertrages zwischen den Parteien
wegen des streitgegenständlichen Unfalls von der Beklagten (nur) eine weitere
Invaliditätsleistung in Höhe von 24.159,43 € verlangen.
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Die formellen Voraussetzungen für die geltend gemachte Invaliditätsleistung in Bezug
auf die unfallbedingten Beinverletzungen des Klägers liegen erkennbar vor. Dies ist
auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden.
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Der Sachverständige Prof. Dr. S hat in seinem Gutachten vom 7.1.2006 die
vorprozessualen Bewertungen Dr. T, die Grundlage der vorprozessualen Abrechnung
der Beklagten waren, von Beinwert rechtes Bein 1/10 und Armwert linker Arm 1/14
überzeugend bestätigt.
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Abweichend von der vorprozessualen Abrechnung hat der Sachverständige Prof. Dr. S
jedoch den Beinwert linkes Bein von 4/10 auf 5/10 erhöht. Der Sachverständige ist bei
einer Invalidität von 5/10 Beinwert linkes Bein (d.h. 1/10 Beinwert mehr als
vorprozessual reguliert = Gesamtinvalidität von 47 %) zum maßgebenden
Bewertungsstichtag auch in dem Unfallchirurgisch-Orthopädischen 2.
Ergänzungsgutachten vom 24.9.2008 geblieben. Die Kammer folgt den diesbezüglichen
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S insbesondere auch in dem
Ergänzungsgutachten vom 24.9.2008. Durchgreifende Einwände gegen diese
Feststellungen des Sachverständigen sind auch von der Beklagten nicht mehr
vorgebracht worden.
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Daraus folgt eine weitere von der Beklagten an den Kläger zu erbringende
Invaliditätsleistung in Höhe von 1/10 Beinwert und damit in Höhe von 24.159,43 €
aufgrund folgender Berechnung:
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Invaliditätsleistung insgesamt 47 % von 115.041,00 € 54.069,27 €
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Progression 22 % X 2 = 44 % von 115.041,00 € 50.618,04 €
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Gesamtanspruch 104.687,31 €
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abzüglich vorprozessualer Zahlung der Beklagten 80.527,88 €
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Rest: 24.159,43 €
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Dagegen kann der Kläger nicht eine zusätzliche Invaliditätsleistung in Höhe eines
Beinwertes linkes Bein von 1/10 bzw. von 7 % wegen Marcumarisierung verlangen.
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Soweit es die Marcumarisierung angeht, die ursprünglich selbst der Kläger nicht für eine
Erhöhung des Invaliditätsgrades geltend gemacht hatte, kann diese schon vom Ansatz
her nicht mit einem eigenständigen Invaliditätsgrad bewertet werden. Vielmehr kann
insoweit nur die Bildung eines Gesamtinvaliditätsgrades hinsichtlich des Beinwertes
linkes Bein in Betracht kommen. Zudem macht die Beklagte nach Auffassung der
Kammer zutreffend geltend, dass es für die Invaliditätsleistung nach § 7 AUB 61 auf die
dauernde unfallbedingte Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit eines Körperteils
ankommt, und dass auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. S eine derartige
weitergehende Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit des linkes Beines des Klägers
nicht festgestellt worden ist. Zwar ist die sog. Marcumarisierung Folge einer
Unfallverletzung, es handelt sich jedoch nicht um eine Beeinträchtigung der
Gebrauchsfähigkeit des linken Beines des Klägers.
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Der zugesprochene Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 ff. BGB begründet.
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Die Hilfsaufrechnung der Beklagten bezüglich der vorprozessual an den Kläger
erbrachten Invaliditätsleistung bezogen auf 1/14 Armwert (insoweit geleisteter Betrag
5.752,05 €) greift nicht durch.
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Die Beklagte kann sich insoweit auf eine etwa fehlende fristgerechte ärztliche
Invaliditätsfeststellung nach Treu und Glauben jedenfalls nicht berufen, so dass es
insoweit für die vorliegende Entscheidung keiner weiteren Ausführungen dazu bedarf,
ob die diebezüglichen Voraussetzungen für die vorprozessual von der Beklagten an den
Kläger erbrachte Leistung vorlagen oder nicht. Denn die Beklagte hat gegebenenfalls in
Kenntnis einer fehlenden fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung dem Kläger mit
Schreiben vom 20.2.2002 mitgeteilt hat, dass sie der ärztlichen Empfehlung folgend im
November 2003 ein ärztliches Gutachten zur Feststellung der dauernden Unfallfolgen in
Auftrag geben werde, und sie hat auf der Grundlage dieses Gutachtens dann
vorprozessual mit der Invaliditätsleistung, die sie nun zurückverlangt, abgerechnet.
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Wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, ist die weitergehende Klage
unbegründet.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 102.387,31 €
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(für die Klage 96.635,26 €;
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für die gemäß § 45 Abs. 3 GKG streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung 5.752,05 €)
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