Urteil des LG Köln vom 08.10.2009

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Landgericht Köln, 31 O 605/04 SH II
Datum:
08.10.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
31 O 605/04 SH II
Tenor:
Die Schuldnerin wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das
Unterlassungsgebot im Urteil der Kammer vom 02.02.2006 – 31 O
605/04 – zu einem Ordnungsgeld von
200.000,00 €
(in Worten: zweihunderttausend Euro)
verurteilt.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
G R Ü N D E:
1
I.
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Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin am 02.02.2006 ein gegen
Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Kammer (31 O 605/04).
Mit diesem wurde der Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsgeld untersagt, in der
Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,
ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele und/oder Sportwetten in einer näher
bezeichneten Weise anzubieten und/oder zu bewerben. Die dagegen gerichtete
Berufung der Schuldnerin wies das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 14.09.2007 (6
U 63/06) zurück. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist vorläufig vollstreckbar.
Über die von der Schuldnerin eingelegte Revision ist noch nicht entschieden.
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Die Schuldnerin bietet in Nordrhein- Westfalen über die Internetseite "anonym1" ohne
behördliche Erlaubnis fortlaufend seit Urteilsverkündung erlaubnispflichtige
Glücksspiele und Sportwetten an. Darüber hinaus bewirbt sie Glücksspiele und
Sportwetten auf ihrer Internetseite. Auf denen der Startseite untergeordneten Seiten
befindet sich dabei ein Disclaimer, nach welchem keine Wetten oder Glücksspiele aus
Nordrhein-Westfalen angenommen werden dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf Bl. 47 ff. d.A. verwiesen.
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Die Gläubigerin ist der Auffassung, dass die Schuldnerin mit der von ihr betriebenen
Internetseite dem gerichtlichen Unterlassungsgebot zuwiderhandelt.
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Die Gläubigerin beantragt,
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gegen die Schuldnerin ein weiteres empfindliches Ordnungsgeld zu verhängen,
ersatzweise Ordnungshaft anzuordnen.
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Die Schuldnerin beantragt,
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den Ordnungsmittelantrag als unzulässig, jedenfalls als unbegründet,
zurückzuweisen.
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Die Schuldnerin ist der Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den
Ordnungsmittelantrag fehle. Die Gläubigerin sei keine Wettbewerberin. Ihre Tätigkeit sei
auf die Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht gerichtet. Ferner liege auch kein
Verstoß gegen den Titel vor. Hinsichtlich des Anbietens sei der Titel zu unbestimmt und
hinsichtlich des Werbens befinde sich ein Disclaimer auf der Internetseite der
Schuldnerin. Zudem sei eine Vollstreckung rechtsmissbräuchlich, da der Titel
offenkundig unrichtig sei. Zum einen stünden der Gläubigerin keine wettbewerblichen
Ansprüche außerhalb von Nordrhein-Westfalen zu. Zum anderen verstoße der Titel
gegen Gemeinschaftsrecht.
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Die Kammer hatte bereits mit Beschluss vom 19.03.2008 (31 O 605/04 SH I) ein
Ordnungsgeld in Höhe von 30.000,00 € gegen die Schuldnerin und ihren
Geschäftsführer als Gesamtschuldner und in Höhe von 120.000,00 € gegen die
Schuldnerin wegen Verstoßes zwischen dem 24.09.2006 und dem 12.11.2007 gegen
das Unterlassungsgebot aus dem Urteil der Kammer (31 O 605/04) festgesetzt. Die
gegen den Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht
Köln mit Beschluss vom 30.01.2009 (6 W 40/08) zurück. Wegen der Einzelheiten wird
auf das Verfahren 31 O 605/04 SH I verwiesen.
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II.
12
Gegen die Schuldnerin war gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von
200.000,00 € festzusetzen, da sie dem Unterlassungstenor des Urteils der Kammer vom
02.02.2006 schuldhaft zum wiederholten Male zuwider gehandelt hat.
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Durch das zuvor genannte Urteil liegt ein Titel vor, nach welchem der Schuldnerin im
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das Anbieten und/ oder Bewerben von
Glücksspielen und/ oder Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis verboten worden ist.
Der Titel weist die zu unterlassende Handlung inhaltlich bestimmt auf. Dies gilt auch im
Hinblick auf das Anbieten von Sportwetten und Glücksspielen. Der Titel umfasst
ausdrücklich ein Anbieten und Werben im gesamten Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland.
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Die Schuldnerin hat gegen den Titel verstoßen. Die Schuldnerin bietet auf ihrer
Internetseite "anonym1" Wetten und verschiedene (Glücks-)Spielarten an. Gleichzeitig
bewirbt sie die erlaubnispflichtigen Wetten und Glücksspiele auf ihrem Internetauftritt.
Auf der Startseite befindet sich kein Disclaimer.
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Die Schuldnerin handelt auch vorsätzlich. Ihr war der Tenor des Unterlassungsgebots
bekannt. Sie kann sich auch nicht auf einen Verbotsirrtum berufen, in dem sie die
Rechtslage sorgfältig und gewissenhaft überprüft hat und das Urteil des Landgerichts
Köln, so wie das bestätigende Urteil des Oberlandesgerichts Köln für falsch hält. Auch
besteht hinsichtlich des Bewerbens nicht nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf, da die der
Startseite untergeordneten Internetseiten einen Disclaimer aufweisen. Die Startseite
weist weiterhin keinen Disclaimer auf. Bei dem Bewerben auf der Internetseite
"anonym1" liegt eine einheitliche Handlung vor.
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Grundsätzlich ist im Zwangsvollstreckungsverfahren von der Rechtmäßigkeit des Titels
auszugehen. Eine Ausnahme gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGH, NJW 1987,
2356 ff.; OLG Köln, Beschluss v. 30.01.2009, 6 W 40/08) nur dann, wenn sich die
Vollstreckung aus dem Titel als rechtsmissbräuchlich erweist. Dies ist der Fall, wenn
nicht nur der Titel unrichtig ist, sondern auch seine Ausnutzung in hohem Maße unbillig
und geradezu unerträglich ist. Diese Ausnahme ist auf besonders schwerwiegende und
eng begrenzte Fälle beschränkt, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft
aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in
untragbarer Weise in Frage stellen würde. Eine solche Ausnahmesituation ist nicht
gegeben. Die Unrichtigkeit des Titels steht nicht fest, wie bereits im ersten
Ordnungsmittelverfahren mehrfach ausgeführt worden ist. An dieser Beurteilung ändern
auch die erneuten Ausführungen der Schuldnerin zur angeblichen
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Titels nichts. Zur Vermeidung von Wiederholungen
verweist die Kammer auf ihre Beschlüsse im Verfahren 31 O 605/04 SH I sowie auf die
des OLG Köln (a. a. O.)
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Ferner ist der Antrag der Schuldnerin nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, da ihr
fiskalisches Handeln nicht mehr im Vordergrund steht. Die Gläubigerin ist weiterhin eine
Mitbewerberin. Ein Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der
als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.
Grundsätzlich gilt, dass im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen
Individualschutzes an das Bestehen eines konkrete Wettbewerbsverhältnisses keine
hohen Anforderungen zu stellen sind (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27-. Aufl., § 2 Rn.
92). Die Gläubigerin bietet weiterhin Glücksspiele und Sportwetten an.
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Die Erzwingung ist auch nicht auf ein objektiv unmögliches Verhalten gerichtet. Das
Unterlassungsgebot bezieht sich laut Unterlassungstenor auf das gesamte
Bundesgebiet. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland abgegebene Wett- und
Glücksspielangebote lassen sich anhand der IP-Adresse lokalisieren. Datenrechtliche
Probleme bestehen dabei nicht, da die Schuldnerin die IP-Adressen keiner bestimmten
Person zuordnen kann. Hinsichtlich der Werbung hat der Senat im Berufungsurteil
bereits ausgeführt, dass ein deutlich lesbarer Hinweis in der deutschsprachigen Version
des vollständigen Angebots möglich und ausreichend sei.
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Für die Zuwiderhandlung ist ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.000,00 € festzusetzen.
Die Höhe des Ordnungsgeldes bemisst sich danach, was erforderlich und angemessen
erscheint, um einen künftigen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot zu verhindern.
Die Kammer geht bei der Bemessung des Ordnungsgeldes von einer einheitlichen
Handlung hinsichtlich des Anbietens und Werbens auf der Internetseite der Schuldnerin
seit Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts aus, mit welchem die sofortige
Beschwerde gegen den ersten Ordnungsmittelbeschluss der Kammer zurückgewiesen
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worden ist.
Die Kammer berücksichtigt, dass gegen die Schuldnerin bereits ein
Ordnungsmittelbeschluss in Höhe von 150.000,00 € ergangen ist, ohne dass dieser
Auswirkungen auf das Verhalten der Schuldnerin hatte. Die Schuldnerin verfügt dabei
nicht nur weiterhin über ein breites Angebot von erlaubnispflichtigen Glücksspielen und
Sportwetten auf ihrer Internetseite. Vielmehr hat sich das Angebot an Glücksspielen seit
Urteilsverkündung nahezu verdreifacht. Ebenso ist bei der Schuldnerin von einem sehr
hohen jährlichen Gewinn auszugehen. Ihr Umsatz liegt im zweistelligen
Millionenbereich. Der hohe Wert der Fortsetzung des Angebots für die Schuldnerin
drückt sich auch in der gezahlten Sicherheitsleistung von 400.000,00 € aus. Schließlich
ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verstoß um eine vorsätzliche Begehung
handelt.
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Gegen die Schuldnerin konnte keine Ersatzordnungshaft angeordnet werden. Eine
hinreichende Bestimmtheit der Androhung hätte zumindest der ergänzenden Angabe
bedurft, dass die Ersatzordnungshaft gegen die Schuldnerin als juristische Person an
ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist (vgl. BGH NJW 1992, 749 ff. – "Fachliche
Empfehlung II"). Ein solcher Hinweis findet sich im Urteil nicht, da dieser im
Erkenntnisverfahren nicht beantragt worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO.
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Streitwert: 200.000,00 €
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