Urteil des LG Köln vom 18.02.2005

LG Köln: absolutes recht, land bremen, öffentliches interesse, internet, begriff, kennzeichnung, gefahr, betriebsgesellschaft, privatperson, namensrecht

Landgericht Köln, 7 O 415/04
Datum:
18.02.2005
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 415/04
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, durch Verzichtserklärung gegenüber der
DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e. G.,
Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, die Internet-Domain -
mahngericht.de- freizugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Be-trages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Das klagende Land nimmt den Beklagten auf Freigabe der Internet-Domain
"mahngericht.de" gemäß § 12 BGB in Anspruch.
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Die streitgegenständliche Domain war seit ihrer erstmaligen Registrierung am
23.09.2000 ursprünglich für die freie und Hansestadt Bremen registriert. Aufgrund eines
Beschlusses des Anwenderkreises "Automatisiertes gerichtliches Mahnverfahren" der
Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen,
Niedersachsen, Nordrhein Westfalen, Rheinland Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig
Holstein vom 12./13. November 2002 sollte unter der genannten Domain ein
gemeinsames Internet-Portal mit Zugang zu den Mahngerichten der beteiligten
Bundesländer erstellt werden. Dieses Internet-Portal sollte durch das klagende Land
Nordrhein Westfalen für die beteiligten Länder verwaltet werden. Aus diesem Grunde
sollte die Domain vom Land Bremen auf das klagende Land Nordrhein Westfalen
übertragen werden.
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Im Zuge der Übertragung der Domain kam es jedoch zu einem Formfehler, aufgrund
dessen die Domain versehentlich freigegeben wurde. Daraufhin ließ der Beklagte die
streitgegenständliche Domain auf seinen Namen registrieren. Nachdem der Beklagte
zunächst keine Inhalte auf der unter dieser Domain betriebenen Webside eingestellt
hatte, richtete er unter dem 16.05.2004 ein Message Board ein. Insoweit wird auf die von
der Klägerin eingereichten Internet-Auszüge verwiesen (Anlage K 3).
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Das klagende Land erwirkte gegen den Beklagten gemäß Bestätigung der DENIC vom
21.10.2003 einen Dispute-Eintrag aufgrund des behaupteten besseren Rechts an der
Domain.
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Mit Schreiben vom 09.10.2003 forderte das klagende Land den Beklagten vergeblich
zur Freigabe der Domain auf.
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Das klagende Land ist der Auffassung, dass gegen den Beklagten ein Anspruch auf
Freigabe der Domain gemäß § 12 BGB bestehe. Der Beklagte verletze durch die
Reservierung der Domain ein namensähnliches absolutes Recht des klagenden
Landes.
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Die Bezeichnung Mahngericht sei der breiten Öffentlichkeit als Kennzeichnung
desjenigen Bereichs der Justiz bekannt, welchem die Durchführung des
Mahnverfahrens zugewiesen ist. Es handele sich nicht nur um eine bloße
Sachbezeichnung, sondern um einen namensmäßigen Hinweis auf die Justiz der
Länder. Die namensähnliche Kennzeichnung entfalte die Bezeichnung Mahngericht
nicht nur in Verbindung mit einer geographischen Kennzeichnung, sondern bereits in
Alleinstellung.
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Eine rechtsverletzende Namensanmaßung liege vor, da der Beklagte die Domain
unbefugt gebrauche und aufgrund der bestehenden Zuordnungsverwirrung
schutzwürdige Interessen des klagenden Landes verletze.
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Das klagende Land beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, durch Verzichtserklärung gegenüber der DENIC
Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e. G., Wiesenhüttenplatz 26, 60329
Frankfurt am Main, die Internet-Domain "mahngericht.de" freizugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass er nicht zur Freigabe der Domain verpflichtet sei.
Dies führt er in seinen Schriftsätzen im einzelnen aus, auf welche verwiesen wird. Unter
anderem beruft er sich darauf, dass es sich bei dem Wort Mahngericht lediglich um
einen Gattungsbegriff handele, der sich nicht nur einer Behörde zuordnen lasse,
sondern - ohne geographische Zuordnung - nur einen Begriff darstelle, der ohne
individualisierenden Zusatz keine kennzeichnende Funktion habe und nicht dem Schutz
des § 12 BGB unterfalle. Da es sich bei dem Begriff Mahngericht lediglich um einen
Begriff der juristischen Umgangssprache handele, der nicht einmal in der
Alltagssprache der Juristen einem bestimmten Namensträger zugeordnet werden
könne, scheide eine Zurodnungsverwirrung aus. Die Gefahr einer
Zurodnungsverwirrung sei nämlich nur dann gegeben, wenn der Verkehr die
Namensverwendung als einen Hinweis auf die Person desjenigen ansieht, für welchen
der Name geschützt ist, was vorliegend bei der Verwendung des Gattungsbegriffs nicht
der Fall sei. Vielmehr nutze der Beklagte die Domain ohne den Anspruch auf eine
individualisierende Bezeichnung nur als allgemein beschreibenden Hinweis und der
Verkehr verstehe den Gattungsbegriff auch nur als allgemein beschreibend. Allein
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daraus, dass Gattungsbegriffe aus dem juristischen Umfeld mit hoheitlicher Betätigung
assoziiert werden könnten, könne eine derartige Domain nicht nur juristischen Personen
zustehen. Nicht jede Verbindung zu hoheitlicher Tätigkeit könnte unter das
Namensrecht subsumiert werden.
Weiterhin beruft sich der Beklagte darauf, dass für den vom klagenden Land erstrebten
Zweck auch noch eine Domain wie "mahnverfahren.nrw." oder "mahngericht.nrw"
ausreichend sei. Bei Verwendung der Domain "mahngericht.de" durch das klagende
Land sei zudem eine Irreführung des Internet-Nutzers insoweit zu befürchten, als die
Annahme naheliege, es handele sich um eine abschließende Präsenz aller
Bundesländer. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Hansestadt Bremen nach der
versehentlichen Freigabe der Domain die Möglichkeit zur Anfechtung der Löschung
gegenüber der DENIC gehabt habe.
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Bezüglich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und die zu den Akten
gereichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet.
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Dem klagenden Land steht gegen den Beklagten gemäß § 12 BGB ein Anspruch auf
Freigabe der Domain "mahngericht.de" zu
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Die streitgegenständliche Domain unterfällt dem Schutzbereich des § 12 BGB, da nicht
nur Namen als solche, sondern auch namensartige Kennzeichen - soweit nicht das
Markengesetz eingreift - erfaßt sind, welche Namensfunktionen besitzen und nach der
Verkehrsanschauung unterscheidungskräftig sind.
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Das klagende Land beruft sich zu recht darauf, dass die Bezeichnung Mahngericht in
der breiten Öffentlichkeit bekannt ist als namensmäßige Kennzeichnung einer Institution
der Justiz der Bundesländer, welcher die Durchführung von Mahnverfahren zugewiesen
ist. Es handelt sich nicht um eine bloße Gattungsbezeichnung, die rein beschreibend ist
und von der Verkehrsauffassung keinem bestimmten Rechtsträger zugeordnet wird.
Vielmehr hat der Begriff eine unterscheidungskräftige Namensfunktion, welche eine
bestimmte Institution der Landesjustiz identifizierbar macht, der öffentlichen Hand
zuordnet und von Trägern anderer Institutionen abgrenzt. Als funktional abgrenzbare
Organisationseinheit mit einem bestimmten Aufgabenbereich innerhalb der Landesjustiz
vermittelt der Begriff dem Träger der Landesjustiz ein Namensrecht, da die Bezeichnung
Mahngericht anders als etwa Mahnverfahren nicht nur auf eine Gattung hinweist,
sondern eine bestimmte Einrichtung der Justiz namensmäßig bezeichnet. Dafür spricht
unter anderem auch, dass in den Kommentierungen zu der Zivilprozeßordnung unter §
689 Abs. 3 ZPO der Begriff des Mahngerichts verwendet wird. Dabei ist unerheblich, ob
der Begriff des Mahngerichts in der Zivilprozeßordnung selbst verwendet wird.
Entscheidend ist nämlich, dass die Bezeichnung durch das Verständnis des Verkehrs -
wie aufgeführt - Namensfunktion erlangt hat.
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Träger der Bezeichnung Mahngericht ist die Justiz, deren Träger wiederum die
öffentliche Hand in Gestalt der Bundesländer ist. Der Umstand, dass auch andere
Bundesländer Mahngerichte eingerichtet haben, steht der Berechtigung des klagenden
Landes nicht entgegen, da bei mehreren Berechtigten eines namensartigen
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Kennzeichens jeder den Anspruch aus § 12 BGB gegen den Nichtberechtigten hat.
Außerdem ist das Land Nordrhein Westfalen unstreitig durch den Beschluss der Länder
als Sachwalter des geplanten Auftritts bestimmt worden.
Eine rechtsverletzende Namensanmaßung liegt vor, da der Beklagte die
streitgegenständliche Domain unbefugt ohne eigene schützenswerte Interessen
gebraucht und durch den Gebrauch seitens des Beklagten als Privatperson
schutzwürdige Interessen des Trägers der Institution Mahngericht verletzt werden. Denn
es besteht die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung. Der Nutzer des Internets erwartet
nicht, dass ihn die streitgegenständliche Domain zu Informationen seitens einer
Privatperson führt. Vielmehr wird gerade durch die Verwendung des Begriffs des
Mahngerichts in Alleinstellung der Eindruck erweckt, dass die unter der Domain geführte
Webside eine Internetpräsenz der Justizbehörden mit amtlichen Informationen darstellt.
Dabei ist die Zuordnungsverwirrung, die Gefahr der Verwechslung dahingehend, dass
die Nutzer des Internets annehmen, sie würden unter der streitgegenständlichen
Domain amtlich informiert, bereits vollendet, wenn man zu der Website gelangt,
unabhängig davon, ob sodann noch der Irrtum bemerkt wird. Die unbefugte
Namensnutzung setzt bereits bei der Registrierung der Domain ein, da bereits in diesem
Zeitpunkt der eigentlich Berechtigte von der Verwendung der mit dem Namen
gleichlautenden Internet-Domain ausgeschlossen ist. Dies hätte der Beklagte durch
Verwertung eines Begriffs, welcher nicht auf einen hoheitlichen Träger hinweist, wie
etwa Mahninfo oder Mahnverfahren vermeiden können.
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Ein eigenes berechtigtes Interesse an der Reservierung der Domain hat der Beklagte
selbst nicht behauptet. Dagegen ist ein öffentliches Interesse des klagenden Landes an
der Nutzung des Domainnamens, welcher der Bezeichnung einer Institution der
öffentlichen Hand entspricht, zu bejahen.
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Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gemäß § 12 BGB hat durch
Freigabe der streitgegenständlichen Domain in Form einer Verzichtserklärung
gegenüber der Domain-Vergabestelle DENIC zu erfolgen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Hauptsache erübrigt
sich im Hinblick auf § 894 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kostenentscheidung gilt § 709
ZPO.
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Streitwert:
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250.000,00 Euro.
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