Urteil des LG Köln vom 03.07.2007

LG Köln: operation, medizinische indikation, schmerzensgeld, behinderung, kopfschmerzen, verkehrsunfall, unfallfolgen, verdacht, kausalität, leistungsfähigkeit

Landgericht Köln, 27 O 644/04
Datum:
03.07.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 O 644/04
Tenor:
1.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in
Höhe von 35.790,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem
16.12.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages
abgewiesen.
2.
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu 2 - bezifferter materieller
Schadensersatzanspruch - dem Grunde nach gerechtfertigt.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger 100 % aller künftigen materiellen Schäden, die ihm aus
dem Verkehrsunfall am 31.12.1995 noch entstehen, zu ersetzen, soweit
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Es wird zudem festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem
Kläger sämtliche künftigen immateriellen Schäden die ihm aus dem
Verkehrsunfall am 31.12.1995 noch entstehen, zu ersetzen, soweit
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Im Übrigen wird der Feststellungsantrag abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
1
Der am 1.5.1959 geborene Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem
Verkehrsunfall am 31.12.1995 im Bayrischen Wald am Ortsausgang Z1 geltend, bei
dem er körperlich verletzt wurde.
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Der Unfall wurde durch den Fahrer eines der Beklagten zu 1) gehörenden PKW
verursacht. Dieser war dem Kläger entgegenkommend, mit seinem PKW auf die
Fahrspur des Klägers geraten, so dass die Fahrzeuge zusammenprallten. Der
Unfallwagen der Beklagten zu 1) war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2)
haftpflichtversichert.
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Die alleinige Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger ist dem Grunde nach
zwischen den Parteien unstreitig.
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Unstreitig erlitt der Kläger bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung sowie eine
Wirbelfraktur der Halswirbelsäule im Bereich HW 4/5, die am 1.1.1996 im Krankenhaus
der Barmherzigen Brüder in S mit einer Hakenplattenspondylodese operativ versorgt
wurde. Postoperative HWS-Aufnhamen zeigten eine befriedigende Stabilisierung.
Unstreitige Folge ist jedoch eine endgradige Einschränkung des Bewegungssegmentes
HW 4/5.
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Die Beklagten zahlten an den Kläger außergerichtlich bislang ein Schmerzensgeld ein
Höhe von 15.338, 76 € (30.000,- DM) und darüber hinaus einen Betrag in Höhe von
18.917,80 € (37.000,- DM) zur freien Verrechnung.
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Die Parteien streiten über die weiteren Unfallfolgen, d.h. die Unfallursächlichkeit für die
weiteren Verletzungen des Klägers und die hieraus resultierenden Beeinträchtigungen.
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Die weiteren Befunde und Behandlungen des Klägers, die im Einzelnen von den
Beklagten mit Nichtwissen bestritten werden, stellen sich zusammengefasst wie folgt
dar:
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Bei einer Kernspintomographie am Unfalltag im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
in S waren neben der unstreitig unfallbedingten Wirbelfaktur zudem eine kyphotische
Fehlhaltung in den Bereichen HW 4/5 und HW 5/6 sowie ein Bandscheibenprolaps in
Höhe HW 5/6 und 6/7 zu erkennen. Dieser Befund bestätigte sich zunächst bei einer
Kontrolluntersuchung in ebendiesem Krankenhaus Anfang August 1996. Dabei wurde
eine "neu aufgetretene" Bandscheibenprotrusion HW 5/6 und HW 6/7 und zudem ein
sensibles Wurzelreizsyndrom C6 sowie ein abgeschwächter Bizepssehnenreflex
festgestellt. Vom 18.9.1996 bis zum 23.9.1996 befand sich der Kläger für eine
Metallentfernung erneut in stationärer Behandlung.
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Auch nach der Metallentfernung suchte der Kläger aufgrund von ihm bereits seit der
Operation stets beklagten Halswirbelsäulen-, Nacken und Kopfschmerzen sowie
aufgrund von ihm im weiteren Verlauf behaupteter Beeinträchtigung beruflicher
Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Ohrgeräuschen, Minderung der
Arbeitsfähigkeit, zunehmender Vergesslichkeit, Wachheitsstörungen, Benommenheit,
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Schlafstörungen und subjektiv störendem Tinitus verschiedene weitere Ärzte auf.
Dabei wurden weiterhin die bisherigen Befunde im Bereich der HW 5/6 und HW 6/7
bestätigt und zudem teilweise eine Gefühlsstörung sowie wiederholt eine
eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule festgestellt. Die
Bewegungsbehinderung wurde teilweise in sämtlichen Ebenen beschrieben. Des
weiteren wurden teilweise eine intermittierende Impingment- Symptomatik in der rechten
Schulter, eine Verspannung der Parazervikalmuskulatur links und eine Hypästesie der
Finger 1 und 2 links angesprochen.
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Im Jahr 1998 wurde erstmals eine Beteiligung der Gelenke und Bänder des
kraniozervikalen Überganges, d.h. im Bereich der oberen Halswirbelsäule, und eine
Instabilität des oberen Kopfgelenkes mit Verdacht auf eine Rotations- und
Subluxationskomponente geäußert. Bei neurologischen Untersuchungen
diagnostizierte der behandelnde Neurologe eine endgradig schmerzhaft eingeschränkte
Ante- und Retroreflexion, eine nicht einzelnen Segmenten zuzuordnende
Sensibilitätsstörungen an einzelnen Fingern, eine im ersten Halbjahr 1999 neu
aufgetretene Zervikobrachialgie sowie intermittierende Irritation im Bereich der unteren
Extremitäten.
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Am 17.06.1999 erfolgte die erstmalige Vorstellung des Klägers bei dem
Streitverkündeten, bei der der Kläger neben den bisherigen Beschwerden über Kribbeln
in den Füßen und der rechten Hand sowie Gleichgewichtsstörungen, Atemschmerzen
und ein Instabilitätsgefühl im Kopf-Hals- Übergang klagte. Der Streitverkündete
diagnostizierte Translatationsbewegungen HW1 gegenüber HW2, einen größeren
Abstand zwischen Dens und Massa lateralis von HW1 der jeweiligen bzw. der rechten
Seite, ein Aufklappen des entsprechenden Zwischenraumes bei Seitenneigung des
Kopfes sowie eine deutliche Verschiebung des Gelenkes HW1/HW2. Zudem stellte er
eine erhebliche Verminderung der Zwischenwirbelräume HW 5/6 und HW 6/7 mit einer
ausgeprägten Kyphose fest, wobei sich die gesamte Beweglichkeit der Halswirbelsäule
im oberen Bereich abspielen würde. Er empfahl dem Kläger eine Operation im Bereich
HW 5 bis 7 oder alternativ eine Stabilisierung des kranziozervikalen Überganges. Im
Anschluss aufgesuchte Ärzte plädierten für eine Operation im Bereich der HW 5 bis 7.
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Der Kläger entschloss sich für eine kranziozervikale Stabilisierungsoperation, die der
Streitverkündete am 22.07.1999 durchführte. Intraoperativ wurde durch den
Streitverkündeten dem Operationsbericht zufolge insbesondere eine gerissene
Gelenkkapsel auf der rechten Seite festgestellt, die einen direkten Blick in den
Gelenkspalt ermöglichte.
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Die Indikation und die Folgen dieser Operation sind im Einzelnen streitig. Der
stationärer Aufenthalt des Klägers - ab dem 5.08.1999 in einer Rehaklinik - dauerte bis
zum 26.08.1999.
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Durch klägerseits beauftragte Gutachter wurden nach der Operation insbesondere eine
verminderte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, Parästhesien und Hypästhesien im
Bereich der Finger, ein pelzig taubiges Gefühl, ein gesteigertes Reflexniveau an den
unteren Extremitäten sowie erhebliche degenerative Veränderungen in den Segmenten
HW 5- 7 dokumentiert.
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Schließlich wurden im Jahr 2005 die eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule
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bestätigt und im Übrigen ein paravertebraler Hartspann der Rückenmuskulatur
festgestellt.
Mit Schreiben vom 7.11.200 hat der Kläger die Beklagten zu 2) zur Begleichung seiner
Forderungen bis zum 15.12.2000 aufgefordert.
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Bei Zugrundelegung aller Befunde behauptet der Kläger, neben der unstreitigen
Wirbelfraktur im Bereich HW 4/5, im Einzelnen folgende unfallbedingte Verletzungen
und Beschwerden:
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neu aufgetretene Bandscheibenprotrusion HWK 5/6 und HWK 6/7
schmerzbedingte kyphotische Fehlhaltung in der unteren HWS; sensibler
Wurzelreiz C 6 mit Hypthesie im C 6 Dermatom, abgeschwächter
Bizepssehnenreflex
Kopfschmerzen nach der OP vom 31.12.1995
zunehmende Fehlstatik der HWS; Signalveränderung unmittelbar am hinteren
Längsbandbereich, etwa C 3 bis C 4; verstärkte Protosion/Übergang zu flachen
Prolaps C 5/ C 6
ständige HWS- Nacken- Hinterkopfschmerzen
zunehmendes Leiden an einer Instabilitätssymptomatik im Bereich der oberen
Halswirbelsäule, dadurch Beeinträchtigung der allgemeinen beruflichen
Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Ohrgeräusche, Reduktion der
Arbeitsfähigkeit, Wachheitsstörungen, Benommenheit, Schlafstörung und
zunehmende Vergesslichkeit
Instabilität des oberen Kopfgelenkes mit Verdacht auf Rotations- und
Subsluxationskomponente mit Myelonkontakt und zusätzlicher Aufbrauchung der
dahinter gelegenen Subarachnoidalraumes in maximaler Endrotationsposition
zunehmende neurologische Ausfallerscheinungen (Kribbeln in den Füßen etc.)
Grad der Behinderung von 60 %
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21
Zudem trägt der Kläger vor, er sei wegen funktionaler HWS- Beschwerden fortwährend
in medizinischer Behandlung.
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Der Kläger behauptet, die festgestellten Befunde seien jedenfalls weit überwiegend auf
den Unfall zurückzuführen und die Vorschäden allenfalls in geringem Maße zu
berücksichtigen. Relevante Vorerkrankungen seien darauf beschränkt, dass - jeweils
insoweit unstreitig - im November 1990 bei einer Behandlung wegen akuter Schmerzen
im HWS-Bereich eine akute Torzikolis bei Segmentblockierung und ein Verdacht auf
eine lavierte Depression diagnositiziert worden sei und im Februar 1993 eine wegen
Kopfschmerzen und Schmerzen im Zervikalbereich erfolgte Röntgenaufnahme eine
deutliche Fehlstellung mit Knickbildung in Höhe HW 5/6 und leichte Spondylophyten in
Höhe HW 6 gezeigt habe. Er bezieht sich insofern auf Privatgutachten von Herrn PD Dr.
J v. 23.09.2000 (Bl. 45 ff. d.A.) und Herrn Dr. I v. 5.4.2004 (Bl. 101 ff. d.A.), nach denen
die degenerativen Vorschäden das altersübliche Maß nicht überschritten haben.
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Er behauptet, auch die von dem Streitverkündeten durchgeführte Operation sei
unfallbedingt angezeigt gewesen. Bezüglich der Operation gibt er im Übrigen einerseits
an, die Beschwerdesymptomatik habe sich danach nicht wesentlich verbessert, sondern
sogar in einigen Bereichen verschlechtert. Andererseits nimmt er Bezug auf das
Gutachten des von ihm beauftragten Privatgutachters I, wonach die durchgeführte
Operation zielführend gewesen sei und zu erheblicher Besserung der Beschwerden
geführt habe.
24
Der Kläger ist vor diesem Hintergrund der Ansicht, ihm stehe ein weiteres
Schmerzensgeld mindestens in der beantragten Höhe zu. Für dessen Bemessung führt
er neben den Befunden und Beschwerden ferner an, dass er lange Zeit arbeitsunfähig
gewesen sei, er seiner Arbeit nur noch bedingt nachgehen könne, es zu einer massiven
Wesensveränderung gekommen sei, er seine Ehefrau nur noch bedingt im Haushalt
unterstützen könne, sportliche Aktivitäten und Reisen nicht mehr bzw. nur noch
eingeschränkt möglich seien, er an über 1.300 Tagen Schmerzmittel habe nehmen
müssen und er kaum Lebensfreude habe.
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Zudem beansprucht der Kläger den Ersatz materieller Schäden. Er behauptet einen
Verdienstausfall bis zum 31.12.2004 für verschiedene Tätigkeiten in Höhe von
insgesamt 114.910,11 €. Zudem berechnet er abstrakt zu ersetzende Hausaltskosten in
Höhe von 58.320,00 € und veranschlagt für Pflegekosten 7.500,- €. Schließlich machte
er einen sonstigen materiellen Schadensersatzanspruch für Heilbehandlungskosten,
Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen, Fahrtkosten, medizinische Hilfsmittel und
Gutachterkosten in Höhe von insgesamt 31.075,36 € geltend.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Verzugszinsen behauptet der Kläger schließlich, er
hätte die Schadensersatzforderung bei rechtzeitiger Zahlung gewinnbringend angelegt.
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Der Kläger beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger aufgrund des
Verkehrsunfalles vom 31.12.1995 ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen
Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens
jedoch 76.693,78 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz – mindestens jedoch
verzinslich mit 8 % Zinsen - seit dem 16.12.2000 zu zahlen,
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2.
31
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von
211.805,47 € aufgrund der Folgen des Verkehrsunfalles am 31.12.1995 nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz – mindestens jedoch verzinslich mit 8 % Zinsen -
seit dem 16.12.2000 zu zahlen und
32
3.
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festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem
Kläger sämtliche zukünftige immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen
materiellen Schäden, die ihm aus dem Verkehrsunfall am 31.12.1995 entstanden
sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf
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Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen
werden.
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Einzelheiten der Behandlungen, der Behandlungsverlauf und der derzeitige
Gesundheitszustand des Klägers werden von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten.
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Die Beklagten bestreiten, dass die von dem Kläger vorgetragenen Befunde und
Beschwerden – mit Ausnahme der Wirbelfraktur im Bereich HW 5 - auf den Unfall
zurückzuführen seien. Sie behaupten, durch den operativ fixierten Bruch werde der
Kläger nicht wesentlich beeinträchtigt.
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Soweit der Kläger nach wie vor Beeinträchtigungen vortrage, seien diese auf
Vorschäden, insbesondere die degenerativ bedingten Bandscheibenvorfälle, sowie die
Operation durch den Streitverkündeten zurückzuführen. Insbesondere bei den
unmittelbar nach dem Unfall festgestellten Verletzungen des Klägers handele es sich
um entsprechende vorbestehende, degenerative Schäden.
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Die am 6.08.1996 als neu aufgetretene Protrusion bezeichnete Schaden sei bereits am
31.12.1995 röntgenologisch erkennbar gewesen und jedenfalls nicht auf den Unfall
zurückzuführen. Auch der von dem Kläger angegebene Kopfschmerz sowie die
verminderte Belastbarkeit habe bereits vor dem Unfall bestanden. Dass es bei dem
Kläger verstärkt zu neurologischen Ausfallerscheinungen gekommen sei, wird bestritten.
Ebenso werden der vorgetragene Grad der Behinderung von 60%, die Beeinträchtigung
der Gehirnfunktion sowie Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche bestritten. Auch eine
depressive Veränderungen bzw. eine Wesensveränderung sowie Beeinträchtigungen
des privaten Lebens werden mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls seien diese nicht auf
den Unfall zurückzuführen.
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Insbesondere bestritten werden auch Beschwerden im Bereich der oberen
Halswirbelsäule (HW 0-2) bestritten. Wenn der Kläger, was mit Nichtwissen bestritten
wird, den Kopf nicht mehr normal bewegen könne, sei dies allein auf die
Versteifungsoperation des Streitverkündeten zurückzuführen. Diese sei ihrerseits jedoch
nicht als Unfallfolge anzusehen. Die medizinische Indikation für diese Behandlung wird
bestritten. Durch diese grob fehlerhafte Vorgehensweise sei jedenfalls die Kausalität
zum Unfallgeschehen unterbrochen worden. Dass intraoperativ eine Verletzung
festgestellt werden konnte, die auf ein Trauma zurückzuführen sein könnte, wird mit
Nichtwissen bestritten.
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Die Beklagten sind der Ansicht, vor diesem Hintergrund sei das von der Beklagten zu 2)
außergerichtlich gezahlte Schmerzensgeld ausreichend.
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Den geltend gemachten Verdienstausfallschaden, die behauptete Haushaltstätigkeit,
die Pflege durch die Ehefrau sowie den sonstigen beanspruchten materiellen Schaden
bestreiten die Beklagten – teilweise mit Nichtwissen – dem Grunde und der Höhe nach
im Einzelnen.
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Schließlich vertreten die Beklagten die Auffassung, hinsichtlich des
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Feststellungsantrages bestehe kein Feststellungsinteresse, da die geltend gemachten
Schäden bereits in dem Schmerzensgeldantrag berücksichtigt seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
gemäß Beweisbeschluss vom 4.4.2006 (Bl. 1209 f. d.A.) und 22.06.2006 (Bl. 1234 d.A.)
und durch Anhörung des Sachverständigen gemäß Beweisbeschluss vom 23.02.2007
(Bl. 1307 d.A.).
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das
Gutachten des Sachverständigen Dr. O vom 23.11.2006 (Bl. 1249 ff. d.A.) sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.05.2007 (Bl. 1331 ff. d.A.).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Hinsichtlich des materiellen Schadens war die Klage dem Grunde nach
entscheidungsreif. Hinsichtlich der Höhe des materiellen Anspruches wird das Gericht
noch weiter aufklären müssen. Das Gericht hat daher hinsichtlich des materiellen
Schadenseratzanspruches durch Grundurteil entschieden, § 304 ZPO.
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Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches sowie der Feststellungsanträge war die
Klage auch endentscheidungsreif. Insoweit ist durch Teilurteil entschieden worden, §
301 ZPO.
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Klageantrag zu 2)
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz von 100 % seiner
unfallbedingten materiellen Schäden gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG a.F, 3 Nr. 1 PflVG zu.
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Die alleinige Haftung der Beklagten aus dem Unfallereignis vom 31.12.1995 ist
unstreitig.
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Hinsichtlich den ebenfalls unstreitigen unmittelbaren Unfallfolgen, nämlich
insbesondere der Wirbelfraktur im Bereich HW 4/5, steht dem Kläger insofern ein 100 %
iger Ersatzanspruch zu.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zudem zur Überzeugung des Gerichts
fest, dass die von dem Kläger vorgetragenen übrigen Verletzungen und Beschwerden
zu 80 % auf den Unfall zurückzuführen sind. Diesbezüglich steht dem Kläger ein 80
%iger Ersatzanspruch zu. Die Verletzungen ergeben sich im Einzelnen aus den vom
Kläger vorgelegten ärztlichen Befunden in Verbindung mit den Feststellungen des
Sachverständigen Dr. O.
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Der Sachverständige hat nach ausführlicher Auswertung der ihm zur Verfügung
gestellten Behandlungsunterlagen und Darstellung der Behandlungsgeschichte
überzeugend dargelegt, dass es durch den Unfall zu einer richtungsgebenden, nicht
abgrenzbaren Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens, nämlich der degenerativ
vorgeschädigten Halswirbelsäule, gekommen ist. Die Beschwerden des Klägers hat er
insofern zu 80 % dem Unfall und zu 20 % unfallfremden Faktoren zugeordnet. Die
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Kammer nimmt auf die ausführlichen und nachvollziehbaren Darstellungen des
Sachverständigen in dessen Gutachten (Bl. 1251 ff. d.A.) Bezug und macht sie sich zu
Eigen. Gegen die Sach- und Fachkunde des Gutachters bestehen keine Bedenken.
Die richtungsgebende Verschlimmerung des Unfalles hat der Sachverständige
nachvollziehbar mit dem hohen Schweregrad (Stufe III) des bei dem Unfall
eingetretenen Schleudertraumas begründet. Diesen Schweregrad schließt er
insbesondere aus der unstreitig festgestellten und operativ versorgten Subluxation in
dem Bereich HW 4/5, die auf eine schwere Gewalteinwirkung im Bereich der
Halswirbelsäule schließen lässt.
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Das Gericht ist ferner nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt,
dass die Kausalität zum Unfallgeschehen nicht durch die Operation des
Streitverkündeten am 22.07.1999 unterbrochen wurde. Aus dem
Sachverständigengutachten ergibt sich eindeutig, dass die Operation nicht grob
fehlerhaft ausgeführt wurde. Das folgt nach den Ausführungen des Sachverständigen
bereits daraus, dass jedenfalls die retrospektive Analyse der intraoperativ erhobenen
Befunde die richtige Indikation durch den Streitverkündeten bestätigt hat. Insbesondere
konnte der Sachverständige zudem nicht feststellen, dass nach der Operation durch den
Streitverkündeten neue Beschwerden aufgetaucht oder vorherige Beschwerden
dauerhaft verstärkt worden sind. Aus einer zeitweisen Verschlechterung der
Beschwerdesymptomatik konnte er jedenfalls nicht auf eine Fehlbehandlung durch den
Streitverkündeten schließen, da der Kläger auch im weiteren Verlauf wieder über die
bereits vorbestehenden Beschwerden klagte.
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Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich darüber hinaus, dass der Bedarf
des Einsatzes der seitens des Klägers beschriebenen Hilfsmitteln nachvollziehbar und
insofern zu ersetzen ist.
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Dem Sachverständigengutachten zufolge ist schließlich der Grad der Behinderung des
Klägers mit 60 % anzusetzen. Dieser wird bei der Bemessung der Höhe des
Ersatzanspruches, soweit sich hierauf der geltend gemachte Anspruch stützt, zu
berücksichtigen sein.
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Nach der plausiblen Beurteilung des Sachverständigen steht insoweit bereits fest, dass
jedenfalls hinsichtlich der Durchführung von Hausarbeiten unfallbedingt – bei
Berücksichtigung des Anteils von 80 % und der Grades der Behinderung von 60% - eine
Beeinträchtigung von 50 % anzusetzen sein wird.
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Die in dem Schriftsatz vom 16.02.2007 (Bl. 1301 d.A.) geäußerten Zweifel der Beklagten
an den Ausführungen des Sachverständigen, auf die vollumfänglich Bezug genommen
wird, hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zur
Überzeugung des Gerichts überzeugend ausgeräumt. Insofern hat er erläutert, dass die
intraoperative Feststellung einer gerissenenen Gelenkkapsel 3 Jahre nach dem
Unfallereignis zwar als ungewöhnlich, jedoch als nicht ausgeschlossen bezeichnet.
Jedenfalls könne diese Verletzung ohne einen weiteren Unfall nicht erst nach dem
streitgegenständlichen Unfall entstanden sein. Insbesondere hat er dargelegt, dass er
die Indikation des Streitverkündeten zwar vor der Operation nicht geteilt hätte, diese
jedoch jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen sei und durch die Feststellung während
der Operation bestätigt wurde. Dass die durch den Streitverkündeten festgestellten
Verletzungen zuvor nicht entdeckt worden waren, erklärt er nachvollziehbar damit, dass
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bis dahin lediglich statische Bilder im ruhenden Zustand vorlagen. Insbesondere hat der
Sachverständige auch nochmals überzeugend klargestellt, dass durch die Operation
keine Verschlechterung des Zustandes des Klägers eingetreten sei.
Klageantrag zu 1)
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Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 ) aus §§ 487 aF, 3 Nr. 1 PflichtVersG einen
Anspruch auf Zahlung eines – weiteren - Schmerzensgeldes iHv 35.790,43 €. Zur
Haftung der Beklagten zu 2) dem Grunde nach wird auf die obigen Ausführungen Bezug
genommen.
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Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer ausgehend von dem
Sachverständigengutachten die von dem Kläger vorgetragenen Verletzungen und
Beschwerden einbezogen und dabei berücksichtigt, dass diese, abgesehen von den
unmittelbaren Unfallfolgen, nur zu 80 % auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei war
neben den Wirbelverletzungen als solchen insbesondere zu berücksichtigen, dass der
Kläger mehrfach operiert werden musste und dadurch wiederholt stationäre
Krankenhausaufenthalte erforderlich waren, der Kläger seit dem Unfall unter ständigen
Halswirbelsäulen-, Nacken- und Kopfschmerzen und zunehmend unter neurologischen
Ausfallerscheinungen, Konzentrationsstörungen, Ohrgeräuschen bis hin zu einem
subjektiv störenden Tinitus, Vergesslichkeit und Schlafstörungen litt. Zudem fiel die
eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule und der Grad der Behinderung von
60 % sowie die damit verbundene Einschränkung im alltäglichen Leben besonders ins
Gewicht. Unter Abwägung der medizinischen Folgen sowie der weiteren
Gesichtspunkte, wie des Lebensalters und der sozialen Situation, ist unter
Berücksichtigung von zu ähnlichen Fallkonstellationen ergangenen Entscheidungen
(vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 22.3.1994, 1 U 177/93; OLG Stuttgart Urt. v. 19.1.1995, 19 U
200/94; OLG Hamm Urt. v. 24.9.1996, VersR 1997, 1108; OLG München, Urt. v.
26.9.1991, ZfS 1992, 264; LG Saarbrücken, Urt. v. 24.2.1997, 6 O 29/95) zum Ausgleich
aller erlittenen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu
prognostizierenden immateriellen Beeinträchtigungen der Klägerin ein Schmerzensgeld
in Höhe von 100.000,- DM angemessen und erforderlich. Unter Abzug des bereits von
der Beklagten zu 2) hierauf gezahlten Betrages von 30.000,- DM verbleibt ein noch zu
zahlender Betrag von 70.000,- DM, entsprechend 35.790,43 €.
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Der Betrag ist zudem grundsätzlich gemäß §§ 286, 288 a.F mit einem Zinssatz in Höhe
von 4 % zu verzinsen. Insofern war jedoch eine Verzinsung mit 8 % anzusetzen, da
hinsichtlich der seitens des Klägers behauptete Anlage eines derart großen Betrages
die Grundsätze des Anscheinsbeweises sprechen (vgl. Palandt- Heinrichs, 58. A., 1999,
§ 288 Rn 6 mwN).
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Ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte zu 1) als Halterin des
unfallverursachende KfZ steht dem Kläger dagegen nicht zu. Nach der zur Zeit des
Unfalles geltenden gesetzlichen Regelung des § 847 BGB aF, haftet der Halter mangels
Verschuldens nicht auf das Schmerzensgeld.
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Klageantrag zu 3)
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Darüber hinaus ist der Feststellungsantrag hinsichtlich des immateriellen
Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte zu 2) zulässig und begründet. Trotz des
Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes besteht ausnahmsweise ein
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Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO, da angesichts der Schwere und Dauer
der Verletzungen des Klägers es denkbar ist, dass sich die Schmerzsymptomatik mit
zunehmenden Alter verändert.
Der weitere Feststellungsantrag war in Bezug auf beide Beklagte hinsichtlich des
materiellen Schadens nur zulässig und begründet soweit er sich auf die künftigen
Schäden bezog. Hinsichtlich der vergangenen materiellen Schäden besteht kein
Feststellungsinteresse, da insofern die Leitungsklage vorrangig war. Dass der materielle
Schaden für die Vergangenheit teilweise noch nicht bezifferbar ist, hat auch der Kläger
nicht vorgetragen. Insofern war der Antrag abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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