Urteil des LG Köln vom 30.11.2010

LG Köln (kläger, wirtschaftliche einheit, antrag, rente, anlage, höhe, schnee, gruppe, darlehen, schaden)

Landgericht Köln, 3 O 433/09
Datum:
30.11.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 433/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger – von Beruf Rechtsanwalt und auf Unternehmensfinanzierungen spezialisiert
– führte im Jahr 2002 Gespräche mit Mitarbeitern der Beklagten zu 1) über eine
"Sicherheits-Kompakt-Rente" der sogenannten "Schnee-Gruppe". Wie es zu diesen
Gesprächen, mindestens zwei werden vom Kläger geschildert, kam, und was dabei
besprochen wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Tätig wurde dabei unter anderem
der Beklagte zu 2) als spezialisierter Berater und Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Dem
Kläger wurden dabei unter anderem ein Werbeprospekt (K1, Bl. 43 ff. d. A.) und die
"wichtigen Hinweise" (K10, Bl. 60 ff. d. A.) ausgehändigt, auf die wegen der Einzelheiten
verwiesen wird; insgesamt machen die Unterlagen einen A4-Ordner aus.
2
In der Folge schloss der Kläger noch im Jahr 2002 folgende Verträge ab:
3
Zwei Rentenversicherungen bei der "T Lebensversicherung a. G." (nachfolgend
"T"), aus denen er gegen eine Einmalzahlung von jeweils 98.150,00 EUR eine
monatliche Rente erhielt;
Zwei Lebensversicherungen bei der (seinerzeit noch so firmierenden) "K
Lebensversicherung AG" (heute "K1", nachfolgend "K Leben"), die sogenannte
"Tilgungskomponente", ebenfalls gegen eine Einmalzahlung von jeweils
160.202,00 EUR;
Zwei Risikolebensversicherungen bei der Europa Versicherung;
Vier Darlehensverträge bei der Beklagten zu 3), mit denen die
Rentenversicherungen und die Tilgungskomponente finanziert wurden, nicht aber
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die Risikolebensversicherungen.
5
Ferner schloss er mit der Beklagten zu 1) zwei Kreditvermittlungsverträge ab, die für die
Vermittlung der Darlehen der Beklagten zu 3) eine Provision erhielt. Dieser Vertrag ist
auf den 11. 11. 2002 datiert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag (Anlage K7,
Bl. 53 f. d. A.) verwiesen.
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Im Zusammenhang mit den auf den 10. 12. 2002 datierten Darlehensverträgen mit der
Beklagten wurde dem Kläger folgende Widerrufsbelehrung erteilt:
7
Widerrufsrecht
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Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe
von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt
frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt
die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
Stadtsparkasse M, I-Straße, ##### Köln bzw. ####@##.##.
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Widerrufsfolgen
10
Im Falle eines wirksamen Widerrufes sind die beiderseits empfangenen
Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen)
herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise
nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns
insoweit ggf. Wertersatz leisten.
11
Finanzierte Geschäfte
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Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus
einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag
nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies
ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im
Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und
Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners
bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder
grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen,
wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages
sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr
Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern,
indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen
machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes
Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer begünstigen.
Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf
gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darlehensverträge (Anlage B1 ff., Bl. 369
ff. d. A.) verwiesen.
14
Nach dem Konzept sollten die Leistungen der Rentenversicherung zunächst – mit einer
gewissen Zuzahlung – die Tilgung der Kredite abdecken. Bei Fälligkeit der
Tilgungskomponente sollten mit ihr die Kredite abgelöst werden. Der Vorteil des
Konzepts lag unter anderem darin, dass seinerzeit – vor Einführung der
Abgeltungssteuer – die Kreditraten steuerlich abgesetzt werden konnten. Zunächst
vorgesehen war in dem Konzept als Rentenversicherung eine englische
Lebensversicherung, die auf Wunsch des Klägers in eine deutsche Rentenversicherung
geändert wurde. Auch eine ebenfalls zunächst vorgesehene Finanzierung in Schweizer
Franken lehnte der Kläger ab, weil ihm dies zu unsicher erschien.
15
Durch die Darlehen in einer Gesamthöhe von mehr als 500.000 EUR – der Kläger gibt
insoweit keine einheitlichen Zahlen an – wurden die Einmalbeträge der Versicherungen
sowie die Provisionen für die Kreditvermittlungsverträge bezahlt. Wegen der
Einzelheiten des Zahlenwerks wird auf die Darstellung in der Klageschrift (Bl. 20 ff. d.
A.) verwiesen.
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Die "T" zahlte zunächst die vorgesehenen Beträge von vierteljährlich 3.000,00 EUR an
den Kläger aus, der damit die Finanzierungsraten an die Beklagte zu 3) beglich. Im
Dezember 2003 teilte die "T" mit, dass infolge der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt ab
November 2004 die Rente auf 2.110,- EUR gesenkt werden müsse. Mit Schreiben vom
21. 6. 2004 teilte die Schnee-Gruppe mit, sie gehe davon aus, dass ab 2005 wieder das
geplante Rentenniveau erreicht werde. Für das Jahr 2004 sei eine Sonderlösung
avisiert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben (Anlage K24, Bl. 93 d. A.)
verwiesen. Tatsächlich erhielt der Kläger im Dezember 2004 aber eine weitere
Mitteilung der "T", nach der die Rente ab dem 1. 11. 2005 auf 1.986,00 EUR gesenkt
werden müsse, da sich auf dem Kapitalmarkt bei weitem nicht mehr die Erträge wie in
den neunziger Jahren erzielen ließen. Wegen der Einzelheiten der Schreiben der "T"
wird auf die Schreiben Anlagen K22 und K23, Bl. 89 ff. d. A., verwiesen.
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Ende 2008 verkaufte der Kläger die "Tilgungsbausteine" auf Vorschlag der "Schnee-
Gruppe" und löste damit die Darlehen bei der Beklagten zu 3) teilweise ab. Für den
Verkauf erhielt er von dem Käufer 96,5% des Auszahlungsbetrags von 185.768,46 EUR
beziehungsweise 190.006,00 EUR, mithin 179.266,56 EUR beziehungsweise
183.355,79 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnungen vom 5. 1. 2009,
Bl. 186 f. d. A., verwiesen.
18
Mit Schreiben vom 23. 7. 2010 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 3) den
Widerruf der finanzierten Verträge, der Darlehen und der Kreditvermittlungsverträge.
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Mittlerweile hat der Kläger auch die Rentenverträge mit der "T" aufgelöst und damit die
Darlehen bei der Beklagten zu 3) bis auf einen Restbetrag von 6.138,46 EUR abgelöst.
20
Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 3) sei an ihn herangetreten und habe ihm die
"Schnee-Rente" angeboten. Er meint, mit der Beklagten zu 1) sei ein Beratungsvertrag
zustande gekommen.
21
Der Kläger behauptet weiter, die von der Beklagten zu 1) vorgelegten Unterlagen seien
irreführend, da dort eine "Sicherheit" vorgespiegelt werde, die es so nicht gegeben
habe, da die Rente nicht "sicher", sondern von der Entwicklung des Kapitalmarkts
abhängig gewesen sei. Außerdem sei bereits im Jahr 2002 abzusehen gewesen, dass
aufgrund der Entwicklung des Kapitalmarkts die in den Beispielsberechnungen
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eingesetzten Zahlen zu hoch seien; dies sei auch allen Beklagten erkennbar gewesen.
Der Beklagte zu 2) habe ihm erklärt, das Modell sei so sicher wie eine Kapital-
Lebensversicherung und gut geeignet zur Altersvorsorge.
Neben einem Beratungsverschulden meint der Kläger auch, ihm stünden Ansprüche
wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagten zu. Ferner meint er, die Beklagten
hätten ihn über das Risiko der fehlenden Fungibilität aufklären müssen.
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Weiterhin behauptet der Kläger, die Beklagten zu 1) und 2) hätten Provisionen für die
Vermittlung der Rente erhalten, über die er nicht aufgeklärt worden sei. In diesem
Zusammenhang stellt er den Antrag, den Beklagten aufzugeben, über diese Provisionen
Auskunft zu geben.
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Weiter meint der Kläger, die Widerrufsbelehrung der Darlehensverträge sei
unzureichend. Dabei stützt er sich insbesondere darauf, dass ihm auch im Hinblick auf
die finanzierten Kreditvermittlungsverträge ein Widerrufsrecht zugestanden habe; die
Widerrufsbelehrung in dem Vermittlungsvertrag enthalte aber keinen Hinweis auf die
Folgen von dessen Widerruf für den Darlehensvertrag. Bei allen Verträgen handele es
sich um verbundene Verträge.
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Als Schadensersatz verlangt der Kläger – nunmehr – die Rückzahlung der bereits
angefallenen Zuzahlungen, entgangenen Gewinn in Höhe von 4% p. a. sowie 2.000
EUR, die er für die Beratung durch einen Versicherungsfachmann habe aufwenden
müssen. Mit dem Hilfsantrag verlangt er den Schaden abzüglich der von ihm erzielten
Steuervorteile. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die
Darstellung in der Klageschrift, Bl. 23 ff. d. A., verwiesen.
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Der Kläger beantragt, nach mehrfacher Umstellung des Antrags, nunmehr,
27
a) die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 184.398,79
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Basispunkten über Basiszinssatz seit
Klagezustellung an den Kläger zu verurteilen, davon in Höhe von 10.000 EUR
gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2),
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hilfsweise,
29
die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 137.327,97
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Basispunkten über Basiszinssatz seit
Klagezustellung an den Kläger zu verurteilen, davon in Höhe von 10.000 EUR
gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2)
30
und
31
festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 3) zur Erstattung der
Steuernachzahlungen verpflichtet sind, die dem Kläger durch Steuerbescheide
des zuständigen Finanzamtes entstehen, falls das Finanzamt die steuerliche
Anerkennung der Geltendmachung der Schuldzinsen aus den Darlehn der
Beklagten zu 3) aus den Darlehn Nr. ####, ####, ####, ####, ####, ####, ####,
#### der Beklagten zu 3) in den Jahren 2002 bis 2008 nachträglich aberkennt
oder einen steuerpflichtigen Zufluss in der Zahlung der vorgenannten
137.327,97 EUR annimmt und entsprechend den Kläger zur Versteuerung
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veranlagt.
b) den Beklagten zu 2) zur Zahlung von 10.000 € an den Kläger nebst Zinsen in
Höhe von 5 Basispunkten über Basiszinssatz seit Antragszustellung zu
verurteilen, gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) und 3),
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c) festzustellen, dass der Kläger der Beklagten zu 3) nach dem 30. 9. 2010
keine Zins- und Tilgungszahlungen und sonstigen Zahlungsverpflichtungen an
die Beklagte zu 3) aus den Darlehnsverträgen Nr. ####, und #### schuldet,
hilfsweise, die Beklagte zu 1) dazu zu verurteilen, den Kläger hiervon
freizustellen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte zu 1) meint, es läge lediglich ein Fall der Anlagevermittlung vor. Sie
behauptet, der Kläger sei durch den Beklagten zu 2) in insgesamt vier Gesprächen
umfassend informiert worden. Die Informationen in den dem Kläger überlassenen
Unterlagen seien korrekt und würden den Kläger auch zutreffend über die Risiken der
Anlage informieren. Dass sich die dort genannten Zahlen in der Folge nicht realisieren
ließen, sei damals nicht absehbar gewesen. Es werde in den Unterlagen auch
hinreichend deutlich, dass es sich bei diesen Zahlen um Prognosen gehandelt habe.
Der Beklagte zu 2) habe den Kläger auch – ohne dazu verpflichtet zu sein – über die
gezahlten Provisionen informiert.
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Die Beklagte zu 3) meint, es läge kein Fall verbundener Verträge vor.
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Die Beklagten bestreiten die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Schäden und
meinen, der Kläger müsse sich die erzielten Steuervorteile anrechnen lassen.
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Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) bestehen nicht. Auf die von den Parteien
problematisierte Frage, ob eine Anlagevermittlung oder –beratung stattgefunden hat,
kommt es dabei nicht an, da sich der Kläger weitgehend auf fehlerhafte Auskünfte stützt,
für die auch ein Anlagevermittler haften würde. Nur hinsichtlich der vom Kläger
behaupteten Verletzung einer Aufklärungspflicht über Provisionen käme es auf die
Differenzierung an, denn eine solche könnte nur einen Anlageberater, nicht aber einen
Anlagevermittler, treffen, da hier keine Innenprovisionen von mehr als 15% der
Anlagesumme in Rede stehen. Eine solche Aufklärungspflicht bestand im vorliegenden
Fall aber nicht, wie noch darzulegen ist.
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a) Ansprüche wegen einer Fehlberatung hinsichtlich der wirtschaftlichen
Erfolgsaussichten der Anlage bestehen nicht. Der Kläger stützt sich im Kern auf zwei
Gesichtspunkte:
44
In den Unterlagen würden die Risiken des Geschäfts unzutreffend dargestellt.
Zwar werde dort auch darauf hingewiesen, dass sich die genannten Ergebnisse
möglicherweise nicht erreichen ließen, dies werde zugleich aber als
unwahrscheinlich dargestellt.
Schon bei Vertragsschluss sei abzusehen gewesen, dass die Ergebnisse nicht
erreichbar sein würden, was den Beklagten auch bekannt gewesen sei.
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46
Der Kläger stützt sich insoweit auf ein Urteil des OLG Hamm (Urt. v. 18. 1. 2007 – 4 U
22/06 – zitiert nach juris), das insbesondere die Bezeichnung als "Sicherheits-" Rente
für irreführend hielt und daher gesteigerte Aufklärungspflichten des Beraters annahm.
Die Beklagte zu 3) weist allerdings darauf hin, dass dem Urteil eine Produktinformation
aus dem Jahr 1999 zugrundelag, während die hier in Rede stehende Anlage K10 den
Stand 2001 aufweise. Ob die Unterlagen, wie das OLG Hamm mit einer recht knappen
Begründung angenommen hat, tatsächlich irreführend sind, bedarf im vorliegenden Fall
aber keiner abschließenden Entscheidung, da Ansprüche des Klägers insoweit verjährt
sind.
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Der Schaden ist – entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht – bereits mit Abschluss
der Verträge eingetreten. "Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
der Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige
Kapitalanlage erworben hat, in der Regel bereits durch deren Erwerb geschädigt" (BGH,
Urt. v. 8. 3. 2005 – XI ZR 170/04 – NJW 2005, 1579).
48
Kenntnis von den gerügten Beratungsfehlern hatte der Kläger spätestens im Jahr 2004,
nachdem ihm die T mitgeteilt hatte, auch 2005 werde die Rente weiter abgesenkt, da
sich die ursprünglich angenommenen Erträge auf dem Kapitalmarkt nicht mehr erzielen
ließen. Dem kann er nicht entgegenhalten, erst durch die Veräußerung der
"Tilgungskomponente" habe er vom Ausmaß des Schadens erfahren. Zunächst ist
unklar, inwieweit sich durch diesen Verkauf tatsächlich ein Schaden realisiert hat, der
auf den vom Kläger behaupteten Beratungsfehlern beruht. Aus den Abrechnungen des
Käufers ergibt sich nur, dass der Kaufpreis für den Verkauf der Versicherungen –
naturgemäß – hinter der vereinbarten Auszahlungssumme zurückblieb. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass der Kläger die Verträge vorzeitig beendet hat, was sich ebenfalls
auf die Kalkulation des Auszahlungsbetrages ausgewirkt haben dürfte. Anlass der
Veräußerung der Tilgungskomponente war im Übrigen auch nicht ein Wertverlust der
Versicherungen, sondern – wie der Kläger nunmehr selber vorträgt – eine Empfehlung
der Schnee-Gruppe, der unter Hinweis auf die Einführung der Abgeltungssteuer erfolgte.
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Entscheidend ist aber, dass der Kläger nach den Mitteilungen der Versicherung davon
ausgehen musste, dass das Konzept nicht so sicher war, wie er – seiner Behauptung
nach – angenommen hat, sondern eben doch Risiken barg. Die Reduzierung der
Rentenleistung von den zunächst – plangemäß – erzielten 2 x 1.500 EUR vierteljährlich
auf 2 x 993 EUR vierteljährlich wurde ausdrücklich mit der Entwicklung auf dem
Kapitalmarkt begründet, auf dem nicht mehr die Erträge wie in der Vergangenheit zu
erzielen seien. Damit war dem Kläger nicht nur bekannt, dass das von ihm erworbene
Produkt in ganz erheblichem Umfang von der Kapitalmarktentwicklung abhängig war:
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Die zunächst vorgesehene Rente war um mehr als 1/3 reduziert worden. Ihm wurde
durch die Schreiben auch in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, dass die Ursache für
diesen Wertverlust in einer Entwicklung des Kapitalmarkts lag, die sich bereits seit
längerer Zeit abgezeichnet hatte:
"Ausschlaggebend für die Höhe der Kapitalerträge ist dabei das am Kapitalmarkt
erzielbare Zinsergebnis. Bekanntlich bewegt sich der Kapitalmarktzins seit Jahren
auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Überschussbeteiligung unserer
Versicherten liegt schon länger über der am Kapitalmarkt erzielbaren Rendite..."
(Schreiben vom Dezember 2003, Anlage K22)
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"Insbesondere bei den festverzinslichen Wertpapieren, in die wir ganz wesentlich
investieren, erzielen wir bei weitem nicht mehr die Rendite, wie das noch in den 90er
Jahren der Fall war" (Schreiben vom Dezember 2004, Anlage K24)
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Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf das Schreiben der Schnee-Gruppe vom
Juni 2004 stützen. Dort wurde zwar die ab November 2004 ausgezahlte niedrigere
Rente als vorübergehende Abweichung dargestellt, schon 2005 würden wieder höhere
Renten gezahlt, und für 2004 arbeite man an einer Lösung. Dieses Schreiben war zwar
geeignet, die Mitteilung der Versicherung vom Dezember 2003 zu neutralisieren, wurde
aber seinerseits widerlegt durch die Mitteilung der Versicherung vom Dezember 2004:
Danach wurde keineswegs, wie die Schnee-Gruppe mitgeteilt hatte, ab 2005 wieder
eine höhere Rente gezahlt. Im Gegenteil: Für 2005 wurde eine weitere Absenkung der
Rente angekündigt. Damit war für den Kläger nicht nur eindeutig, dass das
vorangegangene Schreiben der "Schnee-Gruppe" inhaltlich unzutreffend war. Diese
Mitteilung stellte für den Kläger darüber hinaus auch einen weiteren Hinweis darauf dar,
dass die Informationen der Schnee-Gruppe nicht zuverlässig waren. Daher kann sich
der Kläger auch nicht auf das zitierte Urteil des OLG Hamm vom 18. 1. 2007 (a. a. O.
juris Rn. 98) stützen, das die Verjährung gerade unter Hinweis auf ein
beschwichtigendes Schreiben der Schnee-Gruppe abgelehnt hatte.
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Der Kläger kann sich auch nicht darauf zurückziehen, die Mitteilungen der "T" hätten
sich nur auf die Rentenzahlungen, nicht aber die Tilgungsbausteine bezogen. Dem
steht zunächst entgegen, dass der Kläger selber das gesamte Vertragswerk als
wirtschaftliche Einheit wertet, da es sich seiner Ansicht nach um verbundene Verträge
handelt. Verbundene Verträge liegen aber definitionsgemäß nur dann vor, wenn die
einzelnen Verträge die Teilstücke einer wirtschaftlichen Einheit bilden (BGH, Urt. v. 15.
5. 1990 – XI ZR 205/88 – NJW-RR 1990, 1072, 1073).
54
Auch der Vorwurf des Klägers, er sei fehlerhaft beraten worden, bezieht sich auf das
gesamte Vertragskonzept. Der Vorwurf, das Konzept dürfe nicht als "sicher" dargestellt
werden, obwohl es von den Risiken des Kapitalmarkts abhängig sei – wobei diese in
den Vertragsunterlagen systematisch verharmlost würden – richtet sich gegen das
Konzept als solches. So stellt der Kläger ausdrücklich darauf ab, die Beklagte zu 1)
habe ihn "auf keines der Risiken, die dem Modell immanent waren, hingewiesen"
(Klageschrift, S. 37). Gleiches gilt für den Vorwurf, die Beklagten zu 1) und 2) hätten die
absehbare und ihnen bekannte Entwicklung des Kapitalmarkts, die dazu geführt habe,
dass die in den Vertragsunterlagen angesetzten Zahlen zu optimistisch gewesen seien,
verschwiegen.
55
Ein Schaden war auch nicht erst mit dem Verkauf der Tilgungsbausteine erkennbar;
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nach der eigenen Darstellung des Klägers traten die ersten Schäden bereits im Jahr
2004 infolge der Reduzierung der Rentenleistungen ein, die ihn zu höheren
Zuzahlungen zwangen. Insgesamt macht auch nach den Berechnungen des Klägers
der Schaden, den er durch die Reduzierung der Rentenleistungen erlitten habe, mehr
als die Hälfte des von ihm eingeklagten Gesamtschadens von – zunächst – 156.677,79
EUR aus.
Da der Kläger mithin im Jahr 2004 Kenntnis von der fehlenden Sicherheit und der vom
Plan abweichenden Entwicklung der Anlage hatte, lief die Verjährungsfrist gemäß §§
195, 199 BGB mit dem Jahr 2007 ab. Durch die im Jahr 2009 erhobene Klage konnte
sie nicht mehr gehemmt werden.
57
b) Durch einen unterlassenen Hinweis auf die mangelnde Fungibilität ist dem Kläger
kein Schaden entstanden. Unstreitig sind die Versicherungsverträge verkauft
beziehungsweise aufgelöst. Abgesehen davon ist es allgemeinkundig, dass
Lebensversicherungen keine frei handelbaren Kapitalanlagen sind. Daher bedurfte es
auch keines Hinweises darauf, dass bei den Rentenversicherungen – anders als bei
den meisten Lebensversicherungen – das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers
ausgeschlossen war.
58
c) Eine Aufklärungspflicht über Provisionen bestand nicht. Zunächst ist darauf
hinzuweisen, dass über Vertriebsprovisionen – anders als über sogenannte
Rückvergütungen – auch im Rahmen der Anlageberatung nicht aufzuklären ist (BGH,
Urt. v. 27. 10. 2009 – XI ZR 338/08 – juris Rn. 31; Nobbe, Anmerkung zu OLG Dresden,
WM 2009, 1689 WuB I G 1 Anlageberatung 5.10). Weiterhin müssen selbständige
Anlageberater – hier die Beklagten zu 2) und 3) –, die für ihre Leistungen von ihren
Kunden nicht gesondert vergütet werden, auch nicht über von ihnen bezogene
Rückvergütungen aufklären. Dem Kunden muss klar sein, dass solche Berater für die
von ihnen erbrachten Leistungen wenn nicht von ihm, dann von den Anbietern der
Kapitalanlagen vergütet werden (BGH, Urt. v. 15. 4. 2010 – III ZR 196/09 – juris Rn. 14).
Beim Vertrieb von Lebensversicherungen hat auch, soweit ersichtlich, der
Bundesgerichtshof noch nie eine Aufklärungspflicht hinsichtlich von Vergütungen des
Vermittlers angenommen. Dies wäre auch nicht sachgerecht, da allgemein bekannt ist,
dass Versicherungsvermittler für ihre Tätigkeit Provisionen seitens der Versicherer
beziehen.
59
Aus diesem Grund stehen dem Kläger insoweit auch keine Auskunftsansprüche gegen
die Beklagten zu, so dass sein entsprechender Antrag unbegründet ist.
60
d) Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung oder Betrug des
Klägers durch die Beklagten zu 1) und 2) sind nicht ersichtlich.
61
2. Für eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2) fehlt es demnach an einer
Anspruchsgrundlage. Die Voraussetzungen, unter denen von einem Vertreter wegen
Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens persönlich Schadenersatz
verlangt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 1. 7. 1991 – II ZR 180/90 – NJW-RR 1991, 1312,
1314 m. w. N.), sind vom Kläger nicht dargelegt worden.
62
3. a) Ansprüche wegen fehlerhafter Beratung gegen die Beklagte zu 3) scheitern bereits
daran, dass der Kläger kein Beratungsverhältnis mit der Beklagten zu 3) dargelegt hat.
Im Übrigen fehlt es, wie dargelegt, an einem – unverjährten – Beratungsfehler.
63
b) Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 3) gemäß §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs.1 BGB
scheitert schon daran, dass die Klage insoweit der Höhe nach unschlüssig ist. Der
Kläger könnte in diesem Fall nicht nur die von ihm an die Beklagte zu 3) erbrachten
Leistungen zurückverlangen, sondern müsste auch die von ihm erlangten Leistungen
zurückgewähren. Da er die Ansprüche aus den finanzierten Versicherungsverträgen
nach deren Verkauf beziehungsweise Auflösung nicht mehr zurückgewähren kann,
hätte er der Beklagten nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten, wenn der
Widerruf wirksam wäre. Diese Beträge bringt der Kläger nicht von seiner Klageforderung
in Abzug.
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Weiterhin scheitert ein Widerruf des Klägers daran, dass das ihm zustehende
Widerrufsrecht im Zeitpunkt des von ihm mit Schreiben vom 23. 7. 2010 erklärten
Widerrufs bereits infolge Zeitablaufs erloschen war.
65
Es dürfte zwar zutreffend sein, dass es sich bei den Darlehens- und
Versicherungsverträgen um verbundene Geschäfte handelte. Die Verträge wurden
zeitgleich abgeschlossen, einheitlich durch die Beklagte zu 1) vermittelt, und die
Darlehensbeträge waren zweckgebunden und standen dem Kläger nicht zur freien
Verfügung. Dies gilt aber nicht für die Vermittlungsverträge: Der Kläger hat zwar
vorgetragen, sie seien zeitgleich mit den Darlehensverträgen abgeschlossen worden.
Dies ist aber unzutreffend, wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Vertragsurkunde
ergibt: Danach wurde der Vermittlungsvertrag am 11. 11. 2002 abgeschlossen, mithin
zeitlich vor den auf den 10. 12. 2002 datierten Darlehensverträgen. Auch inhaltlich
waren sie von ihnen unabhängig, da sie erst den Abschluss der Darlehensverträge
vorbereiten sollten und von deren Abschluss unabhängig waren. Lediglich die Provision
sollte, wie bei einem Maklervertrag üblich, erst bei Abschluss der Darlehensverträge
verdient sein. Im Hinblick auf die Vermittlungsverträge bedurfte es daher keiner
gesonderten Belehrung des Klägers über die Rechtsfolgen eines verbundenen
Geschäfts.
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Die Belehrung über das Widerrufsrecht in den mit der Beklagten zu 3) geschlossenen
Darlehensverträgen ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Unzutreffend ist zunächst die
Ansicht des Klägers, die finanzierten Verträge müssten konkret bezeichnet werden
(BGH, Urt. v. 13. 1. 2009 – XI ZR 118/08 – juris Rn. 26). In der gleichen Entscheidung
hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass die Belehrung, die Widerrufsfrist
beginne "frühestens" mit Erhalt der Belehrung, nicht missverständlich ist (a. a. O. Rn.
19).
67
Die Belehrung entsprach im Übrigen auch der damals geltenden Anlage 2 zur BGB-
InfoVO. Lediglich der in der BGB-InfoVO vorgesehen Zusatz "Wenn Ihrem
Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe
bereits zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur an diesen,
sondern auch an uns halten" fehlte in der von der Beklagten verwendeten Fassung.
Dies ist aber unschädlich. Unklarheiten über die Voraussetzungen des Widerrufsrechts
konnten dadurch bei dem Verbraucher nicht entstehen.
68
4. Der Antrag der Beklagten, dem Kläger die Vorlage der gesamten Vertragsunterlagen
aufzugeben, brauchte nicht nachgegangen zu werden, da es für die Entscheidung nicht
auf den Inhalt dieses Ordners ankommt.
69
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
70
Streitwert:
71
bis zum 15. 2. 2010:
72
Antrag zu a)
177.204,79
Antrag zu b) (entsprechend § 9 ZPO, 3,5 * 25.537,52 €)
88.751,32
Summe
265.956,11
73
16. 2. 2010 – 19. 9. 2010:
74
Antrag zu a)
184.398,79
Antrag zu b) (wirtschaftlich identisch mit a)
0,00
Antrag zu c) (entsprechend § 9 ZPO, 3,5 * 25.537,52 €)
88.751,32
Summe
273.150,11
75
20. 9. 2010 – 1. 11. 2010:
76
Antrag zu a)
184.398,79
Antrag zu b) (wirtschaftlich identisch mit a)
0,00
Summe
184.398,79
77
ab 2. 11. 2010:
78
Antrag zu a)
184.398,79
Antrag zu b) (wirtschaftlich identisch mit a)
0,00
Antrag zu c)
6.138,46
Summe
190.537,25
79