Urteil des LG Köln vom 23.04.2010

LG Köln (vergütung, höhe, hörfunk, schiedsstelle, vereinbarung, fernsehen, verhältnis zwischen, ausdrücklich, verhältnis zu, einvernehmliche regelung)

Landgericht Köln, 90 O 116/09
Datum:
23.04.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
90 O 116/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch
unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Steuerbürge
zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer
urheberrechtlichen Vergütung an die Klägerin sowie ferner über die Ausgestaltung und
Höhe einer etwaigen Vergütungspflicht.
2
Die Klägerin ist eine als solche zugelassene Verwertungsgesellschaft, die den Zweck
verfolgt, Urheber- und Leistungsschutzrechte nach dem Urheberrechtsgesetz für
Medienunternehmen wahrzunehmen. Nach ihrer Darstellung sind ihr aufgrund von
Wahrnehmungsverträgen mit privaten Hörfunk- und Fernsehunternehmen abgeleitete
und eigene Urheber- und Leistungsschutzrechte der Mitgliedsunternehmen für die
analoge und digitale Weitersendung der terrestrisch und satellitär verbreiteten Fernseh-
und Hörfunkprogramme zur Wahrnehmung übertragen worden.
3
Die Beklagte ist eine in Deutschland ansässige Kabelnetzbetreiberin und
Tochterunternehmen der V GmbH. Sie firmierte zuvor unter "M GmbH" und hat einen
Teil des früheren Kabelnetzes der U AG übernommen. Sie versorgt in mehreren
Bundesländern eine Vielzahl von angeschlossenen Haushalten mit analogen bzw.
digitalen TV- und Radioprogrammen. Darüber hinaus bietet die Beklagte auch diverse
digitale abonnementspflichtige Programmpakete sowie Internet- und Telefonanschlüsse
über ihr Kabelnetz an. Zur Gewährleistung einer größtmöglichen Programmvielfalt
schon im Bereich ihres Basisangebots (Free-TV) speist sie unter anderen auch die
4
schon im Bereich ihres Basisangebots (Free-TV) speist sie unter anderen auch die
Sendungen der von der Klägerin angeblich vertretenen privaten Hörfunk- und
Fernsehunternehmen in ihr Kabelnetz ein, und zwar einerseits auf der Netzebene 3
(Verbindung zwischen einem Empfangsgerät der Beklagten und der Schnittstelle zu
solchen Netzbetreibern, welche die Kabelführung bis zum jeweiligen Endverbraucher
übernommen haben), teilweise aber auch auf der Netzebene 4 (Verbindung zwischen
Netzebene 3 und Endverbraucher). Diese Einspeisung geschieht – auch auf Betreiben
der Privatsender und in deren Interesse an einer größtmöglichen Verbreitung ihrer
Sendungen – auf der Grundlage gesonderter Einspeisungsverträge, in denen jedenfalls
zu Gunsten der Beklagten und ihrer Konzernangehörigen sowie der A auch
Transportentgelte vereinbart worden sind. Diese unmittelbar mit den privaten Hörfunk-
und Fernsehunternehmen geschlossenen Verträge enthalten dagegen keine
ausdrückliche Vereinbarung zu einer Lizenzgebühr für die Weiterleitung der Sendungen
an die Kabelempfänger. Vielmehr wurde in den ab 2006 geltenden Einspeiseverträgen
die Einräumung der Nutzungsrechte, die für die Kabelweitersendung erforderlich sind,
ausdrücklich ausgenommen und besonderen Vereinbarungen zwischen den Parteien
vorbehalten.
Bis zum 31.12.2002 war die Vergütung betreffend die Kabelweitersendung über einen
sogenannten "Kabelglobalvertrag" vom 21.11.1991 geregelt. Im Nachgang hierzu
verhandelten die Rechteinhaber einschließlich der Klägerin mit Kabelnetzbetreibern
einschließlich der Beklagten über einen "Kabelglobalvertrag neu" mit Wirkung ab dem
01.01.2003. Gegenstand von Verhandlungen am 19.12.2002 war eine Pauschalzahlung
in Höhe von 60 Mio. € pro Jahr an sämtliche Rechteinhaber als allumfassende
Vergütung für die Kabelweitersendung. Die Klägerin sah bei diesem Betrag ihre Rechte
nicht angemessen bewertet und und verweigerte ihre Teilhabe an dieser vertraglichen
Regelung. Die verbliebenen Rechteinhaber einigten sich mit den Kabelnetzbetreibern
am 11.02.2004 auf einen Jahresbetrag von 49 Mio. €, welcher unter Abzug des nach
den Verhandlungen zum "Kabelglobalvertrag neu" für die Klägerin vorgesehenen
Anteils von 11 Mio. € pro Jahr zustandekam. In Ziffer 4. der Vereinbarung wurde ein
Betrag in Höhe von 4,08 Mio. € zur Vergütung aller eventuellen zusätzlichen Ansprüche
wegen Kabelweitersendung für den Zeitraum vor dem 01.01.2003 vereinbart.
5
Am 11.04.2003 schlossen die Klägerin und die Kabelnetzbetreiber für die Zeit ab dem
01.01.2003 einen Vergleichsvertrag über die Vergütung der Nutzung der verbliebenen
terrestrisch und satellitär herangeführten Programme durch Hörfunk- und
Fernsehsendeunternehmen der Wahrnehmungsberechtigten der Klägerin. Unter
Berücksichtigung einer Zusatzvereinbarung zu dem Vergleichsvertrag 2003 betrug die
jährlich zu zahlende Gesamtvergütung für die Kabelnetzbetreiber 16,92 Mio €.
6
§ 4 Abs. 7 des Vergleichsvertrags 2003 lautet wie folgt:
7
"…Die VG Media hat einen umsatzabhängigen Tarif aufgestellt, dessen
Angemessenheit zwischen den Parteien umstritten ist. Die Vergütung ist daher
vergleichsweise vereinbart worden und enthält einen Vergangenheitsanteil."
8
Eine Konkretisierung dieses Vergangenheitsanteils der Höhe nach fand in dem
Vergleichsvertrag zwischen den Parteien nicht statt. Auch im übrigen wurden die
Grundlagen der Berechnung des Vergleichsbetrages von 16,95 Mio. € nicht in den
Vertrag aufgenommen, insbesondere nicht die Höhe der für die Vergütung
maßgeblichen Umsätze der Kabelnetzbetreiber. Insoweit hatte die A als
Rechtsvorgängerin der Beklagten in den Jahren 1999, 2000 und 2001 als
9
vergütungsrelevanten Umsatz konstant den Wert von 1,044 Milliarden € angegeben. Der
deutsche Kabelverband bezifferte in einer der Klägerin seinerzeit bekannten
Presseerklärung vom 25.02.2003 dagegen für das Jahr 2002 den Gesamtumsatz der
verbandsangehörigen Unternehmen auf 1,65 Milliarden €.
Der Vergleichsvertrag 2003 hatte eine Laufzeit bis zum 31.12.2005 mit
Verlängerungsklausel in § 5, die indes nicht zum Tragen kam, da die Klägerin den
Vertrag zum 31.12.2005 fristgerecht kündigte. Ab dem Jahr 2006 begehrt die Klägerin
von der Beklagten eine Vergütung gemäß ihren am 04.05.2006 im Elektronischen
Bundesanzeiger veröffentlichten Tarifen "Hörfunk und Fernsehen analog" und "Hörfunk
und Fernsehen digital", welche von der Beklagten nicht anerkannt werden. Hiernach
verlangt die Klägerin für die Sendungsweiterleitung an Haushalte mit analogem
Kabelanschluss – entsprechend einer von ihr behaupteten allgemeinen Akzeptanz in
der Nutzergruppe der Antennengemeinschaften – eine urheberrechtliche Vergütung in
Höhe von 1 % der hieraus erzielten Umsätze, sofern im Gegenzug ausdrücklich auf jede
Art von Transportentgelt verzichtet werde, anderenfalls einen Vergütungssatz in Höhe
von 2,09 %. Für die Weiterleitung an Haushalte mit digitalem Kabelanschluss fordert sie
2,15 % der hieraus erzielten Umsätze bei Verzicht auf Transportentgelt, anderenfalls
2,51 %. Die hierüber von den Parteien geführten Verhandlungen blieben bislang ohne
abschließendes Ergebnis. Ende 2005 schlossen sie eine Interimsvereinbarung auf der
Grundlage des gekündigten Vergleichsvertrages, jedoch "ohne Präjudiz für die
endgültige vertragliche Regelung", mit Laufzeit bis zum 31.12.2006. Entsprechend
dieser Vereinbarung zahlte die Beklagte an die Klägerin Lizenzgebühren in Höhe von
3.767.362,92 €, die sie sich auf den von ihr geltend gemachten Anspruch anrechnen
lässt.
10
Gemäß Ziffer 4 der Interimsvereinbarung, in welcher die Klägerin angekündigte, sie
werde "die Höhe der angemessenen Vergütungen und die sonstigen Bedingungen für
die jeweiligen Nutzungen der Rechte im Rahmen eines Schiedsstellen- bzw.
Gerichtsverfahrens feststellen lassen", leitete sie am 15.05.2006 ein Verfahren vor der
Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts ein (Az. Sch-Urh 64/06). Dort
beantragte sie die Feststellung, dass die von ihr veröffentlichten Tarife "Hörfunk und
Fernsehen analog" und "Hörfunk und Fernsehen digital" angemessen seien. Mit Datum
vom 01.04.2009 unterbreitete die Schiedsstelle einen Einigungsvorschlag, dem beide
Parteien widersprachen. Wegen der Einzelheiten des Vorschlags wird auf die zur Akte
gereichte Kopie Bezug genommen.
11
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin zunächst Zahlung von 5.619.886,50 €,
der Differenz zwischen der für das Jahr 2006 bereits erhaltenen Vergütung von
3.767.362,92 € und dem auf der Grundlage ihres Tarifs für analoge Weiterleitung
berechneten Anspruch von 9.387.249,42 €. Ferner verlangt sie im Wege der
Stufenklage Auskunft über die Gesamtumsätze der Beklagten aus
Kabelweitersendungen an Haushalte mit digitalem Kabelanschluss, um auf dieser
Grundlage Zahlung der Mehrvergütung anhand ihres höheren Tarifs für die digitale
Weiterleitung zu fordern.
12
Die Klägerin meint, hierzu aktivlegitimiert zu sein, da die von ihr vertretenen Hörfunk-
und Fernsehsendeunternehmen sowohl ihre originären als auch ihre abgeleitet
erworbenen Kabelweitersenderechte zur Wahrnehmung an die Klägerin übertragen
hätten. Diese Wahrnehmungsverträge würden auch nicht dadurch leer laufen, dass der
Beklagten durch die Einspeiseverträge mit den wahrnehmungsberechtigten
13
Sendeunternehmen der Klägerin bereits die Nutzungsrechte an Urheber- und
Leistungsschutzrechten übertragen worden wären. Vielmehr würden die
Einspeiseverträge ohnehin lediglich die technische Seite der Einspeisung regeln und
jedenfalls seit dem Jahr 2006 die Rechteeinräumung ausdrücklich der Klägerin
vorbehalten. Ebensowenig werde ein über die Zahlungen der Beklagten
hinausgehender Vergütungsanspruch durch die Regelungen der Interimsvereinbarung
berührt, da diese lediglich vorläufigen Regelungscharakter habe.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, die von ihr geforderten Tarife würden sich bereits
von dem urheberrechtlichen Grundsatz ableiten, nach dem sämtliche Rechteinhaber,
deren Rechte durch eine Nutzung berührt werden, in einer Höhe von 10 % des
Umsatzes an den geldwerten Vorteilen der Nutzer zu beteiligen seien. Da das
Rechteportfolio der Klägerin zu den Rechten der übrigen Rechteinhaber jedenfalls im
Verhältnis 1:4 stehe, liege ihr Tarif im Rahmen der 10 %-Regel.
14
Die Tarife hätten sich in den vergangenen Jahren auch im Markt durchgesetzt. Hierzu
beruft die Klägerin sich unter anderem auf eine Vielzahl von Lizenzverträgen mit
anderen Kabelnetzbetreibern sowie auf diverse Einigungsvorschläge der Schiedsstelle
des DPMA in anderen Verfahren. Sei danach anerkannt, dass eine Vergütung in Höhe
von 1 % bei der Kabelweitersendung angemessen sei, sofern auf Transportentgelte
verzichtet werde, so rechtfertige es einen Vergütungssatz in Höhe von 2,09 % bzw. 2,51
%, wenn von den Kabelnetzbetreibern - wie von der Beklagten - Transportentgelte
verlangt würden.
15
Zudem werde die Verkehrsdurchsetzung einer solchen Tarifhöhe durch das Ergebnis
der seinerzeitigen, im Vergleichsvertrag mündenden Verhandlungen der Parteien
reflektiert, da in diesem Vertrag schon ein Vergütungssatz von 1,62 % vereinbart worden
sei, der infolge veränderter Rahmenbedingungen nunmehr angemessen zu erhöhen sei.
Dieser Prozentsatz errechne sich, wenn als Bezugsgröße ein Umsatz von 1,044
Milliarden € pro Jahr in Ansatz gebracht und der volle Betrag von 16,92 Mio. € hierzu ins
Verhältnis gesetzt werde.
16
Hierzu behauptet die Klägerin, ungeachtet der mit dem Vergleichsvertrag für die
Mitglieder der Klägerin erzielten höheren absoluten Summe von 16,92 Mio. € (im
Vergleich zu vorher avisierten 11 Mio. €) sei die Kalkulationsgrundlage in Bezug auf die
vergütungsrelevanten Umsätze unverändert geblieben. So seien die Parteien während
der gesamten Verhandlungen anlässlich des "Kabelglobalvertrags neu" und auch noch
im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichsvertrags am 11.04.2003 von Umsätzen der
drei großen Kabelnetzbetreiber in Höhe von ca. 1,044 Milliarden € pro Jahr
ausgegangen. Zwar habe es im Nachhinein Hinweise gegeben, dass die tatsächlichen
Umsätze deutlich höher gewesen seien, jedoch hätten diese Angaben weder durch
testierte Geschäftsberichte noch durch schriftliche und verbindliche Mitteilungen der
Beklagten bzw. anderer Kabelnetzbetreiber verifiziert werden können. Demzufolge habe
für die Klägerin und die GEMA als Verhandlungsführerin der übrigen Rechteinhaber
keinerlei Anlass bestanden, von höheren Umsätzen auszugehen. Auch die von der
Beklagten vorgelegte Presseerklärung des deutschen Kabelverbands vom 25.02.2003
sei in keiner Weise für den Abschluss des Vergleichsvertrags relevant und hierzu
aufgrund der Verbandsherkunft und des absolut vagen Inhalts auch nicht geeignet
gewesen. In der - als solche bestrittenen - Summe von 1,65 Milliarden € seien zudem
nicht nur Umsätze aus der Kabelweitersendung enthalten, sondern z.B. auch solche aus
Erlösen, die mit Unternehmensveräußerungen im Rahmen des Verkaufs von einzelnen
17
Kabelnetzen erzielt worden seien.
Die Klägerin behauptet weiter, für die Kalkulation des Betrages von 16,92 Mio. € sei ein
Vergangenheitsanteil allenfalls in Höhe von 500.000,00 € veranschlagt worden. Mit der
Regelung in § 4 Abs. 7 des Vergleichsvertrags habe lediglich klargestellt werden sollen,
dass durch die Übernahme der Zahlungsverpflichtung seitens der Kabelnetzbetreiber
auch Ansprüche für den Zeitraum bis zum 31.12.2002 abgegolten seien und
diesbezüglich eine Freistellung erfolge. Dementsprechend sei dem Vergleichsvertrag
keine bestimmte Summe zu entnehmen, die sich nach dem Willen der Vertragsparteien
auf die Vergangenheit beziehen ließe. Wenn dennoch entsprechend der Argumentation
der Schiedsstelle davon ausgegangen werde, dass der Vergleichsvertrag einen in die
laufenden jährlichen Zahlungen eingepreisten Vergangenheitsanteil enthalte, so
belaufe sich dieser auf höchstens 500.000,00 €, da die von den Kabelnetzbetreibern mit
den anderen Rechteinhabern in Ziffer 4. des Vertrages vom 11.02.2004 vereinbarten
Vergangenheitsanteile auch für das Verhältnis zwischen den Parteien des
Vergleichsvertrages maßgeblich seien. Die in vorgenannter Ziffer 4 niedergelegte
Summe von 4,08 Mio. € entspreche – auf die vierjährige Laufzeit des Vertrages
gerechnet – einem Vergangenheitsanteil in Höhe von 1,02 Mio. € pro Jahr. Die
Gesamtvergütung einschließlich des Vergangenheitsanteils betrage nach der
Vereinbarung vom 11.02.2004 somit 50,02 Mio. € pro Jahr (49,00 Mio. plus 1,02 Mio.),
welche in etwa dem Dreifachen der im Vergleichsvertrag der Parteien vereinbarten
Jahrespauschale von 16,92 Mio. € entspreche. Übertrage man dieses Verhältnis von 3:1
auf den in diesen Summen jeweils enthaltenen Vergangenheitsanteil, so könne der in
dem Betrag von 16,92 Mio. € enthaltene Anteil allenfalls ein Drittel von 1,02 Mio. €, also
340.000,00 € ausmachen. Als Folge der Verhandlungen mit Kabelnetzbetreibern Ende
2005 sei dieser Betrag von der Klägerin auf die glatte Summe von 500.000,00 €
aufgerundet worden.
18
Die Klägerin ist der Auffassung, der im Jahr 2003 bereits im Markt etablierte Prozentsatz
von 1,62 sei aufgrund veränderter rechtlicher und tatsächlicher Bedingungen
entsprechend den von ihr verlangten Tarifen anzupassen.
19
So habe sie schon 2006 ein erheblich gewachsenes Rechteportfolio wahrgenommen,
welches 31 Fernsehsender und 58 Hörfunksender im Verhältnis zu 18 Fernsehsendern
und 10 Hörfunksendern im Jahr 2003 umfasst habe. Die Nutzungsintensität seitens der
Beklagten sei zudem stark angestiegen. Auch habe sich der Marktanteil der Programme,
welche in das Rechteportfolio der Klägerin fielen, in der Zuschauersparte der 14- bis 49-
Jährigen von 64,05 % im Jahr 2002 auf 69 % im Jahr 2006 erhöht. Eine gleich bleibende
Vergütung hätte daher zur Folge, dass dem hieraus resultierenden Mehr an Nutzung
durch die Kabelnetzbetreiber ein Weniger an Ertrag für die einzelnen Sender
gegenüberstehe.
20
Hinzu komme, dass die von den Regionalgesellschaften einschließlich der Beklagten
geforderten Transportentgelte erheblich angestiegen seien, wobei durch eine Mehrzahl
von Entscheidungen der Schiedsstelle anerkannt sei, dass es sich bei dem Umstand
der Forderung von Transportentgelten um ein vergütungsrelevantes
Differenzierungskriterium handele. Beide Gesichtspunkte seien im Vergleichsvertrag
noch nicht hinreichend berücksichtigt worden. Das gelte gleichermaßen für den
Umstand, dass seit dem Jahr 2005 sowohl seitens der Bundesnetzagentur als auch
seitens des Bundeskartellamts von einer beträchtlichen Marktmacht der
Regionalgesellschaften einschließlich der Beklagten auf dem Markt für die Einspeisung
21
von Rundfunksignalen ausgegangen werde, die Vergütung daher zu keiner Zeit frei von
Wettbewerbsbeschränkungen bestimmt worden sei. Für die unbeeinträchtigte
Preisbildung könne das deutlich höhere Vergütungsniveau in den europäischen
Nachbarländern eine Orientierung geben. Das bestehende Preisgefälle in der
Vergütung sei zudem mit dem Binnenmarktprinzip der EU sowie dem
gemeinschaftsrechtlich länderübergreifend vorgegebenen Grundsatz angemessener
Vergütung aller Urheber- und Leistungsschutzberechtigten nicht vereinbar.
Nach Ansicht der Klägerin ist eine unterschiedliche Tarifierung von Umsätzen aus der
Weiterleitung an analoge Anschlüsse und von solchen aus der Weiterleitung an digitale
Anschlüsse gerechtfertigt. Die digitale Kabelweitersendung stelle gegenüber der
analogen Kabelweitersendung eine eigenständige Nutzungsart dar, da es sich um eine
wirtschaftlich-technisch abgrenzbare Verwertungsform handele, wobei insbesondere
der technische Unterschied aufgrund der Erhöhung des Weiterleitungspotenzials (bis zu
10 digitale Fernsehprogramme auf einem analogen Kanal) und der Empfangsqualität
beim Empfänger evident sei. In wirtschaftlicher Hinsicht liege der Mehrwert des digitalen
Hörfunks und Fernsehens insbesondere darin, dass die Werke und Leistungen der
Wahrnehmungsberechtigten der Klägerin intensiver genutzt würden als bei der
analogen Weitersendung. Digitalhörfunk und -fernsehen böten durch die neuen
Möglichkeiten ihre Verbreitungswegs intensivere Nutzungsmöglichkeiten gegenüber
dem analogen Medium, wie z.B. variantenreichere Seh- und Hörerlebnisse, zusätzliche
Nachrichtendienste, interaktive Spiele, gezielte Abfrage von Produktinformationen,
direkten Erhalt von Rabattgutscheinen, Bewertung von Werbespots und Bestellung von
Waren und Dienstleistungen. Weiterhin seien die von den Wahrnehmungsberechtigten
der Klägerin für die Veranstaltung digitaler Programme getätigten Investitionen zu
berücksichtigen, welche sich in einer entsprechend erhöhten Vergütung niederschlagen
müssten. Das gleiche gelte für die Absenkung von Vertriebskosten bei den
Kabelnetzbetreibern, die aufgrund der höheren Auslastung der Kanäle eintrete.
22
Neben die qualitativ erhöhte Nutzung trete auch eine quantitativ intensivere
Inanspruchnahme der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte, da die digitale
Technik es erlaube, mehr Sender als bei analoger Weiterleitung einzuspeisen. Der aus
einer umfangreicheren Programmauswahl resultierende größere Anreiz für Endnutzer,
Fernsehen und Hörfunk zu konsumieren, rechtfertige eine Erhöhung der Vergütung.
Hinzu komme, dass die Netzbetreiber durch die digitale Verbreitung der Programme der
Klägerin erst die Möglichkeit erhielten, ihre eigenen digitalen Angebote unter
Ausnutzung der hohen Marktanteile der Privatprogramme zu platzieren. Zudem bestehe
eine Beeinträchtigung des Primärmarktes, wenn die Sendungen der
Wahrnehmungsberechtigten der Klägerin ohne Qualitätsverlust und für die dauernde
Aufbewahrung geeignet aufgezeichnet werden könnten. Die Klägerin verweist weiterhin
auf eine Studie vom Oktober 2007 zur Zukunft der TV-Übertragung, nach der der
durchschnittliche Kundenumsatz der Kabelnetzbetreiber bei Digital-TV um 8,80 € höher
liege als beim Basisanschluss.
23
Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, der von ihr verlangte spezielle Tarif für die
digitale Weiterleitung von Sendungen habe sich im Verkehr durchgesetzt, da die
Klägerin inzwischen knapp 30.000 Verträge mit unterschiedlichen Nutzergruppen, 819
davon mit Kabelnetzbetreibern/Antennengemeinschaften unterhalte, von denen sich
zahlreiche auch über die digitale Weitersendung verhielten.
24
Die Klägerin beantragt,
25
die Beklagte zu verurteilen,
26
1. an sie 5.619.886,50 € (brutto, d. h. inkl. 7 % USt.) nebst Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2006 zu
zahlen;
27
28
und im Wege der Stufenklage,
29
2.1. der Klägerin Auskunft zu erteilen, ob und in welchem Umfang die
Beklagte im Jahr 2006 direkt und indirekt Haushalte mit digitalem
Kabelanschluss im Wege der Kabelweitersendung versorgt hat, und der
Klägerin Rechnung zu legen über den Gesamtumsatz (ohne Umsatzsteuer) in
Euro, die die Beklagte durch diese Versorgung erzielt hat,
30
2.2. gegebenenfalls die Rechnungslegung an Eides statt zu versichern, sowie
31
2.3. an die Klägerin 0,42 % des durch Rechnungslegung mitgeteilten
Gesamtumsatzes zzgl. 7 % Umsatzsteuer nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Januar 2006 zu
zahlen.
32
Die Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Sie ist der Ansicht, für die bloße Kabelweiterleitung überhaupt keine urheberrechtliche
Vergütung zu schulden, schon gar nicht an die Klägerin, deren Aktivlegitimation sie
bestreitet, da diese im Schiedsverfahren nicht widerspruchsfrei habe darlegen können,
in welchem Umfang ihr einzelne Sendeunternehmen die Rechte zur Geltendmachung
einer urheberrechtlichen Vergütung der Kabelweitersendung für bestimmte Fernseh-
und Hörfunkprogramme übertragen hätten. Selbst wenn jedoch die klägerseits
behaupteten Wahrnehmungsverträge existierten, wären diese gemäß § 87 Abs. 5 S. 1
UrhG unwirksam, da sie die dort vorgeschriebene direkte Rechteeinräumung im
Rahmen der Signaleinspeiseverträge vereitelten. Zudem trete die Klägerin gegenüber
der Beklagten wirtschaftlich fast ausschließlich im Interesse der mit ihr verbundenen
Unternehmen der Pro-SiebenSat.1- und der RTL-Gruppe auf, wodurch auch
kartellrechtliche Bedenken gegen diese abgestimmte Vorgehensweise bestünden.
35
Nach Auffassung der Beklagten erbringt sie durch den Kabeltransport von Fernseh- und
Hörfunkprogrammen eine reine Transportleistung. Hierin liege keine Ausnutzung der
Senderechte, so dass die Beklagte auch nicht zur Entrichtung von Lizenzgebühren
verpflichtet sei. Maßgebend für die Feststellung einer Nutzung von Werken und
Leistungen im Sinne von §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 20 b UrhG sei vielmehr eine wertende
Betrachtung der Nutzungsvorgänge, wobei es darauf ankomme, wer die Weiterleitung
der einzelnen Programme veranlasst habe, um die urheberrechtlich geschützten Inhalte
36
zu verwerten. Dies seien vorliegend jedoch die Sendeunternehmen und nicht die
Beklagte. Im Gegensatz zu dem im Ausland zumeist praktizierten Vermarktungsmodell
verfahre die Beklagte ebenso wie andere Kabelnetzbetreiber in Deutschland auf der
Grundlage des geltenden Transportmodells. Das gelte auch für die Netzebene 4, da die
Kabelkunden der Beklagten keine inhaltsbezogene Vergütung entrichteten, sondern
lediglich eine Gebühr für den Kabelanschluss, ohne dass die Beklagte eine
Verpflichtung zur Übermittlung bestimmter Programme eingehe beziehungsweise
eingehen könne. Die Anschlussgebühren deckten dementsprechend auch lediglich die
Kosten der technischen Herstellung eines Kabelanschlusses.
Weiterhin meint die Beklagte, der Kabeltransport von Fernseh- und Hörfunkprogrammen
stelle jedenfalls dann keinen Eingriff in die von der Klägerin vertretenen Rechte dar,
wenn die Beklagte – wie vorliegend - aufgrund von Einspeiseverträgen zur
Kabelweitersendung mit den in der Klägerin verbundenen Sendeunternehmen
verpflichtet sei. Die Beklagte erbringe lediglich eine technische Dienstleistung
gegenüber den Mitgliedern der Klägerin, für welche diese ein Transportentgelt
entrichteten, ohne dass dem eine über das Transportentgelt hinausgehende
vergütungspflichtige Leistung der Klägerin gegenüberstünde. Durch die Verpflichtung
der Beklagten zur Weiterleitung der Sendungen sei ihr nach der so genannten
Zweckübertragungslehre auch ohne gesonderte Regelung in den Einspeiseverträgen
nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht zur Weiterleitung der Signale eingeräumt
worden. Eine Aufspaltung der Rechte in der Form, dass in den Einspeiseverträgen
lediglich die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterleitung geregelt sei und die
Einräumung der Berechtigung hierzu einer anderweitigen vertraglichen Vereinbarung
vorbehalten werde, sei deswegen nicht zulässig. Vielmehr habe der Beklagten zur
Begründung ihrer Weiterleitungsverpflichtung zwangsläufig auch das entsprechende
Recht eingeräumt werden müssen. Deswegen sei eine Vertretung der Sender durch die
Klägerin auch überflüssig. Anders als in Fällen, in denen ohne Auftrag der Sender
Signale aufgefangen und in ein Kabelnetz eingespeist worden seien, liege hier keine
Notwendigkeit der Interessenwahrnehmung für die Sender vor, da diese ihrerseits - und
überwiegend im eigenen Interesse - die Beklagte mit der reinen Transportleistung
beauftragt hätten. In dieser Konstellation sei der Anwendungsbereich der §§ 87 Abs. 1
Nr. 1, 20 b UrhG nicht eröffnet. Vielmehr sei Gegenstand des Einspeisevertrages gemäß
§ 87 Abs. 5 S. 1 UrhG auch die urheberrechtliche Gestattung der Kabelweitersendung,
sofern diese überhaupt erforderlich sei.
37
Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, durch die mit der Klägerin getroffene
Interimsvereinbarung sei eine Nachforderung auf der Grundlage der von ihr einseitig
aufgestellten Tarife ohnehin nicht möglich. In dieser Vereinbarung sei ausdrücklich
geregelt worden, dass sie nur durch eine einvernehmliche Regelung der Parteien
ersetzt werden könne, die nicht vorliege.
38
Hilfsweise, so die Beklagte, stehe der Klägerin allenfalls ein Lizenzsatz in Höhe von
0,43 % bzw. 0,73 % der mit Basis-Kabelanschlüssen (BCS) erzielten Umsätze zu.
Schon der Kabelglobalvertrag von 1991 habe für sämtliche Rechteinhaber lediglich 3 %
der BCS-Umsätze als Vergütung vorgesehen, wovon auf die von der Klägerin
vertretenen Rechteinhaber nur 0,1 % der Umsätze entfallen seien. Nach dem neuen
Kabelglobalvertrag, dem die Klägerin nicht habe beitreten wollen, hätte sich dieser
Anteil auf 0,73 % der BCS-Umsätze erhöht. Stattdessen sei im April 2003 zwar der
Vergleichsvertrag mit der Klägerin abgeschlossen worden, jedoch habe auch dieser
Vereinbarung nur ein Lizenzsatz von 0,77 % im Jahr 2003, 0,78 % im Jahr 2004 und 0,8
39
% im Jahr 2005 zu Grunde gelegen. Der Vergleichsvertrag habe die Klägerin nicht
besser stellen sollen, als die anderen Rechteinhaber; der Unterschied in der absoluten
Summe (16,92 Mio. € im Vergleich ursprünglich vorgesehenen 11,00 Mio. €) habe sich
aus einer abweichenden Berechnung der Kalkulationsgrundlagen ergeben.
Hierzu behauptet die Beklagte, der Vergleichsvertrag 2003 enthalte einen in die
laufenden jährlichen Zahlungen eingepreisten Vergangenheitsanteil in Höhe von 5,92
Mio. €. Da der Klägerin nach den Verhandlungen zum "Kabelglobalvertrag neu" von den
für alle Kabelnetzbetreiber vorgesehenen 60,00 Mio. € pro Jahr ein Anteil von 11,00
Mio. € habe zustehen sollen, habe sie für die Jahre 2003 bis 2005 einen
Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 33,00 Mio. € gehabt. Die Differenz zu der
nach der Zusatzvereinbarung zu dem Vergleichsvertrag 2003 tatsächlich gezahlten
Summe in Höhe von 50,76 Mio. € (50,76 Mio. minus 33,00 Mio. = 17,76 Mio.) sei der
Vergangenheitsanteil für die Jahre 2003 bis 2005 gewesen. Pro Jahr betrage der
Vergangenheitsanteil daher 5,92 Mio. €.
40
Zudem treffe es nicht zu, dass dem Vergleichsvertrag als vergütungsrelevanter Umsatz
die Summe von 1,044 Milliarden € zu Grunde gelegen habe. Vielmehr seien die
Parteien im Rahmen der Verhandlungen davon ausgegangen, dass die entsprechenden
Umsätze ein Niveau von über 1,5 Milliarden € für das Jahr 2002 erreicht hätten und in
den Jahren 2003 bis 2006 weiter steigen würden. Dies werde durch die
Presseerklärung des Deutschen Kabelverbands vom 25.02.2003 bestätigt, in welcher
der Gesamtumsatz der verbandsangehörigen Kabelnetzbetreiber mit 1,65 Milliarden €
für das Jahr 2002 beziffert worden sei. So sei auch allgemein bekannt gewesen, dass
die Beklagte zum 01.06.2002 eine Erhöhung ihrer Kabelanschlussgebühren
durchgeführt hatte.
41
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin könne sich zur Begründung der
Verkehrsgeltung ihrer Tarife auch nicht auf die von ihr abgeschlossenen Lizenzverträge
berufen, da diese gerade nicht die von der Klägerin für den Fall der Erhebung von
Transportentgelten verlangten Tarife von 2,09 % beziehungsweise 2,51 % vorsähen.
Ebenso wenig gebe der urheberrechtlich anerkannte Regelprozentsatz von 10 % etwas
für die vorliegende Fallgestaltung her, da die Besonderheiten der Kabelweiterleitung zu
berücksichtigen sein.
42
Eine Erhöhung des Lizenzsatzes sei auch aus den übrigen von der Klägerin
angeführten Gründen nicht gerechtfertigt; eher rechtfertigten diese eine Absenkung des
Lizenzsatzes. Insbesondere sei ein Mehrwert nicht allein an der Anzahl der von der
Klägerin vertretenen Sender festzumachen, sondern ebenso zu berücksichtigen, dass
eine Vielzahl der streitgegenständlichen Programme, bezüglich derer die Klägerin die
Senderechte wahrnehme, schon aufgrund begrenzter Verbreitungsgebiete und
Sendezeiten nur einen geringen Sendeanteil ausmachten. Genauso wenig liege ein
Mehrwert in der digitalen Übermittlung der Signale, da der Unterschied vom Empfänger
kaum wahrgenommen werde. Vielmehr ergebe sich aus den Vertriebsdaten der
Beklagten bezüglich digitalen Kabelanschlüssen, dass diese in der Regel nur dann
nachgefragt würden, wenn gleichzeitig die von der Beklagten angebotenen
Zusatzleistungen, insbesondere Pay-TV in Anspruch genommen würden. Insofern treffe
es auch nicht zu, dass die digitale Übermittlung von Sendungen aus dem Free-TV-
Bereich eine "Lokomotivenfunktion" für die Zusatzleistungen der Beklagten darstellten;
vielmehr bildeten Letztere in der Regel den Anreiz für die Nachfrage eines digitalen
Anschlusses, so dass eher sie die Lokomotive darstellten.
43
Demzufolge sei es auch nicht gerechtfertigt, dass die Klägerin entsprechend den von ihr
vorgesehenen Tarifen an Umsätzen der Beklagten beteiligt werde, die sich nicht auf ein
Entgelt für Kabelanschlüsse im Basisbereich bezögen. Insbesondere dürften die von der
Beklagten aus ihren Zusatzangeboten erzielten Umsätze nicht in die
Bemessungsgrundlage einfließen. Dies gelte namentlich für die pauschale Drittelung
der Umsätze bei Triple-Play-Angeboten.
44
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Bündelung von Hörfunk und Fernsehen in
einem gemeinsamen Tarif sei nicht angemessen. Dies widerspreche der langjährig
gewachsenen Vertragspraxis betreffend die Kabelweitersendung. Die
Zwangsbündelung von Hörfunk und Fernsehen in einem Tarif nehme den Nutzern die
Möglichkeit, nur Fernsehen oder nur Hörfunk zu übertragen und sei damit rechtswidrig.
Gleiches gelte für die Ausklammerung gewerblicher Kunden wie Hotels und
Krankenhäuser, welche der bisherigen Kabelglobalvertragspraxis und dem
Vergleichsvertrag 2003 widerspreche, wonach die Weitersendung des Sendesignals an
Hotels, Krankenhäuser oder Gefängnisse nicht von der Rechteeinräumung
ausgenommen, sondern von ihr sogar positiv gedeckt gewesen sei. Ebenso sei eine
Abgeltung der Weitersendung an nachgelagerte Netzbetreiber zwingend geboten. Dies
ergebe sich aus der langjährigen Vertragspraxis. Stets habe die Rechteeinräumung
auch die rechtefreie Weitergabe der Programmsignale an angeschlossene
Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4 umfasst. Neben der Signalverbreitung über die NE-
3 Ebene mit Zahlung der 16,92 Millionen Euro pro Jahr sei auch die Verbreitung über
nachgelagerte Netze der NE-4 Ebene abgegolten gewesen.
45
Nach Auffassung der Beklagten besteht auch keine valide Grundlage für eine
Differenzierung in der Tarifgestaltung zwischen analoger und digitaler
Kabelweitersendung. Letztere begründe im Vergleich zur analogen
Kabelweitersendung keine neue, eigenständige Nutzungsart, für die eigenständige
Nutzungsrechte abgespalten und übertragen werden könnten. Es handele sich insoweit
lediglich um eine urheberrechtlich neutrale Veränderung des technischen
Übermittlungsvorgangs, ohne dass sich daraus aus der Sicht der Endverbraucher
wesentliche Änderungen ergäben. Insbesondere führe die digitale Kabelweitersendung
zu keiner Erhöhung der Nutzungsmöglichkeiten. Mit der gestiegenen Anzahl von
wahrnehmungsberechtigten TV- und Hörfunksendern auf Seiten der Klägerin
korrespondiere keine intensivere oder umfangreichere Rechtenutzung.
46
Ebenso wenig bestehe ein sachlicher Grund für die Koppelung der Tarife an die
Zahlung von Einspeiseentgelten und damit an das Bestehen eines Einspeisevertrags.
47
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom
12.03.2010 Bezug genommen.
48
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
49
I.
50
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Kammer für Handelssachen gemäß § 95
GVG zuständig, da die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche zumindest
auch auf kartellrechtliche Grundlagen stützt. Hierdurch ist die vorrangige Zuständigkeit
51
der Kammer als Kartellgericht begründet (Immenga/Mestmäcker, GWB, § 87 Rn. 48).
II.
52
Die Klage ist indes nicht begründet.
53
1.
54
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
55
a)
56
Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass die Beklagte eine Verpflichtung zur
Zahlung einer Lizenzgebühr für die Weiterleitung von Hörfunk- und
Fernsehprogrammen trifft, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
ausführlichen und überzeugenden Entscheidungsgründe im Urteil des KG vom
25.01.2010 (Az. 24 U 16/09, Anlage K 21, Bl. 89 ff. AH) Bezug genommen wird.
57
Insbesondere vermag die Kammer sich auch nicht der Auffassung der Beklagten
anzuschließen, bei einem vom Sendeunternehmen selbst veranlassten Weitertransport
der Signale werde das Weiterleitungsrecht zwangsläufig und ohne gesonderte
Regelung mit übertragen. Hiervon kann schon deswegen nicht ausgegangen werden,
weil die Einspeiseverträge erkennbar nur die technische Seite der Weiterleitung regeln.
Jedenfalls aber scheidet eine solche Annahme dann aus, wenn - wie im vorliegenden
Fall unstreitig - die Einspeiseverträge ausdrücklich eine Regelung vorsehen, der zufolge
die Einräumung der Nutzungsrechte für die Kabelweitersendung ausdrücklich vom
Vertrag ausgenommen und besonderen Vereinbarungen zwischen den Parteien
vorbehalten wurde. Es bestehen auch keine Bedenken gegen eine solche Aufspaltung
der vertraglichen Regelungen, insbesondere nicht aus § 87 Abs. 5 UrhG. Diese
Bestimmung schreibt den Sendeunternehmen und Kabelnetzbetreibern keineswegs vor,
dass die Vereinbarungen über die Kabelweitersendung und die hierzu zu übertragenen
Senderechte in demselben Vertragswerk zu treffen seien. Vielmehr regelt die
Bestimmung erkennbar nur das "Ob", also den Kontrahierungszwang als solchen, und
nicht das "Wie", also die Art und Weise seiner Umsetzung. Ebenso wenig ist ihr zu
entnehmen, dass sich die Sendeunternehmen zur Wahrnehmung ihrer Senderechte
keiner Verwertungsgesellschaft bedienen dürften, wenn sie die Einspeiseverträge mit
den Kabelnetzbetreibern selbst geschlossen haben. Eine Kopplung in der Form, dass
sie dann mit den Kabelnetzbetreibern auch hinsichtlich der Einräumung der
Senderechte selbst kontrahieren müssten, ist zudem nicht zwingend geboten.
58
Aus der von der Beklagten hierzu zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
18.12.2008 (I ZR 23/06) ergibt sich nichts Abweichendes. Das Gericht hat in diesem
Urteil nicht die Aufspaltung der urheberrechtlichen Anspruchsberechtigung unter den
beiden Klägern als solche beanstandet, sondern es grundsätzlich für möglich erachtet,
dass dem dortigen Kläger zu 1 ein Anspruch wegen Verletzung des
Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 14 UrhG) und der dortigen der Klägerin zu 2 ein
Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unfreien Bearbeitung (§ 23 UrhG) zusteht. Die
Anspruchsberechtigung bezüglich der Klägerin zu 2 wurde nur deswegen negiert, weil
es infolge fehlerhafter Übertragungskette an einer entsprechenden Einräumung dieses
Rechts an die dortige Klägerin zu 2 mangelte.
59
Schließlich wird die Passivlegitimation der Beklagten auch nicht durch die
Interimsvereinbarung der Parteien berührt, da sich bereits aus der Natur dieser
Vereinbarung ergibt, dass sie nicht abschließend ist. Insbesondere kann nicht
angenommen werden, dass sie bis zu einer anderweitigen Einigung der Parteien - also
mangels einer solchen dauerhaft - gelten sollte. Dagegen spricht bereits der
ausdrückliche Hinweis in Ziffer 4 der Vereinbarung, dass die Klägerin "die Höhe der
angemessenen Vergütungen und die sonstigen Bedingungen für die jeweiligen
Nutzungen der Rechte im Rahmen eines Schiedsstellen- bzw. Gerichtsverfahrens
feststellen lassen" werde. Dies impliziert, dass die Regelungen der
Interimsvereinbarung nicht nur durch eine neue vertragliche Einigung der Parteien,
sondern auch durch eine Schiedsstellen- bzw. Gerichtsentscheidung abgelöst werden
können. Die gerichtliche Geltendmachung von Lizenzgebühren, welche naturgemäß
aufgrund einseitiger Festsetzung von Tarifen durch die Klägerin erfolgt, ist damit gerade
nicht ausgeschlossen.
60
b)
61
Die Klage ist dennoch unbegründet, da die Klägerin für den erforderlichen Nachweis der
Angemessenheit der von ihr geforderten Tarife keinen Beweis angeboten hat.
62
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich begründet, warum sie nicht
von einem Anscheinsbeweis für die Angemessenheit der von der Klägerin verlangten
Tarife aufgrund deren Verkehrsdurchsetzung auszugehen vermag, jedenfalls aber ein
solcher Anscheinsbeweis durch die von der Beklagten - und teilweise auch von der
Klägerin selbst - vorgetragenen Gesichtspunkte erschüttert ist.
63
aa)
64
Eine valide Grundlage für die Annahme eines Anscheinsbeweises kann weder in den
Regelungen des Vergleichsvertrags 2003 noch in den weiteren von der Klägerin
angeführten Gesichtspunkten gefunden werden.
65
aaa)
66
Hinsichtlich des Vergleichsvertrages beruht dies im wesentlichen darauf, dass in dem
Vertragswerk keinerlei Kalkulationsgrundlagen für die als Zahlungsbetrag festgelegten
absoluten Summen beziehungsweise den daraus resultierenden Jahreszahlungsbetrag
von 16,92 Mio. € niedergelegt wurden. Der streitige Vortrag der Parteien zu diesen
Grundlagen, insbesondere zur angenommenen Höhe der vergütungsrelevanten
Umsätze und zum Umfang des Vergangenheitsanteils bietet kaum Substanz, um zu
gesicherten und validen Feststellungen zu gelangen. Zwar sind die Erwägungen,
welche die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 01.04.2009 hierzu angestellt
hat, nachvollziehbar. Für die von der Schiedsstelle vorgenommene Auslegung gibt es
nach Ansicht der Kammer indes keine genügenden und belastbaren Anhaltspunkte, da
die Parteien - auch schon im Schiedsverfahren - so gut wie nichts zur Genese der
vergleichsweisen Vereinbarung, insbesondere des Zustandekommens der Beträge
(namentlich des "krummen" Betrages von 16,92 Mio. € unter Abwandlung des zuvor in
Aussicht genommenen glatten Betrages von 11 Mio. €) vorgetragen haben. So ist
anzunehmen, dass es im Vorfeld der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien
zu Korrespondenz über Berechnungsgrundlagen und Vertragsentwürfe gekommen ist,
die näheren Aufschluss über die Kalkulationsgrundlagen, insbesondere die
67
diesbezüglich streitigen Punkte, hätte geben können. Selbst wenn - eher
unwahrscheinlich - solche Korrespondenz indes nicht existieren sollte, würde dies nicht
weiterführen, weil die Kammer auch dann sowohl hinsichtlich Berechnung des
Vergangenheitsanteils als auch hinsichtlich der vergütungsrelevanten Umsätze letztlich
auf reine Spekulationen angewiesen wäre, die nicht zur Grundlage einer Entscheidung -
auch nicht im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO - gemacht werden können.
Zwar spricht manches dafür, dass die Erwägungen der Schiedsstelle den seinerzeitigen
Überlegungen der Parteien nahe kommen, was insbesondere für die Annahme eines
über 1,044 Milliarden € liegenden vergütungsrelevanten Umsatzes gilt. So hat die
Klägerin nicht plausibel erläutert, weshalb sie sich im Rahmen der seinerzeitigen
Verhandlungen nicht den ihr günstigen Umstand zu Nutze gemacht hat, dass - sei es
auch nur aufgrund einer Presseerklärung - höhere Umsätze der Netzbetreiber im Raume
standen. Sie trägt zwar vor, hiervon mangels Möglichkeit zur Verifizierung dieser
Umsätze abgesehen haben, jedoch ist dies kaum nachvollziehbar. Sich auf das Fehlen
einer Beurteilungsgrundlage zu berufen, wäre in dieser Situation allenfalls im Interesse
der Beklagten gewesen. Sollte sich diese, was die Klägerin indes nicht behauptet,
entsprechend verhalten haben, so bleibt weiterhin offen, weshalb die Klägerin sich
hiermit hätte "abspeisen" lassen sollen, nachdem sie schon durch ihren Ausstieg aus
der Verhandlungsrunde über den "Kabelglobalvertrag neu" eine deutlich streitbare
Position eingenommen hatte. Insgesamt ist das Vorbringen der Klägerin daher nicht
belastbar, um als Grundlage einer Schätzung gemäß § 287 ZPO im Sinne der Klägerin
zu dienen.
68
Andererseits vermag die Kammer den von der Schiedsstelle als vergütungsrelevanten
Umsatz zu Grunde gelegte Betrag von 1,5 Milliarden € ebenfalls nicht hinreichend aus
gesicherten Grundlagen herzuleiten, insbesondere nicht aus dem diesbezüglichen
Vorbringen der Beklagten". Jedenfalls hat die Beklagte ebenso wenig plausibel
erläutert, wie dieser Beitrag hergeleitet wurde und Eingang in die Berechnungen des
Vergleichsbetrages gefunden hat.
69
Letztlich bietet der Vergleichsvertrag damit für sich genommen schon keine valide
Grundlage, eine Verkehrsdurchsetzung der von der Klägerin geforderten Tarife
festzustellen.
70
Hinzu kommt, dass die Regelungen des Vergleichsvertrages nach eigenem Vortrag der
Klägerin schon seinerzeit keine angemessene Vergütung reflektierten, da diese durch
missbräuchliches Verhalten der Beklagten zu niedrig festgesetzt worden sei. Die
Marktdurchsetzung einer Vergütung ist indes nur dann von Relevanz, wenn sie als Indiz
für deren Angemessenheit gelten kann, also keine Bedenken gegen ihre
Angemessenheit bestehen. Genau dies ist indes nach dem eigenen Vorbringen der
Klägerin der Fall. Hinzu kommt, dass auch die Beklagte Einwendungen gegen die
Angemessenheit der im Vergleichsvertrag fixierten Beträge erhebt, wenngleich aufgrund
konträrer kartellrechtliche Erwägungen, indem sie sich ihrerseits auf missbräuchliche
Verhaltensweisen durch die Klägerin beruft.
71
bbb)
72
Selbst wenn jedoch davon auszugehen wäre, dass der Vergleichsvertrag einen
Anscheinsbeweis aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die darin niedergelegten Tarife zu
erbringen vermag, so wäre dieser jedenfalls aufgrund der von beiden Parteien
73
vorgetragenen zahlreiche Umstände erschüttert, aus denen sich ihrer Auffassung nach
die Notwendigkeit einer Abänderung des Tarifs ergibt. Für eine Weiterentwicklung der
Festlegungen des Vergleichsvertrages (soweit von solchen überhaupt gesprochen
werden kann) in Richtung der von der Klägerin bestimmten Tarife bestehen nach
Auffassung der Kammer keine genügenden Anhaltspunkte, schon weil einige der von
der Klägerin als neu angeführten Gesichtspunkte, namentlich die Vergütung der
digitalen Weiterleitung, von den Regelungen des Vertrages ausdrücklich ausgenommen
wurden.
bb)
74
Eine Verkehrsdurchsetzung der von der Klägerin festgelegten Tarife kann auch nicht auf
der Grundlage der nach ihrem Vortrag abgeschlossenen zahlreichen Gesamt- und
Einzelverträge angenommen werden. Die Klägerin hat dem Vorbringen der Beklagten
nicht widersprochen, dass in diesen Verträgen regelmäßig nur ein Vergütungssatz von 1
% vorgesehen ist, da Transportentgelte von ihren Vertragspartnern nicht verlangt
werden. Dies entspricht auch den Behauptungen der Klägerin im Schiedsverfahren.
Hinsichtlich der von der Klägerin verlangten erhöhten Tarife bei Forderung von
Transportentgelten unter Differenzierung zwischen der Vergütung für analoge
Kabelweiterleitung und derjenigen für digitale Kabelweiterleitung geben diese Verträge
daher nichts her.
75
cc)
76
Dies hat zur Folge, dass die Angemessenheit der klägerseits bestimmten Tarife unter
Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse des Jahres 2006 eigenständig zu
beurteilen und von der Klägerin in vollem Umfang zu beweisen ist.
77
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung aufgrund dieser Erwägungen
eingehend darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach eine fundierte Entscheidung
insoweit nur mittels der Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sei, dies
schon mit Rücksicht auf die von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkte für eine
weit gehende Veränderung bisherigen Tarifstruktur. Im Hinblick darauf wurde für das
gleichzeitig erörterte Verfahren 90 O 116/09 zudem der Erlass eines Grundurteils in
Erwägung gezogen. Dass die Klägerin die Erläuterungen der Kammer zur fehlenden
Entscheidungsgrundlage für eine abschließende Beurteilung der Tarifhöhe zutreffend
erfasst hat, ergibt sich aus ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 29.03.2010. Es fehlt
indes am erforderlichen Beweisangebot der Einholung eines
Sachverständigengutachtens, obgleich die Kammer auf die Notwendigkeit einer solchen
Beweiserhebung in den Erörterungen mehrfach hingewiesen hat. Vielmehr erhält die
Klägerin in dem vorgenannten Schriftsatz lediglich ihre Ansicht aufrecht, dass die
angemessene Vergütung auf der Grundlage des Vergleichsvertrages bestimmt werden
könne.
78
Die Klägerin ist demgemäß mit der Folge der Abweisung des Antrags zu 1 beweisfällig
geblieben.
79
2.
80
Aus denselben Gründen ist jedoch auch die mit dem Antrag zu 2 erhobene Stufenklage
insgesamt unbegründet.
81
Dies gilt nach Auffassung der Kammer entsprechend den in der mündlichen
Verhandlung erteilten Hinweisen ferner deswegen, weil die von der Klägerin
vorgenommene Differenzierung zwischen einem Vergütungsanspruch für analoge
Kabelweiterleitung und einem solchen für digitale Kabelweiterleitung, d.h. eine
getrennte Tarifierung dieser beiden Bereiche, nicht gerechtfertigt ist.
82
Insoweit schließt sich die Kammer zunächst der überzeugenden Begründung der
Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 01.04.2009 an, auf die zur Vermeidung
von Wiederholungen Bezug genommen wird.
83
Soweit die Klägerin hieran beanstandet, dass für die Beurteilung des Mehrwerts einer
digitalen Weiterleitung nicht auf die Nutzung durch den Endverbraucher abzustellen sei,
sondern allein auf die Nutzung in der Netzebene 3, und dass diese gerade durch die
Vielfalt des Angebots bei digitaler Weiterleitung der Programme bestimmt sei, so
vermag die Kammer dem im Ergebnis nicht zu folgen. Denn es mag zwar zutreffen, dass
durch die digitale Technik eine deutlich größere Anzahl von Programmen zugänglich
gemacht werden kann, jedoch korrespondiert damit keine entsprechende Erweiterung
der Nutzung. Hierfür ist vielmehr auch nach Auffassung der Kammer darauf abzustellen,
wie sich diese Programmvielfalt letztlich auswirkt. Dabei ist jedoch festzustellen, dass
mit der Erhöhung der Programmvielfalt eine Verminderung der Bedeutung der einzelnen
Programme einhergeht, da diese nunmehr in größerem Umfang mit gleichgearteten
Sendungen konkurrieren. Der Endverbraucher hat naturgemäß nur eine bestimmte Zeit
zur Inanspruchnahme der Programme zur Verfügung, die er bei Erhöhung des Angebots
entsprechend verteilt.
84
Die Klägerin selbst stellt im übrigen für die Begründung der von ihr angenommenen
Eigenständigkeit einer Nutzungsart der digitalen Weiterleitung und deren Mehrwerts auf
die Nutzungsmöglichkeiten beim Endverbraucher ab, wenn sie zum Beispiel auf die
bessere Qualität des Empfangs, die erweiterte Nutzungsmöglichkeiten und die
Beeinträchtigung des Primärmarkts abstellt. Hinsichtlich des letztgenannten, von der
Schiedsstelle nicht ausdrücklich beschiedenen Gesichtspunktes der Beeinträchtigung
des Primärmarkts sieht die Kammer ebenfalls kein Kriterium, welches einen höheren
Tarif für die digitale Weiterleitung rechtfertigt. Die Situation im Bereich des Fernsehens
und Hörfunks ist insoweit nicht mit denjenigen auf dem Musikmarkt vergleichbar. Der
Anreiz für den Verbraucher, Fernseh- und Hörfunksendungen, die digital übermittelt
wurden, zu speichern und wiederholt zu konsumieren beziehungsweise zum
wiederholten Konsum an Dritte weiterzugeben, ist vergleichsweise marginal. Ein dem
umfangreichen Herunterladen und Austausch von Musikdateien auf dem Musikmarkt
vergleichbares Verhalten ist bei den Konsumenten von Fernseh- und
Hörfunksendungen nicht annähernd festzustellen. Dies gilt schon deswegen, weil die
Sendeunternehmen inzwischen durchweg auf ihren Websites die Möglichkeit anbieten,
verpasste Sendungen anzuschauen und damit den Primärmarkt selbst in nicht
unerheblichem Maße beeinträchtigen.
85
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich die von den
Wahrnehmungsberechtigten für die Veranstaltung digitaler Programme getätigten
Investitionen in einer entsprechend erhöhten Vergütung niederschlagen müssten.
Unabhängig davon, dass sie hierzu nicht hinreichend konkret vorgetragen hat, ist zu
berücksichtigen, dass diesen Investitionen auch solche auf Seiten der Beklagten zur
Realisierung der digitalen Weiterleitung gegenüber stehen. Beklagtenseitige
86
Einsparungen im Bereich der Vertriebskosten wären unabhängig von der durch die
Schiedsstelle bereits angeführten Argumentation im übrigen bei der Bemessung der
Transportentgelte zu berücksichtigen.
Da eine Mehrvergütung für digitale Kabelweiterleitung nicht in Betracht kommt, ist die
Stufenklage auch in diesem Grunde abzuweisen.
87
III.
88
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 108 ZPO.
89
Streitwert: 5,8 Mio. €
90