Urteil des LG Köln vom 13.05.2009

LG Köln: treu und glauben, profil, vertragsstrafe, veröffentlichung, suchmaschine, abmahnung, geschäftsführung ohne auftrag, persönlichkeitsrecht, electronic banking, persönliche daten

Landgericht Köln, 28 O 348/08
Datum:
13.05.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 348/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
an den Kläger 1.641,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz seit dem 14.03.2008, sowie
2.
25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
dem 02.10.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 65 % und die
Beklagte zu 35 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Der Kläger ist Diplom-Kaufmann und war Ende 2007 als "Z" in einem marktführenden
Unternehmen im Bereich "Electronic Banking" tätig. Die Beklagte ist ein Unternehmen,
das sich mit Personalvermittlung befasst. Sie betreibt u.a. eine Website unter der
Domain www.anonym1, auf der sie Bewerbungsprofile verschiedener Bewerber
präsentiert.
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Der Kläger, dessen Jahreseinkommen zu diesem Zeitpunkt brutto ca. 180.000 €
zuzüglich Erfolgsbeteiligung betrug, fasste im Herbst 2007 den Entschluss, sich
beruflich anderweitig zu orientieren. Daher wandte er sich an verschiedene
Personalvermittlungsunternehmen in ganz Deutschland, u.a. am 23.09.2007 auch an
die Beklagte. Dieser übersandte er auf dem Postweg eine Initiativbewerbung. Hierbei
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übersandte der Kläger als Anlage jeweils auch ein Kurzprofil, seine persönliche Daten,
beruflichen Werdegang und sein damals aktuelles Einkommen. Zudem teilte der Kläger
der Beklagten in einem Anschreiben mit, dass er bei Interesse auch gerne seine
vollständigen Unterlagen an die Beklagte übersenden würde und bat darum, ihn zu
kontaktieren, wenn die Beklagte eine Stelle zu vermitteln habe, die für den Kläger in
Betracht kommen könnte.
Am 28.09.2007 erhielt der Kläger eine E-Mail der Beklagten, in der der Erhalt der
Bewerbung bestätigt und der Kläger gebeten wurde, seine vollständigen Unterlagen in
elektronischer Form zu übermitteln, da nur so eine Beurteilung möglich sei, ob die
Qualifikation einem von der Beklagten bearbeiteten Projekt entspreche. Die E-Mail
enthielt den Hinweis: "Selbstverständlich werden Ihre Unterlagen vertraulich behandelt".
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Von dem in der E-Mail weiter enthaltenen Angebot, sein Profil als sog. Interims-Manager
selbst online einzustellen, machte der Kläger bewusst keinen Gebrauch. Er übersandte
der Beklagten vielmehr mit E-Mail vom 28.09.2007 seine vollständigen
Bewerbungsunterlagen in elektronischer Form; hierdurch wurden die zuvor
übermittelten Daten um die Namen seiner bisherigen Arbeitgeber nebst jeweiligen
Tätigkeiten sowie um seinen Bildungsweg erweitert.
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Daraufhin übernahm die Beklagte die Daten des Klägers in ihre Datenbank. Hierbei
wurde der Kläger anonymisiert, indem Name, Geburtsdatum und aktueller Arbeitgeber
aus den übermittelten Unterlagen entfernt wurden. Hierbei übersah die Beklagte jedoch,
dass sich der Name des Klägers auch in der Kopfzeile der übermittelten Daten befand.
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Im Januar 2008 erfuhr der Kläger durch einen Bekannten, dass seine persönlichen
Daten unzensiert und unter Nennung aller Details im Internet abrufbar seien. Man
müsse nur über die Suchmaschine "google" den Namen des Klägers eingeben und
werde dann auf eine Internetseite verlinkt, auf der man sämtliche Daten einsehen könne.
Dabei handelte es sich um die von der Beklagten betriebene Internetseite
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"www.anonym1.de". Auf dieser Seite waren die Daten des Klägers aus dessen
Kurzprofil eingestellt. Dabei wurde der Kläger in der Kategorie Bewerber unter einer
Bewerbernummer geführt. Das Profil des Klägers erstreckte sich über sechs Seiten und
enthielt auf Seite 3 oben den Hinweis: "Aram N Seite 3". Die Seite enthielt weiter den
Hinweis: "Dieser Lebenslauf stammt von www.anonym1.de. Alle Rechte bei U GmbH"
(s. Anlage zur Klageschrift).
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Mit Schreiben vom 15.01.2008 forderte der Kläger die Beklagte dazu auf, eine
strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, wonach
sämtliche den Kläger betreffende Daten bis zum 16.01.2008, 13:00 Uhr von all ihren
Webseiten gelöscht werden sollten und auch zukünftig kein Gebrauch von diesen Daten
zu machen sei. Der Kläger forderte von der Beklagten ferner die Übernahme der durch
diese Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten binnen 14 Tagen nach
Rechnungsstellung, sowie die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00
€ für zukünftige Verstöße gegen die Unterlassungserklärung. Die Beklagte gab am
16.01.2008 zunächst eine Erklärung ab, nach der sie sich verpflichtete, die
streitgegenständlichen Daten zu entfernen und eine Veröffentlichung auch zukünftig zu
unterlassen. Die Beklagte entfernte die Daten von ihrer Webseite; gegenüber der
Suchmaschine "google" beantragte die Beklagte mittels eines sog. "Webmastertools"
die Löschung der Seite aus dem Cache. Mit weiterem Schreiben vom 12.02.2008
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verpflichtete sich die Beklagte schließlich gegenüber dem Kläger ohne Einrede des
Fortsetzungszusammenhangs zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 € für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung,
"zukünftig keinerlei Gebrauch, in welcher Form auch immer, mehr von den Daten
des Herrn N Gebrauch zu machen, insbesondere es zu unterlassen, diese Daten
ohne Autorisierung durch Herrn N an Stellen zu veröffentlichen, die für Dritte
zugänglich sind, gleichgültig in welchem Medium und gleichgültig in welcher
Darstellungsform".
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Mit Schreiben vom 12.02.2008 stellte der Prozessbevollmächtigte dem Beklagten die
entstandenen Rechtsanwaltskosten aus der Abmahnung zur Abgabe der
Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in Höhe von 1.641,96 € in Rechnung.
Hierbei legte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen Gegenstandswert von
50.000,00 € zu Grunde. Zum Ausgleich seines immateriellen Schadens forderte der
Kläger mit Schreiben vom 20.02.2008 vergleichsweise die Zahlung von 30.000,00 €,
wobei er deutlich machte, dass ein Betrag von 45.000,00 € - ein Viertel seines
Jahresgehaltes – als Ausgleich angemessen sei.
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Mit weiterem Schreiben vom 18.08.2008 – schon während des Laufs des Rechtsstreits -
forderte der Kläger den Beklagten auf, binnen 24 Stunden ab Erhalt des Schreibens die
Eintragung seines Namens auf der Suchmaschine "Yahoo!" zu entfernen, die weiter auf
das nunmehr anonymisierte, aber weiter veröffentlichte Profil des Klägers verwies.
Ferner wurde die Beklagte aufgefordert, die damit verwirkte Vertragsstrafe in Höhe von
25.000,00 € bis zum 22.08.2008 an den Kläger zu zahlen. Der Beklagte lehnte die
Zahlung einer Vertragsstrafe ab und leistete auch im Übrigen bisher keine Zahlung. Am
19.08.2008 wurde die streitgegenständliche Eintragung auf der Seite "Yahoo!" gelöscht.
Der Kläger hat dies zum Anlass genommen, seine ursprünglich nur auf eine
Geldentschädigung in Höhe von 45.000,00 € sowie den Ausgleich der
außergerichtlichen Kosten gerichtete Klage um die Geltendmachung der Vertragsstrafe
von 25.000,00 € zu erweitern.
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Der Kläger macht geltend, er habe der Beklagten zu keinem Zeitpunkt gestattet, seine
Daten auf ihrer Internetplattform zu veröffentlichen. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe
durch die Veröffentlichung seiner Daten unter Namensnennung eine schwere
Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen. Hierdurch sei sein Recht auf informationelle
Selbstbestimmung als eigenständiger Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts
gravierend verletzt worden. Insbesondere habe auch kein konkludentes Einverständnis
in die Veröffentlichung seiner Daten im Internet vorgelegen, ein solches könne nicht aus
der bloßen Zusendung des Lebenslaufs per E-Mail hergeleitet werden. Die Verletzung
stelle eine so schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung dar, so dass ein Anspruch auf
Geldentschädigung gerechtfertigt sei. Durch die Angabe seines Wunschgehalts habe
sich jedermann ein Bild von seinem Lebensstil und seiner Vermögenssituation machen
können, da hieraus Rückschlüsse auf das aktuelle Gehalt möglich seien. Durch die
Veröffentlichung der streitgegenständlichen Daten habe daher etwa auch die Gefahr
eines ungewollten Angebots eines Anlageberaters bestanden. Zudem sei die
Veröffentlichung in hohem Maße dazu geeignet gewesen, Neidgedanken oder sonstige
negative Stimmungen gegenüber dem Kläger zu erwecken. Ferner habe die unter
Namensnennung erfolgte Veröffentlichung seiner "Wechselabsichten" das Anstellungs-
und Vertrauensverhältnis gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber gefährdet.
Schließlich habe die Veröffentlichung auch seine beruflichen Perspektiven
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beeinträchtigt, denn es sei üblich, dass Personalberater zunächst eine Internetrecherche
über (potentielle) Stellenbewerber durchführten. Durch die Angabe seines
Gehaltswunschs habe der Kläger daher bereits frühzeitig nicht weiter berücksichtigt
werden können, obwohl er bei einer interessanten Aufgabe ggf. auch ein niedrigeres
Gehalt akzeptiert hätte. Umgekehrt seien auch seine Bewerbungschancen bei "Top-
Unternehmen" negativ beeinträchtigt worden, da der Kläger gegenüber sog. "A-
Beratern" eine weit höhere Gehaltsangabe gemacht habe. "Top-Unternehmen"
beauftragten aber regelmäßig nur sog. "A-Berater", so dass der Kläger durch die
streitgegenständliche Veröffentlichung seines insoweit niedrigeren Wunschgehalts
"Top-Unternehmen" gegenüber als unseriös habe erscheinen können. Der abrupte
Anfrageabbruch sog. "A-Berater" belege, dass die Berufschancen des Klägers
tatsächlich beeinträchtigt worden seien und, dass die begangene Rechtsverletzung als
schwerwiegend zu beurteilen sei.
Der Kläger macht geltend, dass bei der Berechnung eines angemessenen
Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sei, dass es sich zum einen um eine ganz
erhebliche, sogar potentiell existenzbeeinträchtigende Verletzung handele, und dass
zum anderen die Beklagte als Personalvermittlungsunternehmen in besonderem Maße
zur Vertraulichkeit ihr übermittelter Informationen verpflichtet sei. Die
streitgegenständliche Veröffentlichung stelle eine ganz erhebliche - im Bereich grober
Fahrlässigkeit liegende - Verletzung ihrer Vertraulichkeitsverpflichtung dar. Für die
Höhe könne § 15 AGG - wenn auch nur als Vergleich - herangezogen werden, der bei
einem Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote des AGG eine Entschädigung in
Höhe von 3 Monatsgehältern gewähre. Auch § 611a BGB a.F. habe früher eine solche
Entschädigung für geschlechtsbezogene Benachteiligung vorgesehen. Auch diese
gesetzlich normierten Entschädigungen für Benachteiligungen dienten letztendlich auch
der Genugtuung und Kompensation von Persönlichkeitsverletzungen. Darüber hinaus
habe die Beklagte durch die streitgegenständliche Veröffentlichung gegen das
Bundesdatenschutzgesetz verstoßen, da es an der nach § 4a BDSG erforderlichen
schriftlichen Einwilligung des Klägers in die Erhebung, Nutzung und Verwertung seiner
Daten gefehlt habe. Schließlich seien dem Kläger Rechtsanwaltskosten entstanden,
welche die Beklagte als Schaden zu ersetzen habe.
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Er behauptet weiter, seine Daten seien noch bis zum 18.08.2008, nach Eingabe seines
vollständigen Namens auf der Suchmaschine "Yahoo!" unter der ursprünglichen
Internetadresse des Beklagten öffentlich einsehbar gewesen; dies zwar ohne
ausdrückliche Nennung seines Namens, aber mit allen übrigen zuvor veröffentlichten
Daten. Der Kläger ist der Ansicht, die Vertragsstrafe sei durch die Fortsetzung der
ursprünglichen Verletzung verwirkt. Hierfür sei unerheblich, dass sich der Name des
Klägers nach dem 16.01.2008 nicht mehr auf dem nunmehr anonymen Profil befunden
habe, da der Betrachter aufgrund der vorherigen Suchanfrage bei "Yahoo!" erkannt
habe, dass es sich um das Profil des Klägers handele, zumal der Kläger über einen
seltenen armenischen Namen verfüge und im Profil als Sprache u.a. armenisch
aufgeführt werde. Auch hierüber sei eine völlig eindeutige Zuordnung möglich gewesen.
Ferner sei es dem Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, den Eintrag seines
Profils bei "Yahoo!" zu entfernen – dies belege auch die umgehende Löschung des
Eintrags nach entsprechender Aufforderung mit Schreiben vom 18.08.2008 sowie die
Durchführung eines entsprechenden Verfahrens gegenüber "google". Gleiches gelte für
etwaige noch im Cache von "Yahoo!" befindliche Seiten. Die Beklagte habe es
unterlassen, durch Eingabe des Namens des Klägers in die bekannten Suchmaschinen
selbst zu prüfen, ob im Februar 2008 noch irgendwelche Daten des Klägers im Internet
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waren, die auf ihre Veranlassung eingestellt wurden. Sie habe es weiter unterlassen,
sich eines Dienstleisters für die gebotene Bereinigung des Internets zu bedienen.
Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen angemessenen
Schadensersatz, welcher in Summe jedoch mindestens 45.000,00 € betragen
sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2007 zu
zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Schadensersatz
in Höhe von 1.641,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
14.03.2008 zu zahlen.
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3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von
25.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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1. die Klage abzuweisen;
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2. hilfsweise, die Vertragsstrafe gem. § 343 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf einen
angemessenen Betrag herabzusetzen.
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Die Beklagte behauptet, sie habe das gesamte Profil des Beklagten auf ihrer
Internetseite am 16.01.2008 vor Abgabe der Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung gelöscht und durch sog. "noindex meta-tags" und "robots.txt"
blockiert. Sie macht geltend, ein Anspruch auf Geldentschädigung sei nicht gegeben.
Da es der Kläger selbst gewesen sei, der seine persönlichen Daten an die Beklagte
übersandt habe, fehle es bereits an einer ungefragten Veröffentlichung. Die
Übersendung der Daten könne nicht anders verstanden werden, als dass der Kläger mit
der Übernahme seiner Daten in das Online-Angebot der Beklagten einverstanden war.
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In das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch nicht schwerwiegend
eingegriffen worden, dieses sei vielmehr allenfalls in einem Randbereich betroffen. Die
zur Verfügung gestellten Informationen seien auch nicht ehrenrührig. Der Name des
Klägers sei nur versteckt auf Seite 3 des Profils angegeben und die Daten konnten nur
dann eingesehen werden, wenn man im Internet aktiv nach dem Kläger gesucht habe.
Ferner seien die Daten nur sehr allgemein gehalten; sie enthielten lediglich den
bisherigen beruflichen Werdegang des Klägers und keine näheren persönlichen
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Angaben. Auch sei lediglich ein unverbindlicher "Gehaltswunsch" als Zielgröße für
Verhandlungen veröffentlicht worden. Die Gehaltsvorstellung des Klägers sage aber
nichts über ein tatsächlich bezogenes oder zu erreichendes Gehalt aus. Ferner handele
es sich lediglich um ein leicht fahrlässiges Versehen ohne Absicht, dem Kläger einen
Schaden zuzufügen. Weiter fehle es an einem unabwendbaren Bedürfnis, denn der
Kläger sei in einer – wenn auch auf anderem Wege – selbst gewählten Art dargestellt
worden. Ferner sei dem Kläger weder ein wirtschaftlicher noch ein immaterieller
Schaden entstanden. Schließlich macht die Beklagte geltend, die geltend gemachte
Geldentschädigung sei vollständig übersetzt.
Die begehrten Rechtsanwaltskosten seien mangels Verzug nicht ersatzfähig; ferner sei
die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich gewesen, da die Beklagte
unverzüglich reagiert habe.
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Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Vertragsstrafe sei jedenfalls mangels
Verschuldens nicht verwirkt worden. Sie habe keinerlei Einfluss darauf, was bei der
Suchmaschine "Yahoo!" im Cache gespeichert sei; hierfür sei ausschließlich der
zuständige Webmaster verantwortlich. Die Beklagte könne auch nicht dafür Sorge
tragen, dass nicht gewünschter Inhalt vollständig und für immer aus dem Internet
gelöscht werde. Die Beklagte habe sich vielmehr darauf verlassen können, dass
Suchmaschinen die Seite aus Cache und Index löschten, wenn der Inhalt nicht mehr
online ist und durch sog. "noindex meta-tags" und "robots.txt" blockiert werde. Die
Beklagte habe daher alle ihr obliegenden (Unterlassungs-) Verpflichtungen erfüllt.
Durch ihre Erklärung habe sie sich zudem lediglich dazu verpflichtet, keinerlei Gebrauch
mehr von den Daten des Klägers zu machen und diese nicht an für Dritte zugänglichen
Stellen zu veröffentlichen, nicht jedoch zu einem aktiven Handeln. Die im
Wettbewerbsrecht bestehende Verpflichtung, auch im Kern gleichartige Verstöße zu
unterlassen, können nicht auf das Persönlichkeitsrecht übertragen werden; zumal auch
im Wettbewerbsrecht keine Störerhaftung für den Cache bestehe. Außerdem habe sie
auch gar keinen Zugriff auf die Datenbanken von Suchmaschinen. Überdies habe sich
die Beklagte darauf verlassen können, dass die Datenbanken von Suchmaschinen
regelmäßig aktualisiert werden. Schließlich sei sie schon angesichts der Vielzahl von
Suchmaschinen nicht verpflichtet, Betreiber ohne konkrete Anhaltspunkte
anzuschreiben.
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Die Beklagte ist weiter der Ansicht, die vereinbarte Vertragsstrafe sei unverhältnismäßig
hoch und müsse daher - so sie denn verwirkt sei - jedenfalls nach § 343 BGB
herabgesetzt werden; es fehle bereits an einem schwerwiegenden Verstoß, die
Beklagte habe keinen Einfluss auf Seiten Dritter und dem Kläger sei kein Schaden
entstanden.
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Die Erweiterung der Klage um Ziffer 3. mit Schriftsatz vom 11.09.2008 ist der Beklagten
am 01.10.2008 zugestellt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 01. 04.2009 ist
der Zeuge B vernommen worden; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf
die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
32
Die Klage hat nur zum Teil Erfolg.
33
1.
34
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Geldentschädigung aus § 823
Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG analog wegen der Verletzung seines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Das streitgegenständliche Profil verletzte den
Kläger jedenfalls nicht schwerwiegend in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Allerdings hat die Beklagte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt.
Sie hat die Daten des Klägers ohne seine Zustimmung auf ihrer Webseite "anonym1"
veröffentlicht und die gebotene Anonymisierung der Daten unterlassen. Eine Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist unter anderem nach Maßgabe einer
abgestuften Schutzwürdigkeit der Individual-, Privat- und Intimsphäre zu bestimmen.
Schutzgut innerhalb der Individualsphäre ist u.a. das Recht auf Selbstbestimmung bei
der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten. Das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung stellt sich dabei als Befugnis des Einzelnen dar, grundsätzlich selbst
darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen
Daten an die Öffentlichkeit gebracht werden (BVerfGE 65, 1, 41 ff.). Danach oblag es
dem Kläger, zu entscheiden, ob er seinen Lebenslauf mit seinen persönlichen Daten auf
der Website der Beklagten veröffentlicht. Die Veröffentlichung geschah gegen den
Willen des Klägers. Die Beklagte bietet Bewerbern an, auf ihrer Internetplattform nach
erfolgter Anmeldung kostenlos einen Lebenslauf zu hinterlegen. Der Kläger hat dieses
Angebot nicht wahrgenommen, sondern sich mit einer schriftlichen Initiativbewerbung
an die Beklagte gewandt und dieser angeboten, bei Interesse seine vollständigen
Unterlagen vorzulegen. Die Aufforderung der Beklagten, seine Unterlagen noch einmal
auf elektronischem Weg zu übermitteln, musste er nicht dahingehend verstehen, dass
damit eine Veröffentlichung der Daten auf der Webseite der Beklagten einhergehen
würde. Nach der E-Mail der Beklagten sollte der Kläger seine Unterlagen deshalb
elektronisch übermitteln, da die Beklagte nur nach Einsichtnahme der gesamten
Bewerbungsunterlagen prüfen könne, ob seine Qualifikation einem der vorhandenen
oder zukünftigen Projekte der Beklagten entspreche. Die Übermittlung auf
elektronischem Weg ist üblich und kann der Beschleunigung eines Vorgangs dienen.
Die Aufforderung der Übermittlung per E-Mail war für den Kläger nicht als Hinweis
darauf zu verstehen, dass sein Profil online gestellt wird. Der Kläger hat vielmehr
bewusst keinen Gebrauch von dem Angebot der Beklagten gemacht, sein Profil als
sogenannter Interims-Manager online auf dem Internetportal der Beklagten einzustellen.
Neben die ungewollte Veröffentlichung tritt gravierender noch der Umstand, dass die
Beklagte das klägerische Profil nicht anonymisiert hat. Dies wäre jedoch erforderlich
gewesen und wird von der Beklagten in ihren AGB zu ihrem Online-Angebot auch so
dargestellt. Die Anonymisierung erfolgt grundsätzlich durch die Beklagte und nicht durch
den jeweiligen Bewerber. Auf den Anonymisierungsvorgang selbst hat nur die Beklagte
Einfluss. Diese ihr obliegende Pflicht hat sie jedenfalls fahrlässig verletzt.
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Die Verletzungshandlung der Beklagten ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie zu
einer Geldentschädigung des Klägers führen könnte. Die Frage, ob ein
schwerwiegender Eingriff vorliegt, der die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert,
hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass
und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl.
BGH NJW 1995, 861 m.w.N). Die Intensität des Eingriffs kann sich aus verschiedenen
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Umständen ergeben. Sie liegt vor allem auf der Hand, wenn das Opfer dadurch
besonders herabgewürdigt wird, dass es in die Nähe verbrecherischer oder jedenfalls
moralisch sehr anrüchiger Machenschaften gerückt wird (Rixecker in Münchener
Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2006, Anhang zu § 12, Rn. 227). Im Rahmen des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist zu berücksichtigen, dass ein genereller
deliktischer Schutz des Geheimhaltungswillens durch das Persönlichkeitsrecht zu weit
geht und letztlich bedeuten würde, die Persönlichkeit vor ihrer eigenen
Vertrauensseligkeit in Schutz zu nehmen (BGH NJW 1987, 2667). Ferner ist in § 824
BGB die gesetzgeberische Wertentscheidung zum Ausdruck gekommen, dass
gegenüber der Verbreitung wahrer Tatsachen über eine Person - selbst wenn diese sie
wegen der Gefahr für ihr berufliches oder geschäftliches Fortkommen vor der
Öffentlichkeit geheim halten möchte - grundsätzlich kein Deliktsschutz besteht, solange
es sich nicht um Informationen aus der Intimsphäre handelt (BGH a.a.O.). Die bloße
Erwartung, einseitig gewährtes Vertrauen werde nicht enttäuscht werden, ist daher nicht
durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Dies gilt auch, wenn sich der
Informationsgebende auf rechtlich nicht gesicherte, lediglich beruflicher Konvention
entspringende Schweigerechte ohne korrespondierende Schweigepflichten verlässt
(Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2006, Anhang zu § 12, Rn.
102). Ausnahmen kommen allenfalls dann in Betracht, wenn sich der
Informationsempfänger das Vertrauen des Informationsgebers erschlichen hat oder eine
Vertrauenssphäre aufgebaut hat (Rixecker aaO.) bzw. wenn die Offenbarung
schwerwiegende Folgen - Stigmatisierung, soziale Ausgrenzen oder Verhinderung der
Wiedereingliederung in die Gesellschaft - für den Betroffenen haben kann (BVerfG NJW
2000, 2413).
Für die Intensität eines etwaigen Eingriffs ist vorliegend zunächst maßgeblich, dass die
Beklagte lediglich einen Gehaltswunsch und kein tatsächliches Gehalt offenbart hat.
Ferner hat der Kläger selbst sein damaliges Gehalt neben der Beklagten auch noch
einer Reihe von weiteren Personalvermittlern offenbart; ohne vorherigen Kontakt und
insbesondere ohne vorherige Vertraulichkeitsabrede. Dabei hat der Kläger sich schon
mit seinem ersten Schreiben Personalvermittlern anvertraut, die er nur einer allgemein
zugänglichen Liste entnommen hatte, ohne sich vorher von deren Seriosität zu
überzeugen. Die Beklagte unterliegt als Personalberater auch keinen gesetzlichen
Schweigepflichten und die Offenbarung von Gehaltswunsch und bisherigen Tätigkeiten
führt noch nicht zu einer Stigmatisierung oder sozialen Ausgrenzung. Die Daten
beziehen sich auch lediglich auf den Bildungsweg und die bisherigen Arbeitgeber des
Klägers mit kurzen Tätigkeitsbeschreibungen und somit auf die Sozialsphäre. Ferner hat
die Beklagte bei der Anonymisierung zwar die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht
eingehalten, aber jedenfalls nicht mit Schädigungsabsicht gehandelt; ihr Anliegen war
vielmehr - auch im Interesse des Klägers - die Vermittlung eines neuen Arbeitgebers.
Insbesondere hat die Beklagte keine bewusste Veröffentlichung der Identität des
Klägers zur eigenen Gewinnerzielung betrieben. Auch das Anstellungs- und
Vertrauensverhältnis des Klägers zu seinem damaligen Arbeitgeber ist vorwiegend
durch die umfangreichen "verdeckten" Wechselabsichten des Klägers selbst gefährdet
worden.
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Soweit der Kläger vorträgt, dass durch die Veröffentlichung das Vertrauensverhältnis zu
seinem damaligen Arbeitgeber hätte gestört werden können, mag dies zwar
grundsätzlich bei einer gehobenen Position dazu geeignet sein, zu einem
Vertrauensverlust zu führen. Jedoch hat der Kläger nicht dargelegt, dass dies im
konkreten Fall so geschehen sei und die Datenveröffentlichung zu Unstimmigkeiten in
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seinem bestehenden Arbeitsverhältnis geführt habe. Ein anderes Ergebnis ergibt sich
auch nicht aus dem Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers bis Anfang
Dezember 2007 eine größere Anzahl von Rückmeldungen und Anfragen von Top-
Beratern eingegangen sei und der Kläger diesen Rückgang mit dem Zeitpunkt der
Veröffentlichung der Daten in Zusammenhang bringt. Der Kläger hat seine Unterlagen
am 28.09.2007 per E-Mail an die Beklagte übermittelt; ein zeitlicher Zusammenhang ist
nicht erkennbar. Auch die Veröffentlichung des Einkommenswunschs des Klägers
erscheint nicht ausreichend, die erforderliche Schwere der
Persönlichkeitsrechtsverletzung anzunehmen. Möglich erscheint zwar, dass bei
Kenntnis eines Unternehmens von seiner (geringeren) Einkommensvorstellung eine für
den Kläger nachteiligere Verhandlungsbasis geschaffen sein könnte. Es erscheint
jedoch unwahrscheinlich, dass der Kläger allein aufgrund der Differenz etwaiger
Gehaltsvorstellungen keine Chance mehr hatte und auch zukünftig keine Chance mehr
hat, über ein Top-Unternehmen vermittelt zu werden. Die Einkommensvorstellung des
Klägers befindet sich auf Seite 6 seines Profils, so dass sich ein Personalberater zuvor
über fünf Seiten den Lebenslauf des Klägers ansieht. Wenn dadurch sein Interesse
geweckt wird, erscheint es unwahrscheinlich, dass der Kläger nur aufgrund seiner
Einkommenswünsche als möglicher Kandidat wieder gestrichen wird.
2.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von
Abmahnkosten als sog. Rechtsverfolgungskosten nach §§ 683 S. 1; 670; 257; 250 Abs.
2 BGB zu.
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Die Abmahnkosten gegen die Beklagte sind als Aufwendungen im Rahmen einer
Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe
war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die berechtigte
Abmahnung eines Verletzers durch den Verletzten stellt ein Geschäft des Verletzers dar,
für das er dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz schuldet (vgl. Sprau in Palandt,
BGB, § 683 Rn. 7 m.w.N.).
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Die Abmahnung des Klägers lag im Interesse der Beklagten, da gegen sie ein
Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 823 Abs.1 i.V.m. § 1004 BGB wegen der
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestand, und die Abmahnung ihr die
kostengünstigere außergerichtliche Streiterledigung ermöglichte. Der Kläger war zur
Abmahnung aktivlegitimiert, denn er wurde in dem streitgegenständlichen Profil
namentlich unter Angabe personenbezogener Daten benannt. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers ist durch das streitgegenständliche Profil auch verletzt
worden. Die Missachtung verbindlicher Vertrauensabreden verletzt deliktsrechtlich das
Persönlichkeitsrecht des Vertragspartners (Rixecker in Münchener Kommentar zum
BGB, 5. Auflage 2006, Anhang zu § 12, Rn. 102). Dem Beklagten wurde vor der
Zusendung seiner ausführlicheren Daten mit E-Mail vom 28.07.2007 zugesichert, dass
diese vertraulich behandelt werden. Dies stellt das Angebot auf Abschluss einer
Vertrauensabrede dar, welches der Kläger durch Zusendung seiner weiteren Daten mit
E-Mail vom gleichen Tag angenommen hat. Der Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht erfolgte auch rechtswidrig, denn es lag jedenfalls keine
Einwilligung des Klägers in eine nicht anonymisierte Veröffentlichung seiner mit E-Mail
vom 28.09.2007 übermittelten weiteren Daten vor. Ob der Kläger in eine anonymisierte
Veröffentlichung dieser Daten eingewilligt hat, kann daher dahinstehen. Die Beklagte ist
als Betreiber des streitgegenständlichen Internetauftritts jedenfalls als Störer
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passivlegitimiert. Als Störer haftet, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat
kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt (BGH NJW 2004, 3102). Im
Zeitpunkt der Abmahnung lag schließlich auch eine Wiederholungsgefahr vor. Die
Wiederholungsgefahr wird durch die Erstverletzung vermutet und entfällt grundsätzlich
erst durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung. Eine solche
strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung hat die Beklagte vor der Abmahnung nicht
abgegeben.
Der Aufwendungsersatzanspruch besteht auch auf Zahlung. Nach § 257 BGB umfasst
die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung
hierfür eingegangener Verbindlichkeiten (BGH NJW-RR 2005, 887). Dieser
Freistellungsanspruch wandelt sich nach § 250 S. 2 dann in einen Zahlungsanspruch
um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und
der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH NJW 2004, 1868 m.w.N.). Der Kläger fordert
mit Schreiben vom 12.02.2008 Zahlung; der Beklagten lehnte dies jedoch mit
Antwortschreiben vom 12.03.2008 ab.
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Der Zahlungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe von 1.641,96 €.
Das Interesse der Klägers auf Unterlassung und Beseitigung des streitgegenständlichen
Profils und somit der Gegenstandwert der Abmahnung ist von dem Kläger zutreffend auf
50.000,00 € geschätzt worden. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einem auf
Unterlassung gestützten Verfahren das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung
weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des
Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Träger der
maßgeblichen Interessen, bestimmt (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1322). Das Interesse des
Klägers auf Unterlassung der streitgegenständlichen Veröffentlichung ist angesichts der
Bedeutung der Sache für den Kläger, dem Vertraulichkeit zugesichert worden war, und
der Verbreitungsart über das Internet mit diesem Streitwert zu bemessen. Nach § 23
Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert nach den für die Gerichtsgebühren
geltenden Wertvorschriften. Der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert ist
gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen.
44
3.
45
Dem Kläger steht gegen die Beklagte überdies ein Anspruch auf Zahlung einer
Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € aus § 339 BGB i.V.m. der Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 13.02.2008 zu.
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Zwischen den Parteien ist wirksam ein Unterlassungs- und Strafvertrag geschlossen
worden. Die Unterzeichnung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch die
Beklagte vom 13.02.2008 stellt die Annahme des mit der Abmahnung erklärten
Angebots des Klägers dar.
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Gegen diesen Unterlassungs- und Strafvertrag hat die Beklagte verstoßen. Das
strafbewehrte Versprechen, das streitgegenständliche Profil nicht mehr zu verwenden,
beinhaltet nicht nur die Verpflichtung, den Inhalt nicht nochmals ins Internet zu stellen,
sondern verpflichtet auch zu positivem Handeln, nämlich dazu, alles Erforderliche zu
tun, um die Daten des Klägers so schnell und zuverlässig wie möglich aus dem Internet
verschwinden zu lassen (vgl. LG Berlin MMR 2000, 495). Das Gericht ist unter
Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme nach § 286 ZPO davon überzeugt, dass das streitgegenständliche
48
Profil des Klägers noch am 15.08.2008 im Internet jedenfalls über Proxy-Server
einsehbar war, wenn bei der Internetsuchmaschine "Yahoo!" der Namen des Klägers
eingegeben wurde. "Proxy-Server" sind beim Provider eingerichtete Rechner, die in
ihrem eigenen "Proxy-Cache" häufig abgerufene Angebote zwischenspeichern, um die
zu transportierende Datenmenge zu reduzieren (Ernst in Hoeren/Sieber, Handbuch
Multimedia-Recht, 19. Ergänzungslieferung 2008, Teil 7.1 Rn 59). Der Kläger hat
plausibel vorgetragen, dass die von ihm vorgelegten Internet-Ausdrucke für das
angegebene Datum des 15.08.2008 authentisch sind und wie ein Internetnutzer auf
diese Seiten gelangen konnte. Dies wird durch die Aussage des Zeugen B bestätigt.
Dieser hat glaubhaft bekundet, welche Seiten und Links Mitte August 2008 angeklickt
werden mussten, um über die Treffer-Liste von "Yahoo!" zu dem streitgegenständlichen
Profil des Klägers zu gelangen. Die Aussage ist widerspruchsfrei und der Zeuge hat
schlüssig dargetan aus welchen Gründen er Mitte August erneut nach Angaben über
den Kläger gesucht hat. Der Zeuge hat ferner plausibel dargelegt, warum er sich noch
daran erinnern kann, dass seine erneute Suche Mitte August 2008 erfolgte.
"Proxy-Cache" ist von lokalem, auf dem Rechner des Nutzers gespeichertem Cache zu
unterscheiden. Links innerhalb des lokalen Cache sind aufgrund der Verschlüsselung
der Dateinamen nicht möglich (Ernst in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, 19.
Ergänzungslieferung 2008, Teil 7.1 Rn 59), so dass sich das streitgegenständliche Profil
im August 2008 nicht im lokalen Cache des Zeugen Arentz befunden haben kann, da
dieser glaubhaft bekundet hat, das Profil erst durch Klicken eines Links und nicht durch
die - wohl auch lebensfremde - eigenhändige Eingabe der kryptischen Adresse
aufgerufen zu haben. Somit kann auch nicht das von der Beklagten benannte Urteil des
OLG Düsseldorf (OLGR Düsseldorf 2008, 256) herangezogen werden, da dieses sich
nicht auf den Proxy-Cache, sondern auf den lokalen Cache auf dem Computer des
Nutzers bezog, auf den ein Verletzer selbstredend keinen Einfluss hat. Ferner befand
sich das streitgegenständliche Profil ausweislich des vorgelegten und vom Zeugen
Arentz bestätigten Internet-Ausdrucks auch nicht im Suchmaschinen Cache von
"Yahoo!", da dies mittels eines zweiten Links "Im Cache" angezeigt worden wäre, auf
den gesondert hätte geklickt werden müssen.
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Die Behauptung der Beklagten, die streitgegenständlichen Internetseiten auf ihrem
eigenen Server gelöscht zu haben, ist nicht geeignet, die weitere Verfügbarkeit der Seite
unter ihrer ursprünglichen Adresse auf zwischengelagerten "Proxy-Servers" zu
widerlegen. Insofern bedurfte es auch keiner Vernehmung des von der Beklagten
benannten Zeugen, Herrn X. Selbst wenn der Zeuge X glaubhaft bekundet hätte, das
streitgegenständliche Profil sei auf dem Ausgangsserver gelöscht worden, so belegt
dies nicht, dass das streitgegenständliche Profil weiter über "Proxy-Server" im Internet
aufrufbar war. Der Zeuge X war für die Beweisfrage insoweit unergiebig.
50
Die Beklagte trifft an dem festgestellten Verstoß gegen die Unterlassungspflicht auch
ein Verschulden i.S. des § 276 BGB, denn sie hat nicht alle ihr zumutbaren Schritten
eingeleitet, um die Daten des Klägers so schnell und zuverlässig wie möglich aus dem
Internet verschwinden zu lassen. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass sie
nicht dafür Sorge tragen kann und muss, dass das streitgegenständliche Profil
vollständig von "Proxy-Servern" und für immer aus dem Internet gelöscht werde. Die
Beklagte durfte sich jedoch selbst nach vollständiger Löschung der Daten auf dem
Ausgangsserver - jedenfalls wenn sie, wie vorliegend, zuvor auf eine Erreichbarkeit
ihrer Seite mittels Suchmaschine hingewiesen wurde - nicht auf eine regelmäßige
Aktualisierung der Datenbanken der Suchmaschinen verlassen, sondern musste damit
51
rechnen, dass eine von ihr bereits gelöschte Seite sich für längere Zeit weiterhin im
Speicher eines zwischengelagerten "Proxy-Servers" befindet und von dort auch noch
mittels Suchmaschinen aufgerufen werden kann. Das gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass es bei gewerblichen Internetseiten regelmäßig gerade darum geht,
zur weitreichenden Bewerbung möglichst viele Zugriffe auf die eigenen Seiten über
Suchmaschinen zu erlangen (vgl. LG Hamburg MMR 2006, 697). Die Beklagte hätte
auch erkennen müssen, das "google" zwar die wohl gängigste Suchmaschine ist, dass
aber Internetnutzer, insbesondere wenn "google" nicht weiter führt, auch auf andere
Suchmaschinen zurückgreifen. Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, dass sie nicht
jede Suchmaschine überprüfen kann (vgl. OLG Hamburg MMR 2003, 279). Es kann
allerdings dahingestellt bleiben, wo die Grenze der Zumutbarkeit zu ziehen ist und
welche Suchmaschinen zu überprüfen sind; "Yahoo!" jedenfalls gehört neben "google"
und "MSN Live" zu den weltweit größten und am meisten genutzten Suchmaschinen
und hätte in eine Überprüfung einbezogen werden müssen. Spätestens seit der
Abmahnung des Klägers hinsichtlich des abrufbaren Profils mittels "google" bestand für
die Beklagte weiterer Anlass für eine Überprüfung auch anderer Suchmaschinen. Die
Beklagte hätte das gegenüber "google" getätigte Bestreben auf Löschung des
Sucheintrags daher zumindest auch gegenüber "Yahoo!" durchführen müssen. Es hätte
hierzu auch keiner unzumutbar aufwendigen Suche bedurft, denn die Verlinkung auf
das streitgegenständliche Profil befand sich auf Seite 2 der Suchergebnisse. Da
"Yahoo!" Anfang 2008 noch nicht über eine eigens dafür eingerichtetes Webmastertool
verfügte, hätte die Beklagte die Blockierung des Sucheintrages durch ein Schreiben an
"Yahoo!" fordern müssen. Selbst wenn die Beklagte dies nicht binnen einer bestimmten
Zeit erwirken kann (vgl. OLG Köln MMR 2001, 695), so hätte sie jedenfalls eine
schnellstmögliche Löschung fordern können. Auch wenn von der Beklagten die
Durchsicht des gesamten Internets nicht verlangt werden kann, so war jedenfalls die
Kontaktaufnahme nur zu einem Suchmaschinenbetreiber nicht ausreichend (vgl. LG
Frankfurt am Main MMR 2000, 493). Die Beklagte konnte sich auch nicht darauf
verlassen, dass Suchmaschinenbetreiber von sich aus Einträge durch das Löschen der
Daten auf dem Ausgangsserver oder dem Setzen von "noindex-Meta-Tags" und
"robots.txt" umgehend aus den Suchergebnissen entfernen; auch insoweit war ihr eine
Überprüfung der Suchmaschine "Yahoo!" im Februar 2008 zuzumuten. Zu dieser
Feststellung bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens, denn
die Kammer kann aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, dass die von der Beklagten
durchgeführten Schritte nicht ausreichten, um das Profil schnellstmöglich aus den
Suchmaschinenergebnissen von "Yahoo!" zu entfernen.
Durch eine Aufforderung zum Entfernen der Sucheinträge zumindest gegenüber
"google", "Yahoo!" und "MSN Live" sowie dem Entfernen der eigenen Links und
Dateien auf dem Ausgangsserver, hätte die Wahrscheinlichkeit, dass das
streitgegenständliche Profil mittels eines "Proxy-Servers" weiter hätte aufgerufen
werden können, wohl auf die unwahrscheinlichen Fälle reduziert werden können, dass
ein Internetnutzer die kryptische Internetadresse des Profils händisch eingibt oder den
Namen des Klägers auf einer "kleineren" Suchmaschine eingibt. Die Beklagte hätte das
streitgegenständliche Profil also mit vergleichsweise geringem Aufwand in zumutbarer
Weise wohl größtenteils dem Zugriff von Internetnutzern entziehen können.
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Die Behauptung der Beklagten, auf die Datenbanken von "Yahoo!" nicht unmittelbar
zugreifen und dort vorhandene Daten löschen zu können, ist unerheblich, da sie bereits
durch die fehlende Aufforderung an "Yahoo!" die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht
eingehalten hat. Zumal schon die Tatsache, dass der Eintrag auf "Yahoo!" unmittelbar
53
nach der entsprechenden Abmahnung des Klägers entfernt wurde, verdeutlicht, dass es
der Beklagten augenscheinlich doch möglich ist, entsprechende Einträge zu beseitigen
(vgl. LG Mannheim MMR 1998, 217).
Auch die Tatsache, dass das Profil auf dem "Proxy-Server" als solches nur noch
anonym dargestellt wurde, berührt das Verschulden der Beklagten nicht, denn für den
Betrachter war nach Eingabe des Names des Klägers in der Suchmaschine "Yahoo!"
klar, dass es sich um das Profil des Klägers handelt, zudem konnte der Kläger auch
anhand der Angaben Alter, Sprache und Ausbildung weiter identifiziert werden. Die
Anonymisierung war daher ebenfalls nicht geeignet, die Daten des Klägers so
zuverlässig wie möglich aus dem Internet verschwinden zu lassen, zumal etwa erneuten
Besuchern der Seite, die Anonymisierung nicht zwingend aufgefallen wäre.
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Sofern die Beklagte nicht über ausreichende technische Kenntnisse verfügt, hätte sie
sich zur Einhaltung ihres Strafversprechens der professionellen Hilfe Dritter bedienen
müssen, für deren Verschulden sie jedoch gem. § 287 BGB ebenfalls einzustehen hätte
(vgl. LG Berlin MMR 2000, 495).
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Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 Abs. 1 S. 2 BGB auf ein
angemessenes Maß kommt wegen § 348 HGB nicht in Betracht, da die Beklagte
Kaufmann nach § 6 HGB i.V.m. § 13 Abs. 3 GmbHG ist. Auch eine Herabsetzung nach §
313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage scheidet vorliegend aus, da es an
einer erheblichen, für die Höhevereinbarung ursächlichen, Überbewertung des
Vertragsgegenstandes jedenfalls seitens des Klägers fehlt. Schließlich kommt auch
eine Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB auf
ein noch hinzunehmendes Maß nicht in Betracht. Die Vertragsstrafe in Höhe von
25.000,00 € ist von der Beklagten noch hinzunehmen; sie steht jedenfalls in keinem so
außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung, dass ihre
Durchsetzung einen Verstoß gegen den das gesamte Rechtsleben beherrschenden
Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Vertragsstrafenabreden stehen in
besonderem Maße unter dem Gebot von Treu und Glauben, so dass einerseits eine
Ausdehnung von Vertragsstrafenabreden auf Umgehungsversuche geboten ist,
andererseits jedoch auch der Gläubiger gehalten sein kann, die Vertragsstrafe nicht
bzw. nicht völlig einzufordern (LG Berlin NJW 1996, 1142). Anhaltspunkt für die
Bestimmung des noch hinzunehmenden Betrages kann insoweit das Doppelte der nach
§ 343 BGB angemessenen Vertragsstrafe sein (BGH GRUR 2009, 181 = BauR 2009,
501). Bei der Bemessung der Vertragsstrafe kommt es in erster Linie auf den
Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion weitere Zuwiderhandlungen
zu verhüten, auf Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für
den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers und auf die Funktion der
Vertragsstrafe als pauschalierten Schadensersatz an (BGH GRUR 2009, 181 = BauR
2009, 501). Missbräuchlich kann es auch sein, die Vertragsstrafe nach nur
geringfügigen Zuwiderhandlungen zu fordern (LG Berlin NJW 1996, 1142). Bei der
Bewertung von Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung ist auch zu
berücksichtigen, wie die angesprochenen Verkehrskreise zu der beanstandeten
Internet-Seite gelangten (vgl. zum Wettbewerbsrecht OLG Düsseldorf, MMR 2008, 56).
Eine Vertragsstrafe in Höhe von 12.500,00 € wäre vorliegend jedenfalls noch
angemessen, so dass auch eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € von der
Beklagten noch hinzunehmenden ist. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das
streitgegenständliche Profil noch über 6 Monate im Internet von jedermann - jedenfalls
über die gängige Suchmaschine "Yahoo!" und einem "Proxy-Server" - ohne Weiteres
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einsehbar war. Ferner entsprach das Interesse des Klägers an einer Unterlassung der
streitgegenständlichen Veröffentlichung einem geschätzten Gegenstandswert von
50.000,00 € (s.o.). Das streitgegenständliche Profil wurde vorliegend über "Yahoo!"
auch nicht zufällig oder nur auf einem komplizierten Weg aufgerufen, sondern erschien -
wie zu erwarten und wohl auch bezweckt - bei einer Suche nach dem Namen des
Klägers mittels einer gängigen Internetsuchmaschine auf der zweiten Seite. Auch das
Verschulden der Beklagten kann jedenfalls nicht als leicht fahrlässig beurteilt werden
(vgl. o.). Schließlich war sich die Beklagte auch der Problematik von im Internet
stehender Daten bewusst, da sie jedenfalls gegenüber "google" tätig wurde. Endlich
wird vorliegend auch nur die erst- und einmalige Verwirklichung der Vertragsstrafe
geltend gemacht, so dass keine unverhältnismäßige Multiplikation der Strafe durch eine
Vielzahl von Verstößen stattfindet.
4.
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Dem Kläger steht hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten ein Zinsanspruch aus § 256
BGB seit Entstehung des Zahlungsanspruches zu.
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Der Zinsanspruch bezüglich der mittels Klageerweiterung geltend gemachten
Vertragsstrafe besteht gem. §§ 288, 291 BGB seit Rechtshängigkeit der
Klageerweiterung zu Ziffer 3.
59
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S.2 ZPO.
60
Streitwert: 71.641,96 €
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