Urteil des LG Köln vom 24.03.2010

LG Köln (gesetzliche grundlage, beschwerde, zweifel, ergebnis, wirksamkeit, patientenverfügung, verfügung, rückgabe, versorgung, gutachten)

Landgericht Köln, 1 T 102/10
Datum:
24.03.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 T 102/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 62 XVII P 759
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Köln vom 11.02.2010 – 62 XVII P 759 – wird
zurückgewiesen.
Der Antrag des Beteiligten zu 4) auf Aussetzung der Vollziehung des
angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.
G r ü n d e :
1
Mit der im Tenor genannten Entscheidung hat das Amtsgericht für die Betroffene eine
Betreuung eingerichtet und den Beteiligten zu 2) zum Berufsbetreuer bestellt. Der
Aufgabenkreis umfasst:
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Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, alle Vermögensangelegenheiten,
Vertretung bei Behörden und Befugnis zum Empfang von Post.
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Als Ersatzbetreuerin ist als Berufsbetreuerin Frau U als Vertreterin der Betroffenen bei
Verhinderung des Beteiligten zu 2) berufen. Das Gericht hat beschlossen, spätestens
bis zum 11.02.2017 über die Aufhebung oder Fortdauer der Betreuung zu entscheiden;
es hat ferner die Entscheidung für sofort wirksam erklärt.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 4) mit seiner am 04.03.2010
bei Gericht eingegangenen Beschwerde vom selben Tag, mit welcher er den Antrag
verfolgt, dass
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1.
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die Betreuung aufgehoben wird,
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2.
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der Beteiligte zu 2) entlassen wird,
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3.
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der Beteiligte zu 4) als Betreuer bestellt wird,
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4.
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die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses vom 11.02.2010 ausgesetzt wird.
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Der Beteiligte zu 4) vertritt die Auffassung, die Betreuung erübrige sich deshalb, weil die
Betroffene unter dem 17.08.2009 eine Vorsorgevollmacht getroffen habe.
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Im übrigen sei für den Fall der Einrichtung einer Betreuung er selbst zu bestellen, da ein
Berufsbetreuer grundsätzlich nur dann bestellt werden dürfte, wenn kein geeigneter
anderer Betreuer zur Verfügung stehe.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer gemäß
Beschluss vom 17.03.2010 zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) ist statthaft und auch im übrigen zulässig gemäß
§§ 58, 59, 63, 303 FamFG. Als Sohn der Betroffenen ist der Beteiligte zu 4) nach § 303
Abs. 2 FamFG zur Einlegung der Beschwerde befugt. Die Beschwerde ist auch
innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt.
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In der Sache führt sie jedoch nicht zum Erfolg; denn der angefochtene Beschluss ist
weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht zu beanstanden.
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Er findet seine gesetzliche Grundlage in § 1896 BGB. Danach bestellt das
Betreuungsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser aufgrund einer
psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung
seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann.
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Dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Gutachten
des Sachverständigen Dr. med. H, der die Betroffene eingehend am 19.01.2010
untersucht hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei der Betroffenen eine
Multiinfarktdemenz (F. 01.1) sowie eine depressive Episode (F. 32.1) vorliegen und die
Betroffene in keinem rechtlichen Bereich mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten
selbständig zu besorgen. Aus der Sicht des Sachverständigen ist die Betroffene auch
nicht mehr in der Lage, einen freien Willen zur Frage der Betreuerbestellung zu bilden
und kann gegenwärtig keine Vollmachten mehr erteilen. Ferner hat der Sachverständige
Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen bereits bei
Vollmachtserteilung im August 2009 deutlich beeinträchtigt gewesen sein könnte.
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Das Gutachten des Sachverständigen ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei.
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Bedenken gegen die Richtigkeit haben sich nicht ergeben und sind auch von Seiten des
Beschwerdeführers nicht aufgezeigt worden.
Zwar gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Betreuung und erübrigt sich eine
Betreuung deshalb insbesondere dann, wenn der Betroffene noch in der Lage ist,
jemanden mit der Wahrnehmung der betreffenden Angelegenheiten zu beauftragen oder
wenn er eine wirksame Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung getroffen hat. Aber
trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung ist eine Betreuung
anzuordnen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit an der Vollmacht bestehen (vgl.
Bayrisches Oberstes Landesgericht, Familienrechtzeitung 94, 720; Palandt, Kommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 69. Auflage, § 1896 BGB, Randnummer 12 mit weiteren
Nachweisen). Ferner ist eine Betreuung auch dann einzurichten, wenn Zweifel gegen
die Eignung oder Redlichkeit des Bevollmächtigten bestehen (vgl. Palandt aaO. mit
weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
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Hier bestehen sowohl Zweifel an der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht wie auch
gegen die Person des Beteiligten zu 4).
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Auch bei der Auswahl der Person des Betreuers hat das Amtsgericht sachgerecht im
Sinne von § 1897 BGB entschieden.
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Zwar hatte die Betroffene im Rahmen ihrer amtsrichterlichen Anhörung den Wunsch
geäußert, den Beteiligten zu 4) zu benennen. Hierzu hat der Sachverständige – wie
ausgeführt – die Auffassung vertreten, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage sei,
einen freien Willen zu der Frage der Betreuerbestellung zu bilden. Abgesehen davon
darf ein Vorschlag keine Berücksichtigung finden, wenn die Benennung dem Wohl des
zu Betreuenden zu widerlaufen würde. Das Amtsgericht hat die verwandtschaftliche und
persönliche Bindung des Beteiligten zu 4) zur Betroffenen gewürdigt und ist zu dem
Ergebnis gekommen, dass kein geeigneter anderer Betreuer zur Verfügung steht, der
anstelle eines Berufsbetreuer tätig werden könnte.
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Die Tatsache, dass der Beteiligte zu 4) ungeeignet für das Amt des Betreuers ist, ergibt
sich aus einer Vielzahl von Umständen:
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Nach den schriftlichen Angaben der Mitarbeiter des Sozialdienstes im Heilig-Geist-
Krankenhaus in Köln war die Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 4) bezüglich der
Versorgung der Betroffenen sehr problematisch, hielt sich der Beteiligte zu 4) nicht an
Absprachen und war wenig kooperativ. Alle weiteren Institutionen die mit dem
Beteiligten zu 4) zu tun hatten, machten die Erfahrung, dass er in erster Linie finanzielle
Interessen in den Vordergrund bei der Versorgung seiner Mutter stellte.
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Die Bürgermeisterin der Gemeinde Z1, in deren Zuständigkeitsbereich der Beteiligte zu
4) wohnt, hat ausweislich ihres Schreibens vom 04.11.2009 dienstlich wiederholt mit
dem Beteiligten zu 4) Kontakt gehabt, umschreibt den Beteiligten zu 4) als
problematisch und hält ihn aufgrund des ihr vorliegenden Eindrucks nicht als geeignet,
für seine Mutter zu sorgen.
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Die Mitarbeiter des Alten- und Krankenpflegevereins Y e.V. haben unter dem
25.11.2009 berichtet, dass die Versorgungssituation bei der Betroffenen zu Hause im
September 2009 sehr kritisch gewesen sei, der Beteiligte zu 4) habe zwar jeweils für die
Betroffene einkaufen wollen, so dass genug Essen im Hause sei bis er in ca. 4 Wochen
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wieder kommen wolle; entgegen der Absprache habe er kein Geld für Notfälle bzw.
frische Nahrungsmittel da gelassen; die Lebensmittel seien schon nach 14 Tagen zur
Neige gegangen; die Betroffene sei dann im Krankenhaus gewesen und der Beteiligte
zu 4) habe sich bei ihnen nicht mehr gemeldet; per Einschreiben sei dann am
28.10.2009 der Pflegevertrag gekündigt worden; ferner sei um Klärung der offenen
Rechnungen, Rückgabe des Hausschlüssels, sowie Rückgabe der ausgeliehenen
Hilfsmittel gebeten worden; der Beteiligte zu 4) habe das Einschreiben nicht abgeholt
und sei für sie nicht mehr erreichbar gewesen.
Am 06.01.2009 teilte ein anderer Pflegedienst mit, dass die Heizung in der Wohnung
der Betroffenen defekt und für die Betroffene nichts geregelt sei.
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Am 08.12.2009 hat der Beteiligte zu 4) es verhindert, dass der vom Amtsgericht bestellte
Sachverständige Dr. H die Betroffene untersuchen konnte, den Sachverständigen aus
dem Haus gewiesen und ihn aufgefordert, das Grundstück zu verlassen.
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Nach dem Ergebnis der amtsrichterlichen Anhörung befand sich die Betroffene am
10.02.2010 seit Wochen in dem B-Haus in Köln, ohne dass der Beteiligte zu 4) die
Heimkosten bezahlt hatte; diese waren zwischenzeitlich angemahnt worden. Eine
Mitarbeiterin des Hauses berichtete, dass der Beteiligte zu 4) Termine nicht eingehalten
habe.
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Auf dem Hintergrund aller Erkenntnisse hat sich auch die als Verfahrenspflegerin
beigeordnete Beteiligte zu 3) ausweislich ihres Berichtes vom 11.02.2010 für die
Bestellung eines Berufsbetreuers ausgesprochen.
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Es besteht kein Zweifel daran, dass der Beteiligte zu 4) nicht in der Lage ist, die
Angelegenheiten der Betroffenen zu deren Wohl besorgen.
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Die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen
Beschlusses liegen nicht vor (§ 64 Abs. 3 FamFG). Eine Abänderung der
angefochtenen Entscheidung kam nicht in Betracht, und es ist ferner nicht ersichtlich,
woraus sich die Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung ergeben soll.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach sind die Kosten eines ohne
Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten aufzuerlegen, der es eingelegt hat.
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Rechtsmittelbelehrung: Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 3, § 71 FamFG).
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Beschwerdewert: 3.000,00 €.
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