Urteil des LG Köln vom 12.04.2010

LG Köln (gebühr, antragsteller, antrag, rechtsverletzung, download, höhe, öffentlich, inhaber, rechnung, aufwand)

Landgericht Köln, 9a OH 820/09
Datum:
12.04.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9a OH 820/09
Tenor:
Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenansatz des
Landgerichts Köln vom 01.02.2010 in Verbindung mit der hierzu
ergangenen Kostenrechung vom 02.02.2010 (Kassenzeichen ###) wird
zurückgewiesen.
Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe:
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1.
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Die Erinnerung des Antragstellers vom 01.03.2010 ist gemäß § 14 Abs. 2 KostO
zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Die Kostenbeamtin hat zu Recht gemäß § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO eine Gebühr von
2.200,- € (11 x 200,- €) in Ansatz gebracht.
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Nach dem Wortlaut des § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO wird für die Entscheidung über "den
Antrag auf Erlass einer Anordnung" nach § 101 Abs. 9 UrhG eine Gebühr von 200,00 €
erhoben. Für die Frage, ob eine Entscheidung eine oder mehrere Gebühren auslöst,
kommt es mithin maßgeblich darauf an, ob sie sich auf einen oder mehrere Anträge
bezieht. Dies ist nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich die
Kammer anschließt, nicht nach der äußeren Form des gestellten Antrags zu beurteilen,
sondern nach dessen Inhalt. Liegt dem Antrag im Wesentlichen derselbe
Lebenssachverhalt zugrunde, ist ein Antrag anzunehmen; weist der Lebenssachverhalt
dagegen wesentliche Unterschiede auf, werden mehrere Anträge anzunehmen sein
(vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.03.2009, Az. I-10 W 11/09, zitiert nach Juris; OLG
Karlsruhe, MMR 2009, 263; OLG Frankfurt, MMR 2009, 551).
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Ein unterschiedlicher Lebenssachverhalt liegt jedenfalls dann vor, wenn Gegenstand
des Auskunftsanspruchs verschiedene Werke sind. Betroffen sind hier die Werke
"Bushido (feat. Karel Gott): Für immer jung" und "Bushido produziert Sonny Black &
Frank White: Eine Chance/Zu Gangsta", sodass bereits insoweit unterschiedliche
Sachverhalte vorliegen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anzahl der
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Sachverhalte vorliegen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anzahl der
diesem zuzuordnenden Werke indes nicht das alleinige Abgrenzungskriterium. Eine
solche Betrachtungsweise würde außer Acht lassen, dass diese Werke nicht isoliert
unberechtigt zum Download angeboten wurden. Die Werke des Antragstellers sind
vielmehr im Streitfall stets eingebunden in eine Zusammenstellung von anderen Titeln.
Zum Download angeboten wurden hier nämlich Kopplungstonträger, sog. Compilations
bzw. illegal zusammengestellte sog. Chartcontainer. Der Lebenssachverhalt wird in all
diesen Fällen nicht davon geprägt, dass gezielt diejenigen Titel angeboten werden, an
denen der Antragsteller die Rechte hält. Der Sachverhalt erhält sein Gepräge vielmehr
dadurch, dass die Kopplungstonträger, hier also etwa "Bravo Black Hits Vol. 21" oder
"Bravo Hits 67" zum Download angeboten wurden. Lediglich eines der hierauf
befindlichen Werke ist jeweils dem Antragsteller zuzuordnen. Es mag zwar sein, dass
der Interessent, der in Tauschbörsen nach Angeboten sucht, möglicherweise auch
gezielt nach Kopplungstonträgern sucht, auf denen die Aufnahmen des Antragsstellers
enthalten sind. In der Mehrzahl der Fälle dürfte der Interessent aber gerade nicht
speziell an dem Werk des Antragsstellers, sondern an der Zusammenstellung von Titeln
des entsprechenden Genres oder von aktuellen Titeln interessiert sein. Letztgenannter
Aspekt ist gerade Kriterium der illegalen Chartcontainer, die jeweils tagesaktuell die
Titel zusammenstellen, die sich in den Top 50 oder Top 100 der aktuellen Chartlisten
befinden. Dies spricht bereits dafür, nicht auf den einzelnen, dem Antragsteller
zuzuordnenden Titel, sondern auf die Zusammenstellung abzustellen.
Auch kommt es für die Rechtsverletzung im "gewerblichen Ausmaß", wie sie § 101 Abs.
1 UrhG voraussetzt, darauf an, dass eine umfangreiche Datei, etwa in Gestalt eines
ganzen Musikalbums, öffentlich zugänglich gemacht wird. Der einzelne Titel würde für
eine Rechtsverletzung "im gewerblichen Ausmaß" nicht ausreichen. Der Antragsteller
kann also in den Genuss des ihm nach § 101 Abs. 9 UrhG eröffneten
Auskunftsanspruchs nur dann kommen, wenn ein ganzes Musikalbum bzw. eine
umfangreiche Datei in Form eines Chartcontainers zum Download angeboten wurde.
Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, jedes einzelne öffentlich zugänglich gemachte
Album bzw. jeden einzelnen Chartcontainer als eigenen Lebenssachverhalt anzusehen.
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Schließlich steht eine derartige Bewertung auch im Einklang mit der
Gesetzesbegründung des § 128 c KostO als der Vorläuferbestimmung des § 128 e
KostO. Dort (vgl. BT-Drs., 16/5048, S. 36) heißt es u.a:.
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"(...) Für die Entscheidung über den Antrag des Verletzten soll eine Gebühr in Höhe
von 200 Euro vorgesehen werden. Mit der Entscheidung ist eine Kammer des
Landgerichts befasst. In ihr hat das Gericht abzuwägen, ob der Antragsteller
Inhaber eines geistigen Schutzrechts ist, eine Verletzung dieses Rechts
angenommen werden kann und die Schwere der Rechtsverletzung den
Grundrechtseingriff rechtfertigt. Die Höhe der Gebühr trägt dem tatsächlichen
Aufwand des Gerichts sowie der Bedeutung der abzuwägenden Gesichtspunkte
Rechnung. Wird der Antrag des Verletzten zurückgewiesen, soll die Gebühr in
gleicher Höhe anfallen. Der Prüfungsaufwand des Gerichts dürfte in der
überwiegenden Zahl der Fälle für eine negative Entscheidung so hoch sein wie für
eine positive.(...)"
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Danach soll die Gebühr in Höhe von 200,- € dem tatsächlichen Aufwand des Gerichts
und der Bedeutung der abzuwägenden Gesichtspunkte Rechnung tragen.
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Der Prüfungsaufwand fällt aber entgegen der Ansicht des Antragstellers für jedes
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einzelne Musikalbum bzw. für jeden einzelnen Chartcontainer gesondert an. Dem
Antragsteller ist lediglich zuzugestehen, dass die Frage, ob der Antragsteller Inhaber der
geltend gemachten Rechte ist, für alle Koppelungstonträger gemeinsam erfolgt. Die
Feststellung der Rechtsverletzung geschieht indes für jedes einzelne Sammelalbum
bzw. für jeden Chartcontainer gesondert. In jedem Einzelfall ist zu überprüfen, ob die
Feststellung der Rechtsverletzung, und zwar jeweils im "gewerblichen Ausmaß",
ordnungsgemäß glaubhaft gemacht wurde. Hier kann keine Sammelprüfung
vorgenommen werden. Diese Prüfung ist im Vergleich zur Feststellung der
Rechteinhaberschaft auch nicht nur von untergeordneter Relevanz.
Darüber hinaus kann aus dem Umstand, dass die Rechteinhaberschaft bei
wiederkehrenden Anträgen vielfach gerichtsbekannt sein dürfte, zu Gunsten des
Antragstellers nichts hergeleitet werden. Im Gegenteil fällt auch bei gerichtsbekannter
Inhaberschaft im Falle separat gestellter Anträge ebenfalls stets eine neue Gebühr nach
§ 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO an.
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Auch dem in der Gesetzesbegründung angesprochenen Gesichtspunkt der Bedeutung
der Angelegenheit entspricht es, die einzelnen Alben und Chartcontainer separat zu
bewerten. Vielfach wird hinsichtlich der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit
darauf abgestellt, ob bei einem Antrag Verletzungshandlungen mehrerer Personen in
Rede stehen (vgl. OLG Düsseldorf, OLG Karlsruhe, OLG Frankfurt jew.a.a.O.), da aus
der Sicht jedes einzelnen Provider-Kunden dem Verfahren jeweils ein gleich großes
Gewicht beigemessen wird. Bei mehreren Rechtsverletzern steht auch nicht zu
befürchten, dass die Erhebung von 200,- € pro Verletzer wirtschaftlich sinnlos ist, da der
Betrag in einem späteren Verfahren dem Verletzer gegenüber als Schadensersatz
geltend gemacht werden kann (vgl. insoweit auch die Stellungnahme der
Bundesregierung BT-Drucks 16/5048, S. 63). Werden – wie hier - verschiedene
Musikalben bzw. Chartcontainer unter einer Vielzahl von IP-Adressen zum Download
angeboten, so ist es zwar nicht gänzlich zwingend, dass hier verschiedene
Rechtsverletzer tätig waren, diese Annahme dürfte indes erheblich näher liegen als
anzunehmen, sämtliche Tonträger würden nur von einem Rechtsverletzer angeboten.
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Unter Zugrundelegung der vorstehenden Kriterien ist daher hier von insgesamt 11
"Anträgen" im Sinne des § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO auszugehen, da hier insgesamt drei
Koppelungstonträger und acht Chartcontainer betroffen sind.
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2.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 9 KostO
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