Urteil des LG Köln vom 30.01.2004
LG Köln: vertrag zugunsten dritter, gefährdung, konzern, aufspaltung, ausländische gesellschaft, insolvenz, abspaltung, bilanz, liquidität, neugründung
Landgericht Köln, 82 O 139/03
Datum:
30.01.2004
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
82 O 139/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
1
Die Beklagte ist eine Holding- und Führungsgesellschaft des H-Konzerns.
2
Die wichtigsten Beteiligungsgesellschaften der Beklagten sind bzw. waren:
3
a) Die H1 (nachfolgend: "H1").
4
b) Die H2 (nachfolgend: "H2").
5
c) Die H3 (nachfolgend: "H3").
6
d) Die H4 (nachfolgend: "H4").
7
Der Kläger war Jahrzehnte im H-Konzern-Vorstand tätig. Er ist im Jahre 1986 aus dem
H-Konzern ausgeschieden. Bis 1976 war er Vorstand der Beklagten gewesen. Seine
Pensionsansprüche richten sich nach § 1 des Vertrages vom 01.07.1972 (Anlage K 12).
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Die Pensionsansprüche des Klägers gegen den H-Konzern betragen laut Mitteilung der
H-Versorgungskasse vom 28.04.2003 derzeit 16.778,74 EUR. Davon haftet die
Beklagte - abzüglich der Ansprüche gegen die H5 (nachfolgend: H5) von 34,29 EUR -
auf einen Betrag von 16.744,45 EUR. Der Kläger ist am 24.09.1919 geboren, seine
Ehefrau ist verstorben. Der Pensionsanspruch ist an den Lebenshaltungskostenindex
gebunden.
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Die Pensionsansprüche des Klägers sind in Höhe von monatlich 7.140,00 EUR, das
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entspricht einem Barwert in Höhe von 436.682,00 EUR, durch den
Pensionssicherungsverein gedeckt. Der nicht gesicherte Barwert der
Pensionsansprüche des Klägers beträgt 670.872,20 EUR.
Die Beklagte hatte aufgrund einer Konzern-Vereinbarung vom 31.12.1976 die Haftung
für sämtliche Pensionsverpflichtungen der H-Konzern-Gesellschaften übernommen.
Danach ist die Beklagte mit Wirkung zum 31.12.1976 in die Pensionsversprechen der
Konzerngesellschaften mit der Maßgabe eingetreten, dass die Beklagte im
Innenverhältnis allein für die Erfüllung der Pensionsversprechen haftet. Im
Außenverhältnis haften neben der Beklagten die Konzerngesellschaften für die
Pensionsversprechen weiterhin. Die Beklagte erhielt auf der Grundlage des
vorgenannten Vertrages von den Konzerngesellschaften deren Pensionsrückstellungen
als Gegenwert für die Übernahme der Pensionsverpflichtungen. Die zukünftigen
Rückstellungen hatten und haben die Konzerngesellschaften halbjährlich an die
Beklagte zu überführen. Nach Ziffer 4) des Vertrages vom 31.12.1976 sind die
Pensionsrückstellungen auf Verlangen auf die entsprechenden Konzern-Gesellschaften
zurückzuübertragen, falls die Beklagte nicht mehr mit mehr als 50 % direkt oder indirekt
an der Konzerngesellschaft beteiligt ist.
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Der Gesamtwert aller Pensionsverpflichtungen betrug laut Bilanz der Beklagten für das
Jahr 2002 667 Mio. EUR (nach HGB) bzw. 911 Mio. EUR (nach IAS).
12
Im Jahre 2001 waren hohe Verluste bei der H4 aufgetreten. Die Beklagte hatte im Jahre
2002 versucht, die H4 an einen anderen Versicherer zu veräußern. Voraussetzung war
nach Einschätzung der Beklagten und nach dem Verlangen des potentiellen Erwerbers,
dass die Pensionsverbindlichkeiten von der H4 getrennt würden. Aus diesem Grund
nahm die Beklagte zur Vorbereitung der Veräußerung der H4 eine Spaltung zur
Neugründung gem. §§ 135 ff, 123 ff UmwG vor. In der notariell beurkundeten
Ausgliederungserklärung/Ausgliederungsplan vom 29.08.2002 errichtete die Beklagte
die H6 GmbH (nachfolgend: H6), Köln, dessen einzige Gesellschafterin die Beklagte
war. Auf die errichtete GmbH übertrug die Beklagte sämtliche Pensionsverpflichtungen
aus dem Schuldbeitrittsvertrag vom 31.12.1976 gegenüber Mitarbeitern der H4 und
deren Tochtergesellschaften in Höhe eines Barwertes von 40.459.274,00 EUR per
31.12.2001. Parallel dazu übertrug die Beklagte auf die neu gegründeten GmbH neben
dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Barbetrag von 25.000,00 EUR
weiteres Barkapital in Höhe von 40.459.274,00 EUR. Laut Ausgliederungserklärung der
Beklagten sollen die eingebrachten Barwerte in Rückdeckungsversicherungen bei der
H2 werden. Die Rückdeckungsverträge sollen danach im Wege eines Rahmenvertrages
zwischen der neu gegründeten Gesellschaft und der H2 im Anschluss an die Eintragung
der neuen Gesellschaft ins Handelsregister geschlossen werden. Der Entwurf des
Rahmenvertrages war der Ausgliederungserklärung als Anlage beigefügt. Ferner sollten
laut der Ausgliederungserklärung zugunsten der jeweiligen H4-Mitarbeiter und
zugunsten der Beklagten gleichrangige Pfandrechte an den Forderungen aus den
Rückdeckungsversicherungen begründet werden. Der schriftliche Entwurf der
Pfandrechtsbestellung war dem Ausgliederungsplan als Anlage beigefügt. Zweck der
Pfandrechte der H4-Mitarbeiter soll laut der Ausgliederungserklärung die Besicherung
ihrer Ansprüche gegenüber der neugegründeten Gesellschaft sein. Die nach dem
Vertrag vorgesehenen Rückdeckungsversicherungen wurden bis heute nicht
abgeschlossen. Die Abspaltung wurde in das Handelsregister eingetragen und
entsprechend veröffentlicht.
13
In der Folgezeit scheiterte der beabsichtigte Verkauf der H4. Daraufhin wurde die H4 zu
Beginn des Jahres 2003 an ein früheres Vorstandsmitglied des H-Konzerns zur
Abwicklung veräußert.
14
Mit notarieller Urkunde vom 25.08.2003 vereinbarten die Beklagte und die H6 die (Rück-
)Verschmelzung beider Gesellschaften gem. § 2 Nr. 1 UmwG. Danach übertrug die H6
ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte per
31.12.2002. Infolgedessen sind von der H6, die zwischenzeitlich keinerlei
Geschäftstätigkeit entfaltet hatte, sämtliche Pensionsverpflichtungen sowie
44.504.062,42 EUR Barmittel an die Beklagte zurück übertragen worden. Die
erforderlichen Eintragungen ins Handelsregister erfolgen am 24.09.2003.
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Die wirtschaftliche Situation des H-Konzern bzw. der Beklagten war im Jahre 2002
aufgrund der hohen Verluste der H4 angespannt. Laut Geschäftsbericht der Beklagten
hat der H-Konzern in der Konzern-Bilanz zum 31.12.2002 ein Jahresfehlbetrag von
739,4 Mio. EUR ausgewiesen. Die Kapitalanlagen des Konzerns sind in 2002 um
2.213,6 Mio. EUR auf 28.931,1 Mio. EUR verringert worden. Das Eigenkapital im
Konzern ging von 2.038,04 Mio. EUR zum 31.12.2002 auf 334,4 Mio. EUR zurück. Im
Einzelabschluss der Beklagten war per 31.12.2002 ein Jahresfehlbetrag von 313,93
Mio. EUR ausgewiesen. Die Dividendenerträge haben sich von 18,6 Mio. EUR in 2001
auf 4,2 Mio. EUR in 2002 verringert. Die Erträge aus Ergebnisabführungsverträgen
gingen von 44,2 Mio. EUR in 2001 auf 18,5 Mio. EUR in 2002 zurück. Das
Bankguthaben der Beklagten betrug zum 31.12.2002 43.602.000,00 EUR. Die
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten betrugen 234.531.000,00 EUR. Das
Eigenkapital wurde in 2002 nominell um 8,8 Mio. EUR auf 135 Mio. EUR erhöht.
16
Die E, die an der Beklagten mit 34,5 % beteiligt war, leistete im Jahre 2002 zur
Sanierung der Beklagten einen Betrag von 700 Mio. EUR. Im ersten Quartal 2003
schrieb die E ihre Beteiligung an der Beklagten vollständig ab. Im Mai 2003 übertrug sie
ihren Anteil ohne Entgelt auf Dr. H und Dr. U. Ebenfalls im Jahre 2003 veräußerte die
H5 ihre Beteiligung an der Beklagten an eine ausländische Gesellschaft ohne
Kaufpreis. Die Beklagte hat zwischenzeitlich ihre Beteiligung an dem Kreditversicherer
H3 für ca. 180 Mio. EUR veräußert. Ferner veräußerte die Beklagte 16 % ihrer Aktien an
dem Sachversicherer H1 für 70 Mio. EUR. Das sogenannte Rating der H2 sowie der H1
verbesserte sich Mitte 2003 auf "BBB".
17
Zu Beginn des Jahres 2003 hatte die Beklagte für ihren Vorstand und für ihre Mitarbeiter
zur Absicherung ihrer Pensionsansprüche eine Rückdeckungsversicherung ei der H2
abgeschlossen, wofür ca. 14 Mio. EUR aufgewandt wurden.
18
Mit Schreiben vom 14.04.2003 meldete der Kläger bei der Beklagten Ansprüche auf
Sicherstellung seiner Provisionsansprüche nach § 22 UmwG an. Die Beklagte lehnte
mit Schreiben vom 22.04.2003 ab.
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Der Kläger ist der Meinung, dass seine Pensionsansprüche, soweit sie nicht durch den
Pensionssicherungsverein gedeckt sind, infolge der Aufspaltung im Jahre 2002 bzw. der
Verschmelzung im Jahre 2003 konkret gefährdet seien. Die Gefährdung der
Pensionsansprüche ergebe sich in erster Linie daraus, dass der Beklagten die nach der
Bilanz 2002 restlich verbliebene Liquidität in Höhe von 43 Mio. EUR verloren gegangen
sei. Die Beklagte werde nach der Rückverschmelzung vom 25.08.2003 mit
Sicherungsansprüchen der H4-Pensionsgläubiger belastet, da deren Ansprüche durch
20
die Verschmelzung und die infolgedessen übertragenen Barmittel an die Beklagte
gefährdet seien. Im übrigen sei die Beklagte aufgrund des Ausgliederungsplans vom
29.08.2002 verpflichtet, für die Pensionsgläubiger der H4 Rückdeckungsversicherungen
abzuschließen und den Gläubigern entsprechende Pfandrechte zu bestellen. Dafür
müsse die Beklagte Prämien in Höhe einer Einmalzahlung von 52 Mio. EUR aufbringen.
Über diese Barmittel verfüge die Beklagte nicht. Fremdmittel erhalte die Beklagte nur
noch gegen entsprechende Sicherheiten, die nicht mehr vorhanden seien. Von den
noch vorhandenen werthaltigen Gesellschaften der Beklagten, die H1 und H2, könne
die Beklagte in den nächsten Jahren nichts erwarten. Die Veräußerung dieser
Beteiligungsgesellschaften sei bereits im Jahre 2002 gescheitert. Im übrigen liege der
Wert der vorgenannten Gesellschaften inzwischen ca. 900 Mio. EUR unterhalb der
Buchwerte. Insgesamt verfüge die Beklagte über keinerlei Werte, mit denen die
jährlichen Pensionslasten bzw. die Aufzinsung für die entsprechenden Anwartschaften
erwirtschaftet werden könnten.
Der Kläger beantragt,
21
die Beklagte zu verurteilen,
22
Sicherheit gemäß § 232 BGB für die Pensionsforderungen des Klägers gegen
die Beklagte in Höhe von monatlich 16.744,45 EUR sowie für zukünftige
Erhöhungen aufgrund der vereinbarten Dynamisierung mit einem kapitalisierten
Barwert von insgesamt 1.109.554,20 EUR abzüglich des durch den Q
gedeckten Teils des Anspruchs von monatlich 7.140 EUR mit einem
kapitalisierten Barwert von 438.682 EUR, somit für einen nicht gesicherten
Pensionsanspruch mit einem kapitalisierten Barwert von 670.872,20 EUR,
hiervon einen Teilbetrag von 602.820 EUR, zu leisten.
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Die Beklagte beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Die Beklagte bestreitet eine konkrete Gefährdung der Pensionsansprüche des Klägers.
Nach der Rückverschmelzung im Jahre 2003 sei der status quo vor der Abspaltung im
Jahre 2002 herbeigeführt worden. Etwaige Sicherungsansprüche der H4-Gläubiger
seien zur Vermeidung von "Sicherungslawinen" nicht zu berücksichtigen. Ansprüche
der H4-Pensionsgläubiger auf Abschluss von Rückdeckungsversicherungen bzw.
Bestellung von Pfandrechten seien nicht begründet worden. Der Abspaltungsplan vom
29.08.2002 sei nicht als Vertrag zugunsten Dritter, sondern als reiner Organisationsakt
zu werten. Schließlich sei die Liquidität der Beklagten für die Sicherung der langfristigen
Pensionsansprüche des Klägers auch unerheblich, da die zu deren Befriedigung
erforderlichen Erträge aus den Beteiligungen der Beklagten erwirtschaftet werden
könnten.
26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und auf die dazu eingereichten Anlagen
Bezug genommen.
27
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
28
Die Klage ist unbegründet.
29
Der Kläger kann von der Beklagten eine Sicherheit gem. § 22 UmwG nicht verlangen.
Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
30
Nach § 22 Abs. 1 UmwG ist den Gläubigern der an einer Verschmelzung beteiligten
Rechtsträger, die ihren Anspruch nach Grund und Höhe schriftlich binnen 6 Monate
nach Bekanntmachung anmelden, Sicherheit zu leisten, wenn sie glaubhaft machen,
dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. Nach § 22
Abs. 2 UmwG kann Sicherheit nicht verlangt werden, falls Gläubiger im Falle der
Insolvenz ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben,
die nach gesetzlichen Vorschriften zu ihrem Schutz errichtet worden und staatlich
überwacht ist. Auf die Spaltung zur Neugründung ist § 22 UmwG gem. § 135, § 125
UmwG entsprechend anwendbar. Grundsätzlich richtet sich der Anspruch nach § 22
Abs. 1 UmwG gegen den übernehmenden Rechtsträger. Nach § 133 Abs.1 Satz 2,
2.Halbsatz UmwG ist zur Sicherheitsleistung nur der an Spaltung beteiligte Rechtsträger
verpflichtet, gegen den sich der Anspruch richtet.
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§ 22 Abs. 1 UmwG sichert auch Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, die erst in
Zukunft fällig werden (vgl. Maier-Reimer, in Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rdnr. 46). Die
nach § 22 Abs. 1 UmwG erforderliche Gefährdung muss durch die Verschmelzung
verursacht worden sein. Erforderlich ist eine konkrete Gefährdung, die vom Gläubiger
glaubhaft zu machen ist. Die Gefährdung muss daher wahrscheinlich sein. Zwar ist nicht
die Gewissheit des Forderungsausfalls gefordert, allerdings genügt eine bloße
Verschlechterung der relevanten betriebswirtschaftlichen Relation nicht. Die
Verschlechterung muss mindestens ein solches Ausmaß annehmen, dass das
Unternehmen Kredite mit Laufzeiten, die den Fälligkeitsfristen der betreffenden
Forderungen entsprechen, am Markt nicht mehr erhalten würde oder, im Fall noch
ausstehender Gegenleistung des Gläubigers, dass es einen entsprechenden Vertrag
ohne Sicherheitsleistung am Markt nicht mehr abschließen könnte. Das ist auf der
Grundlage der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des übernehmenden
Rechtsträgers zu beurteilen. Für die erst in ferner Zukunft fällig werdenden Ansprüche
ist die Ertragskraft erheblich bedeutsamer als die gegenwärtige Vermögenslage. War
die Forderung schon vor der Verschmelzung gefährdet, schließt dies den Anspruch auf
Sicherheit nicht aus, wenn sich die Gefährdung weiter erheblich verschärft hat (vgl.
Maier-Reimer in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rn. 20, 32 und 35 m.w.N.).
32
Vor diesem Hintergrund bestehen Sicherungsansprüche des Klägers nicht.
33
1.
34
Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die Pensionsansprüche des Klägers durch
die Aufspaltung im Jahre 2002 gefährdet waren. Der von dem Kläger insoweit geltend
gemachte Liquiditätsabfluss von der Beklagten auf die H6 in Höhe von 40 Mio. EUR ist
durch die Verschmelzung vom 25.08.2003 rückgängig gemacht worden, d.h. die
Beklagte hat die Liquidität zurückgewonnen. Daher behauptet auch der Kläger
inzwischen nicht mehr, dass seine Ansprüche durch die Abspaltung zur Neugründung
im Jahre 2002 noch gefährdet seien.
35
2.
36
Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Ansprüche durch die
37
Verschmelzung vom 25.08.2003 konkret gefährdet sind.
a.
38
Eine Gefährdung seiner Ansprüche aufgrund von Sicherungsansprüchen der
Pensionsgläubiger der H4 bzw. H6 nach § 22 UmwG ist nicht zu befürchten.
39
Im Rahmen von § 22 UmwG können Sicherungsansprüche anderer Gläubiger
grundsätzlich nicht als Gefährdungsgrund anerkannt werden, da ansonsten eine
Sicherungslawine losgetreten und damit ein Schaden verursacht werden könnte, der
gerade vermieden werden soll (Maier-Reimer in: Semler/Stengel, UmwG, § 22 Rdnr.
31).
40
Die konkrete Gefährdung von § 22 UmwG muss unmittelbar aus der Verschmelzung
bzw. der umwandlungsrechtlichen Maßnahme folgen und nicht mittelbar aus
umwandlungsrechtlichen Vorschriften (Maier-Reimer, a.a.O.). Die Berücksichtigung von
Sicherungsansprüchen anderer Gläubiger könnte zu unhaltbaren Ergebnissen und zur
direkten Insolvenz des Unternehmens führen. Das wird deutlich in diesem Fall, wenn
Sicherungsansprüche hinsichtlich nicht gesicherter Forderungen von ca. 4 Mio. EUR
(Gläubiger der H4) möglicherweise Sicherungsansprüche hinsichtlich Forderungen über
667 bzw. 911 Mio. EUR (Gläubiger der Beklagten) nach sich ziehen könnten.
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Unabhängig davon ist äußerst fraglich, ob bei einer sachlich und zeitlich
zusammenhängenden Aufspaltung und Rückverschmelzung wie hier
Sicherungsansprüche der Gläubiger der rückübertragenden Gesellschaft begründet
werden können. Denn im Ergebnis sind die Gläubiger der H4 wie auch die Gläubiger
der Beklagten nach der Rückverschmelzung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht so
gestellt, wie sie vor der Aufspaltung standen. Die Sicht des Klägers, die Folgen der von
der Beklagten vorgenommenen Unternehmensstrukturmaßnahmen isoliert zu
betrachten, ist zwar formal richtig, doch kann sie bei der gebotenen ganzheitlichen
Betrachtungsweise kaum rechtfertigt werden.
42
Abgesehen davon sind die Ansprüche der H6-Gläubiger durch die Rückverschmelzung
vom 25.08.2003 auch nicht gefährdet worden. Richtig ist zwar, dass das Barkapital von
44 Mio. EUR von der H6 auf die Beklagte zurückübertragen wurde, und damit die
vorgenannten Barmittel nicht mehr ausschließlich zur Befriedigung der Ansprüche der
H6-Gläubiger zur Verfügung stehen, sondern sämtlichen Gläubigern der Beklagten.
Allerdings war die Lage vor der Rückverschmelzung nicht anders. Denn aufgrund der
Aufspaltung war das Vermögen der H6 dem Zugriff der Beklagten bzw. der Gläubiger
der Beklagten ausgesetzt. Die Beklagte war alleinige Gesellschafterin der H6. Ferner
haftete die H6 den Gläubigern der Beklagten für sämtliche Verbindlichkeiten der
Beklagten nach § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG als Gesamtschuldner, worauf der Kläger
wiederholt zutreffend hingewiesen hat. Mit der Rückverschmelzung hat sich im Ergebnis
keine Änderung ergeben, d. h. die Vermögensmasse der H6 war vorher wie nachher
dem Zugriff der Beklagten bzw. der Gläubiger der Beklagten ausgesetzt.
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Hinzu kommt ferner, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich in
einem Fall Sicherungsansprüche von Gläubigern der H6 geltend gemacht worden sind.
Selbst wenn in diesem einen Fall Ansprüche in einer mit dieser Klage vergleichbaren
Größenordnung geltend gemacht worden sind, kann eine konkrete Gefährdung der
Ansprüche des Klägers ausgeschlossen werden. Trotz aller Schwierigkeiten der
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Beklagten dürfte es für sie kein Problem sein, Sicherungsansprüche eines H6-
Gläubigers unterhalb von 1 Mio. EUR zu sichern, nachdem unstreitig ein Betrag von ca.
44 Mio. EUR an die Beklagte zurückgeflossen ist. Nicht maßgebend kann sein, welche
Ansprüche H6-Pensionsgläubiger potentiell gegenüber der Beklagten durchsetzen
könnten, zumal nach der Darstellung der Beklagten maximal ungesicherte Ansprüche in
Höhe von 4,163 Mio. EUR vorhanden wären - der insoweit darlegungspflichtige Kläger
hat keine höheren Ansprüche behauptet.
b)
45
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann im Ergebnis dahin gestellt bleiben, ob die
Beklagte als Rechtsnachfolgerin der H6 verpflichtet ist, für die Gläubiger der H4 bzw. H6
zur Absicherung ihrer Pensionsforderungen Rückdeckungsversicherungen bzw.
Pfandrechte zu begründen mit der Folge, dass bei der Beklagten liquide Mittel in Höhe
von 52 Mio. EUR abfließen würden. Sollte die Auffassung des Klägers zutreffen, dass
der Aufspaltungsplan vom 29.08.2002 hinsichtlich der Pensionsgläubiger der H4 als
Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB zu werten wäre mit der Folge, dass die
Beklagte Rückdeckungsversicherungen hinsichtlich dieser Forderungen abschließen
und den Gläubigern der H4 entsprechende Pfandrechte einräumen müsste, wären
ohnehin Sicherungsansprüche der Gläubiger der H4 nach § 22 UmwG mangels
Gefährdung ihrer Ansprüche ausgeschlossen. Denn durch entsprechende Pfandrechte
wären die Gläubiger der H4 gesichert mit der Folge, dass eine Gefährdung ihrer
Ansprüche nicht angenommen werden könnte. Dann wäre aber erst recht eine
Gefährdung der Ansprüche des Klägers auszuschließen. Die dann für den Abschluss
von Rückdeckungsversicherungen und die Einräumung entsprechender Pfandrechte
bei der Beklagten abfließenden Barmittel von ca.
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52 Mio. EUR würden aber nicht zu einer Gefährdung der Ansprüche des Klägers führen.
Richtig ist zwar, dass in diesem Fall mehr als die gesamte Liquidität der Beklagten, die
in der Bilanz 2002 ausgewiesen ist, verloren ginge, doch ist diese Tatsache aus
rechtlichen sowie tatsächlichen Gründen unerheblich.
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Der Liquiditätsabfluss in Höhe von ca. 52 Mio. EUR wäre in rechtlicher Hinsicht
unerheblich, weil dieser Liquiditätsabfluss bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten
der Beklagten ebenfalls eingetreten wäre. Der Beklagten ist darin zu folgen, dass auch
im Falle einer Veräußerung des Rückversicherers ohne Abspaltung Barmittel in
vorgenannter Höhe abgeflossen wären. Unstreitig ist die Beklagte nach dem Vertrag
vom 31.12.1976 verpflichtet, im Falle der Veräußerung einer Konzerngesellschaft die
von ihr an die Beklagte geleisteten Pensionsrückstellungen auf Verlangen
zurückzuübertragen. Hätte die Beklagte die H4 an Dritte verkauft, hätte die Beklagte
Barmittel in streitiger Höhe an die veräußerte Konzerngesellschaft zurückübertragen
müssen. Zwar hinge die Verpflichtung der Beklagten zur Rückübertragung von einem
Verlangen" der Konzerngesellschaft ab, doch handelt es sich dabei aus Sicht der
Kammer eher um eine Floskel, da im Falle der Veräußerung einer Konzerngesellschaft
an Dritte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Rückübertragung der
Pensionsrückstellungen aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen - die Haftung der
Konzerngesellschaft für Pensionsverpflichtungen bestünde fort - verlangt werden würde.
Der Kläger kann gegen die Berücksichtigung dieses rechtmäßigen Alternativverhaltens
nicht einwenden, tatsächlich habe eine Veräußerung an Dritte nicht stattgefunden und
tatsächlich habe die Beklagte den Weg der Aufspaltung zur Neugründung gewählt. Bei
der Berücksichtigung rechtsmäßigen Alternativverhaltens kommt es gerade nicht darauf
48
an, dass tatsächlich, etwa aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen, ein anderer
Weg gewählt wurde, sondern es ist entscheidend, dass die Beklagte die Möglichkeit
hatte, den Verkauf der Rückversicherung ohne Aufspaltung durchzuführen mit der
Folge, dass Sicherungsansprüche des Klägers nach § 22 UmwG von vorneherein
ausgeschlossen wären. Ein rechtmäßiges Alternativverhalten ist auch im Rahmen von §
22 UmwG zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck von § 22 UmwG. Die
Vorschrift soll die Gläubiger vor umwandlungsrechtlichen Nachteilen infolge von
Vermögensverschiebungen schützen, auf die sie keinen Einfluss haben (vgl. Grunewald
in: Lutter, Umwandlungsgesetz, § 22 Rn. 3). Falls aber eine umwandlungsrechtliche
Maßnahme auch auf eine andere rechtmäßige Weise hätte erfolgen können, mit der
Konsequenz, dass keine Sicherungsansprüche begründet worden wären, wird der
spezifische Schutzzweck der Norm nicht tangiert. Auch in der Rechtsprechung wird im
Bereich des Schadensrechts das rechtmäßige Alternativverhalten grundsätzlich
berücksichtigt. Einschränkungen werden nur insoweit vorgenommen, als sich dies aus
dem Schutzzweck der verletzten Norm ergibt (vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, 62
Auflage, Vorbemerkung zu § 249, Rdnr. 105 ff m.w.N.).
Beachtlich ist ferner, dass bei einer etwaigen Belastung der Beklagten in Höhe von 52
Mio. EUR infolge des Abschlusses von Rückdeckungsversicherungen jedenfalls
bilanziell eine Verminderung entsprechender Pensionsrückstellungen in gleicher Höhe
eintritt. Damit ist in vermögensrechtlicher Hinsicht ein Ausgleich vorhanden, sodass
allenfalls das Liquiditätsproblem bliebe.
49
Im übrigen spricht gegen die Argumentation des Klägers, die Beklagte sei mit
Ansprüchen der Pensionsgläubiger der H4 auf Abschluss von
Rückdeckungsversicherungen im Werte von 52 Mio. EUR belastet, dass bisher solche
Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind und jedenfalls derzeit eine konkrete
Gefährdung der Ansprüche des Klägers aus diesem Grund fraglich ist.
50
Abgesehen davon wären die Ansprüche des Klägers nach seiner Darstellung schon
unabhängig davon gefährdet, ob bei der Beklagten Barmittel in Höhe von 52 Mio. EUR
aufgrund der Umwandlungsmaßnahmen abfließen würden. Denn nach seinem Vortrag
ist die Insolvenz der Beklagten nur noch eine Frage der Zeit. Der Kläger hat
vorgetragen, die Beklagte verfüge kaum über liquide Mittel, könne sich nicht mehr
fremdfinanzieren und sei außer Stande, Beteiligungen zu veräußern. Ferner habe die
Beklagte einen erheblichen bilanziellen Bereinigungsbedarf, da die noch vorhandenen
Beteiligungen bei der Beklagten erheblich an Wert verloren hätten. Wenn demnach die
Insolvenz der Beklagten aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation
unabhängig von den umwandlungsrechtlichen Maßnahmen und einem etwaigen
Liquiditätsabschluss in Höhe von 52 Mio. EUR unausweichlich ist, so wären Ansprüche
des Klägers jedenfalls nicht aufgrund der Aufspaltung bzw. Rückverschmelzung
gefährdet. Es bliebe dann lediglich die Gefahr, wie der Kläger wiederholt behauptet hat,
dass sich aufgrund des Liquiditätsabschlusses von 52 Mio. EUR hinsichtlich der
Pensionsforderungen der H4-Gläubiger seine Quote im Falle der Insolvenz
verschlechtern würde. Insofern ist aber der Beklagten zuzustimmen, dass der Kläger im
Falle der Insolvenz auch auf die streitigen 52 Mio. EUR kein Zugriff gehabt hätte, da
diese bei Insolvenzanmeldung nicht mehr vorhanden wären.
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Schließlich ist dem Kläger auch entgegenzuhalten, dass er in tatsächlicher Hinsicht
nicht glaubhaft gemacht hat, dass seine Pensionsansprüche infolge eines etwaigen
Liquiditätsverlustes der Beklagten in Höhe von 52 Mio. EUR tatsächlich gefährdet
52
wären.
Denn die entscheidende Frage ist, ob die Beklagte ein Liquiditätsabfluss in Höhe von
52 Mio. EUR kompensieren könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte
noch über erheblichen Beteiligungsbesitz verfügt, der selbst nach Darstellung des
Klägers noch einen Wert von mindestens 700 Mio. EUR darstellt. Für die langfristige
Sicherung der Ansprüche des Klägers kommt es daher in erster Linie darauf an, ob die
Beklagte diesen kurzfristigen Liquiditätsabfluss von 52 Mio. EUR kompensieren könnte.
Für die Kammer ist es trotz der wiederholten entgegengesetzten Behauptung des
Klägers durchaus wahrscheinlich, dass die Beklagte einen Liquidationsabfluss in Höhe
von
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52 Mio. EUR notfalls durch Verkauf von Anteilen der Konzerngesellschaften
kompensieren könnte. Denn die Beklagte hat trotz der Krise im Jahre 2002 unstreitig
Barmittel in Höhe von ca. 40 Mio. EUR aufgebracht und auf die H6 übertragen. Ferner
hat sie nachfolgend durch den unstreitigen Verkauf des Kreditversicherers sowie von
Aktien des Sachversicherers in Höhe von 70 Mio. EUR gezeigt, dass sie trotz der Krise
ihren Beteiligungsbesitz veräußern kann. Nicht entscheidend kann in diesem
Zusammenhang sein, ob die Beklagte mit ihrem Beteiligungsbesitz sämtliche
Pensionsansprüche auf Dauer sichern bzw. die entsprechenden Erträge zur
Befriedigung der Ansprüche erwirtschaften könnte. Denn diese Frage hängt mit der
angespannten finanziellen Situation der Beklagten zusammen und ist unabhängig von
einem infolge der Abspaltung bzw. Rückverschmelzung entstandenen Liquiditätsbedarf
in Höhe von 52 Mio. EUR.
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Abschließend lässt sich daher feststellen, dass der Kläger im Ergebnis nicht schlechter
steht als vor den Umwandlungsmaßnahmen und dass eine mögliche Gefährdung der
Ansprüche des Klägers nicht auf umwandlungsrechtliche Maßnahmen zurückzuführen
ist, sondern allenfalls auf eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten seit
dem Jahre 2001. Daher ist Klage abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
56
Streitwert: 602.820,00 EUR.
57
Zur Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses der Kammer vom 09.12.2003
Bezug genommen.
58