Urteil des LG Köln vom 02.12.2004
LG Köln: künstler, wiederbeschaffungswert, anhänger, kunstmarkt, gutachter, auktion, entschädigung, werken, ausführung, professor
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 24 O 435/00
02.12.2004
Landgericht Köln
24. Zivilkammer
Urteil
24 O 435/00
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.812,11 € (5.500,- DM) nebst
Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 2.11.1999 und in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.8.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 87 %, die Beklagte zu
13 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
Der Kläger ist bei der Beklagten hausratversichert; dem Versicherungsvertrag liegen die
VHB 92 zu Grunde. Mit seiner Klage nimmt er die Beklagte auf restliche
Versicherungsleistung wegen eines Einbruchs in seine Wohnung in der I-Straße in ####1
C3 am 16.10.1999 in Anspruch. Bei dem Einbruch wurden u.a. vier Originalbilder des
Künstlers E3 aus dem Zyklus "Die Reise zum Regenbogen", ein Herrenring, Platin 950/00
besetzt mit einem Brillanten und eine Kette Weißgold 585/00 nebst einem Anhänger mit
dem aufgesetzten Buchstaben "G" entwendet. Die entwendeten Bildern hatte der Kläger im
Frühjahr 1984 erworben.
Nach dem Einbruch erstellte der Juwelier I eine Bescheinigung vom 27.10.1999. Hiernach
wird für den Ring besetzt mit einem Brillianten "ca. 0,80 ct. Feines Weiß, lupenrein" ein
Wiederbeschaffungswert von ca. DM 13.500,- angenommen. Für die Kette wurde ein Wert
von ca. 800,- DM und für den "Anhänger Weissgold 585/" mit aufgesetztem Buchstaben ein
Wert von ca. 1.200,- DM ermittelt.
Der Kläger machte seine Ansprüche am 01.11.1999 gegenüber der Beklagten geltend.
Diese regulierte nach Begutachtung des Schadens durch den Sachverständigen L nur
einen Teil des vom Kläger geltend gemachten Betrags. Sie zahlte für die Bilder einen
Betrag von 20.000,- DM, für den Ring 7.500,- DM und für die Kette 1.500,- DM. Hinsichtlich
des Brillanten des Herrenrings hatte der Sachverständige L in seinem Gutachten eine
mittlere Qualitätsstufe "w/si" (= white/small inclusions) zu Grunde gelegt. Er stellte fest,
dass seit vielen Jahren keine bzw. kaum Verkäufe von Werken des Künstlers E3 zu
verzeichnen seien. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.08.2000 eine weitere
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Regulierung ab.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte hinsichtlich der Differenz der von ihm
behaupteten und der von der Beklagten bereits regulierten Wiederbeschaffungswerte der
Bilder, des Herrenrings und der Kette in Anspruch.
Er behauptet, er habe die Gemälde zu einem Kaufpreis von insgesamt 57.200,- DM
erworben. Er ist der Ansicht, als Wiederbeschaffungswert sei mindestens der
Anschaffungspreis in Ansatz zu bringen, so dass die Beklagte noch 37.200,- DM für die
Bilder an ihn leisten müsse. Hinsichtlich der Bewertung der Bilder sei deren
Marktgängigkeit nicht maßgebliches Kriterium, da es sich bei ihnen nicht um Konsumgüter
handele.
Zum Wert des Schmucks behauptet der Kläger unter Berufung auf die Angaben des
Juwelier I vom 27.10.1999, der Ring habe einen Wiederbeschaffungswert von 13.500,- DM,
die Kette einen Wert von 2.000,- DM, so dass noch 6.000,- DM bzw. 500,- DM, mithin
6.500,- DM für den Schmuck zu entschädigen seien. Sein Lebensgefährte des Klägers, der
Zeuge C2, habe nach dem Einbruch die entwendeten Schmuckstücke anhand anderer
ähnlicher Schmuckstücke bei dem Juwelier I schätzen lassen. Insgesamt sei damit noch
der klageweise geltend gemachte Betrag von 43.700,- DM offen.
Der Kläger hat sich zunächst hinsichtlich der Wertangaben des Schmuckes lediglich auf
das Gutachten des Juwelier I vom 27.10.1999 bezogen. Mit Schriftsatz vom 15.7.2003
behauptet der Kläger erstmals, der Brilliant des Herrenringes habe die Qualität
"Topwesselton", lupenrein, 1 Karat mit bester Steinqualität ohne Einschlüsse gehabt.
Ebenfalls hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 15.7.2003 behauptet, dass der
Anhänger der Kette aus Platin gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 43.700,- DM (= 22.343,46 €) nebst 6 % Zinsen
hieraus seit dem 01.11.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Bilder des Herrn E3 seien heute allenfalls jeweils 2.500,-
DM wert, selbst wenn man auf einen abstrakten "Liebhaberpreis" abstelle, so dass sie
durch Regulierung eines Betrags von 20.000,- DM für alle vier Bilder sogar eine
Überzahlung erbracht habe. Maßgeblich sei die Marktgängigkeit der Werke.
Auch hinsichtlich des Schmucks sei angemessen reguliert worden. Die vom Kläger
vorgelegte Bestätigung des Juweliers I sei nicht aussagekräftig, da die Bewertung allenfalls
anhand ähnlicher Schmuckstücke erfolgt sei und wesentlich auf Angaben des
Lebensgefährten des Klägers, des Zeugen C2, beruhe. Sie bestreitet schließlich die Höhe
des geltend gemachten Verzugsschadens.
Das Gericht hat über den Wiederbeschaffungswert der Bilder und des Schmucks Beweis
erhoben nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 31.05.2001, GA Bl. 54 ff., vom
06.09.2001, GA Bl. 88, sowie 04.01.2002, GA Bl. 112 ff., durch Einholung von
Sachverständigengutachten. Zudem hat es Beweis zur Frage der Eigenschaften des
entwendeten Schmucks durch Vernehmung des Zeugen C2 erhoben. Wegen des
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Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. B vom
10.11.2001, Bl. 100f. GA, des Sachverständigen Prof. I vom 09.07.2002 und 20.12.2002,
GA Bl. 149 ff. und 172 ff., sowie des Sachverständigen C3 vom 09.05.2003, GA Bl. 192 ff.,
und auf die Sitzungsniederschrift vom 18.09.2003, GA Bl. 239 ff., verwiesen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8.9.2003 und 10.10.2003 beantragt, den
Sachverständigen I wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das
Oberlandesgericht hat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 10.2.2004 die sofortige
Beschwerde gegen den Antrag zurückweisenden Beschluss des Landgerichts
zurückgewiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf das schriftsätzliche Vorbringen der
Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten auf Grund des abgeschlossenen
Hausratsversicherungsvertrages über den außergerichtlich gezahlten Betrag hinaus
lediglich noch ein Anspruch in Höhe von 5.500,- DM (=2.812,11 €) als Entschädigung für
den entwendeten Herrenring zu, §§ 1, 49 VVG; weitergehende Entschädigungsansprüche
bestehen nicht.
1.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass
dem Kläger hinsichtlich des Herrenringes noch eine restliche Entschädigung in Höhe von
2.812,11 € (=5.500,- DM) für den Herrenring zusteht.
Das Gericht folgt dabei den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen im
Gutachten C3 vom 09.05.2002, wonach bei Zugrundelegung einer mittleren Steinqualität
(weiss, vs bis si, d.h. sehr kleine bis kleine Einschlüsse) ein Wiederbeschaffungswert von
6.630,- € (=13.000,- DM) anzusetzen ist. Aus der Differenz zum Betrag, den der Kläger
bisher erhalten hat (7.500,- DM), ergibt sich sodann der zugesprochene Restbetrag in Höhe
von 5.500,- DM bzw. 2.812,11 €.
Die vom Kläger behauptete Qualität des Brillianten von 1 Karat bzw. der Qualitätsstufe
"Topwesselton" (tw/if") lupenrein mit bester Steinqualität hat dieser dagegen nicht
beweisen können.
Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge C2 insoweit angegeben, die Größe des Steins habe,
so der Juwelier I, ungefähr 1 Karat betragen; es kann sich deshalb genauso gut um einen
Brillanten von 0,80 oder weniger Karat gehandelt haben. Hinsichtlich der Steinqualität soll
der Juwelier bekundet haben, so der Zeuge C2, diese sei "lupenrein und von bester
Qualität". Zum Nachweis dafür, dass es sich tatsächlich um den Reinheitsgrad "lupenrein"
bzw. den Farbgrad "top wesselton" handelt, existieren indes lediglich die Angaben des
Zeugen C2 gegenüber dem Juwelier I. Auch ergibt sich nicht etwa aus der Bescheinigung
des Juwelier I vom 27.10.1999 mit hinreichender Sicherheit, dass der Brilliant auch nur die
Qualität von 0,80 ct gehabt hätte. Denn dieser hatte die dort aufgeführten Angaben lediglich
anhand der Angaben des Zeugen C2 sowie anhand eines eigenen Ringes des Zeugen C2
getätigt, der dem entwendeten Ring laut Aussage des Zeugen "im Wesentlichen"
entsprochen haben soll. Entspricht aber ein Ring einem anderen nur "im Wesentlichen",
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steht damit aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass beide Ringe auch
tatsächlich einen Brillianten in gleicher Steinqualität besaßen.
Hinzu kommt, dass der Zeuge C2 als Lebensgefährte des Klägers, der die entwendeten
Schmuckstücke vermutlich als Geschenke für diesen anfertigen ließ, ein nicht
unerhebliches Eigeninteresse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hat. In diesem
Zusammenhang verwundert es auch, dass von Klägerseite erst nach mehr als dreijähriger
Verfahrensdauer erstmals behauptet wurde, dass die Qualitätsstufe des Steines 1 Karat
betrage, nachdem das von Gerichtsseite eingeholte Gutachten Werte festgestellt hatte, die
nicht den Vorstellungen des Klägers entsprachen. Auch soll der Zeuge C2 wohl unmittelbar
nach dem streitgegenständlichen Einbruchsdiebstahl, so der Sachverständige L der
Beklagten, nicht in der Lage gewesen sein, ausreichende Angaben zu den wesentlichen
wertbildenden Faktoren machen, so dass der Sachverständige hinsichtlich des Rings eine
mittlere Steinqualität zu Grunde legte.
An der gerichtlichen Bewertung zugrundegelegten mittleren Steinqualität von "w/si"
(=white, small inclusions) muss sich die Beklagte festhalten lassen, die anhand des
Gutachtens L reguliert hatte. Dass der Stein gegebenenfalls leicht höherwertig war,
berücksichtigt die Kammer dadurch, daß die Angaben des Gutachters für einen Stein des
Reinheitsgrads "vsi" ebenfalls gelten sollen.
2.
Hinsichtlich der entwendeten Kette kann der Kläger von der Beklagten keine
Entschädigungsleistung mehr verlangen. Der Sachverständige C3 hat in seinem Gutachten
den Wert der Kette bei einfacher Ausführung mit einem normalen Anhänger auf 500,- DM
bis 600,- DM veranschlagt; die Beklagte hat jedoch vorprozessual schon 1.500,- DM an den
Kläger geleistet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nach Auffassung der
Kammer nicht bewiesen, daß es sich um einen Anhänger aus Platin gehandelt hat. Auch
insoweit erscheint fragwürdig, wieso der Kläger erst nach mehr als dreijähriger
Verfahrensdauer im Schriftsatz vom 15.7.2003 erstmals vorträgt, dass der Anhänger der
Kette – entgegen der zunächst stets in Bezug genommenen Bescheinigung des Juweliers I
– nicht aus Weißgold, sondern aus Platin gewesen sein soll. Hinzu kommt, dass der Zeuge
C2 bei seiner Vernehmung bekundete, dass es zu der Kette ein Gegenstück gegeben
habe, das sich von der entwendeten Kette nur dadurch unterschieden habe, dass bei ihm
der Buchstabe "A" aufgesetzt worden sei. Ausdrücklich vermochte er hier zu bestätigen,
dass Material und Ausführung ansonsten identisch gewesen sei. Diese Kette habe er dem
Juwelier I zur Begutachtung vorgelegt. Dieser aber hatte in seiner Bescheinigung vom
27.10.1999 ausdrücklich von einem Anhänger "Weissgold 585" gesprochen.
3.
Auch hinsichtlich der entwendeten Bilder kann der Kläger über den bereits regulierten
Betrag von 20.000,- DM hinaus von der Beklagten keine Entschädigungsleistung mehr
verlangen. Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des
Sachverständigen Professor I, der einen Wiederbeschaffungswert der Bilder von insgesamt
16.000,- DM bis 18.000,- DM für alle vier Werke ermittelt hat.
Der Wiederbeschaffungpreis ist der Wert, den ein Versicherungsnehmer aufwenden muss,
um Sachen gleicher Art und Güte zu beschaffen; welchen Betrag der Versicherungsnehmer
in der Vergangenheit für die Sache selbst bezahlt hat, ist gleichgültig (Prölss/Martin - § 86
VVG Rn. 3; OLG Celle, JR 1936, 299). Maßgeblich ist dabei nach § 18 Ziff. 1. a) VHB 92
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der Versicherungswert zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls.
Für die Ermittlung des Wertes eines Kunstwerks ist dabei – entgegen der Ansicht des
Klägers – zumindest auch entscheidend, ob der Künstler im Kunstmarkt nachweisbar ist
(sog. Marktpräsenz, so auch OLG Köln, Urteil vom 14.05.2002, Az. 9 U 133/00). Sobald ein
Künstler eines seiner Werke veräußert, muss er es sich – ebenso wie Liebhaber bzw.
Sammler seiner Werke - gefallen lassen, dass diese nicht anhand seiner eigenen
Einschätzung, sondern anhand objektiver Kriterien des Kunstmarktes bewertet werden.
Zum Mechanismus der Preisbildung auf dem Kunstmarkt hat der Gutachter glaubhaft
ausgeführt, der Auktionsmarkt funktioniere nahezu wie ein Großhandel, auch was die
Preisgestaltung betreffe; entsprechend muss der Kläger hinnehmen, dass bei geringer
Nachfrage nach den Werken eines Künstlers auch die für dessen Werke zu zahlenden
Preise entsprechend niedrig liegen.
Eine objektiv nachvollziehbare Preisbildung, die eine Bestimmung des
Wiederbeschaffungswerts ermöglicht, erfolgt dabei nur dann, wenn regelmäßige,
andauernde Verkaufserfolge vom Künstler zu benennen sind. Je renommierter die Orte der
Verkäufe, um so sicherer sind die Verkaufserfolge und um so höher sind die erzielten
Preise. Nichts anderes meint der Gutachter, wenn er in seinem Gutachten ausführt, der
Künstler E3 sei im "seriösen", d.h. öffentlich nachvollziehbaren Kunsthandel – nur die
Preise größerer Auktionshäuser würden in den entsprechenden Indizes gelistet - nicht
nachweisbar.
Nach den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters I
handelt es sich bei dem Künstler E3 um einen im Kunstmarkt so gut wie überhaupt nicht
nachweisbaren Maler, der eher im dekorativen und illustrativen Bereich tätig ist. Dies steht
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit hinreichender Sicherheit zur Überzeugung
der Kammer fest. Einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens oder der Einholung eines
neuen Gutachtens durch einen anderen Sachverständigen bedurfte es aus Sicht der
Kammer nicht. Denn das vorliegende Gutachten sowie die ergänzenden Stellungnahmen
des Gutachters I reichen zur Aufklärung des Sachverhaltes aus. Die Kammer hat keine
Zweifel daran, dass der Sachverständige als Professor für moderene Kunstgeschichte an
der Universtität zu Köln, als Kenner der Bewertungsfragen von moderner und
zeitgenössischer Kunst und als Sachverständigen für national wertvolles Kulturgut
hervorragende Sachkenntnis auch für die Bewertung der Bilder E2 hat. Dabei kann offen
bleiben, ob ein Bild Herrn E2 bei einer Auktion in C im Frühjar 1988 bei einer Schätzung
von DM 2.400,- ohne Resonanz blieb. Denn der Gutachter I stützt das Ergebnis seines
Gutachtens nicht ausschließlich oder wesentlich auf den Misserfolg bei der Berliner
Auktion. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass er anhand geeigneter Recherchemedien
ermittelt hat, dass für die Bilder des Malers E3 keine Verkaufsnachweise existieren. In
seinem Gutachten führt der Sachverständige aus, dass Arbeiten des Künstlers E3 in
größeren Auktionshäusern, in denen mit zeitgenössischer Kunst gehandelt wird, nicht
nachzuweisen seien. Er hat angegeben "sehr intensiv" nach Preisen für diesen Künstler
recherchiert zu haben. Auch im Artnet, in dem alle nachweisbaren Auktionsergebnisse der
Welt verzeichnet seien, habe er nichts über den Künstler finden können. In seinem
Ergänzungsgutachten führt der Sachverständige aus, dass er den Markt mittels aller
zugänglicher Indize untersucht habe. Nur "u.a." leite sich sein Ergebnis aus den
Ergebnissen in C her. Nach alledem ist nicht nur dem Gutachten, sondern auch dem
Ergänzungsgutachten zu entnehmen, dass der Sachverständige –unabhängig von den
Ergebnissen der Berliner Auktion – eine messbare Marktpräsenz des Künsterls E3 nicht
annimmt.
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Auch das von der Kammer zunächst eingeholte, aufgrund recht pauschaler Ausführungen
nicht als ausreichend erachtetes Gutachten der Sachverständigen Dr. B vom 10.11.2001,
stellt zur Ermittlung des Wertes von Kunstwerken primär auf die Marktpräsenz eines
Künstlers ab und führt aus, dass für den Künstler E3 nach diesem Kriterium ein
darstellbarer Marktwert letztlich nicht ermittelbar sei. Die Sachverständige belegt dieses
Ergebnis in ihrem Schreiben vom 19.1.2002 (Bl. 120 GA) damit, dass sie die
Auktionsergebnisse der letzten 20 Jahre anhand von PC und Fachbüchern ermittelt und
Anfragen bei Auktionshäusern und Gespräche mit Galeristen unternommen habe.
Schließlich war auch der von der Beklagten eingeschaltete Sachverständige L bereits zu
dem Ergebnis gekommen, dass entsprechende Notierungen für den Verkauf von Werken
von E3 seit vielen Jahren nicht mehr feststellbar seien, auch wenn die Kammer
berücksichtigt, dass es sich bei dem Sachverständigen L um einen von der Beklagten
eingeschalteten Privatgutachter handelt.
Mit den Ausführungen im Gutachten Dr. B mag es dabei in der Vergangenheit so gewesen
sein, dass Preise von 12.000,- DM bis 16.000,- DM für Werke des Künstlers gezahlt wurden
- entsprechende Anschaffungspreise behauptet ja auch der Kläger-, da, so die Beklagte,
dieser in bestimmten Szenekreisen in den sechziger und siebziger Jahren gehandelt
worden ist. Maßgeblich ist jedoch nach § 18 Ziff. 1. a) VHB 92 der Wert der versicherten
Gegenstände zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls; diesen hat der Gutachter I
nachvollziehbar auf 16.000,- bis 18.000,- DM für alle vier Werke veranschlagt.
Dass, so die Sachverständige Dr. B bzw. der Kläger, ein Galerieinhaber und Sammler aus
E Werke von Herrn E3 nicht unter 20.000,- DM verkaufe, kann hingegen für die
Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts der Bilder keine Rolle spielen. Wie die
Gutachterin selbst ausführt, plante der genannte Galerist, den 60. Geburtstag des Künstlers
E3 in seiner Galerie auszurichten, was auf eine über ein rein professionelles Verhältnis
hinausgehende Beziehung hindeutet. Deshalb mag es in der Tat so sein, daß der Galerist
unter dem genannten Preis Werke von Herrn E3 nicht veräußert. Damit ist noch nicht
erwiesen, dass solche Preise von Interessenten – abgesehen von vereinzelten Käufern aus
einem begrenzten Liebhaberkreis - auch gezahlt werden. Dies stimmt auch mit den
Feststellungen des Gutachters I überein, daß nach seinen Recherchen ansonsten auf dem
Kunstmarkt keine Verkäufe verzeichnet werden können.
Wenn ein bestimmter Preis einmal erzielt worden ist, muss dieser eben nicht – so die
unzulässige Schlußfolgerung der Gutachterin Dr. B – zwingend als
Wiederbeschaffungswert zu Grunde gelegt werden.
Die Ansicht des Klägers, nach der die untere Grenze des Wiederbeschaffungswerts der
Bilder deren Anschaffungspreis sei, ist unzutreffend. Im Einzelfall kann es zwar so sein und
ist es für deren Besitzer natürlich wünschenswert, daß Kunstwerke nach ihrem Erwerb eine
Wertsteigerung erfahren; dies ist jedoch nicht denknotwendig, sondern es kann ebenso gut
sein, daß der Wert der Kunstwerke – wie hier – fällt.
Sowohl die abstrakten Kriterien zur Wertermittlung als auch die konkrete Einordnung der
Werke des Herrn E3 durch den Sachverständigen sind für die Kammer überzeugend und
nachvollziehbar. Die Kammer teilt insoweit die Auffassung des Gutachters, dass der
Anspruch des Künstlers E3 – ebenso wie die Vorstellungen des Klägers - mit der Realität
des Marktes auseinanderklafft, so dass es bei der bereits an den Kläger ausgekehrten
Entschädigung - nach dem Sachverständigen I die oberste Grenze – verbleiben musste.
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Der Zinsanspruch folgt aus § 24 Nr. 2 VHB 92 und aus §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein
weitergehender Zinsanspruch in der geltend gemachten Höhe stand dem Kläger nicht zu.
Verzug trat erst nach der endgültigen Leistungsablehnung der Beklagten im Schreiben vom
9.8.2000 ein. Für den Zeitraum ab Schadensanzeige war der Entschädigungsanspruch
gemäß § 24 Nr. 2 VHB 92 mit 4 % zu verzinsen. Der spätere Verzugszins ergab sich aus §§
286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB n.F., weil der Entschädigungsanspruch erst nach Abschluss der
Erhebungen der Beklagten und damit nach dem 1.5.2000 fällig geworden ist (vgl. Palandt,
BGB, § 288 Rdn. 1).
5.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 22.343,46 € (43.700,- DM)