Urteil des LG Köln vom 06.08.2009
LG Köln (kläger, geltendmachung des anspruchs, mehrwertsteuer, angebot, uwg, verhältnis zu, internet, mitbewerber, folge, verbraucher)
Landgericht Köln, 31 O 33/09
Datum:
06.08.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 O 33/09
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren
an Verbraucher im Fernabsatz auf der Internethandelsplattform
„anonym1.de“ und/oder „anonym2.de“ Kirschkerne und Kirschkernkissen
anzubieten,
1. ohne rechtzeitig vor Vertragsschluss klar und verständlich auf das
Bestehen eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts sowie die
Bedingungen, Einzelheiten der Ausführung und die Rechtsfolgen des
Widerrufs oder der Rückgabe hinzuweisen
und/oder
2. ohne vor Einleiten des Bestellvorgangs anzugeben, ob und
gegebenenfalls in welcher Höhe Versandkosten für die angebotenen
Waren anfallen
und/oder
3. ohne anzugeben, ob der genannte Preis die Mehrwertsteuer enthält
und/oder
4. ohne das Handelsregister, in das sie eingetragen ist, und/oder die
Handelsregisternummer anzugeben.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/8 und die
Beklagte zu 7/8 zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention werden
dem Kläger zu 1/8 auferlegt. Eine weitergehende Kostenerstattung findet
nicht statt.
III. Das Urteil ist vorläufig voll¬streckbar, für den Kläger jedoch nur
III. Das Urteil ist vorläufig voll¬streckbar, für den Kläger jedoch nur
gegen Sicherheitsleistung. Die Sicherheitsleistung beträgt
- hinsichtlich Ziffer I.1., I.2. und I.3. jeweils 2.000,00 EUR
- hinsichtlich Ziffer I.4. 1.000,00 EUR
- hinsichtlich Ziffern II. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten und deren Streithelferin
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren
Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte und/oder deren Streithelferin
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der von ihnen zu
vollstreckenden Kosten leisten.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien vertreiben unter anderem über die von der Streithelferin der Beklagten
betriebene Handelsplattform "eBay" als gewerbliche Verkäufer Kirschkerne und
Kirschkernkissen. Dort haben sie jeweils eine Widerrufsbelehrung sowie Hinweise auf
den Anfall bestimmter Versandkosten, den Einschluss der Mehrwertsteuer sowie ihre
Anbieterkennzeichnung hinterlegt, welche bei Aufruf per Computer automatisch bei
jedem Angebot eingeblendet werden. Zusätzlich hält die Streithelferin der Beklagten ein
WAP-Portal vor, in das automatisch alle im Internet vorhandenen "eBay"- Angebote
eingestellt werden und von dort unter den Adressen "anonym1.de" und "anonym2. de"
über mobile Endgeräte abrufbar sind. Über den dort angezeigten Button "Sofort-Kaufen"
kann der Interessent den gewünschten Artikel unmittelbar per Handy erwerben.
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Ende Oktober 2008 setzte die Streithelferin der Beklagten eine neue WAP-Version mit
der Folge ein, dass im WAP-Portal Angaben zu Versandkosten und Mehrwertsteuer
ebenso wie Widerrufsbelehrung und die Anbieterkennzeichnung – sofern letztere nicht
gesondert in die Artikelbeschreibung eingefügt waren - nicht mehr angezeigt wurden.
Dementsprechend waren am 04.11.2008 bei Aufruf eines Angebots der Beklagten
betreffend ein Kirschkernkissen mit Kirschkernen per Handy weder Widerrufsbelehrung
noch Angaben zu Versandkosten, Mehrwertsteuer und handelsregisterlicher
Registrierung abrufbar. Stattdessen fand sich dort der Hinweis "Diese Seite stellt das
Angebot nicht vollständig dar. Um das Angebot mit allen Details zu sehen, gehen Sie
bitte zu www.anonym3.de um sich vollständig zu informieren bevor Sie ein Gebot
abgeben oder einen Artikel kaufen."
3
Nachdem der Kläger auf Fehler bei der Wiedergabe von "eBay"-Angeboten aufmerksam
geworden war, beendete er seine auf der dortigen Internetplattform eingestellten
Angebote. Ob dies vor oder wenige Tage nach der Umstellung der WAP-Version
geschah, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss mahnte der Kläger in Kenntnis
dessen, dass Widerrufsbelehrung, Anbieterkennzeichnung sowie Informationen zu
Versandkosten und Mehrwertsteuer über das "eBay"-WAP-Portal nicht mehr abrufbar
waren, am 05.11.2008 die Beklagte sowie daneben drei weitere Anbieter wegen
Fehlens jener Informationen ab.
4
In der Folgezeit überarbeitete die Streithelferin ihr WAP-Portal mit der Folge, dass die
vom Kläger als dort fehlend beanstandeten Angaben ab Ende Januar 2009 über mobile
Endgeräte wieder angezeigt wurden.
5
Der Kläger hält das Fehlen konkreter ergänzender Informationen bei den per Handy
abrufbaren "eBay"-Angeboten für wettbewerbswidrig.
6
Nachdem er seinen Unterlassungsbegehren zunächst auch auf das Fehlen der
Umsatzsteueridentifikationsnummer erstreckt hat, hat der Kläger seinen
diesbezüglichen Klageantrag vor Beginn der mündlichen Verhandlung
zurückgenommen. Er beantragt nunmehr,
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wie erkannt.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt ebenso wie ihre Streithelferin die Ansicht, die im Display des Handys
erscheinende Aufforderung zum Abruf des vollständigen Angebot über das Internet
genüge wegen der für den Verbraucher ersichtlichen begrenzten technischen
Kapazitäten den gesetzlichen Vorgaben. Abgesehen davon sei sie, so meint die
Beklagte, auf Grund ihrer Unkenntnis von der Umstellung des WAP-Portals und
mangels technischer Möglichkeiten, ihre "eBay"-Angebote auf die Internetplattform zu
beschränken, für einen etwaigen Wettbewerbsverstoß nicht verantwortlich. Zudem sei
angesichts des einmaligen, zwischenzeitlich behobenen Fehlers bei der – außerhalb
ihrer, der Beklagten, Sphäre liegenden - Systemumstellung im WAP-Portal der
Streithelferin nicht ernsthaft und greifbar zu besorgen.
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Im Übrigen halten die Beklagte und ihre Streithelferin das Vorgehen des Klägers für
rechtsmissbräuchlich. In diesem Zusammenhang behaupten sie, nach der Umstellung
des WAP-Portals seien zunächst auch noch Angebote des Klägers ohne
Widerrufsbelehrung, Anbieterkennzeichnung sowie Angaben zu Versandkosten und
Mehrwertsteuer per Handy abrufbar gewesen. Zudem habe der Kläger angesichts
seiner Kenntnis, dass die von ihm geforderten Informationen nicht auf Grund eines
Fehlverhaltens der Mitbewerber, sondern durch eine von diesen nicht beeinflussbare
Voreinstellung der Streithelferin nicht über das WAP-Portal abrufbar gewesen seien, mit
seinen mutmaßlichen Massenabmahnungen das sachfremde Ziel verfolgt, seine
Konkurrenten durch die vollständige Einstellung von Angeboten über die
Handelsplattform "eBay" zu schädigen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat in ihrem noch rechtshängigen Umfang Erfolg.
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1. Der Unterlassungsantrag ist zulässig. Dem Vorgehen des Klägers gegen die
Beklagte steht nicht der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung (§
8 Abs. 4 UWG) entgegen. Ein solcher Missbrauch ist anzunehmen, wenn der
Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend
sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen – etwa die
Schädigung des Gegners - verfolgt und diese Ziele als die eigentliche Triebfeder
und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Auflage, § 8 UWG Rn. 4.10; Bergmann in: Harte-
Bavendamm/Henning-Bodewig, 2. Auflage, § 8 UWG Rn. 313). Dafür bestehen
vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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Nachdem die Streithelferin der Beklagten das der Internetplattform "eBay" zugehörige
WAP-System umgestellt hatte, sah sich der Kläger bei der Präsentation seiner
Angebote im WAP-Portal den gleichen technischen Problemen wie die Beklagte und
andere Mitbewerber ausgesetzt. Im Hinblick darauf hat er, um sich nicht der Gefahr
wettbewerbsrechtlicher Angriffe auszusetzen, in der Folgezeit keine Angebote mehr
bei der Handelsplattform "eBay" eingestellt. Dann aber erscheint es nachvollziehbar,
dass der Kläger durch Abmahnungen und/oder gerichtliches Vorgehen gegen Dritte
dafür Sorge getragen hat, dass sich auch seine Mitbewerber den gesetzlichen
Vorgaben beugen und ebenso wie er verfahren.
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Eine vorrangige Schädigungsabsicht des Klägers kann auch nicht daraus abgeleitet
werden, dass dieser sich gegen eine Mehrzahl von Mitbewerbern gewandt hat. Dieser
Umstand lässt lediglich den Schluss zu, dass weitere Anbieter unzureichende
Informationen im WAP-Portal der Streithelferin der Beklagten vorgehalten haben.
Dass die Abmahnungen des Klägers außer Verhältnis zu dessen eigentlicher
Geschäftstätigkeit standen, ist nicht ersichtlich. Die insoweit darlegungs- und
beweisbelastete Beklagte (vgl. OLG Köln GRUR 1193, 571 - "Mißbrauch der
Antragsbefugnis"; Köhler a.a.O. Rn. 4.25) hat keine konkreten Tatsachen dafür
vorgebracht, dass der Kläger gegen mehr als vier Mitbewerber vorgegangen ist. In
diesem Zusammenhang hat dieser der Beklagten Gelegenheit gegeben, sich
vorgerichtlich ohne den Anfall von Abmahnkosten zu unterwerfen. Unter diesen
Umständen kann insbesondere im Verhältnis zur Beklagten nicht von einem
übermäßigen Kosteninteresse des Klägers ausgegangen werden.
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2. In der Sache ist das Unterlassungsbegehren des Klägers aus den §§ 8 Abs. 1 S.
1, 3, 4 Nr. 11 UWG, 312 c Abs. 1 S. 1 BGB, 1 Abs. 1 Nrn. 1, 7, 8, 10 BGB-InfoV, 1
Abs. 2 PAngV, 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG gerechtfertigt. Die durch die zuletzt genannten
Normen geforderten Angaben zum Widerrufs- oder Rückgaberecht, zum Anfall von
Versandkosten und Mehrwertsteuer sowie zur handelsregisterlichen Identifikation
der Beklagten stellen Marktverhaltensregelungen zum Schutz der Verbraucher im
Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. BGH GRUR 2008, 84, 86 – "Versandkosten";
Köhler a.a.O. § 4 UWG Rn. 11.170, 11.169).
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Derartige Angaben fehlten in dem über das "eBay"-WAP-Portal abrufbaren Angebot
der Beklagten aus November 2008. Der über das mobile Endgerät angezeigte
Verweis auf die Unvollständigkeit des Angebots und auf weitere Informationen im
Internet genügte nicht dem Klarheits- und Verständlichkeitsgebot des § 312 c Abs. 1
S. 1 BGB. Jenes Gebot verlangt zumindest einen hinreichend aussagekräftigen und
unmissverständlichen Hinweis, welche Informationen der Nutzer an welcher Stelle
unschwer auffinden kann (vgl. BGH GRUR 2008, 84, 87 – "Versandkosten"; NJW
2006, 211, 212). Der per Handy abrufbare Hinweis bezog sich indes auf erst über ein
anderes Kommunikationsmedium abrufbare Details des Angebots, ohne zusätzliche
Informationen wie Widerrufsbelehrung, Anbieterkennzeichnung, Mehrwertsteuer und
Versandkosten auch nur andeutungsweise zu erwähnen.
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Die Beklagte hat dafür einzustehen, dass die vorgenannten Informationen im
Zusammenhang mit ihrem im WAP-Portal eingestellten Angebot fehlten. Indem sie
den offerierten Artikel auf der Internetplattform "eBay" eingestellt hat, hat sie die
Weiterleitung des Angebots ins WAP-Portal erst ermöglicht. Dass die Beklagte vom
dortigen Fehlen der Zusatzinformationen vor Zugang der Abmahnung des Klägers
keine Kenntnis hatte, enthebt sie im Rahmen des geltend gemachten
Unterlassungsbegehrens nicht ihrer Verantwortlichkeit. Voraussetzung ist insoweit
lediglich ein objektiver Wettbewerbsverstoß, ohne dass der Verletzer schuldhaft
handeln muss. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte nach Zugang der
Abmahnung ihr – damals weiter laufendes – Angebot, gegebenenfalls unter
Zuhilfenahme ihrer Streithelferin, vorzeitig beendet hat.
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Ebenso wenig kann sich die Beklagte damit entlasten, sie sei zu einer
wettbewerbskonformen Präsentation ihres ins Internet eingestellten Angebot wegen
dessen automatischer Weiterleitung ins WAP-Portal nicht in der Lage gewesen. Ob
der Unternehmer persönlich in der Lage ist, den an eine geschäftliche Handlung zu
stellenden Erfordernissen nachzukommen, ist für die Unlauterkeit einer geschäftlichen
Handlung unerheblich (vgl. Köhler a.a.O. § 3 UWG Rn. 38). Im Übrigen konnte die
Beklagte Wettbewerbsverstöße im "eBay"-WAP-Portal ohne Weiteres vermeiden,
indem sie in die dortige Handelsplattform keine Produkte mehr einstellte.
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Die Gefahr erneuter Verstöße der Beklagten gegen die eingangs genannten
Verbraucherschutzvorschriften besteht fort. Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß
gekommen, so begründet die vorangegangene Verletzungshandlung die ernsthafte
und greifbare Besorgnis für ein im Kern gleichartiges Verhalten (vgl. Beckedorf in:
Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig § 8 UWG Rn. 13). An die Widerlegung dieser
tatsächlichen Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Hefermehl/
Köhler/Bornkamm § 8 UWG Rn. 1.33; Beckedorf a.a.O. Rn. 14). Insbesondere wird die
Wiederholungsgefahr nicht durch den bloßen Wegfall der Störung oder die Änderung
der tatsächlichen Verhältnisse ausgeräumt, so lange nicht auch jede
Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes beseitigt ist
(vgl. Bornkamm a.a.O. Rn. 1.40). Vorliegend erscheint es jedoch weder
ausgeschlossen, dass bei einer abermaligen Erneuerung des "eBay"-WAP-Systems
technische Missstände auftreten können, noch fernliegend, dass der Beklagten bei
einer künftigen Überarbeitung der auf der Internetplattform "eBay" Fehler hinterlegten
Informationen Fehler mit der Folge unterlaufen mit der Folge, dass im "eBay"-WAP-
Portal erneut Widerrufsbelehrung sowie Angaben zu Mehrwertsteuer, Versandkosten
und zur handelsregisterlichen Registrierung der Beklagten fehlen.
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Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, bei Abruf der Angebote des
Klägers per Handy seien die von diesem als fehlend beanstandeten Angaben
ebenfalls nicht angezeigt worden. Ein solcher "unclean hands"-Einwand ist
unbeachtlich, wenn der Wettbewerbsverstoß zugleich die Interessen Dritter oder der
Allgemeinheit berührt (vgl. BGH GRUR 1977, 494, 497 – "DERMATEX"; OLG
Frankfurt GRUR-RR 2008, 410 – "Ökostrom billiger als Atomstrom"). Dies gilt auch in
einem Fall wie dem vorliegenden, da die Angaben zum Widerrufs- oder
Rückgaberecht, zu anfallenden Versandkosten, zum Einschluss der Mehrwertsteuer
und zur handelsregisterlichen Identifizierung des Anbieters der Information der
Verbraucher dienen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2
ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708
Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Streitwert: 8.000,00 EUR
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