Urteil des LG Köln vom 07.10.2009
LG Köln (kläger, aktionär, venire contra factum proprium, interesse, nebenintervenient, beitritt, gesellschaft, satzung, aufsichtsrat, anfechtungsklage)
Landgericht Köln, 91 O 125/08
Datum:
07.10.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
91 O 125/08
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
08.09.2008 gemäß Tagesordnungspunkt 4, mit dem die
Hauptversammlung die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für
das Geschäftsjahr 2007 beschlossen hat, wird für nichtig erklärt.
Die Kosten der Nebenintervenienten zu 2) und 3) werden
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der
Nebenintervenientin zu 1) tragen die Beklagte und der
Nebenintervenient zu 4); die Nebenintervenienten zu 2) und 3) tragen
die Kosten ihrer Nebenintervention selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
1
Die Beklagte O AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Köln. Der Kläger, Herr Y, ist
Aktionär der Beklagten, was er jedenfalls auch schon vor dem 29.7.2008 war. Mit seiner
Klage wendet der Kläger sich gegen einen auf der Hauptversammlung vom 08.09.2008
getroffenen Beschluss.
2
Die am Tag der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung gültige Satzung der
Beklagten vom 8.5.2008 enthält in § 12 unter der Überschrift "Beschlussfassung" in
Absatz 3 folgende Bestimmung über die Stimmrechtsvertretung (Blatt 88 der Anlage):
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Das Stimmrecht kann durch Bevollmächtigte, insbesondere auch durch von der
Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter, ausgeübt werden. Wenn weder ein
Kreditinstitut noch eine Aktionärsvereinigung bevollmächtigt wird, ist die Vollmacht
schriftlich oder auf einem von der Gesellschaft näher zu bestimmenden
elektronischen Weg zu erteilen. Die Einzelheiten für die Erteilung dieser
Vollmachten werden zusammen mit der Einberufung der Hauptversammlung
bekannt gemacht.
4
Am 00.00.00 veröffentlichte die Beklagte im elektronischen Bundesanzeiger die Ladung
zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung am 00.00.00 in Köln. Die Einladung enthielt im
Rahmen der allgemeinen Hinweise für die Aktionäre unter der Überschrift
"Teilnahmebedingungen" die Bedingungen, von denen die Teilnahme an der
Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. Nach der
Darstellung der Teilnahmebedingungen enthielt die Einladung unter der gesonderten
Überschrift "Stimmrechtsvollmachten" einen Hinweis über die Möglichkeit zur
Stimmrechtsvertretung. Dort hieß es (Blatt 80 der Anlage):
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Die Aktionäre, die nicht selbst an der Hauptversammlung teilnehmen wollen,
können ihr Stimmrecht und/oder ihrer sonstigen Rechte bei entsprechender
Vollmachtserteilung durch einen Bevollmächtigten ausüben lassen; auch ein
Kreditinstitut oder eine Vereinigung von Aktionären kann bevollmächtigt werden. Die
Vollmacht muss in schriftlicher Form erteilt und der Gesellschaft vorgelegt werden;
abweichend davon können Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen eine andere
Form der Vollmachtserteilung vorsehen. Als besonderen Service bieten wir Ihnen
an, dass sie sich in der Hauptversammlung durch von der Gesellschaft benannte
weisungsgebundene Stimmrechtsvertreter vertreten lassen können. Entsprechende
Vollmachtsformulare werden den Aktionären mit der Eintrittskarte übermittelt.
Aktionäre, die von der Möglichkeit einer Bevollmächtigung der von der Gesellschaft
benannten Stimmrechtsvertreter Gebrauch machen wollen, werden gebeten,
frühzeitig die Eintrittskarte mit der Stimmrechtsvollmachten an die Gesellschaft zu
übermitteln. Die entsprechenden Vollmachten und Weisungen sind zusammen mit
der Eintrittskarte zur Hauptversammlung bis spätestens Freitag, 5. September 2008
(das Eingangsdatum ist maßgebend) an die folgende Adresse zu senden:
6
O Vermögensverwaltung AG
7
L-Straße
8
D- Köln
9
Fax: ####
10
Alternativ ist eine Übergabe an einen Stimmrechtsvertreter während der
Hauptversammlung möglich, und zwar bis zum Ende der Generaldebatte.
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In Tagesordnungspunkt 1 wurde der Hauptversammlung unter anderem der schriftliche
Bericht des Aufsichtsrates gemäß § 171 Abs. 2 S. 1 AktG für das Geschäftsjahr 2007
vorgelegt, der bereits seit dem Tage der Einberufung der Hauptversammlung in den
Geschäftsräumen der Gesellschaft und auch während der Hauptversammlung zur
Einsichtnahme auslag. Die Anzahl der Sitzungen des Aufsichtsrates im Berichtsjahr,
sowie deren konkrete Inhalte werden nicht wiedergegeben. Der Bericht des
Aufsichtsrats hat folgenden Wortlaut:
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Der Aufsichtsrat hat im Berichtsjahr die ihm nach Gesetz, Satzung und
Geschäftsordnung obliegenden Aufgaben erfüllt. Er nahm seine
Überwachungsfunktion wahr und fasste die in seinen Zuständigkeitsbereich
fallenden Beschlüsse. Den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Vorschlag
für die Verwendung des Jahresüberschusses hat der Aufsichtsrat geprüft und in
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Ordnung befunden. Der Vorschlag für die Verwendung des Jahresüberschusses,
unter Einbeziehung des Vortrages, entspricht den Vorschriften der Satzung.
Der Vorstand informierte den Aufsichtsrat in regelmäßig stattfindenden Sitzungen
über die Geschäftsentwicklung, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie
über besondere Ereignisse.
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Der vorliegende Jahresabschluss 2007 mit Lagebericht wurde von der G2 GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Niederlassung P, geprüft. Der uneingeschränkte
Bestätigungsvermerk ist erteilt.
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Der Vorstand und Aufsichtsrat haben den vorgelegten Jahresabschluss zum 31. 12.
2007 gebilligt und damit festgestellt. Der Aufsichtsrat schlägt der Hauptversammlung
vor, die vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns zu beschließen.
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Daneben wurde der Hauptversammlung auch der Jahresabschluss der Beklagten über
das Geschäftsjahr 2007 vorgelegt. Aus der darin enthaltenen Bilanz und der Gewinn-
und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2007 ergibt sich, dass der Bilanzgewinn dem
Jahresüberschuss entspricht und 78.746,20 € beträgt (zum Inhalt im Einzelnen: Blatt
154 der Anlage).
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Insgesamt war die Vermögens- und Finanzlage der Beklagten in 2007 geordnet. Der
Vorstand der Beklagten war im Geschäftsjahr 2007 auch mit keinen schwerwiegenden
oder risikobehafteten operativen Entscheidungen konfrontiert, die für die weitere
wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und deren Vermögens-, Ertrags-und Finanzlage
von wesentlicher Bedeutung gewesen wären. Der Vorstand informierte den Aufsichtsrat
in regelmäßig stattfindenden Sitzungen über die Geschäftsentwicklung, die Vermögens-
, Finanz- und Ertragslage sowie über besondere Ereignisse.
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Unter Tagesordnungspunkt 4 der Hauptversammlung schlugen Vorstand und
Aufsichtsrat der Beklagten ihren Aktionären vor, dem Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr
2007 die Entlastung zu erteilen. Der entsprechende Beschluss wurde auf der
Hauptversammlung mit der Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst. Der persönlich
anwesende Kläger Y stimmte gegen den Beschlussvorschlag zu
Tagungsordnungspunkt 4 und erklärte gegen die Beschlussfassung Widerspruch zu
Protokoll des Notars.
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Am 00.00.00 machte die Beklagte im Elektronischen Bundesanzeiger bekannt, dass
gegen den Beschluss unter Tagesordnungspunkt 4 der Hauptversammlung
Anfechtungsklage erhoben wurde. Auf Seiten des Klägers trat die Nebenintervenientin
zu 1) mit Schriftsatz vom 5.11.2008 dem Rechtsstreit bei. Auf Seiten der Beklagten
traten dem Rechtsstreit die Nebenintervenienten zu 2) bis 4) bei. Die
Nebenintervenientin zu 2) trat dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 3. 11. 2008 bei, der
Nebenintervenient zu 3) mit Schriftsatz vom 11.11.2008, der Nebenintervenient zu 4) mit
Schriftsatz vom 14.11.2008. Die Nebenintervenientin zu 1) auf Klägerseite ist seit dem
5.11.2008 Aktionärin der Beklagten, die Nebenintervenientin zu 2) auf Beklagtenseite
war zwischen dem 16.6.2008 und dem 2.2.2009 Aktionärin der Beklagten, der
Nebenintervenient zu 3) ist seit dem 5.5.2009 Aktionär der Beklagten, der
Nebenintervenient zu 4) ist seit dem 14.7.2008 Aktionär der Beklagten.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beschluss hinsichtlich der Entlastung des
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Aufsichtsrates nicht rechtmäßig sei. Dem Aufsichtsrat sei die Entlastung zu verweigern
gewesen. Der Aufsichtsrat habe die Aktionäre nicht ordnungsgemäß über seine
Tätigkeiten informiert. Insbesondere habe er nicht über die Anzahl der Sitzungen des
Aufsichtsrates im Berichtsjahr sowie deren konkreten Inhalte berichtet, was nach § 171
Abs. 1 S. 2 AktG aber erforderlich gewesen sei. Zudem sei die Einladung zur
Hauptversammlung fehlerhaft gemäß § 121 Abs. 3 S.2 AktG gewesen, da nicht mitgeteilt
worden sei, dass in der Satzung auch die Möglichkeit einer Bevollmächtigung auf
elektronischem Wege vorgesehen sei. Schon daraus ergebe sich die Nichtigkeit des
Beschlusses. Darüber hinaus sei dies aber auch eine nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung.
Der Kläger behauptet zudem, die Nebenintervenientin zu 2) sei nicht bzw. jedenfalls
nicht mehr Aktionärin der Beklagten. Er ist darüber hinaus der Ansicht, dass die
Nebenintervenienten zu 2), 3) und 4) kein hinreichendes rechtliches Interesse am
Ausgang des Rechtsstreites nachweisen könnten und die Nebenintervention somit nicht
zulässig sei.
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Der Kläger beantragt,
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den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
08.09.2008 gemäß Tagesordnungspunkt 4 mit dem die Hauptversammlung
die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2007
beschlossen hat, für nichtig zu erklären;
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hilfsweise festzustellen, dass der vorgenannte Beschluss nichtig ist;
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äußerst hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss gemäß
Tagesordnungspunkt 4 der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten
vom 09.08.2007 unwirksam ist;
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die Nebenintervention auf Seiten der Beklagten der H Beteiligungs-AG
(Nebenintervenientin zu 2)), des Herrn T (Nebenintervenient zu 3)) sowie des
Herrn K (Nebenintervenient zu 4)) zurückzuweisen.
27
Die Nebenintervenientin zu 1) beantragt: wie die Klägerin
28
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
30
Der Nebenintervenient zu 4) schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass sowohl die Ladung als auch der Beschluss
rechtmäßig ergangen seien. Es sei kein Mangel zu erkennen, der eine Anfechtbarkeit
oder gar Nichtigkeit begründen könne. Der Nebenintervenient zu 4) ist der Ansicht, dass
er ein hinreichendes rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreites vorweisen
könne.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
34
Die Klage ist zulässig und begründet.
35
I. Hinsichtlich der Nebeninterventionen gilt folgendes:
36
37
1.
38
Die Nebenintervention der Beteiligten zu 2) ist zurückzuweisen. Sie hat den
Nachweis nicht erbracht, dass sie immer noch Aktionärin der Beklagten ist. Da das
rechtliche Interesse an einer Intervention bei Anfechtungsklagen gerade mit der
Eigenschaft als Aktionär und der damit verbundenen Urteilswirkung begründet wird,
kann das rechtliche Interesse am Ausgang des Verfahrens nachträglich wegfallen,
wenn der Nebenintervenient seine Stellung als Aktionär zwischenzeitlich verloren
hat. Denn in diesem Falle wird er nicht mehr von der Rechtskraftwirkung des Urteils
im Anfechtungsprozess erreicht. Daraus folgt, dass der Nebenintervenient zum
Zeitpunkt des Beitritts Aktionär sein muss und die Aktionärseigenschaft während des
gesamten Prozesses bis zu der rechtskräftigen Entscheidung fortbestehen muss
(Waclawik , WM 2004, 1361, 1366; siehe dazu auch Schilken , in: MünchKomm-ZPO,
2000, § 66 ZPO Rn. 24; Zöller/Vollkommer, § 66 Rn. 14, Meyer-Landrut/Pluskat, BB
2007, 2533 ff.) Die Beteiligte zu 2) hat durch ihre übermittelte Bankbestätigung bisher
lediglich nachgewiesen dass sie vom 16.6.2008 bis zum 2.2.2009 Aktionärin der
Beklagten gewesen ist.
39
2.
40
Die Nebenintervention des Beteiligten zu 3) ist ebenfalls zurückzuweisen. Es fehlt an
einer wirksamen Beitrittserklärung. Der Beitritt zum Rechtsstreit wurde zu einem
Zeitpunkt erklärt, als der Beteiligte zu 3) noch nicht Aktionär der Beklagten war. Damit
konnte er noch kein rechtliches Interesse nachweisen. Dies wurde vom Kläger
gerügt. Insofern kommt eine Heilung nach § 295 ZPO nicht in Betracht.
41
3.
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Die Nebenintervention des Beteiligten zu 4) ist hingegen zulässig. Insbesondere
erscheint sie nicht als rechtsmissbräuchlich. Der Nebenintervenient ist dem
Rechtsstreit innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Anfechtungsklage
beigetreten. Daher kann offen bleiben, ob nach § 246 Abs. 4 S. 2 AktG überhaupt die
Einhaltung einer Frist erforderlich ist, wenn der Beitritt nicht auf Kläger-, sondern auf
Beklagtenseite erfolgen soll. Der Nebenintervenient zu 4) kann auch sein rechtliches
Interesse am Ausgang des Rechtstreits glaubhaft machen. Ein rechtliches Interesse,
d.h. ein Interventionsgrund ist gegeben, wenn die Rechtsstellung des
Nebenintervenienten irgendwie durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil
rechtlich (nicht nur rein tatsächlich, ideell oder wirtschaftlich) verschlechtert oder
durch ein günstiges Urteil rechtlich verbessert wird (Thomas/Putzo-Hüßtege, § 66 Rn.
5). Das rechtliche Interesse muss nicht notwendig vermögensrechtlich sein. Es ist
insbesondere gegeben in Fällen der Erstreckung von Rechtskraft und
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Gestaltungswirkung (Thomas/Putzo-Hüßtege, § 66 Rn. 5). In Prozessen zwischen
einer Aktiengesellschaft und Dritten folgt das Interventionsinteresse zwar nicht in
jedem Fall allein aus der Stellung als Aktionär (Thomas/Putzo-Hüßtege, § 66 Rn. 6,
vgl. insoweit auch die vom Kläger angeführte Entscheidung des LG Kiel vom 22.5.
2008, 15 O 49/08.). Im Sonderfall einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage ergibt
sich das Interesse aber zwingend aufgrund der Wirkungsanordnung gemäß § 248
Abs. 1 S. 1 AktG, wonach die Entscheidung für und gegen alle Aktionäre sowie die
Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats gilt, selbst wenn sie nicht Partei des
Rechtsstreits waren. Entsprechend bewertet dies auch die höchstrichterliche
Rechtsprechung (BGHZ 172, 136 ff. = NJW-RR 2007, 1636 ff. = WM 2007,1565;
bestätigt durch BGH WM 2008, 1400 ff.; allerdings jeweils entschieden für den Fall
des Anfechtungsklägers:), sowie das weit überwiegende Schrifttum (Austmann , ZHR
158 (1994), 495, 499; Hüffer, § 246 Rn. 6.;Thomas/Putzo-Hüßtege, § 66 Rn. 5;
Waclawik , WM 2004, 1361, 1366; Zöllner , in: Kölner Kommentar, zum AktG, 3. Aufl.,
§ 246 Rn. 89). Nach den Ausführungen des BGH in den zitierten Entscheidungen
reicht in Anfechtungsprozessen also allein die Stellung als Aktionär aus, ein
rechtliches Interesse zu begründen. Eine Differenzierung danach, ob auf Klägerseite
oder auf Beklagtenseite interveniert werden soll, nimmt die höchstrichterliche
Rechtsprechung zu Recht nicht vor, da hinsichtlich der Rechtskrafterstreckung kein
Unterschied zwischen einem Nebenintervenienten auf Klägerseite und einem
Nebenintervenienten auf Beklagtenseite besteht.
Eine Sonderbehandlung bei Anfechtungsklagen gegen Entlastungsbeschlüsse des
Aufsichtsrates ist nicht gerechtfertigt. Diesbezüglich ist der vom Kläger angeführten
Entscheidung des LG Berlin nicht zuzustimmen. Nach dieser Entscheidung sei das
rechtliche Interesse an einer Nebenintervention auf Beklagtenseite zu verneinen,
wenn es um die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses des Aufsichtsrates gehe.
(LG Berlin, Urteil vom 16. März 2009,90 O 66/08). Die Kammer begründet ihr Urteil
damit, dass bei einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage gegen einen
Entlastungsbeschluss die Wirkung des § 248 AktG kein über den bloßen Aktienbesitz
hinausgehendes rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtstreites beinhalte.
Denn eine Unwirksamerklärung der Entlastungsbeschlüsse habe auf etwaige
Schadensersatzansprüche gegen den Aufsichtsrat keinen Einfluss. Wie § 120 Abs. 2
S. 2 AktG zeige, enthalte die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche. Auch
wenn diese Entscheidung im Ergebnis geeignet ist, eine gewisse Sympathie
hervorzurufen, so ist sie dennoch aus rechtlichen Gründen abzulehnen. Würde man
dieser Entscheidung folgen, so müsste man konsequenterweise auch die
Zulässigkeit von Anfechtungsklagen gegen Entlastungsbeschlüsse überhaupt
mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses verneinen, da es auch für den
Anfechtungskläger an einer Auswirkung auf etwaige Schadensersatzansprüche
fehlen würde. Dieser Weg wird - soweit ersichtlich - aber zu Recht von niemandem
beschritten. Denn gefragt ist in § 66 ZPO nur nach dem rechtlichen Interesse am
Ausgang des Rechtsstreits. Es ist aber nicht gefordert, dass der Nebenintervenient
darüber hinaus einen vermögenswerten Vorteil erlangen muss. Gerade hinsichtlich
einer der zentralen Fragen der Hauptversammlung, nämlich der Entlastung, d.h. der
Billigung der Tätigkeit des Vorstandes bzw. Aufsichtrates besteht aber ein Interesse
des Aktionärs. Allein die Tatsache, dass ein eventuelles Urteil unmittelbar auch
gegen den Aktionär wirkt, rechtfertigt es, ihm dementsprechend ein rechtliches
Interesse am Ausgang des Rechtsstreites zuzugestehen. Unbeachtlich ist, ob dem
Aktionär durch den angefochtenen Beschluss selbst irgendwelche
vermögensrechtlichen oder ideellen Nachteile entstehen oder nicht. Der rechtlich
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relevante Vor- bzw. Nachteil liegt schon in der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des
Beschlusses selbst.
Der Beitritt ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Allein die Eigenschaft als sog.
Berufskläger reicht zur Annahme rechtsmissbräuchlicher Handlungen nicht aus.
Entsprechend der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung hinsichtlich der Erhebung
einer Anfechtungsklage durch Berufskläger muss auch für einen beitretenden
Streitgenossen gelten, dass dezidiert dargelegt werden muss, aufgrund welcher
konkreten Anhaltspunkte auf den Missbrauch geschlossen werden kann. Insoweit ist
der Kläger beweisbelastet (RGZ 146, 385, 396f.; BGHZ 146, 296, 312). Für den
Anfechtungskläger können die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch aber
dann gegeben sein, wenn dem Kläger nachgewiesen werden kann, dass er die
Anfechtungsklage nur mit dem Ziel erhoben hat, die verklagte Gesellschaft in grob
eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch
hat und billigerweise auch nicht erheben kann, wobei er sich von der Vorstellung
leiten lassen hat, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie
hoffe, dass der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch
vermieden oder zumindest gering gehalten werden könnten (BGHZ 107, 296 ff.). Ein
plastisches Beispiel für die rechtmissbräuchliche Erhebung einer Anfechtungsklage
lag der Entscheidung des LG Frankfurt vom 2.10.2007 zugrunde (LG Frankfurt WM
2007, 2385 ff. - 3-5 O 177/07): dort hatte der Kläger schon während der
Hauptversammlung mit der Erhebung der Anfechtungsklage gedroht, wenn er nicht
selbst und die anderen von ihm vertretenen fünf Aktionäre jeweils 2000
Aktienbezugsrechte vom Großaktionär zugesichert bekämen. Nach Erhebung der
Anfechtungsklage hatte er der Beklagten einen ausformulierten Vergleichsvorschlag
übersandt, der unter anderem die Regelung enthielt, dass an den Kläger und die von
ihm vertretenen fünf Aktionäre jeweils Bezugsrechte für 3500 Aktien zugeteilt werden
sollten. Zum damaligen Aktienkurs hätte dies einen finanziellen Vorteil von über
265.000 € dargestellt.
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Für die Situation des Nebenintervenienten auf Beklagtenseite sind diese
Anforderungen zwar nicht "eins zu eins" übertragbar. Denn anders als bei der
Anfechtungsklage fehlt es an einem der Klageerhebung vergleichbaren sog.
"Lästigkeitswert". Dennoch muss ein vergleichbarer Grad des Missbrauchs
feststellbar sein bzw. nachgewiesen werden. Als Kehrseite des Lästigkeitswertes
bietet sich daher beim Beitritt auf Beklagtenseite das Kostenrisiko bzw. das
Kostenerstattungsrisiko, mit welchem der Kläger "überzogen" wird, an.
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Wenn nachweisbar ist, dass diverse Nebenintervenienten von der Beklagen
veranlasst wurden, dem Rechtsstreit beizutreten, um den Kläger aufgrund eventueller
Kostenerstattungsansprüche unter Druck zu setzen, kann ein solcher Beitritt
rechtsmissbräuchlich sein. Allgemein formuliert ist ein Beitritt als
rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn er in grob eigennütziger Weise erfolgt und
alleine von dem Bestreben geleitet ist, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den
Kläger zu erzielen bzw. den Kläger durch gerade den Kostenerstattungsanspruch
unter Druck zu setzen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 66 ZPO könnte
man auch dahingehend formulieren, dass ein Beitritt rechtsmissbräuchlich ist, wenn
er nicht zum Zwecke der Unterstützung einer Partei erfolgt, sondern lediglich zur
Schädigung der anderen Partei oder aus eigensüchtigen Motiven. Auch
diesbezüglich ist aber die gegnerische Partei beweisbelastet.
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Ein entsprechender Nachweis gelingt hier nicht, auch wenn sich mehrere Indizien
hierfür anführen lassen.
48
Soweit der Kläger vorträgt, dass der Beitritt auf Beklagtenseite ein widersprüchliches
Verhalten darstellt, ist der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens im
vorliegenden Fall nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch durch die
Nebenintervenienten hinreichend darzulegen. Nach dem allgemein anerkannten
Rechtsgrundsatz des "venire contra factum proprium" ist ein Verhalten
rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte eine tatsächliche Situation geschaffen
hat, auf deren Bestand der andere Teil vertrauen durfte und vertraut hat. Zu denken
ist hier vor allem an solche Fälle, in denen ein Aktionär sich auf einer
Hauptversammlung ausdrücklich positiv hinsichtlich einer Beschlussfassung äußert,
diese Beschlussfassung im Nachhinein aber anficht. Nach der insoweit eindeutigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht aber nicht einmal diese Situation,
den Rechtsmissbrauch zu begründen (BGH WM 2007, 1565 ff.). Erst recht reicht es
daher nicht aus, wenn ein Beteiligter - wie vom Kläger vorgetragen - in einem
anderen Verfahren hinsichtlich derselben Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung
vertritt (vgl. auch LG Berlin Urteil vom 9. April 2009, 95 O 66/08). Dagegen spricht
schon, dass es sich eben um ein anderes, unabhängiges Verfahren handelt.
Hinsichtlich des in Rede stehenden Streitgegenstandes selbst handeln die
Nebenintervenienten folglich nicht widersprüchlich. Hinzu kommt, dass der
Sinneswandel auch Resultat einer Einsicht in die Richtigkeit des rechtlichen
Standpunktes sein kann (vgl. insoweit die entsprechende Begründung bei: BGH WM
2007, 1565 ff.). Diese ist dem Beteiligten jedenfalls nicht zu verwehren.
49
Auch der "blinde" Beitritt in Unkenntnis des Inhalts der Klageschrift rechtfertigt für sich
nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs, denn auch dies kann isoliert gesehen
lediglich als eine Wahrnehmung der Rechte des betroffenen Aktionärs gedeutet
werden. Die entsprechenden Vorschriften der ZPO sehen vor, dass ein Beitritt
möglich ist, sobald und solange der Rechtsstreit anhängig ist. Es kommt nicht darauf
an, dass der Beitretende Kenntnis vom Inhalt der Klageerwiderung hat. Wenn man
der zwar wohl unzutreffenden aber immerhin vertretbaren Ansicht folgt, dass die
Monatsfrist des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG auch für den auf Beklagtenseite beitretenden
Nebenintervenienten gilt, wäre es im Gegenteil sogar geboten, schnellstmöglich den
Beitritt zu einem derartigen Rechtsstreit zu erklären. Dennoch ist es nicht von der
Hand zu weisen, dass auch der "blinde" Beitritt auf Beklagtenseite in einem
Anfechtungsprozess im Gesamtkontext der konkreten Situation ein gewisses Indiz für
ein missbräuchliches Handeln darstellen kann, vor allem wenn keine plausiblen
Gründe für einen derart frühzeitigen Beitritt angeführt werden.
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Auch die Tatsache, dass vom Nebenintervenienten kein eigener Vortrag zu Sache
erbracht wurde, ist für sich genommen nicht geeignet, die Rechtsmissbräuchlichkeit
des Verhaltens zu begründen (vgl. insoweit LG Frankfurt am Main, Urteil vom
13.Januar 2009, 3-5 O 210/08; Beschluss des LG Hamburg vom 29. Dezember 2008,
417 O 99/08). Denn zu bedenken ist, dass auch jenseits eines "aktiven Vorbringens"
eine Daseinsberechtigung der Nebenintervention besteht. Auch die in der Verfolgung
des Rechtsstreits liegende Kontrolle kann schon einen nennenswerten Beitrag
darstellen. Sollten durch den Beklagten tatsächliche oder rechtliche Aspekte
übersehen werden, so könnte der Nebenintervenient entweder durch direkte
Kontaktaufnahme mit dem Beklagten oder mittels eigener Schriftsätze diese Defizite
ausgleichen.
51
Alles in allem mögen hier zwar einige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die
Nebenintervenienten nicht zum Zwecke des Beistands der Beklagten beigetreten
sind, sondern lediglich um sich selbst einen Kostenerstattungsanspruch gegen den
Kläger zu verschaffen. Zweifelsfrei festgestellt werden kann die
Rechtsmissbräuchlichkeit hier aber nicht, wenn man die vorliegende Situation nach
den Maßstäben des Bundesgerichtshofs zum Rechtsmissbrauch bei
Anfechtungsklagen bewertet. Dem Grunde nach sieht das Gesetz die Möglichkeit der
Nebenintervention vor. Soweit die Voraussetzungen für den Beitritt, der nach dem
Gesetzeswortlaut allein im rechtlichen Interesse begründet ist, vorliegen, besteht
eben auch ein Kostenerstattungsanspruch. Es mag sein, dass die damit verliehene
formelle Rechtsposition in gewisser Weise ausgenutzt wird. Dies allein reicht aber
nicht aus, eine Rechtsmissbräuchlichkeit zu begründen.
52
II. Die zulässige Klage ist begründet.
53
54
1.
55
Insbesondere wurde die Klage nicht rechtsmissbräuchlich erhoben, auch wenn der
Kläger, was aufgrund des in der Literatur aufgearbeiteten empirischen Befunds nicht
von der Hand zu weisen ist (Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 f.), in vielen
Hauptversammlungsverfahren als sog. Berufskläger auftritt. Allein diese Tätigkeit
vermag noch nicht einen Missbrauch zu belegen. Vielmehr hätte dezidiert dargelegt
werden müssen, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte auf den Missbrauch
geschlossen werden kann, da die Beklagte insoweit beweisbelastet ist (RGZ 146,
385, 396f.; BGHZ 146, 296, 312). Als Aktionär der Beklagten ist der Kläger zudem
anfechtungsbefugt, § 245 AktG. Auch die Anfechtungsbefugnis scheitert nicht daran,
dass der Kläger ein Berufskläger ist. Ein darüber hinaus gehender Rechtsmissbrauch
wurde auch diesbezüglich nicht dargetan. Die beklagte Gesellschaft ist
passivlegitimiert, § 246 Abs. 2 S. 1 AktG. Die Frist des § 246 Abs. 1 AktG wurde
eingehalten.
56
2.
57
Der angefochtene Beschluss weist einen Mangel auf, der die Nichtigkeit begründet.
Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ladung zur Hauptversammlung fehlerhaft
i.S.v. § 121 Abs. 3 S. 2 AktG war. Vorliegend wurde nicht mitgeteilt, dass in der
Satzung auch die Möglichkeit einer Bevollmächtigung auf elektronischem Wege
vorgesehen ist.
58
Nach § 121 Abs. 3 S. 2 AktG muss die Ladung zur Hauptversammlung die Firma, den
Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung und die Bedingungen
angeben, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung
des Stimmrechts abhängen. In Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob hierzu
auch die Formalitäten hinsichtlich einer etwaigen Vollmachterteilung bzw.
Erleichterungen der Vollmachtserteilung im Sinne des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG
59
gehören.
Nach Ansicht des 7. Zivilsenats des OLG München sowie einiger Vertreter im
Schrifttum soll dies nicht der Fall sein (OLG München, DB 2008, 2243, 2247 ff.;
Wilsing/Ogorek, DB 2008, 2234, 2246; Wieneke/Pauly, NZG 2008, 794, 795).
Begründet wird dies damit, dass die Regelungen über die Ausübung des
Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten keine Teilnahmebedingungen im Sinne
des § 121 Abs. 3 S. 2 Aktiengesetz darstellen. Bedingungen, von denen die
Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen,
seien nämlich lediglich die Bestimmungen der Satzung zur Anmeldung und zur
Legitimation der Aktionäre. Zudem spreche für diese Auffassung der Gesetzeszweck
des § 121 Abs. 3 S. 2 AktG. Demnach sei die weiterreichende Nichtigkeitsfolge nur
dann gerechtfertigt, wenn der Aktionär wegen eines fehlenden Hinweises auf das
Erfordernis einer Anmeldung, auf Hinterlegungserfordernisse oder auf die Vorlage
eines sonstigen Legitimationsnachweises in der Einladung diese
Teilnahmebedingungen nicht erfüllt und als Konsequenz daraus nicht zur
Hauptversammlung zugelassen wird. Wenn in der Einladung ein Hinweis auf die
durch die Satzung erleichterte Form der Stimmrechtsvertretung fehle, so bestehe
nicht die Gefahr der Nichtzulassung zur Hauptversammlung, da der Aktionär der
Einladung jedenfalls die Möglichkeit der schriftlichen Bevollmächtigung entnehmen
und davon Gebrauch machen konnte. Die Nichtigkeitsfolge wäre in diesem Fall nicht
gerechtfertigt. Die Beklagte trägt zudem vor, dass zu berücksichtigen sei, dass § 121
Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a AktG in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 5.11.2008 des
Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie erst zukünftig die Pflicht zur Angabe
des Verfahrens für die Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten in der Einladung
zur Hauptversammlung und diese Pflicht auch nur für börsennotierte Gesellschaften
vorsehe. Hieraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass in der aktuellen
Gesetzesfassung die Modalitäten der Bevollmächtigung nicht erfasst seien.
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Das LG Frankfurt, einige Vertreter im Schrifttum sowie auch das OLG Frankfurt sind
diesbezüglich anderer Auffassung (OLG Frankfurt, ZIP 2008, 1722 -; LG Frankfurt 3-5
O 339/08; LG Frankfurt, 3-5 O 210/08, LG Frankfurt 5 O 78/08, AktGKomm/Ziemons, §
121 Rn. 36; MünchKommAktG/Kubis, § 121 Rn. 40 ff.). Alle Modalitäten, die die Art
und Weise oder die Form der Stimmrechtsausübung betreffen, seien in die
Einladungsbekanntmachung aufzunehmen, sofern sie von den gesetzlichen
Regelungen abweichen. Hierzu gehörten beispielsweise Satzungsregelungen über
die Person des Bevollmächtigten sowie über Formerleichterungen nach § 134 Abs. 3
AktG. Auch diejenigen Teilnahmevoraussetzungen, deren Fixierung die Satzung
dem Einberufenden überlassen hat, müssten genannt werden. Begründet wird die
Ansicht vor allem damit, dass unrichtige Angaben zur Bevollmächtigung potenziell
geeignet seien, Aktionäre bzw. deren Stellvertreter von der Teilnahme an der
Hauptversammlung abzuhalten, weil sie sich gegebenenfalls gehindert sehen
könnten, die Vollmacht nach den Vorgaben der Ladungsmitteilung zu erteilen. Die
Gegenansicht übersehe, dass die Einberufungsvorschriften zu Gunsten der Aktionäre
bestünden. Auch in der Ladung zur Hauptversammlung zusätzlich angegebene
Teilnahmebedingungen - selbst wenn dazu keine rechtliche Verpflichtung bestehen
sollte - über die Ausübung des Stimmrechts bei Vollmachtserteilung müssten daher
zum Schutz der Aktionärsrechte richtig sein und dürften die den Aktionären gesetzlich
oder satzungsmäßig eingeräumten Rechte nicht verletzen. Die Norm des § 121 Abs.
3 AktG wolle eine bessere Unterrichtung der Aktionäre sicherstellen, dass
Teilnahme- und Teilhaberecht des Aktionärs stärken und für eine verbreitete
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Teilnahme sorgen. Wenn aber derartige Angaben zu Teilnahme und zur Ausübung
des Stimmrechts durch Bevollmächtigte enthalten seien, so sei es nach dem
Schutzzweck der Norm geboten, diese unter die Bedingungen des § 121 Abs. 3 AktG
einzuordnen. Unzutreffende, mit Gesetz und Satzung nicht vereinbare Angaben, die
Aktionäre gegebenenfalls hindern könnten, an der Versammlung und der
Abstimmung teilzunehmen, verletzten daher den Schutzbereich der Norm des § 121
Abs. 3 AktG.
Die erkennende Kammer folgt der letztgenannten. Vor allem der Wortlaut legt es
nahe, dass die Bedingungen, von denen die Ausübung des Stimmrechts abhängt,
zutreffend in der Ladung angegeben werden. Eine Bedingung in diesem Sinne ist
auch der Nachweis durch eine Vollmachtsurkunde. Ohne Vorlage der Urkunde kann
eine Stimmabgabe nicht erfolgen, jedenfalls wenn man den Text der Einladung als
maßgeblich erachtet. Daneben streiten aber auch Sinn und Zweck für die
letztgenannte Ansicht. Zwar mag die Gefahr, dass durch das Erfordernis einer
schriftlichen Vollmachtserteilung Aktionäre davon abgehalten werden, ihr Stimmrecht
durch einen Bevollmächtigten ausüben zu lassen, gering sein, da insoweit auch die
Übermittlung in elektronischer Form diesbezüglich eine gewisse Hürde darstellt.
Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr aber. Die Begründung des OLG München kann
im vorliegenden Fall hier schon deshalb nicht greifen, weil sie sich wesentlich auf die
Vorschrift des § 135 AktG selbst und insbesondere dort auf einer aus ihrer Sicht
bestehende Unklarheit stützt. Hier geht es aber um die Abweichung einer Regelung
von der Satzung, die vom Wortlaut und dem Sinn und Zweck eindeutig ist. Soweit die
Beklagte vorträgt, dass auch das OLG Frankfurt in einer späteren Entscheidung seine
Meinung diesbezüglich revidiert hätte, ist dies nicht zutreffend. In der angegebenen
Entscheidung hat der Senat lediglich festgestellt, dass die Angaben ordnungsgemäß
waren, nicht aber, dass es seine Ansicht aus dem Urteil unter dem Aktenzeichen 5 W
15/08 ändern wolle. Auch der Verweis darauf, dass nach dem Regierungsentwurf das
Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie eine ausdrückliche Regelung
bezüglich des Verfahrens über die Stimmabgabe enthält, muss nicht zwingend dafür
sprechen, dass sie in der alten Fassung nicht erfasst sein sollte. Hierin kann auch
lediglich eine Klarstellung gesehen werden. Die Einladung verstößt hier daher gegen
§ 121 Abs. 3 S. 2 AktG.
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Soweit die Beklagte vorträgt, dass ihr durch die Formulierung in der Satzung lediglich
ein Ermessen bei der Wahl der Form der Bevollmächtigung eingeräumt wurde, kann
sie damit nicht durchdringen. Die Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass
zwei kumulative und nicht alternative Möglichkeiten der Bevollmächtigung
vorgesehen waren, denn es kann kaum ernsthaft davon ausgegangen werden, dass
eine schriftliche Vollmachterteilung ausgeschlossen sein sollte, wenn die Einladende
sich dazu entschieden hätte, die Möglichkeit der elektronischen Bevollmächtigung
anzubieten. Das Ermessen der Beklagten bezog sich lediglich darauf, auf welchem
elektronischen Wege die Bevollmächtigung erfolgen sollte. Der angefochtene
Beschluss ist damit nichtig.
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Angesichts der wohl nur geringen Auswirkungen des festgestellten Ladungsfehlers
ist es zwar überlegenswert, eine Nichtigkeit als Rechtsfolge in einem derartigen Fall
abzulehnen, (vgl. OLG Frankfurt, 5 U 285/86, WM 1989, 1688, 1691; 5 U 56/86, AG
1991, 208, 209; OLG München, AG 2000, 134, 135). Es erscheint jedenfalls nicht
unvertretbar, die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse zu verneinen. Dieses
Vorgehen wird aber zu Recht als zu großzügig kritisiert, weil § 121 Abs. 3 AktG nicht
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zwischen Mindestangaben und sonstigen Angaben unterscheidet (Großkomm
AktG/Werner, § 121, Rz. 83; Hüffer, § 121, Rn. 11). Insoweit ist der Wortlaut der Norm
eindeutig. Ausnahmen sind nicht vorgesehen. Mittlerweile verfolgen auch das LG und
OLG Frankfurt, wie aus den oben genannten späteren Urteilen ersichtlich, eine
striktere Linie, welche die Nichtigkeit als Rechtsfolge nahelegt.
Selbst wenn man eine Nichtigkeit verneinen wollte, führte der Mangel jedenfalls zur
Anfechtbarkeit des beanstandeten Beschlusses (vgl. insoweit auch OLG Frankfurt,
ZIP 2008, 1722 f.) Wenn auch nicht jeder Verfahrensfehler eine Anfechtbarkeit
begründet, ist eine solche aber für festgestellte Einberufungsmängel, die den
Kerngehalt des Mitgliedschaftsrechts (Teilnahmerechte) der Aktionäre verletzen,
gegeben. Nach inzwischen herrschender Auffassung kommt es nicht mehr auf eine
festzustellende potentielle Kausalität des (Verfahrens-) Fehlers für das
Beschlussergebnis an, sondern auf die Relevanz des Verfahrensverstoßes im Sinne
eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am
Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der
Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (BGH NZG 2005, 75 (77); NJW
2002, 1128; Hüffer a.a.O., § 243 Rn. 13 m. Nachw.), was bei einem Verstoß gegen
Einberufungsvorschriften in der Regel zu bejahen ist (Hüffer a.a.O., § 243 Rn. 14, 15).
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3.
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Ob sich die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit des Beschlusses daneben auch aus
sonstigen materiellrechtlichen Erwägungen ergibt, kann damit offen bleiben.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 18.09.2009 gibt keinen
Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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69
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 Abs. 1, 101
und Abs. 2, 100 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
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Streitwert : 30.000,00 €
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