Urteil des LG Köln vom 10.03.2005
LG Köln: betroffene person, aufrechnung, urkunde, echtheit, darlehensvertrag, drohung, beweislast, tod, sicherheitsleistung, diagnose
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 20 O 123/04
10.03.2005
Landgericht Köln
20. Zivilkammer
Urteil
20 O 123/04
1. Das Vorbehaltsurteil vom 14.10.2004, AZ 20 O 123/04, wird unter
Wegfall des Vorbehalts bestätigt.
2. Die Beklagten haben auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu
tragen.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den
Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung im Kostenpunkt durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der aus diesem Urteil für die
Klägerin jeweils zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
I. Tatbestand
Die Beklagten sind durch Vorbehaltsurteil vom 14.10.2004 verurteilt worden, an die
Klägerin 6.700,00 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei den Beklagten die Ausführung ihrer
Rechte im Nachverfahren vorbehalten worden ist.
Auf den Tatbestand des Vorbehaltsurteils wird Bezug genommen, Bl. 75ff. GA. Die
Verfügungen des Herrn S2, wegen denen die Beklagten einen Rückforderungsanspruch
gegen die Klägerin geltend machen, mit dem sie hilfsweise die Aufrechnung erklären,
fanden in dem Zeitraum Oktober 1997 bis Ende 2001 statt. Die Beklagten legten eine
Rechnung von einer Frau Dr. K, einer Ärztin für Nervenheilkunde, vom 20.06.2003 vor,
deren Diagnose ohne weitere Ausführungen auf Altersdemenz lautete. Es wird Bezug
genommen auf Bl. 25 Ah. Ferner legten sie ein ärztliches Attest des Dr. med. S vom
10.01.2005 vor, in dem dieser ausführte, dass bei Herrn S2 in den letzten 2 bis 3 Jahren vor
seinem Tod immer stärker Anzeichen einer Alters-Gefässsklerose mit
Hirnleistungsstörungen, sowie zeitweisen Orientierungs- und Denkstörungen sowie
zeitweiser Geschäftsunfähigkeit aufgetreten seien. Es wird Bezug genommen auf Bl. 76 Ah.
Die Klägerin beantragt,
das Vorbehaltsurteil vom 14.10.2004 unter Wegfall des Vorbehalts zu bestätigen.
Die Beklagten beantragen,
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das Vorbehaltsurteil vom 14.10.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie behaupten,
dass kein Grundgeschäft existiere, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleiten könne,
insbesondere sei kein Darlehensvertrag geschlossen worden. Den Beklagten stünden
gegenüber der Klägerin Ansprüche in Höhe von 106.781,17 € zu, mit denen die Beklagten
hilfsweise die Aufrechnung erklären. Diese Ansprüche ergäben sich aus § 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. §§ 240, 253, 263 StGB, da die Klägerin Herrn S2 systematisch unter Druck gesetzt
habe, ihr Zuwendungen zu machen. Die Klägerin sei Herrn S2 nur freundlich zugewandt
gewesen, wenn er ihr Geschenke gemacht habe, sonst habe sie sich von ihm abgewandt.
Er habe Angst gehabt, die Zuwendung der Klägerin zu verlieren und sei ihr hörig gewesen.
Herr S2 sei geistig nicht mehr fit gewesen. Er habe unter Orientierungsstörungen gelitten
und sei nicht mehr in der Lage gewesen, Sachverhalte richtig zu erfassen. Dies habe so
starke Ausprägungen angenommen, dass er teilweise nicht mehr geschäftsfähig gewesen
sei, wie sich aus dem Attest des Dr. S ergäbe. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der
Beklagten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 11.01.2005, Bl. 111ff. GA.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird ferner Bezug genommen auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, auf die Sitzungsprotokolle vom 30.09.2004 und vom 20.01.2004, sowie den
gesamten weiteren Akteninhalt.
II. Entscheidungsgründe
Das Vorbehaltsurteil war zu bestätigen, da die Klage begründet ist.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 6.700,00 € aus einem konstitutiven
Schuldanerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB gegen Herrn S2 erlangt, den sie
gegenüber den Beklagten als Erben gemäß §§ 1922, 1967 BGB geltend machen kann.
Die Echtheit der Schuldurkunde vom 26.06.2002 haben die Beklagten auch im
Nachverfahren nicht substantiiert bestritten, so dass ihr diesbezügliches Bestreiten
unbeachtlich ist. Zwar kann der Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH die Echtheit
einer Privaturkunde auch dann noch im Nachverfahren bestreiten, wenn das Gericht sein
Bestreiten im Urkundenprozess als nicht ausreichend angesehen hat und die Urkunde
daher keiner Prüfung unterzogen hat (BGH NJW 2004, 1159), Voraussetzung ist allerdings,
dass die Urkunde jedenfalls im Nachverfahren substantiiert bestritten wird. Die Beklagten
haben jedoch zur Echtheit der Urkunde keine weiteren Ausführungen mehr gemacht.
Dem Anspruch der Klägerin können die Beklagten auch nicht erfolgreich die Einrede der
Bereicherung gemäß § 821 BGB entgegenhalten, da sie nicht bewiesen haben, dass das
von der Klägerin konkret dargelegte Grundgeschäft, der Darlehensvertrag, nicht wirksam
zwischen der Klägerin und Herrn S2 zustande gekommen ist. Der Bereicherungsgläubiger
trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
Im Wege der sekundären Darlegungslast obliegt es dem Bereicherungsschuldner lediglich
konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich der der Leistung zugrunde liegende
Rechtsgrund ergeben soll. Dann muss der Bereicherungsgläubiger schließlich beweisen,
dass der behauptete Rechtsgrund nicht vorliegt. Nachdem die Klägerin vorgetragen hat,
dass Herr S2 ihr das Schuldanerkenntnis hingegeben habe, weil er nicht in der Lage
gewesen sei, die von ihm gegenüber der Klägerin eingegangene Darlehensverbindlichkeit
zu begleichen, die er im Zusammenhang mit dem Kauf des Schmuckstückes übernommen
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gehabt habe und zu deren Valutierung die Klägerin im Einverständnis des Herrn S2 den
Betrag in Höhe von 7.000,00 € an einen Dritten gezahlt habe, oblag es den Beklagten zu
beweisen, dass eine solche Darlehensverbindlichkeit nicht wirksam begründet worden ist.
Die Beklagten haben trotz den Ausführungen zu der Beweislast in dem Vorbehaltsurteil
keinen Beweis angeboten.
Es wurde von den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht
ausreichend dazu vorgetragen, dass Herr S2 entweder bei Hingabe des
Schuldanerkenntnisses, bei Abschluss des Darlehensvertrages oder im Zeitpunkt, in dem
er die übrigen Zuwendungen an die Klägerin tätigte, geschäftsunfähig war. Der allgemeine
Hinweis auf die Arztrechnung vom 20.06.2003 und die Vorlage des ärztlichen Attestes vom
10.01.2005 reicht hierfür ersichtlich nicht aus. Zum einen liegen die streitgegenständlichen
Willenserklärungen des Herrn S2 bereits zeitlich mindestens ein Jahr vor der Ausstellung
der Arztrechnung, so dass die nicht weiter ausgeführte Diagnose Altersdemenz sich gar
nicht dazu verhält, ob Herr S2 in dem maßgeblichen Zeitraum geschäftsfähig war. Auch
aus dem ärztlichen Attest vom 10.01.2005 geht nicht hervor, dass Herr S2 im Zeitpunkt der
Abgabe der streitgegenständlichen Willenserklärungen geschäftsunfähig war. Tatsachen,
aus denen sich die Geschäftsunfähigkeit des Herrn S2 ergäbe, hätten die Beklagten
hinsichtlich jedes einzelnen von Herrn S2 getätigten Rechtsgeschäftes konkret darlegen
und unter Beweis stellen müssen, da sich auch aus dem Attest nur ergibt, dass Herr S2 ca.
2 bis 3 Jahre vor seinem Tod zeitweise geschäftsunfähig war. Eine solche konkrete
Darlegung und ein entsprechender Beweisantritt durch die Beklagten fehlt hingegen.
Auch die von den Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung greift vorliegend nicht durch.
Die Beklagten haben einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 240, 253, 263 StGB
nicht schlüssig vorgetragen. Es liegen weder Hinweise auf eine Gewaltanwendung noch
auf das Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Drohung mit einem empfindlichen Übel
vor. Ein Übel ist empfindlich im Sinne der §§ 240, 253 StGB, wenn der in Aussicht gestellte
Nachteil von einer Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den
Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren, es sei denn dass von dem
Bedrohten erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung
standhält. Zwar kommt es grundsätzlich auf die subjektive Empfindung und Motivierbarkeit
des konkret Betroffenen an. Ausnahmen hiervon sind zu machen, wo der in Aussicht
gestellte Nachteil allein innersubjektiver Natur ist, wie dies etwa der Fall ist, wenn jemand
einem anderen androht, die Freundschaft aufzukündigen (Tröndle/Fischer, StGB, § 240 Rn.
32 a). Ein solches Verhalten gehört zu dem allgemeinen Lebensrisiko, dem der Betroffene
standhalten muss. Nur ausnahmsweise kann in dem Aufkündigen zwischenmenschlicher
Beziehungen ein empfindliches Übel liegen, wenn eine besondere Verantwortlichkeit für
die betroffene Person besteht und diese Person keinerlei sonstige persönliche Kontakte hat
und damit vollkommen hilflos wird, wie dies etwa bei einem Kind der Fall ist, von dem sich
ein Verantwortlicher abzuwenden droht. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor, da
die Klägerin keine besondere Veranwortlichkeit gegenüber Herrn S2 traf und diesem noch
weitere enge persönliche Kontakte offenstanden, wie etwa zu seiner Tochter und seinen
Enkelkindern, die sich um ihn kümmerten.
Für das Vorliegen einer Täuschung und eines Irrtums im Sinne von § 263 StGB fehlt
jeglicher Anhaltspunkt.
Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 5 ZPO, 708 Nr. 11 i.V.m. 711 Satz 1
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und 2 ZPO.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
bis zum 22.09.2004 auf: 6.700,00 €
vom 23.09.2004 bis zum 10.01.2004 auf: 65.852,83 €
ab dem 11.01.2004 auf: 85.335,06 €.
Die Erhöhung des Streitwertes ergibt sich aus § 19 Abs. 3 GKG a.F. wegen der von den
Beklagten zur Hilfsaufrechnung gestellten Ansprüche.
Dabei war zu beachten, dass die Entscheidung hinsichtlich derjenigen zur Aufrechnung
gestellten Forderungen, die höher als die Hauptforderung (6.7000,00 €) waren, nur in Höhe
von 6.700,00 rechtskräftig aberkannt worden sind, so dass sie auch nur in dieser Höhe
gemäß § 19 Abs. 3 GKG a.F. zu berücksichtigen waren.