Urteil des LG Köln vom 18.10.2006

LG Köln: haftung des betreibers, treu und glauben, versicherung, computer, zugang, verfügung, glaubhaftmachung, haushalt, wiederholungsgefahr, abrede

Landgericht Köln, 28 O 364/06
Datum:
18.10.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 364/06
Tenor:
Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden dem
Verfügungsbeklagten auferlegt.
Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt (2 x 5.000 €).
Gründe
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I.
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Der Verfügungsbeklagte hat Unterlassung zweier Äußerungen begehrt. Dem liegt
folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Parteien sind Rechtsanwälte und waren beide auf der Internetplattform www.frag-
einen-anwalt.de tätig. Es handelt sich dabei um ein Internetforum, in dem
Rechtssuchende den Rat zugelassener Rechtsanwälte suchen können. Um in diesem
Forum Fragen zu beantworten ist es erforderlich, ein nur dem Rechtsanwalt bekannten
Nutzernamen und ein Passwort einzugeben. Am 22.07.2006 wurde um 18:08 Uhr eine
an den Verfügungskläger gerichtete Anfrage auf dem Portal eingestellt. Wegen der
Einzelheiten wird auf die in der Antragsschrift wiedergegebene Anfrage Bezug
genommen. Diese Frage wurde unter dem Namen des Verfügungsbeklagten mit der aus
Ziffer 1 der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 02.08.2006 ersichtlichen Antwort
beantwortet. Daraufhin stellte der Fragesteller am selben Tag um 19:47 Uhr die aus der
Antragsschrift ersichtliche Nachfrage. Diese wurde unter dem Namen des
Verfügungsbeklagten um 20:10 Uhr wie aus Ziffer 2 der einstweiligen Verfügung der
Kammer vom 02.08.2006 ersichtlich beantwortet. Der Verfügungsbeklagte wurde
aufgrund dieses Vorfalls am 24.07.2006 von den Betreibern des Internetportals
www.frag-einen-anwalt.de von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen. Die Zeugin E
wurde zwischenzeitlich ebenfalls von der Nutzung des Internetportrals www.frag-einen-
anwalt.de ausgeschlossen, nachdem die IP-Adresse des Fragestellers der Zeugin
zugeordnet werden konnte.
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Der Verfügungskläger hat behauptet, es sei der Verfügungsbeklagte gewesen, der in
Absprache mit der Zeugin E die von dieser gestellten Fragen in der aus dem Tenor der
einstweiligen Verfügung ersichtlichen Weise beantwortet habe. Er hält die gegenteilige
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Behauptung des Verfügungsbeklagten insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass
der Verfügungsbeklagte sich nach den klägerischen Behauptungen bei dem Betreiber
des Internetforums für den Vorfall entschuldigt habe, für eine Schutzbehauptung. Er
verweist zudem auf Äußerungen, die der Verfügungsbeklagte unstreitig zeitlich vor den
streitgegenständlichen Äußerungen über den Verfügungskläger in dem Internetforum
getätigt hat. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die als Anlagen A 8 bis A
13 zu den Akten gereichten Ausdrucke aus dem Internet mit Äußerungen des
Verfügungsbeklagten vom 28.05.2006, 30.05.2006, 31.05.2006, 20.06.2006,
25.06.2006, 29.06.2006 und vom 18.07.2006 Bezug genommen. Der Verfügungskläger
ist der Ansicht, jedenfalls hafte der Verfügungsbeklagte nach den Grundsätzen der
Störerhaftung.
Auf den Antrag des Verfügungsklägers hat die Kammer dem Verfügungsbeklagten mit
einstweiliger Verfügung vom 02.08.2006 verboten, die aus der einstweiligen Verfügung
ersichtlichen Erklärungen schriftlich oder mündlich gegenüber Dritten und/oder in der
Öffentlichkeit, das heißt insbesondere im Internet abzugeben oder in den Verkehr zu
bringen. Die Kammer hat dem Verfügungsbeklagten weiterhin verboten, den
Antragsteller wörtlich oder sinngemäß als Dr. T, Professor T, Rüpel-Prinz, dicken,
intriganten Leichtluft-Rüpel-Klöner, als Meister dünner Luftbläserei, als fetten Klöner
sowie als "grässlich rund" in der Öffentlichkeit zu bezeichnen. Hiergegen hat sich der
Widerspruch des Verfügungsbeklagten gerichtet.
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Der Verfügungsbeklagte hat in Abrede gestellt, der Verfasser der Antworten zu sein.
Dies sei vielmehr sein Sohn gewesen, der die Abwesenheit des Verfügungsbeklagten
dazu genutzt habe, in diesem und in anderen Foren unter dem Namen des
Verfügungsbeklagten zu schreiben und juristische Fragen zu beantworten. Der Sohn
habe sich aufgrund des in dem PC des Verfügungsbeklagten ohne dessen Wissen
gespeicherten Passwortes Zugang zu dem Internetforum verschaffen können. Es sei
durchaus möglich, dass nach Eingabe des Nutzernamens das Passwort vom System
automatisch eingefügt werde. Dies habe der Verfahrensbevollmächtigte des
Verfügungsbeklagten erst nach dem hier in Rede stehenden Vorfall festgestellt. Dieses
alles sei aber auch dem Verfügungsbeklagten bis zu diesem Vorfall nicht bekannt
gewesen. Er selbst habe erst nach seiner Rückkehr von einer Bergtour, auf der er sich in
der Zeit vom 21.07.2006 bis 24.07.2006 befunden habe, von dem Vorfall erfahren. Die
Zeugin E könne bestätigen, dass die Äußerung nicht von dem Verfügungsbeklagten
getätigt worden sei, da sie unmittelbar nach Tätigung der Äußerungen mit einem
Unbekannten korrespondiert und telefoniert habe, bei dem es sich nicht um den
Verfügungsbeklagten gehandelt habe. Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, nicht
nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu haften. Der Verfügungsbeklagte ist
weiterhin der Ansicht, es fehle an einer Wiederholungsgefahr. Zum einen sei der
Verfügungsbeklagte von dem Internetportal – insoweit unstreitig – ausgeschlossen
worden, zum anderen habe der Verfügungsbeklagte über seinen
Verfahrensbevollmächtigten mitteilen lassen, dass er die Äußerung auf das Schärfste
verurteile und derartige Äußerungen auch weder in der Vergangenheit getätigt habe
noch diese in Zukunft tätigen werde. Er habe versucht, eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abzugeben. Der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten des
Verfügungsklägers übersandte Text einer Unterlassungserklärung sei aber unzumutbar
gewesen, weil dieser unzutreffenderweise suggeriere, dass der Verfügungsbeklagte der
Verfasser der Antwort gewesen sei. Außerdem sei eine Auskunftserteilung begehrt
worden, die dem Verfügungsbeklagten nicht möglich gewesen sei sowie
Schadensersatz.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden,
insbesondere die Ausdrucke von der Internetseite www.frag-einen-anwalt.de Bezug
genommen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch hat der
Verfügungsbeklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Diese hat
der Verfügungskläger angenommen. Daraufhin haben die Parteien das
Verfügungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und
wechselseitige Kostenanträge gestellt.
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II.
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Nachdem die Parteien das Verfügungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache
für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 a ZPO unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu
entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten des Verfügungsverfahrens auf den
Verfügungsbeklagten. Denn dieser wäre ohne das erledigende Ereignis unterlegen, §
91 I ZPO.
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Dem Verfügungskläger stand vor Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung
vom 27.09.2006 durch den Verfügungsbeklagten ein Verfügungsanspruch aus §§ 823,
1004 BGB zu. Der Inhalt der beiden mit einstweiliger Verfügung vom 02.08.2006
untersagten streitgegenständlichen Äußerungen stellt sich auch unter Berücksichtigung
der insoweit hohen Anforderungen an die Annahme von Schmähkritik unzweifelhaft als
eine solche dar. Diese Einschätzung der Kammer wird von den Parteien auch geteilt.
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Der Verfügungskläger hat des weiteren hinreichend glaubhaft gemacht, dass die
streitgegenständlichen Äußerungen von dem Verfügungsbeklagten stammen, § 294
ZPO. Insoweit sind die von dem Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen und
eidesstattlichen Versicherungen nicht geeignet, die erfolgte Glaubhaftmachung zu
erschüttern. Zwar hat der Verfügungsbeklagte mit eigener Versicherung an Eides statt
sowie Versicherung des Zeugen X2 versichert, zum Zeitpunkt der
streitgegenständlichen Äußerungen auf einer Hochgebirgstour gewesen zu sein. Auch
hat er in seiner eidesstattlichen Versicherung die ihm von dem Verfügungskläger
zugeschriebenen Internetaktivitäten in Abrede gestellt. Die Kammer verhehlt insoweit
jedoch nicht, dass sie angesichts der von dem Verfügungskläger in den Anlagen A 8 bis
A 13 vorgelegten unstreitig von dem Verfügungsbeklagten stammenden Äußerungen
über den Verfügungskläger in dem internen Forum auf der Seite www.frag-einen-
Anwalt.de Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen
hat. Denn diese unstreitig dem Verfügungsbeklagten zuzuordnenden Äußerungen wie
z.B. "Und der Klöner kugelrund, träumt vom Döner – kerngesund. Denn wir haben schon
gesehen, lässt er gut es gar sich gehen." Oder "Der Schwarti hüpft, ganz froh und rund,
von Köln nach München – kerngesund. Doch wollen wir das gar sehen, dem Wendehals
sein Wohlergehen. Denn bald nun fängt Gejammer an, darf niemals nie an Fragen ran,
kriegt immer nur das Krümelzeug, selbst Ratespiele – weggefleucht! Wir überall schnell
ausgeschlossen, damit das Spiel erst recht genossen." Oder "Ode vom Schwarti – Drum
wolln wir jetzt den Schwarti grüssen, nicht ewig soll er doch hier büssen. (bis zur
nächsten Rüpelorgie)" oder "Oh, wer hätte das gedacht, das Rechtstrost spenden soviel
Freude macht." sind in der Diktion, der Wortwahl und ihrem Aufbau sowie der
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Zielrichtung der Äußerungen derart ähnlich, dass es für die Kammer schlechterdings
nicht nachvollziehbar ist, dass es der Sohn des Verfügungsbeklagten, von dem zudem
von seiten des Verfügungsbeklagten in keiner Weise vorgetragen ist, dass und woher
dieser den Verfügungskläger kennt und aus welchem Grund er dazu kommen sollte, den
Verfügungskläger auf die vorgenannte, zufälligerweise mit dem Stil und dem Duktus des
Verfügungsbeklagten identische Art und Weise zu beleidigen und herabzusetzen,
gewesen sein soll, der die streitgegenständlichen Äußerungen getätigt hat. Soweit der
Verfügungsbeklagte zur weiteren Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung
der Zeugin E vorgelegt hat, verhält sich diese bereits nicht unmittelbar zu der Frage, wer
Verfasser der Äußerungen ist. Denn die Zeugin E war bei der Tätigung der Äußerungen
nicht anwesend und kann daher aus eigener Anschauung zu dieser Frage nichts
bekunden. Insoweit käme dem von ihr geschilderten Kontakt mit dem "Unbekannten",
der nicht der Verfügungsbeklagte gewesen sein soll, allenfalls eine schwache
Indizwirkung zu. Von daher ist die eidesstattliche Versicherung der Zeugin E schon von
ihrem Inhalt her nicht geeignet, die erfolgte Glaubhaftmachung zu erschüttern. Darüber
hinaus verhehlt die Kammer nicht, dass sie vor dem zwischen den Parteien nicht
streitigen Hintergrund, dass die Fragen, zu deren Beantwortung die
streitgegenständlichen Äußerungen getätigt wurden, offenbar von der IP-Adresse der
Zeugin E verbreitet worden sind, Zweifel an den Erklärungen der Zeugin E hat. Auch die
von dem Zeugen U der qnc GmbH an Eides statt versicherte an ihn gerichtete E-Mail
vom 24.07.2006, die von der E-Mail Adresse des Verfügungsbeklagten aus gesendet
wurde, ist geeignet, Zweifel an dem Vortrag und den vorgelegten
Glaubhaftmachungsmitteln des Verfügungsbeklagten aufkommen zu lassen. Zwar hat
der Verfügungsbeklagte auch die Urheberschaft an dieser E-Mail in seiner
eidesstattlichen Versicherung in Abrede gestellt. Auch insoweit stellt sich indes aus
Sicht der Kammer die Frage, woher der in diesem Fall als Urheber der E-Mail allein in
Betracht kommende Sohn des Verfügungsbeklagten – unterstellt, dass dieser auch
Zugang zu dem E-Mail-Account des Verfügungsbeklagten gehabt haben sollte –
Kenntnis von den in der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen U genannten und
offenbar nicht allgemein bekannten Informationen über den Verfügungskläger und einer
anderen Anwältin gehabt haben sollte. Nach alledem kann im Rahmen einer
Gesamtschau der von beiden Seiten vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln nicht von
einer Erschütterung der Glaubhaftmachung der Urheberschaft des Verfügungsbeklagten
hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen ausgegangen werden.
Selbst wenn man aber die Glaubhaftmachung als erschüttert ansähe und den Vortrag
des Verfügungsbeklagten zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellte, führte dies zu
keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn nach dem Vortrag des
Verfügungsbeklagten war es sein im Haushalt lebender Sohn, der von dem im Haushalt
befindlichen Computer des Verfügungsbeklagten unter dem Namen des
Verfügungsbeklagten die streitgegenständlichen Äußerungen getätigt hat. Dieser hatte
nach dem eigenen Vortrag des Verfügungsbeklagten deshalb Zugang zu dem aus
Sicherheitsgründen durch einen Nutzernamen und zusätzlich ein Passwort gesicherten
Internetforum, weil der Nutzername des Verfügungsbeklagten im System bekannt war
und auch das Passwort bei Eingabe des (nach dem Vortrag des Verfügungsbeklagten:
im System bekannten) Nutzernamens des Verfügungsbeklagten im PC des
Verfügungsbeklagten bereits gespeichert war. Bei dieser Sachlage haftet der
Verfügungsbeklagte jedenfalls für das über seinen Computer und seinen
Internetanschluss erfolgte Verbreiten der streitgegenständlichen Äußerungen nach den
Grundsätzen der Störerhaftung. Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in
entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine begangene
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Rechtsverletzung, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner
Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt
hat (LG Hamburg ZUM 2006, 661; LG Hamburg Beschluss vom 19.09.2006 – 308 O
603/06 n.v.; Schricker, UrhG, § 97 Rn. 36 a m.w.N.). Allerdings setzt die Haftung des
Störers die Verletzung von Handlungs- oder Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang
bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach
den Umständen eine Handlung bzw. Prüfung zuzumuten ist (LG Hamburg ZUM 2006,
661 m.w.N.; LG Hamburg Beschluss vom 19.09.2006 – 308 O 603/06 n.v.). Dabei wird
die Störerhaftung Dritter durch Zumutbarkeitserwägungen eingegrenzt, wobei sich die
Art und der Umfang der gebotenen Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben
bestimmen (LG Hamburg ZUM 2006, 661; LG Hamburg Beschluss vom 19.09.2006 –
308 O 603/06 n.v.; Schricker, UrhG, § 97 Rn. 36 a). Es besteht ferner eine Verpflichtung,
bereits im Vorfeld einer Rechtsverletzung geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch
welche Rechtsverletzungen so weit wie möglich verhindert werden, wobei sich
allerdings auch diese Vorkehrungen wiederum im Rahmen des Zumutbaren und
Erforderlichen zu halten haben (LG Hamburg ZUM 2006, 661 m.w.N.; LG Hamburg
Beschluss vom 19.09.2006 – 308 O 603/06 n.v.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze
haftet der Verfügungsbeklagte als Störer. Denn der Verfügungsbeklagte hat seinen
Kindern als Mitgliedern seines Haushalts die Benutzung seines Computers und auch
den Internetzugang ermöglicht. Er hat ferner jedenfalls durch Nichteinhaltung auch nur
eines Mindestmaßes an Sicherheitsvorkehrungen seinen Kindern den Zugang zu dem
Internetforum www.frag-einen-anwalt.de ermöglicht. Denn insoweit hat er entweder
durch eigene Handlung den Nutzernamen und das Passwort an seinen Sohn
weitergegeben oder aber er hat den Nutzernamen und das Passwort im Computer
gespeichert, so dass bei (offensichtlich nach dem Vortrag des Verfügungsbeklagten
bereits nicht erforderlicher) Eingabe des Nutzernamens im Rahmen des Einlogvorgangs
das Passwort automatisch hinzugefügt wurde. Oder aber der Verfügungskläger hat es
unterlassen, diese Voreinstellung in seinem Privatcomputer auszuschalten. In allen
diesen Fällen stellte sich das Verhalten des Verfügungsbeklagten als willentlicher
Beitrag dar, durch den der Verfügungsbeklagte adäquat kausal an den nach seinen
Behauptungen von seinem Sohn unter dem Namen des Verfügungsbeklagten
begangenen Rechtsverletzungen mitgewirkt hat. Soweit der Verfügungsbeklagte
schriftsätzlich in Abrede gestellt hat, dass ihm die durch die Einstellung seines
Computers eröffnete Zugangsmöglichkeit zu dem vorgenannten Internetforum vor dem
streitgegenständlichen Vorfall bekannt war, ist dies zwar schriftsätzlich vorgetragen,
aber seitens des Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht worden. Die stattdessen
erfolgte Glaubhaftmachung, dass den Verfahrensbevollmächtigten des
Verfügungsbeklagten derartige Einstellungen an ihren Computern nicht aufgefallen sein
wollen, ist in Bezug auf die Kenntnis des Verfügungsbeklagten unergiebig. Dass der
Verfügungsbeklagte keine Kenntnis davon gehabt haben soll, ist aus Sicht der Kammer
aber auch gänzlich lebensfremd und nicht nachvollziehbar. Insoweit ist es
gerichtsbekanntermaßen für jeden Laien ohne weiteres ersichtlich, ob beim Einloggen
in ein passwortgeschütztes Internetportal a) weder Nutzername noch Passwort
eingegeben werden müssen, b) nur der Nutzername eingegeben werden muss und
dann das Passwort vom System ohne weitere manuelle Eingabe durch den Nutzer
hinzugefügt wird oder ob c) sowohl Nutzername als auch Passwort bei jedem einzelnen
Einlogvorgang eingegeben werden müssen.
Die durch die von dem Verfügungsbeklagten behaupteten Einstellungen an seinem
Privatcomputer und die dadurch bedingte von dem Verfügungsbeklagten nicht
verhinderte Aushebelung sämtlicher Sicherheitsmechanismen, durch die ein Zugang zu
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dem Internetforum durch Unbefugte verhindert werden sollten, barg im Zusammenhang
mit der mehrtägigen Abwesenheit des Verfügungsbeklagten das von ihm selbst
geschaffene nicht unwahrscheinliche Risiko, dass der dadurch eröffnete Zugang zu dem
Internetforum www.frag-einen-anwalt.de von seinen Söhnen genutzt und zur Begehung
von Rechtsverletzungen missbraucht werden konnte. Dies hätte der
Verfügungsbeklagte in Rechnung stellen müssen. Mit Rücksicht darauf kann der
Verfügungsbeklagte sich auch nicht darauf zurückziehen, er habe keine Anhaltspunkte
dafür gehabt, dass seine Kinder den Account missbräuchlich verwenden würden. Denn
das vorbezeichnete Risiko hätte sich durch einfachste Sicherheitsvorkehrungen, die
dem Verfügungsbeklagten auch ohne weiteres rechtlich und tatsächlich möglich und
zumutbar waren, sicher und zuverlässig ausschließen lassen können. Indem der
Verfügungsbeklagte untätig blieb, nahm er billigend in Kauf, dass unter seinem Namen
Rechtsverletzungen begangen wurden.
Nichts anderes ergibt sich aus den von dem Verfügungsbeklagten im Termin zur
mündlichen Verhandlung zu den Gerichtsakten gereichten Urteilen. Soweit der
Verfügungsbeklagte seine abweichende Rechtsauffassung auf zwei Entscheidungen
der Oberlandesgerichte Naumburg (Urteil vom 02.02.2004 – 9 U 145/03) und Köln
(Urteil vom 13.01.2006 – 19 U 120/05) stützt, sind diese Entscheidungen bereits im Kern
auf den vorliegenden Sachverhalt und die vorliegend zu beurteilende Rechtsfrage nicht
übertragbar. Denn diese beschäftigen sich mit der gänzlich anderen Kriterien folgenden
Problematik der Zurechnung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen an den
Inhaber eines passwortgeschützten Accounts bei missbräuchlicher Verwendung seines
Namens bzw. Accounts. Das ist aber ein gänzlich anderer Fall als die Frage der
Störerhaftung im Rahmen von Unterlassungsansprüchen und mit dieser auch nicht
ansatzweise vergleichbar. Soweit der Verfügungsbeklagte sich auf die Entscheidung
des Oberlandesgerichts Hamburg (Urteil vom 22.08.2006 – 7 U 50/06 – Heise) beruft,
handelt es sich zwar insoweit um einen Fall der Störerhaftung im Rahmen eines
Unterlassungsanspruchs. Diesen beurteilt das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt
nach dem gleichen Ansatz der Zumutbarkeit der Vorkehrungs- und
Prüfungsmaßnahmen wie die erkennende Kammer (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom
22.08.2006 – 7 U 50/06). Der Verfügungsbeklagte verkennt indes, dass dem von dem
Oberlandesgericht Hamburg zu entscheidenden Fall ein mit dem vorliegenden Fall nicht
vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte sich
mit der Frage der Haftung des Betreibers eines Internetforums zu beschäftigen. Insoweit
hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass mit Rücksicht auf die Presse-
und Meinungsäußerungsfreiheit für den Betreiber eines Internetforums eine
Verpflichtung zur Vornahme einer der Einstellung von Forumsbeiträgen durch die
Nutzer vorgeschalteten generellen "Eingangskontrolle" nicht besteht. Im Hinblick auf
den Umstand, dass in derartigen Foren aufgrund der großen Anzahl von Nutzern, die
erhebliche Mengen an Beiträgen in die Foren einstellen, die permanente vollständige
Überwachung sämtlicher Beiträge für den Betreiber des Forums einen enormen
erheblichen Personalaufwand erfordert, hat das Oberlandesgericht Hamburg die
Prüfungspflicht hinsichtlich von in Forumsbeiträgen begangenen Rechtsverletzungen
auf Fälle eingeschränkt, in denen ein Anlass für eine Prüfung vorliegt. Diese
Erwägungen kommen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht zum Tragen. Denn
zum einen kommt es im Falle des Verfügungsbeklagten nicht zu einer Einschränkung
der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit, wenn ihm im Rahmen der Störerhaftung
abverlangt wird, das Risiko des Missbrauchs seines persönlichen und
passwortgeschützten Zugangs zu einem Internetforum für Anwälte auf seinem im
eigenen Haushalt befindlichen Computer durch ein Minimum an
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Sicherheitsvorkehrungen auszuschalten. Zum anderen ist der im Haushalt des
Verfügungsbeklagten stehende Computer auch nicht dem Zugriff einer zahlenmäßig
nicht eingegrenzten Anzahl von Personen ausgesetzt, die im Falle einer umfassenden
Überwachung rechtsverletzender Handlungen einen erheblichen Personalaufwand
erforderte. Vielmehr ist die Anzahl der Personen, die auf den häuslichen Computer des
Verfügungsbeklagten Zugriff haben, durch den Umstand, dass sich dieser im Haushalt
des Verfügungsbeklagten befindet, eng eingegrenzt. Der Kreis der potentiellen Nutzer
ist überschaubar, hinreichende Einflussmöglichkeiten des Verfügungsbeklagten auf
diese sind sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht gegeben. Die
Schaffung der von der Kammer vorliegend vermissten Vorkehrungen sowie die
Durchführung von Prüfungen ist für den Verfügungsbeklagten vor diesem Hintergrund
mit einem überaus geringen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand
verbunden und ohne weiteres rechtlich und tatsächlich möglich. Darüber hinaus
verkennt der Verfügungsbeklagte aber auch, dass das Oberlandesgericht Hamburg
selbst in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall im Ergebnis eine Störerhaftung
bejaht und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass es – ähnlich wie die erkennende
Kammer in ständiger Rechtsprechung – die Grundsätze der Störerhaftung tendenziell
weit fasst.
Entgegen der beklagtenseits vertretenen Auffassung kann auch an der
Wiederholungsgefahr nicht gezweifelt werden. Diese ist für den Unterlassungsanspruch
materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BVerfG NJW 2000, 1209; BGH NJW 1995,
132). Wiederholungsgefahr in diesem Sinne wird nach einhelliger Ansicht in der
Rechtsprechung und Literatur durch die festgestellte Rechtsverletzung, die der
Verfügungsbeklagte sich entweder als Handelnder oder aber zumindest als Störer
zurechnen lassen muss, vermutet (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, Rn. 12.8 m.w.N.) und kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. LG Hamburg ZUM 2006, 661). Eine
solche hat der Verfügungsbeklagte aber unstreitig nicht abgegeben. Die von ihm
abgegebenen Absichtserklärungen sind bereits mangels Strafbewehrung nicht
geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Gleiches gilt für die Erklärung der
Missbilligung der Äußerung durch den Verfügungsbeklagten. Soweit sich der
Verfügungsbeklagte darauf zurückgezogen hat, er habe sich außerstande gesehen, die
von dem Verfügungskläger vorformulierte Unterlassungsverpflichtungserklärung zu
unterzeichnen, weil diese aus seiner Sicht mit unzumutbaren Bedingungen verknüpft
gewesen sei, kann er auch damit nicht durchdringen. Es hätte dem
Verfügungsbeklagten ohne weiteres freigestanden, die von ihm gewünschten
Modifikationen vorzunehmen und außergerichtlich eine inhaltlich nach seinen
Wünschen gestaltete strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben.
Dann hätte es an dem Verfügungskläger gelegen, zu erklären, ob er diese
Unterlassungsverpflichtungserklärung des Verfügungsbeklagten annimmt oder nicht. Ob
diese Unterlassungserklärung ausreichend gewesen wäre, hätte sodann der
gerichtlichen Überprüfung unterlegen. Das ist aber unstreitig nicht geschehen. Auf den
zwischen den Parteien streitigen Inhalt der telefonischen Unterredungen der
Verfahrensbevollmächtigten kommt es aus diesem Grunde nicht an.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 28.09.2006
rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
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