Urteil des LG Köln vom 07.09.2006
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Landgericht Köln, 24 O 479/05
Datum:
07.09.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 479/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten
der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
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Die Klägerin unterhält bei der Beklagten als führendem Versicherer mit einem Anteil von
70 % eine Garantieversicherung, nach dem alle fabrikneuen Lieferungen und
Leistungen der Klägerin aus ihrem G E-Control Glas Programm nach Maßgabe des
Vertrages versichert sind, nämlich nach Ziffer 5.1. der Police, die vom
Versicherungsmakler N GmbH entworfen wurde, "alle ... kosmetischen /visuellen
(Lichtkonsistenz) und funktionellen Schäden gemäß "Allgemeine Verkaufs- und
Lieferbedingungen für G E-Control", deren Ursache in der Herstellung oder Montage
liegen und in der folgenden Garantiezeit sichtbar bzw. festgestellt werden."
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Nach Ziffer 5.2.1 gewährt der Versicherer "also Versicherungsschutz gegen Schäden an
den versicherten Sachen, verursacht durch Konstruktionsfehler, Guß- oder
Materialfehler, [...] oder Montagefehler, soweit sie der Versicherungsnehmer aufgrund
seines Verkaufs oder Liefervertrages zu vertreten hat."
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Zum weiteren Inhalt des Versicherungsvertrages wird auf die Anlagen 1 und 2 zur
Klageschrift Bezug genommen (Bl. 32 ff., Bedingungen Bl. 37 ff. [39] GA).
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Versicherter Gegenstand war eine von der Klägerin entwickelte elektrochrome
Verglasung; durch Stromflusss sollte sich die Farbe der Glasscheiben verändern. Die
Klägerin vertrieb diese Gläser auf der Grundlage ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen
(Anl. 6, Bl. 56 ff. GA), die eine Haftungsregelung für den Fall vorsahen, dass sich das
System als nicht tauglich erwies (Bl. 59 GA).
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Ab Juni 2001 stellte die Klägerin an einigen Verglasungen am Rand Braunfärbungen
fest. Die Beklagte lehnte jegliche Haftung für Schäden aus diesem Umstand ab, ebenso
die Streithelferin, bei der die Klägerin eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung
unterhält. Grund für die Braunfärbungen war primär eine unzureichende Entwicklung
des Produkts, hilfsweise beruft sich die Klägerin auf einen Konstruktionsfehler im
engeren Sinne.
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Die Klägerin trägt vor, dass die von ihr entwickelten Gläser bei verschiedenen
Bauvorhaben eingebaut worden seien und sie sich nach Auftreten der Braunfärbungen
mit den jeweiligen Abnehmern vergleichsweise auf Schadensersatzleistungen in Höhe
von insgesamt 1.244.989,88 € geeinigt habe (Einzelheiten Klageschrift Bl. 8 bis 11 GA).
Davon macht sie 70 % gegen die Beklagte geltend. Im Übrigen seien entsprechende
Gläser auch beim Gymnasium im D eingebaut worden; insoweit sei der Schaden noch
nicht absehbar gewesen und mit einem zunächst angekündigten Feststellungsantrag
geltend zu machen. Insoweit hat die Klägerin den Rechtsstreit in der mündlichen
Verhandlung für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem nicht angeschlossen.
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Die Klägerin hält das hier verwirklichte Risiko für versichert. Die Bedingungen seien
unklar, so dass die Beklagte sich nicht auf Herstellungs- und Montagefehler
zurückziehen könne. Auch Entwicklungsfehler seien Konstruktionsfehler und unterfielen
damit dem Versicherungsschutz. Hierzu behauptet die Klägerin unter Darstellung der
Fehlerursachen im Einzelnen, ein solch verstandener Konstruktionsfehler, vor allem ein
solcher im engeren Sinne (dazu Schriftsatz vom 16.6.2006, Bl. 179 ff. GA), liege vor. Bei
Abschluss des Versicherungsvertrages, der nicht vom Makler, der N GmbH, die an den
Vertragsverhandlungen mitgewirkt habe, gestellt worden sei, sei es ihr Interesse
gewesen, wie für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass auch Entwicklungsfehler,
für die sie einzustehen habe, in die Deckung kämen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 871.429,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz seit dem 5.3.2004 zu zahlen.
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Weiter beantragt die Klägerin,
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festzustellen, dass sich ihr Begehren, die Verpflichtung der Beklagten aus dem
zwischen den Parteien geschlossenen Generalvertrag über die
Garantieversicherung Nr. GTV 40/622/3 201 011/403, gültig ab dem 1.8.2000,
weitere Leistungen zu erbringen, sofern Kunden der Klägerin wegen fehlerhafter E-
Control Gläser berechtigt Schadensersatzansprüche in unverjährter Zeit geltend
machen, erledigt hat und der Beklagten insoweit die Kosten aufzuerlegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an.
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Die Beklagte hält der Klage entgegen, dass sie – wie bei Garantieversicherungen
üblich- keine Deckung für Entwicklungsrisiken übernommen habe. Dazu behauptet sie,
dass sei bei Vertragsschluss übereinstimmende Meinung gewesen. Einen versicherten
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Konstruktionsfehler habe die Klägerin ebenso wie Schadensumfang und -höhe nicht
nachvollziehbar dargelegt; es bleibe beim Entwicklungsfehler. Im Übrigen sei die
Klageausschlussfrist nicht gewahrt. Zumindest liege der Schaden in vorzeitiger
Abnutzung begründet und (oder) beruhe auf Oxidation. Neben diesen Ausschlüssen
beruft sich die Beklagte auf den Ausschluss des Schadens durch dauernde Einflüsse
des Betriebs und durch unsachgemäße Behandlung. Das Produkt sei bereits im Jahre
2001 als mangelhaft erkannt worden und habe jedenfalls danach nicht mehr in den
Verkehr gebracht werden dürfen. Insbesondere der Schaden bei der Firma F sei daher
grob fahrlässig herbeigeführt worden. Im ersten Schadensfall habe die Klägerin insoweit
auch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Im Übrigen hafte sie, die
Beklagte, nur subsidiär.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen ergänzend Bezug genommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 24.8.2006
wird verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet. Soweit die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt
hat, war die Klage in der Hauptsache nicht begründet, so dass auch der nunmehr
gemäß einseitiger Erledigungserklärung der Klägerin sinngemäß gestellte
Feststellungsantrag abzuweisen ist.
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Dabei ist die Klage nicht im Sinne von § 12 Abs. 3 VVG verfristet erhoben worden,
unabhängig von der Frage, ob die Deckungsablehnung hier an den richtigen
Adressaten gerichtet war. Per Fax ging die Klageschrift am Tag des von der Beklagten
vorgetragenen Fristablaufs, am 31.10.2005, bei Gericht ein. Der Kostenvorschuss ist am
14.11.2005 und damit rechtzeitig eingezahlt worden. Die Zustellung der Klage erfolgte
damit rechtzeitig im Sinne von § 167 ZPO.
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Die Klage ist nicht begründet, da sich schon nach dem Klagevortrag keine versicherte
Gefahr verwirklicht hat. Weder das Hauptvorbringen der Klägerin noch ihr
Hilfsvorbringen stützen die Klage:
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I.
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Nach Ziffer 5.1. des Vertrages sind Schäden versichert, deren Ursache in der
"Herstellung oder Montage" liegen. Ziffer 5.2. beschreibt dies näher, wie sich eindeutig
aus der Formulierung "Der Versicherer gewährt also Versicherungsschutz gegen
Schäden (...) verursacht durch ..." ergibt, und nennt dann in Ziffer 5.2.1 u.a.
Konstruktionsfehler. Ein Konstruktionsfehler im Sinne dieser vertraglichen Vereinbarung
liegt nicht vor. Dabei kann dahinstehen, wie der Vertrag zustande gekommen ist und ob
die Beklagte die Bedingungen gestellt, vor allem, ob sie als deren Allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB (§§ 1 ff. AGBGB a. F.) anzusehen
sind. Das Bedingungswerk ist nicht unklar, sondern verständlich.
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Schon vom Wortlaut her, wie durch das Wort "also" in Ziffer 5.2. zum Ausdruck gebracht
wird, sind in Ziffer 5.2.1 nähere Umschreibungen der Herstellungs- und Montagefehler
als versicherte Gefahrenumstände genannt. In Ziffer 5.1. ist, wie unschwer zu verstehen,
der Grundsatz ausgeführt. Die Einleitung der Ziffer 5.2. lässt nur den Schluss zu, dass
nachfolgend näher genannt wird, was Herstellungs- und Montagefehler sind, die in der
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Deckung sein sollen, nämlich auch Konstruktionsfehler, was zeigt, dass diese dem
Bereich der Herstellung zuzuordnen sein mögen.
Soweit nachfolgend keine exakte Definition des Konstruktionsfehlers folgt, ist eine
solche damit aus dem Kontext des Bedingungswerks zu erschließen. Ausgehend vom
Obersatz in Ziffer 5.1. folgt damit nach Auffassung der Kammer unmittelbar, dass ein
gedeckter Konstruktionsfehler nur ein solcher sein kann, der im Bereich der Herstellung
oder Montage des Produkts anzusiedeln ist. Das aber schließt einen Fehler aus dem
Bereich der Produktentwicklung zweifelsfrei aus. Schon nach dem Klägervortrag liegt
die Ursache der Produktmangelhaftigkeit aber im Bereich der Entwicklung, wie in der
Replik vom 16.5.2006 zusammenfassend vorgetragen (dort S. 5, Bl. 163 GA).
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Eine andere Auslegung, wie sie die Klägerin als richtig ansieht, fügt sich nicht in den
Aufbau des Bedingungswerks und in die Formulierung, wie sie mit Bedacht in Ziffern 5.1
und 5.2. gewählt wurde. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Entwicklungsrisiken
solche Gefahren sind, die von der Konstruktion eines Produkts ausgehen –
produkthaftungsrechtlich indes nur dann, wenn sie nach dem neusten Stand der
Technik nicht zu vermeiden waren (BGHZ 129, 353 = NJW 1995, 2162 [insb. S. 2163]),
und beachtet, dass diese produkthaftungsrechtliche Einstufung auch dem technischen
Verständnis des Begriffes "Konstruktion" nachgeht, wonach ein Konstruktionsprozess in
vier Phasen verläuft vom Entwerfen und Entwickeln bis zur Erarbeitung der
Fertigungsunterlagen (vgl. Brockhaus Enzyklopädie Stichwort "Konstruktion"), ergibt
sich hier kein anderes Verständnis des vertraglich Vereinbarten:
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Zum einen ist schon zweifelhaft, ob der Begriff des Konstruktionsfehlers hier im Sinne
einer einheitlichen Auslegung im Rechtsverkehr nur gemäß seiner
produkthaftungsrechtlichen Verwendung im Klägersinne auszulegen ist. Werden
produkthaftungsrechtlich die Begriffe "Entwicklungsfehler" und "Konstruktionsfehler"
bisweilen überlappend verwendet (s. BGH, a.a.O. mit w. Nachweisen) in dem Sinne,
dass Einwicklungsfehler von der Konstruktion eines Produkts ausgehen müssen (dazu
auch: Foerste in Graf v. Westphalen, Produkthaftung, 2. Aufl., § 24 Rn. 82; s. auch ebd. §
72 Rn. 77), so werden die Begriffe sogleich auch wieder geschieden, als ein
Konstruktionsfehler dann vorliegen soll, wenn ein Produkt schon seiner Konzeption
nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt (Foerste, a.a.O., § 24, Rn. 59),
wohingegen der Begriff des Entwicklungsfehlers solche Gefahren erfasst, die auch nach
dem neusten Stand der Technik nicht zu vermeiden waren (Foerste, a.a.O., Rn. 82
m.w.N.), indes lediglich typischerweise der Planung oder Konstruktion zuzuordnen sind,
aber auch der Fabrikation zugeordnet werden können. Der Begriff des
Entwicklungsfehlers ist damit vor dem Hintergrund von § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG ein
solcher, der über die Kategorie des Verschuldens eine Abgrenzung zwischen Fehlern,
für die zu haften ist und solchen, für die den Hersteller keine Haftung trifft, vorgenommen
wird. Bei näherer Betrachtung sind Entwicklungsfehler und Konstruktionsfehler daher
produkthaftungsrechtlich verwendete Begriffe, die unterschiedliche Sichtweisen vor dem
Hintergrund des Haftungsgefüges des Produkthaftungsrechts umschreiben und von
daher von einander zu trennen sind (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. III/1, 2.
Aufl., Rn. 4.636). Das zeigt, dass die Auslegung des Begriffes "Konstruktionsfehler"
schon produkthaftungsrechtlich nicht auch "Entwicklungsfehler" oder –risiken
einschließt, sondern lediglich Entwicklungsfehler umgekehrt im Bereich der
Konstruktion aufgetreten sein können. Legte man hier also diese Sichtweise an, folgte
daraus nicht zwingend, dass durch den Begriff des Konstruktionsfehlers in Ziffer 5.2.1
auch solche aus dem Bereich der Entwicklung mit in der Deckung wären.
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Zum anderen steht einer Auslegung des hier im Vertrag verwandten Begriffs des
Konstruktionsfehlers im Sinne der klägerseits bemühten Definition aus BGHZ 129, 353
entgegen, dass in der Rechtsprechung jedenfalls zur Maschinen-Garantieversicherung
der Begriff des Konstruktionsfehlers eindeutig definiert ist (s. BGH, VersR 1984, 1185).
Danach liegt ein Konstruktionsfehler nur dann vor, wenn im Rahmen der Konstruktion
gegen bei der Herstellung gegebene technische Erkenntnisse verstoßen worden ist.
Dies folge nach der Entscheidung des BGH daraus, dass Versicherer und
Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages typischerweise davon ausgehen,
dass eine Maschine oder Anlage nach dem derzeitigen Stand der Technik hergestellt
werde. Gerade die Übernahme des Entwicklungsrisikos (also produkthaftungsrechtlich
gesehen des nicht zu vertretenden Fehlers im Bereich der Entwicklung) sei vom
Versicherer nicht gewollt und könne vom Versicherungsnehmer billigerweise auch nicht
erwartet werden. Der BGH verwendet damit einen Konstruktionsfehlerbegriff auch im
Versicherungsrecht, der sich mit dem Begriff des Konstruktionsfehlers deckt, für den
produkthaftungsrechtlich einzustehen ist, da das Entwicklungsrisiko gerade aus der
Haftung genommen ist (§ 1 II Nr. 5 ProdHG).
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Der Vertrag lässt auch unter dem Aspekt nicht erkennen, dass mit dem hier verwendeten
Begriff des Konstruktionsfehlers etwas anderes im Sinne der Klägerseite gewollt war.
Wie dargestellt, spricht der Wortlaut schon entscheidend dagegen. Hinzu kommt, dass
ein Entwicklungsfehler oder eine Übernahme des Entwicklungsrisikos ausdrücklich
gerade nicht genannt sind. Folgte man dem klägerseitigen Auslegungsansatz zum
Konstruktionsfehlerbegriff wäre indes gerade zu erwarten gewesen, dass das
Entwicklungsrisiko ausdrücklich im Vertrag genannt wäre. Zum einen soll nach dem
Klägervortrag der Begriff des Entwicklungsrisikos den des Konstruktionsfehlers
voraussetzen – produkthaftungsrechtlich jedoch dem nicht gleichstehen, weshalb hier
eine Niederlegung dieses Risikos dringend erforderlich gewesen wäre, wenn es denn
versichert sein sollte. Zum anderen soll bei Vertragsschluss gerade erkennbar gewesen
sein, dass die Klägerin das Entwicklungsrisiko versichern wollte. Dann aber hätte dies
umso mehr im Vertrag niedergelegt werden müssen. Dies gilt vor allem auch vor dem
Hintergrund, dass die Klägerin hier nach ihren Verkaufsbedingungen teilweise die
Haftung für das Entwicklungsrisiko übernommen hatte (s. Bl. 56 ff. GA). Selbst wenn
dies der Beklagten im Übrigen bekannt gewesen sein sollte, ergibt sich nichts anderes:
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Die Klägerin trägt nicht vor, dass dieser Wille von der Gegenseite überhaupt auch
akzeptiert worden sei (entgegen dem Vertragswortlaut) oder man sich einig gewesen
sei, dass durch den verwendeten Begriff des Konstruktionsfehlers auch
Entwicklungsrisiken gedeckt sein sollten. Hinzu kommt, dass man nach den
Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin im Termin auch erhebliche Zweifel
haben kann, ob auch aus ihrer Sicht tatsächlich das Entwicklungsrisiko versichert
werden sollte.
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Stützt der Wortlaut der Bedingungen nur eine solche Auslegung des Begriffs des
Konstruktionsfehlers, der Entwicklungsrisiken ausschließt, da er an die
Produktherstellung anknüpft und damit den Bereich der Entwicklung gerade nicht
einschließt, so erschließt sich vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung zum
Konstruktionsfehler im Garantieversicherungsrecht erst recht kein anderes Verständnis
als im Sinne des dort Niedergelegten: Regelmäßig will ein Versicherer nicht das
Entwicklungsrisiko übernehmen, also das Risiko, das mit einer (Fort-)entwicklung eines
Produkts über den bisherigen Erkenntnisstand der Technik verbunden ist. Dieses Risiko
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ist das ureigene Unternehmerrisiko, das regelmäßig nicht versicherbar ist. Sofern der
Versicherungsnehmer entgegen dem –auch hier eindeutigen und gerade nicht unklaren-
Wortlaut des Versicherungsvertrages dem Vertrag eine andere Bedeutung zumessen
will, muss er diese Abweichung vom Regelfall darlegen und beweisen. Das kann die
Klägerin hier nicht, wie zwischen den Parteien breit erörtert worden ist. Die hier
realisierten Entwicklungsrisiken sind damit gerade nicht gedeckt.
II.
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Auch nach dem Hilfsvortrag der Klägerin liegt kein Konstruktionsfehler im "engeren
Sinne", also ein solcher, der bei Beachtung der technischen Erkenntnisse vermeidbar
gewesen wäre, vor. Soweit die Klägerin hierzu unter Verweis auf die
Deckungsablehnung der Streithelferin vorgetragen hat, ergibt sich auch daraus kein
versicherter Konstruktionsfehler: Die nicht ausreichende oder unterlassene Erprobung
des Systems insbesondere auch für den Fall, dass es nicht regelmäßig bzw. nicht häufig
genutzt wurde, ist dem Bereich der Produktentwicklung zuzuordnen. Die Klägerin trägt
in diesem Zusammenhang selbst vor, dass der Aspekt der Beständigkeit bei
Nichtgebrauch der Gläser nicht der Konstruktion zuzuordnen sei (Schriftsatz vom
16.6.2006, S. 3, Bl. 181 GA). Damit ist die Erprobung dem Bereich der Entwicklung
zuzuordnen. Das ist auch richtig, denn es ist nicht ersichtlich, gegen welche technische
Regeln oder Standards insoweit verstoßen worden sein soll. Soweit die Klägerin darauf
verweist, dass die unterlassene Ermittlung von Grenzkurven eine etablierte
Vorgehensweise sei, und damit nahe legen will, dass gegen diesen technischen
Standard verstoßen worden sei, weshalb auch ein Konstruktionsfehler im Sinne der
Entscheidung des BGH zur Maschinengarantieversicherung vorliegen soll, greift dies
nicht. Auch die Klägerin vermag nämlich nicht darzulegen, wieso erkennbar gewesen
sein soll, dass eine solche Erprobung wie beschrieben geboten war. Sie beschreibt nur,
in Anlehnung an die Sichtweise der Streithelferin, ein etabliertes Verfahren zur
Bestimmung von Grenzwerten. Daraus folgt aber nicht, dass die Durchführung dieses
Verfahrens hier geboten gewesen sein soll und das Unterlassen dieser Tests einen
vermeidbaren Verstoß gegen technische Erkenntnisse und Regeln zu einem
vergleichbaren Produkt darstellte. Angesichts der Neuheit des Produkts, die die
Klägerin selbst herausstellt, ist dies auch gar nicht vorstellbar. Beschrieben wird damit
wiederum nur ein nicht beherrschbares Entwicklungsrisiko, das sich realisiert haben
mag. Ein alternatives fehlerfreies Produkt, um diesen Ansatz der Klägerin zu wählen
(Schriftsatz vom 16.6.2006, S. 2 = Bl. 180 GA), wird von ihr nicht vorgetragen, so dass
sie selbst darlegen muss, dass es auch insoweit um Fragen vor der Konstruktion und
damit nicht um eine solche im "engeren Sinne" ging.
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III.
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Schließlich vermag die Klägerin ihren Anspruch auch nicht darauf zu stützen, dass die
Beklagte angesichts der ihr ggf. bekannten Isolierglasgarantie, die die Klägerin mit
ihrem Produkt aussprechen wollte, nicht ausdrücklich auf den Ausschluss von
Entwicklungsrisiken hingewiesen hat. Die Klägerin hat auf ihrer Seite ausweislich des
Vertrages unter Ziffer 17 einen Versicherungsmakler mit der Wahrnehmung ihrer
Interessen betraut, so dass die Beklagte hier keine gesteigerten Hinweispflichten traf.
Hinzu kommt, dass der Klägerin nach den Worten ihres Geschäftsführers die
Problematik der Versicherbarkeit des Entwicklungsrisikos bekannt war.
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IV.
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Ist das geltend gemachte Risiko, das sich verwirklichte, damit nicht durch den
Versicherungsvertrag gedeckt, kommt es auf die weiteren Einwendungen der
Beklagtenseite nicht an. Die Klage war abzuweisen.
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V.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 101 Abs. 1 1. HS, 709 ZPO.
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Streitwert:
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Bis zum 23.8.2006: 876.429,16 €, danach bis 873.000,- €
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