Urteil des LG Köln vom 05.10.2007

LG Köln: unternehmen, sonderprüfung, restriktive auslegung, einfluss, meldung, aktionärsgruppe, geschäftsführung, aufsichtsrat, nebenintervention, stiftung

Landgericht Köln, 82 O 114/06
Datum:
05.10.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
82 O 114/06
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Der unter Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss der ordentlichen
Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über die Entlastung
des Vorstands der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 wird für
unwirksam erklärt.
2. Der unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss der ordentlichen
Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über die Entlastung
des Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 wird für
unwirksam erklärt.
3. Der unter Tagesordnungspunkt 5 gefasste Beschluss der ordentlichen
Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über die Wahl des
Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2006 wird für unwirksam erklärt.
4. Der unter Tagesordnungspunkt 10 gefasste Beschluss der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über
die Änderung der Satzung (Gegenstand des Unternehmens) 2006 wird
für unwirksam erklärt.
5. Der unter Tagesordnungspunkt 13 gefasste Beschluss der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über
den Entzug des Vertrauens gegenüber dem Vorstand der T2 AG wird für
unwirksam erklärt.
6. Der unter Tagesordnungspunkt 14 gefasste Beschluss der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über
das Verlangen nach § 83 Abs. 1 AktG, den Vorstand zur Vorbereitung
eines Verschmelzungsvertrages zwischen der T2 AG und der Ed. Y
anzuweisen, wird für unwirksam erklärt.
7. Der unter Tagesordnungspunkt 15 gefasste Beschluss der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 über
den Antrag zur Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 AktG wird für
unwirksam erklärt.
8. Es wird festgestellt, dass der Versammlungsleiter der
Hauptversammlung der Beklagten am 14. Juli 2006 verpflichtet gewesen
wäre, die unter Tagesordnungspunkt 15 beantragte Sonderprüfung um
den folgenden Prüfungsgegenstand zu erweitern und der
Hauptversammlung zur Abstimmung zu stellen:
"Prüfungsgegenstand 5: Geschäftsbeziehungen zur X-Gruppe:
Ist es durch die Nichtgeltendmachung von Schadensersatz-
/Nachteilsausgleichungsansprüchen gegenüber der T2 SE bzw.
Organen betreffend nachfolgender Komplexe zu Schäden gekommen:
a. die Veräußerung von Anteilen, insbesondere W5-Anteilen bzw.
Assets an Unternehmen der X-Gruppe inklusive der W5 seit 1998 unter
Wert,
b. keine Vornahme verjährungsunterbrechender Maßnahmen betreffend
vorstehendem Komplex."
9. Es wird festgestellt, dass die ordentliche Hauptversammlung der
Beklagten am 14. Juli 2006 den folgenden unter TOP 13 bekannt
gemachten Antrag beschlossen hat: "Dem Vorstand der Gesellschaft,
bestehend aus den Herren Dr. C2, Dipl.-Ing. D, Dr.-Ing. G4, Dipl.-Ing. K,
Heinz M, Dipl.-Ing. I4 und L wird das Vertrauen entzogen."
10. Es wird festgestellt, dass die ordentliche Hauptversammlung der
Beklagten am 14. Juli 2006 den folgenden unter TOP 14 bekannt
gemachten Antrag beschlossen hat:
"Der Vorstand wird nach § 83 Abs. 1 AktG angewiesen, den Abschluss
eines Verschmelzungsvertrages zwischen der Gesellschaft und der Ed.
Y AG, Stuttgart vorzubereiten."
11. Es wird festgestellt, dass die ordentliche Hauptversammlung der
Beklagten am 14. Juli 2006 den folgenden unter TOP 15 bekannt
gemachten Sonderprüfungsantrag beschlossen hat:
"Die Hauptversammlung bestellt Herrn Rechtsanwalt Dr. E,
Kurfürstendamm 217, 10719 Berlin, zum Sonderprüfer. Er kann
geeignete Hilfspersonen zur Prüfung hinzuziehen. Mit dem Sonderprüfer
wird ein entsprechender Vertrag abgeschlossen, zu dessen Abschluss
der Vorstand, hilfsweise der die Hauptversammlung beurkundende
Notar, äußerst hilfsweise der Leiter der Hauptversammlung ermächtigt
und verpflichtet werden. Sollte der Sonderprüfer das Mandat nicht
übernehmen oder die Tätigkeit nicht abschließen, bestellt die
Präsidentin des Kammergerichts Berlin einen anderen Prüfer, der über
die erforderliche Sachkunde nachweislich verfügt.
Die Sonderprüfung soll sich auf die nachfolgenden Vorgänge der
Geschäftsführung sowie auf die Aufdeckung von aktien- und
konzernrechtswidrigen bzw. kapitalmarktwidrigen Eingriffen bzw.
Leitungsmaßnahmen zu Lasten der Gesellschaft beziehen. Dabei sind
mögliche Ansprüche der Gesellschaft wie zum Beispiel auf
Schadensersatz oder Nachteilsausgleich sowie über Reflexschäden
hinausgehende Ansprüche der Aktionäre gegen gegenwärtige oder
ehemalige Organmitglieder sowie gegen andere Aktionäre und ihre
gegenwärtigen oder ehemaligen Organmitglieder zu ermitteln und
festzustellen. Die nachfolgend dargestellten Prüfungsgegenstände sind
lediglich als eine beispielhafte Aufzählung für mögliche Ansatzpunkte
der weiteren Prüfertätigkeiten anzusehen.
Auf der Seite der Gesellschaft sowie auf der Seite der potentiellen
Schädiger sind auch die nach §§ 15 ff. AktG verbundenen
Gesellschaften in die Sonderprüfung einzubeziehen. Die Sonderprüfung
richtet sich insbesondere gegen die gegenwärtigen oder ehemaligen
Organmitglieder der C T2 SE, Spittal an der Drau, Österreich, diese
selbst sowie mit dieser i.S.d. §§ 15 ff. AktG derzeit bzw. im Geschäftsjahr
2005 verbundenen Unternehmen (nachfolgend "C T2"). Bei den mit der
C T2 verbundenen Unternehmen geht es vor allem um die Ed. Y AG. Bei
den mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen bzw.
Unternehmensteilen sind vor allem die Unternehmen bzw.
Unternehmensteile von der Sonderprüfung betroffen, die im Hoch- und
Ingenieurbau tätig sind bzw. waren. Die Bezeichnung
"Unternehmensbereich Hoch- und Ingenieurbau" umfasst die eigenen
Betriebsabteilungen und die Beteiligungsgesellschaften der
Gesellschaft, die schwerpunktmäßig im Hoch- und Ingenieurbau tätig
sind.
Prüfungsgegenstand 1:
Übertragung des "Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau" auf
die Ed. Y AG
1.1. Wann und auf wessen Veranlassung haben sich Vorstand und
Aufsichtsrat der Gesellschaft bzw. der "C T2" und mit ihnen verbundene
Unternehmen erstmals mit der Veräußerung bzw. der Zusammenführung
der Hoch- und Ingenieurbau-Aktivitäten bei der Ed. Y AG befasst? Ist es
hierbei bzw. im Verlauf der Transaktion zu rechtswidrigen
Einflussnahmen seitens des Großaktionärs oder zu nicht
ausgeglichenen bzw. nicht ausgleichsfähigen Nachteilszufügungen
gekommen?
1.2. Welche Vorarbeiten des Vorstands bzw. der nachgeordneten
Abteilungen der Gesellschaft gibt es, die eine Vorteilhaftigkeit der
Veräußerung des Hochbaus belegen, wer hat diese beauftragt und
welche Änderungen hat es aufgrund von Einflussnahmen des
Großaktionärs gegeben? Gibt es objektive bzw. aus Branchensicht
nachvollziehbare Gründe, die aus Sicht der Gesellschaft für bzw. gegen
eine Veräußerung des "Unternehmensbereichs Hoch- und
Ingenieurbau" sprechen? Hat es Alternativrechnungen,
Marktsondierungen oder Beratungsaufträge für einen Verkauf außerhalb
des Konzerns gegeben, wenn ja, wie viel Mehrerlös wäre bei einer
Veräußerung an einen Dritten zu erlösen? Hätte ein Dritter bei einem
Erwerb Risiken aufgrund der bei vergleichbaren Transaktionen üblichen
Praxis übernommen, die nun bei der Gesellschaft verbleiben, wenn ja,
wie hoch ist der hierdurch potentiell entstehende Schaden?
1.3. Wann haben Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft bzw. der C
T2 und mit ihnen verbundene Unternehmen erstmals Beschlüsse im
Hinblick auf die Zusammenführung der Hoch- und Ingenieurbau-
Aktivitäten gefasst? Hat es im Zusammenhang mit dem einstweiligen
Verfügungsverfahren 82 0 36/06 vor dem Landgericht Köln Weisungen
oder Wünsche des Großaktionärs bzw. von Organmitgliedern des
Großaktionärs bzw. verbundener Unternehmen gegeben, den Vollzug
der Veräußerung zu beschleunigen? Welche Email- und Fax-
Korrespondenz hat es insoweit konzernintern und mit Beratern
gegeben? Welche leitenden Mitarbeiter waren verantwortlich für die
Beschleunigung des Vollzugs? Welche Maßnahmen der Überleitung der
Hoch- und Ingenieurbau-Aktivitäten auf Y AG waren zu welchem
Zeitpunkt vollzogen, d. h. wann waren die übergehenden Mitarbeiter in
die Y AG-Organisation vollständig einbezogen und entsprechende
Umzüge abgeschlossen? Welcher Projektstand (Stand
Vertragsverhandlungen bzw. Durchführung der Übertragung) bestand
am 23. Februar 2006, 28. Februar 2006, 10. März 2006 und 9. Mai 2006?
1.4. Bestehen Nachteilsausgleichsansprüche bzw.
Schadensersatzansprüche gegen den Großaktionär bzw.
Organmitglieder bzw. leitende Mitarbeiter wegen der beschleunigten
Vollziehung einer Veräußerung bzw. wegen Kosten einer zukünftigen
Rückabwicklung? Hat es Freistellungs- bzw.
Kostenübernahmeerklärungen oder Vorteilsgewährungen der
Gesellschaft im Zusammenhang mit eidesstattlichen Versicherungen
von Mitarbeitern der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem
einstweiligen Verfügungsverfahren 82 0 36/06 vor dem Landgericht Köln
gegeben?
1.5. Welche Planzahlen gab es 2003, 2004 bzw. 2005 bzw. vor
Aufnahme von Gesprächen mit der Ed. Y AG für den Bereich Hoch- und
Ingenieurbau? Welcher Unternehmenswert ergäbe sich unter
Zugrundelegung üblicher multiples aufgrund der entsprechenden
EBITDA und EBT-Planungen? Wurden die Planungen für den Bereich
Hoch- und Ingenieurbau von einer Unternehmensberatung überprüft und
falls ja mit welchem Ergebnis? Hat es separat oder im Zusammenhang
mit der Vorbereitung der Veräußerung Korrekturen der
Unternehmensplanung gegeben und wie hoch wäre der Wert der Hoch-
und Ingenieurbauaktivitäten ohne diese Korrekturen? Welche Nachteile
und Schäden sind der Gesellschaft insoweit entstanden und wurden
diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.6. Wann fanden erste Gespräche mit der Ed. Y AG seitens der
Gesellschaft bzw. von Organmitgliedern statt bzw. wann begannen
konkrete Verhandlungen über die "Übertragung des Hoch- und
Ingenieurbaus" bzw. über eine Kooperation in diesem Bereich? Wie
verliefen sie, welche Personen haben mitgewirkt? Welche
Zwischenergebnisse gab es und wann wurden die Vereinbarungen
abgeschlossen? Wurde durch Verhandlungen und Maßnahmen zur
Übertragung des Hoch- und Ingenieurbaus an die Ed. Y AG gegen das
kartellrechtliche Vollzugsverbot verstoßen? Können der Gesellschaft
Schäden wegen eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche
Vollzugsverbot entstehen?
1.7. Wurde der Kaufpreis sachgerecht ermittelt? Hat es Änderungen der
Einschätzung der beteiligten Wirtschaftsprüfer gegeben? Hat es
entsprechende Wertveränderungen bzw. Preisanpassungen gegeben?
Ist es zu Interventionen des Großaktionärs, insbesondere des
Aufsichtsratsvorsitzenden gekommen? Wurde eine
Plausibilitätskontrolle durchgeführt? Ist der Kaufpreis unter "arm's
length"- Gesichtspunkten angemessen? Welche Nachteile und Schäden
sind der Gesellschaft insoweit entstanden und wurden diese
ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.8. Bestand ein Zusammenhang zwischen dem angekündigten
Beherrschungsvertrag und der Veräußerung des
"Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau"? Gab es
Stellungnahmen bzw. Gutachten, die den Abschluss eines
Beherrschungsvertrages empfohlen haben? Welche Kosten sind für die
Beratung entstanden und sind diese vom Großaktionär übernommen
worden?
1.9. Hat es direkte oder indirekte Gespräche seitens der Gesellschaft
bzw. des Großaktionärs bzw. von deren Mitarbeitern oder Beratern mit
dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und
Verbraucherverbände -Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. im
Zusammenhang mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren 82 0 36/06
vor dem Landgericht Köln gegeben und wurde versucht, die
Bundeszentrale zu Maßnahmen gegen Aktionäre der Gesellschaft zu
veranlassen? Ist es insoweit zu Kosten gekommen? Welche Nachteile
und Schäden sind der Gesellschaft insoweit entstanden und wurden
diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.10. Wer hat welche Beratungsgesellschaften damit beauftragt, im
Hinblick auf die Übertragung des "Unternehmensbereichs Hoch- und
Ingenieurbau" tätig zu werden? Welche Nachteile und Schäden sind der
Gesellschaft insoweit entstanden und wurden diese ausgeglichen bzw.
ersetzt?
1.11. Wie stellte sich die Zusammenarbeit zwischen der Gesellschaft
und der "C T2" sowie der Ed. Y im Einzelnen im Jahre 2005 dar? Gab es
Koordination bei Bauprojekten? Wann wurden sensible Daten
ausgetauscht? Wurden an den Aufsichtsrat, Vorstand bzw. andere
Mitarbeiter der Gesellschaft in dieser Phase wie auch immer geartete
Weisungen erteilt oder auf anderen Wegen zumindest versucht, Einfluss
auszuüben? Welche Nachteile und Schäden sind der Gesellschaft
insoweit entstanden und wurden diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.12. Die getroffenen Vereinbarungen zur Übertragung des Hochbaus
regeln nach Darstellung der Gesellschaft auch die Wahrnehmung
zukünftiger Geschäftschancen. In welchem Umfang und bis wann war
die Gesellschaft dazu in der Lage, eigenständig über die Wahrnehmung
ihrer Geschäftschancen zu entscheiden? Ab wann hat die Gesellschaft
keine Aufträge im "Unternehmensbereich Hoch- und Ingenieurbau" mehr
angenommen?
1.13. Wie werden die Bauprojekte im "Unternehmensbereich Hoch- und
Ingenieurbau" abgewickelt, die vor der Übertragung des
"Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau" vereinbart wurden?
Falls es interne Verrechnungspreise gibt: Halten sie einem Drittvergleich
stand? Welche Nachteile und Schäden sind der Gesellschaft insoweit
entstanden und wurden diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.14. Gab es Mitarbeiter oder Mitglieder von Vorstand bzw. Aufsichtsrat
der Gesellschaft, die in den Jahren 2004, 2005 oder 2006 von der
Gesellschaft zur "C T2" bzw. der Ed. Y AG gewechselt sind oder die in
deren Interesse tätig geworden sind oder Projekte für diese geleitet
haben? Welche Nachteile und Schäden sind der Gesellschaft insoweit
entstanden und wurden diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
1.15. Gab es im Zusammenhang mit der Veräußerung und Übertragung
des "Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau" wie auch immer
geartete Weisungen oder andere Formen der Einflussnahme aus der
Sphäre der C T2?
1.16. Welche konkreten Bemühungen hat die Gesellschaft seit dem
01.01.1990 entfaltet, um die Kapazitäten im "Unternehmensbereich
Hoch- und Ingenieurbau" herunterzufahren bzw. zu verkaufen?
Prüfungsgegenstand 2: Vorbereitung des Beherrschungsvertrags mit der
"C T2"
2.1. Wann wurde mit den ersten Vorbereitungshandlungen bzw. mit der
konkreten Vorbereitung im Zusammenhang mit dem
Unternehmensvertrag begonnen? Wann wurde im Vorstand bzw. im
Aufsichtsrat die Notwendigkeit eines Beherrschungsvertrages diskutiert
und im Zusammenhang mit welchen Projekten geschah dies? Welche
internen und externen Stellungnahmen zur Notwendigkeit eines
Beherrschungsvertrages wurden wann und von wem in wessen Auftrag
erstellt, und aus welchen Gründen wurde entgegen interner und externer
Stellungnahmen kein Beherrschungsvertrag in den vergangenen
Geschäftsjahren vorbereitet bzw. abgeschlossen?
2.2. Welchen Stand hatten die Vertragsverhandlungen sowie die
Unternehmensbewertung bei Ankündigung, den Beherrschungsvertrag
doch nicht abzuschließen? Welche Rechtsgutachten und
Stellungnahmen liegen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der
Notwendigkeit eines Unternehmensvertrages für die rechtmäßige
Veräußerung des Bereiches Hoch- und Ingenieurbau vor? Hat es nach
Übersendung von Entwurfsfassungen bzw. mündlicher Erläuterung von
Ergebnissen noch materielle Änderungen gegeben und wurden diese
von der Gesellschaft bzw. dem Großaktionär veranlasst? Welche
Nachteile und Schäden sind der Gesellschaft insoweit entstanden und
wurden diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
2.3. Aus welchen Gründen wurde die Vorbereitung zum Abschluss des
Unternehmensvertrages abgebrochen? Welche Nachteile und Schäden
sind der Gesellschaft insoweit entstanden und wurden diese
ausgeglichen bzw. ersetzt?
2.4. Bestand oder besteht ein wie auch immer gearteter Zusammenhang
zwischen dem Beherrschungsvertrag und der Übertragung des
"Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau"? Hat es
Überlegungen gegeben, den Beherrschungsvertrag lediglich im Hinblick
auf die Abwehr von einstweiligen Verfügungen anzukündigen, ihn aber
in Wahrheit nie abzuschließen? Welche Nachteile und Schäden sind
der Gesellschaft insoweit entstanden und wurden diese ausgeglichen
bzw. ersetzt?
2.5. Wurden Alternativen zum Beherrschungsvertrag wie zum Beispiel
eine Verschmelzung oder andere Vertragstypen erörtert? Falls ja:
Welche Überlegungen führten dann zum Vorschlag eines
Beherrschungsvertrags?
2.6. Von welchem inneren Wert der Gesellschaft kann vor bzw. nach der
Übertragung des "Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau"
ausgegangen werden?
2.7. Wer trägt die Kosten, die bei der Gesellschaft im Zusammenhang
mit der Vorbereitung des Beherrschungsvertrages angefallen sind?
2.8. Bestand ein Zusammenhang zwischen der Ankündigung eines
Beherrschungsvertrags und der Begründung einer
Vorstandsdoppeltätigkeit von Dr. C2?
Prüfungsgegenstand 3: Informationspflichten gegenüber den Aktionären
und den Kapitalmärkten/Marktmanipulation/Aktienkäufe
Haben Vorstand und Aufsichtsrat die Aktionäre zeitnah, sachlich
zutreffend und im erforderlichen Umfang über die Lage der Gesellschaft
und ihrer Beteiligungen sowie im Hinblick auf die folgenden Umstände
informiert? Hat es insoweit Verstöße gegen geltendes Kapitalmarktrecht,
gegen Insiderrecht oder gegen Kartellrecht gegeben? Das gilt
besonders im Hinblick auf die folgenden Ereignisse:
3.1. Vorbereitung, Beginn, Verlauf und Abschluss der Verhandlungen
über die Veräußerung des "Unternehmensbereichs Hoch- und
Ingenieurbau".
3.2. Durchführung der Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der
Übertragung "Unternehmensbereich Hoch- und Ingenieurbau"
geschlossen wurden.
3.3. Vorbereitung, Beginn, Verlauf, und Ende der Tätigkeiten im
Zusammenhang mit dem Abschluss eines Unternehmensvertrages.
3.4. Welche Nachteile und Schäden sind der Gesellschaft insoweit
entstanden und wurden diese ausgeglichen bzw. ersetzt?
3.5. Hat es Anfragen von Aktionären betreffend eines Erwerbes von
Paketen gegeben und wurden diese dem Großaktionär bekannt
gemacht? Hat es durch die Gesellschaft oder ihre Organe eine
Vermittlung von Aktienkäufen durch den Großaktionär oder von diesem
informierten Dritten gegeben?
Prüfungsgegenstand 4: Teilnehmerhaftung
4.1 Haften die gegenwärtigen oder ehemaligen Angehörigen der Organe
wie Vorstand, Aufsichtsrat oder Geschäftsführung der beteiligten
Gesellschaften über ihre Haftung als Organ hinaus auch im Hinblick auf
§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit strafrechtlichen Normen und nach
den Grundsätzen der Täterschaft oder Teilnahme im Hinblick auf die
vorstehenden Prüfungsgegenstände?
4.2 Haften die eingeschalteten Beratungsgesellschaften auch im
Hinblick auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit strafrechtlichen
Normen und den Grundsätzen der Täterschaft oder Teilnahme?
4.3 Welche Personen, die nach ihren arbeitsrechtlichen Pflichten
unmittelbar oder mittelbar mit dem Verkauf des "Unternehmensbereichs
Hoch- und Ingenieurbau" befasst waren, haben überdurchschnittliche
Gehaltserhöhungen erhalten? Gibt es Mitarbeiter der Gesellschaft, die
zugleich eine Vergütung von der "C T2" SE bzw. der Ed. Y AG erhalten?
Welche konkreten Leistungen haben diese Mitarbeiter im
Zusammenhang mit dem Verkauf des "Unternehmensbereichs Hoch-
und Ingenieurbau" erbracht?
4.4 Welche Personen, die nach ihren arbeitsrechtlichen Pflichten
unmittelbar oder mittelbar mit den Arbeiten zur Vorbereitung des
Beherrschungsvertrages befasst waren, haben überdurchschnittliche
Gehaltserhöhungen erhalten? Gibt es Mitarbeiter der Gesellschaft, die
zugleich eine Vergütung von der "C T2" SE bzw. der Ed. Y AG erhalten?
Welche konkreten Leistungen haben diese Mitarbeiter im
Zusammenhang mit dem Verkauf des "Unternehmensbereichs Hoch-
und Ingenieurbau" erbracht?
Es wird festgestellt, dass die Nebeninterventionen zulässig sind.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der
Nebeninterventionen werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND
1
Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, fechten mehrere in der Hauptversammlung der
Beklagten am 14.7.2006 gefasste Beschlüsse an und begehren zugleich die positive
Feststellung ihrer abgelehnten Beschlussvorschläge.
2
Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 19.5.2006 lud die
Beklagte zur Hauptversammlung am 14.7.2006 ein und machte die
Tagesordnungspunkte 1 bis 12 bekannt (Anlage K 1, 1. Teil). Auf Verlangen von
Aktionären, deren Anteile zusammen mehr als 500.000,00 € betrugen, machte die
3
Beklagte am 29.5.2006 im elektronischen Bundesanzeiger die Tagesordnungspunkte
13 bis 15 bekannt (Anlage K 1, 2. Teil).
Alle Kläger haben an der Hauptversammlung am 14.7.2006 teilgenommen bzw. sich
vertreten lassen und Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse zur Niederschrift erklärt.
4
Das Grundkapital der Beklagten ist eingeteilt in 4.030.000 Stückaktien.
5
T2
SE
J3
Tochter der T2 SE handelte. Die übrigen Aktien der Beklagten befanden sich im
Streubesitz (34,87%).
6
Mehrheitsaktionärin der T2 SE mit einem Anteil von 59,94% war die Finanz Industrie
E10
7
Die E10 hatte zahlreiche Aktionäre, u. a. die V4-Gruppe (Österreich), die Raiffeisen-
L10
B Stiftung
Mehrheitsbeteilgung von über 50% verfügte.
8
Alleinvorstand der E10 war Dr. B. Er war gleichzeitig Vorsitzender des Vorstands der T2
SE sowie Vorsitzender des Aufsichtsrats der Beklagten sowie der Ed. Y AG, Stuttgart
Y
9
Von den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten gehörten 6 Personen dem
Vorstand der Mehrheitsaktionärin T2 SE an, darunter auch ihr Vorsitzender und ihr
stellvertretender Vorsitzender. Der Vorstand der Beklagten Dr. C2 gehört seit Anfang
2006 auch dem Vorstand der T2 SE an.
10
Nach § 2 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 21.7.2004 umfasst der
Unternehmensgegenstand u. a. die Übernahme und die Ausführung von Bauleistungen
auf allen Gebieten des Straßen-, Ingenieur-, Wasser-, Hoch- und Tiefbaues.
11
Zum 1.4.2005 erwarb die Beklagte die hauptsächlich im Hochbau tätige E2 GmbH.
12
Der Vorstand der Beklagten beschloss am 21.11.2005, die Sparte Hoch- und
Ingenieurbau an die Y, deren Mehrheitsaktionär ebenfalls die T2 SE ist, zu veräußern.
Die vertragliche Übertragung der Unternehmenssparte Hoch- und Ingenieurbau an die Y
erfolgte schließlich mit Wirkung zum 1.3.2006. Parallel veräußerte die Beklagte auch
ihre entsprechenden Projektentwicklungsaktivitäten an die Y. Am 4.5.2006 veräußerte
die Beklagte zudem ihre 6 Tochtergesellschaften und eine Beteiligungsgesellschaft, die
ausschließlich im Hoch- und Ingenieurbau tätig waren, an die Y.
13
Zur weiteren Verzahnung der geschäftlichen Aktivitäten wurde die "Y E3 GmbH"
gegründet. Diese Gesellschaft gehört zu 51 % der Y und zu 49 % der T2 SE. Zwei der
Geschäftsführer waren früher in der "T2 Projektentwicklung" tätig.
14
Verwaltungsfunktionen der Beklagten und der Y, wie Debitorenbuchhaltung,
Zahlungsverkehr, Personal und Rechnungswesen und weitere kaufmännische
15
Aufgaben, wurden auf die konzernweit tätige BRVZ Bau,- Rechen- und
Verwaltungszentrum GmbH übertragen.
Die bisherigen 49%igen Beteiligungen der Beklagten an der W5 GmbH & Co. KG und
W5
2006 an die bisherige 51 %ige Mitgesellschafterin X3 & O2 OHG veräußert.
16
Am 22. Dezember 2005 wurde von der E10, der T2 SE, der Beklagten, der J AG, der T2
AG (Österreich) sowie der J2 AG und der Y als Kreditnehmer und verschiedenen
Banken als Kreditgebern ein syndizierter Avalkredit (Syndicated Revoling Letter of
Guarantee Facility Agreement) über insgesamt EUR 1,5 Mrd. unterzeichnet, der die
bisherigen Sicherheiten-Poolverträge der Beklagten und der Y ersetzte. Der syndizierte
Avalkredit wird durch insgesamt 19 Banken mit unterschiedlichen Beteiligungsquoten
bereitgestellt und hat eine garantierte Laufzeit von 3 Jahren plus zwei
Verlängerungsoptionen von jeweils 1 Jahr, somit maximal 5 Jahre.
17
Ursprünglich war im Sommer 2005 von der Beklagten eine Verschmelzung mit der Y
geplant, die jedoch scheiterte. In der Folgezeit wurde ab September 2005 zwischen der
Beklagten und der T2 SE über den Abschluss eines Beherrschungsvertrages diskutiert.
Am 18.1.2006 hat der Vorstand der T2 SE beschlossen, die Vorbereitungsarbeiten für
einen Beherrschungsvertrag aufzunehmen. Die Vorbereitungen zum Abschluss des
Beherrschungsvertrages wurden abgebrochen, nachdem die T2 SE ihre Planungen für
die zukünftige Struktur des T2 Konzerns geändert hatte.
18
Die Mehrheitsaktionärin T2 SE hatte eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung in
Höhe von 65,13% an der Beklagten unter ihrer früheren Firma "C T2 SE" am 28.1.2002
gegenüber der Beklagten gemeldet (Anl. B 14). Die Meldung wurde am 9.2.2002 in der
Börsenzeitung veröffentlicht. Mit Schreiben vom 9.2.2006 der T2 SE wurde der
Beklagten mitgeteilt, dass sich der zurechenbare Stimmrechtsanteil der T2 SE auf
insgesamt 65,85% erhöht hat.
19
Die ehemalige Mehrheitsaktionärin der T2 SE, die E10, meldete am 28.1.2002 unter
ihrer früheren Bezeichnung "BIBAG Bauindustrie-, Beteiligungs- und Verwaltungs-
Aktiengesellschaft" die ihr zugerechneten gehaltenen Stimmrechtsanteile an der
Beklagten in Höhe von 65,13% gegenüber der Beklagten (Anl. B 16). Die
Bekanntmachung erfolgte am 23.2.2002 in der Börsenzeitung (Anl. B 17).
20
Die "C T2 SE" hatte durch Hauptversammlungsbeschluss vom 11.4.2006 ihre Firma in
"T2 SE", ihre jetzige Bezeichnung, geändert. Die Umfirmierung wurde am 20.4.2006 in
das Firmenbuch (österreichisches Pendant zum Handelsregister) eingetragen.
21
Die Hauptversammlungen der E10 und der T2 SE haben am 3.7.2006 die
Verschmelzung der E10 mit der T2 SE beschlossen. Die Verschmelzung und das
Erlöschen der E10 wurde am 5.8.2006, das heißt nach der Hauptversammlung der
Beklagten am 14.7.2006, in das Firmenbuch (österreichisches Handelsregister) der T2
SE eingetragen.
22
Alle angegriffenen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten am 14.07.2006
wurden mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin T2 SE im Sinne der Vorschläge der
Verwaltung der Beklagten angenommen bzw. abgelehnt.
23
Die Kläger greifen die streitgegenständlichen Beschlussgegenstände unter mehreren
Aspekten an.
24
Die Kläger und ihre Streithelfer behaupten, sie seien zum Zeitpunkt der
Bekanntmachung der Tagesordnung zur Hauptversammlung am 14.7.2006 Aktionäre
der Beklagten gewesen und seien es noch heute.
25
Sie sind der Meinung, die Einbeziehung der Beklagten in die T2 SE sei nur auf der
Grundlage eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig gewesen, etwa durch
Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag oder einer Verschmelzung der Beklagten
mit der Y. Die Beklagte habe seit 2005 auf Weisung der Kernaktionäre der E10 unter der
Führung von Dr. B ihr Betätigungsfeld und ihre Strukturen grundlegend geändert. Sie sei
vollständig in das unternehmerische Konzept der T2 SE integriert worden. Das habe
nicht dem Interesse der Beklagten, sondern nur dem Interesse der T2 SE entsprochen.
Das ergebe sich schon daraus, dass der Hochbaubereich ohne weitere Angebote an die
Y verkauft worden sei. Der Preis sei nicht angemessen gewesen. Verluste im
Straßenbau könnten nicht mehr, wie früher geschehen, mit Einnahmen aus dem
Hochbaubereich ausgeglichen werden. Die Beklagte habe aufgrund der umfassenden
Leitungsmacht der T2 SE bzw. von Dr. B auch nicht rechtlich selbstständig über die
Wahrnehmung ihrer Geschäftschancen entscheiden können. Dr. B habe in der
Wirtschaftspresse wiederholt mitteilen lassen, dass er die Beklagte sowie die Y steuere
und aus ihnen zwei spartenreine Gesellschaften machen wolle. Dazu sei er auch
aufgrund der personellen Verflechtungen in der Lage gewesen. Die Beklagte sei zu
einer Marke reduziert worden. Das konzernrechtliche Wettbewerbsverbot sei verletzt
worden. Die Organisation sei grundlegend umgestaltet worden, zentrale
Verwaltungsfunktionen seien zusammengefasst und vereinheitlicht worden. Diese
Umgestaltungen seien so vielschichtig und weitreichend, dass sie nicht mehr von einem
redlichen Wirtschaftsprüfer in einem Abhängigkeitsbericht erfasst werden könnten. Eine
Kompensation der Nachteile durch Einzelausgleich bzw. Schadensersatz sei nicht
möglich. Die tiefgreifenden Eingriffe in das Unternehmen der Beklagten seien nur auf
der Grundlage eines Unternehmensvertrages zulässig gewesen. Das folge letztlich
auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.
26
Im übrigen hätte die Umstrukturierung der Beklagten auch ihrer Hauptversammlung zur
Abstimmung präsentiert werden müssen, § 119 Abs. 2 AktG. Diese Verpflichtung habe
sich aus einer Satzungsunterschreitung ergeben. Durch die Veräußerung des
Hochbaubereiches an die Y habe die entsprechende Aufgabe der Beklagten nicht mehr
wahrgenommen werden können.
27
Ferner rügen die Kläger, dass ihre Informationsrechte nach § 131 AktG nicht befriedigt
worden seien. Es sei bereits ein umfassender Bericht an die Hauptversammlung, in dem
die Umstrukturierung und die Risiken für die Beklagte erläutert werden, erforderlich
gewesen, aber nicht erstattet worden. Im übrigen seien zahlreiche Fragen von
Aktionären unbeantwortet geblieben, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die
Hauptversammlung am 14.7.2006 erst um 11:00 Uhr begonnen und die Generaldebatte
bereits vor 20:00 Uhr trotz weiterer rechtzeitiger Wortmeldungen geschlossen worden
sei. Die vorenthaltenen Informationen seien für die nachfolgenden Abstimmungen
relevant gewesen, um die vorliegend bestehende konzernrechtliche Gefährdungslage
erkennen zu können.
28
Die Kläger sind der Meinung, dass die Stimmabgaben der Mehrheitsaktionärin T2 SE
29
wegen Verstoßes gegen §§ 21 f., 28 WpHG unwirksam seien. Die Mehrheitsaktionärin
sei bereits nach der Umfirmierung von "C T2 SE" in ihre heutige Firma zu einer neuen
Meldung der Beteiligung gemäß § 21 WpHG verpflichtet gewesen. Ferner hätte auch die
E10 entsprechend der Meldung der Beklagten vom 9.2.2006 mitteilen müssen, dass der
Stimmanteil auf 65,85% gewachsen sei. Nach der Verschmelzung der E10 auf die T2
SE hätte ebenfalls eine Meldung erfolgen müssen. Zudem seien die so genannten
Kernaktionäre der E10 zur Meldung der mittelbaren Beteiligung an der Beklagten
verpflichtet gewesen. Aus dem vorgelegten Prospekt ergebe sich, dass der
Aktionärsgruppe um Dr. B eine entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die
Beherrschung der E10 zugekommen sei. Das belege auch die Abstimmung innerhalb
dieser Gruppe, die von Dr. B beherrscht werde. Zugrunde habe ein Syndikatsvertrag
gelegen, wie sich aus der Presse ergebe. Aufgrund der zentralen Stellung von Dr. B
seien ihm die Aktien der anderen Aktionäre der E10 nach § 22 Abs. 1, 2 WpHG
zuzurechnen. Er habe aufgrund seiner zahlreichen Organstellungen in den der
Beklagten übergeordneten Gesellschaften nicht nur prägenden Einfluss auf die
Entscheidungen der E10 genommen, sondern auch eine beherrschende
Gesellschafterstellung innerhalb der E10 eingenommen. In der Öffentlichkeit und der
Presse trete allein Dr. B als Entscheider und Sprecher sämtlicher Kernaktionäre auf.
Aufgrund des Rechtsverlustes nach § 28 WpHG seien die von der T2 SE vertretenen
2.653.814 Aktien nicht stimmberechtigt gewesen. Dieser Rechtsverlust sei endgültig,
das heißt einer Heilung nicht zugänglich. Nach Abzug dieser Stimmen wäre ein anderes
Abstimmungsergebnis zu allen Tagesordnungspunkten erzielt worden, da circa 300.000
Nein-Stimmen überwogen hätten. Damit seien auch die rechtswidrig abgelehnten
Beschlussanträge zu den Tagesordnungspunkten 13 bis 15 mit dem beantragten Inhalt
zustande gekommen.
30
Die Kläger beantragen,
31
wie erkannt.
32
Die Nebenintervenienten schließen sich den Anträgen der Kläger an.
33
Die Beklagte beantragt,
34
die Klagen abzuweisen und die Nebeninterventionen zurückzuweisen.
35
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Kläger und der Nebenintervenienten.
Nach neuerer und zutreffender Auffassung unterliege die Nebenintervention auf
Klägerseite denselben Voraussetzungen wie die Anfechtungsklage selbst.
36
Die Beklagte ist der Meinung, dass ihre Hauptversammlung im Jahre 2006 von
Berufsklägern unter Führung von Rechtsanwalt Dr. W2 inszeniert worden sei. Den
Klägern sei es lediglich um die Obstruktion der Hauptversammlung gegangen. In
diesem Verfahren gingen die Kläger arbeitsteilig vor.
37
Die Leitung der Hauptversammlung 2006 sei nicht zu beanstanden. Die Entscheidung,
die Hauptversammlung erst um 11:00 Uhr zu beginnen, habe pflichtgemäßem
Ermessen entsprochen. Um die Durchführung der Hauptversammlung bis 24:00 Uhr zu
gewährleisten, habe der Versammlungsleiter ab 19:37 Uhr keine weiteren Redebeiträge
mehr zugelassen. Bis dahin seien bereits 480 Fragen gestellt und beantwortet worden;
38
die letzte Antwortrunde habe bis 21:30 Uhr gedauert. Aufgrund der rechtmäßigen
versammlungsleitenden Maßnahmen sei unerheblich, ob bestimmte Fragen nicht mehr
gestellt werden konnten, wie die Kläger behaupten. Abgesehen davon seien Fragen,
die angeblich nicht mehr gestellt werden konnten, bereits zuvor ausreichend
beantwortet worden. Bezeichnend sei, dass zahlreiche Wortmeldungen erstmalig erst
nach Schließung der Rednerliste eingereicht worden seien. Im übrigen seien die Fragen
für die Beschlussgegenstände nicht wesentlich gewesen.
Die Einbindung der Beklagten in das unternehmerische Konzept der T2 SE habe für die
Beklagte sowie für den gesamten Konzern nur wirtschaftliche Vorteile gebracht. Der
faktische Konzern sei nach den §§ 311 ff. AktG zulässig. In diesem Rahmen sei es nicht
zu Nachteilszufügungen seitens der T2 SE gekommen, wie auch der zutreffende
Abhängigkeitsbericht zeige. Die Veräußerung des Hochbaubereichs einschließlich der
Projektentwicklungsaktivitäten an die Y beruhe auf einer eigenständigen
unternehmerischen Entscheidung der Beklagten. Die Verfolgung gleicher Interessen im
Verhältnis zur Mehrheitsgesellschafterin sei im faktischen Konzern üblich und nicht per
se unzulässig. Der Preis aus der Veräußerung des Hochbaubereiches an die Y sei
angemessen und durch unabhängige Wirtschaftsprüfer ermittelt worden. Mit der
Konzentration auf den Straßen- und Tiefbau habe die Beklagte ihre bereits in den
neunziger Jahren eingeschlagene Geschäftspolitik weitergeführt. Auch die
Zusammenlegung von Verwaltungsfunktionen in der BRVZ sei wirtschaftlich sinnvoll, da
sie zu Kosteneinsparungen sowohl bei der Beklagten als auch bei der Y führe. Die
Veräußerung des Hochbaubereiches der Beklagten an die Y unterliege nicht einem
Beschlussvorbehalt der Hauptversammlung der Beklagten, und zwar weder wegen
einer Satzungsunterschreitung noch im Hinblick auf die Holzmüller/Gelatine-
Grundsätze.
39
Der zunächst geplante Beherrschungsvertrag zwischen der Beklagten unter T2 SE sei
von Letzterer abgesagt worden, weil sich ihre Aktionäre für einen Börsengang
entschieden hätten.
40
Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG seien nicht verletzt worden. Die Umfirmierung
der T2 SE, die Erhöhung der Stimmrechtsanteile auf 65,85% sowie die Verschmelzung
der E10 auf die T2 SE seien keine meldepflichtigen Vorgänge gewesen. Keiner der
Kernaktionäre der E10 habe über einen beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft
verfügt. Die E10 sei kein Tochterunternehmen von Herrn Dr. B oder eines anderen
Aktionärs der E10 gewesen, da diese keinen beherrschenden Einfluss auf die E10
ausgeübt hätten. In dem Prospekt der E10 werde auch nicht dargestellt, dass die Anteile
Dr. B und anderen gehören, sondern nur, dass sie die Anteile halten. Dr. B habe als
Vorstandsvorsitzender der E10 und der T2 SE die Entwicklung beider Unternehmen
zwar wesentlich mitgeprägt. Diese unternehmerische Gestaltungskraft genüge jedoch
nicht, ihn als maßgeblichen Koordinator darzustellen und ihm die Aktien der übrigen
E10- und T2 SE-Aktionäre nach § 22 WpHG zuzurechnen.
41
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die auf Klägerseite von Herrn Dr. W2 vertretenen
Stimmen ihrerseits einem Stimmrechtsausschluss nach § 28 WpHG unterliegen, da
Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG
nicht erfüllt worden seien. In seiner Eigenschaft als Aktionärsvertreter hätte Dr. W2
melden müssen, dass er auf der Hauptversammlung 7,01% und damit mehr als 5% der
Stimmrechtsanteile an der Beklagten vertreten hat, ohne an Weisungen der vertretenen
Aktionäre gebunden gewesen zu sein. Dr. W2 habe im Rahmen der Hauptversammlung
42
ausdrücklich erklärt, dass er für die von ihm vertretenen Aktien keine Weisungen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die dazu eingereichten Anlagen
Bezug genommen.
43
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
44
Die Zulässigkeit der Nebeninterventionen
45
Die Nebeninterventionen zu 1 bis 3 sind zulässig.
46
Nach § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG kann sich ein Aktionär als Nebenintervenient an einer
Anfechtungsklage nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung der Klage
beteiligen. Die Zulässigkeit einer Nebenintervention setzt nach § 66 Abs. 1 ZPO voraus,
dass der Streithelfer ein rechtliches Interesse am Obsiegen der von ihm unterstützten
Hauptpartei hat. Für den Beitritt zu einer Anfechtungsklage als Streithelfer des Klägers
genügt nach bislang h. M. die Rechtskrafterstreckung des stattgebenden
Anfechtungsurteils nach § 248 AktG. Es soll nicht erforderlich sein, dass der Streithelfer
nach § 245 AktG anfechtungsbefugt ist. Teilweise wird inzwischen auch vertreten, dass
der Streithelfer selbst anfechtungsbefugt sein muss.
47
Die Nebenintervenienten zu 1 bis 3 haben nachgewiesen, dass sie bereits vor der
Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung am 19.5.2006 Aktionäre
der Beklagten waren. Sie haben Depotbescheinigungen von Kreditinstituten vorgelegt,
aus denen hervorgeht, dass sie bereits vor der Bekanntmachung der Tagesordnung am
19.5.2006 Aktionäre der Beklagten waren und es noch heute sind (Blatt 293, 302 und
318 der Akte).
48
Die Nebeninterventionen sind rechtzeitig erhoben worden. Die Frist nach § 246 Abs. 4
Satz 2 AktG ist eingehalten worden. Die Anfechtungsklage gegen die Beklagte ist am
28.9.2006 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gegeben worden (Blatt 176 der
Akte). Die Monatsfrist nach § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG lief daher am 28.10.2006 ab. Der
28.10.2006 war ein Samstag, so dass die Frist am 30.10.2006 ablief. Die
Nebenintervention zu 1. vom 4.10.2006 ist am 6.10.2006, die Nebenintervention zu 2.
vom 17.10.2006 ist am 19.10.2006 und die Nebenintervention zu 3 vom 27.10.2006 ist
am 30.10.2006 bei Gericht eingegangen. Die Monatsfrist ist folglich unter
Berücksichtigung von § 167 ZPO in allen Fällen eingehalten worden.
49
Widersprüche gegen die hier angegriffenen Beschlüsse der Hauptversammlung haben
die Nebenintervenienten nur zum Teil erhoben. Entgegen der in jüngster Zeit
gelegentlich vertretenen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Frankfurt am
Main, NZG 2006, 314, 315; Falkenhausen/Kocher, ZIP 2004,1179, 1180; Sturm, NZG
2006, 921, 922), die sich die Beklagte zu eigen macht, hängt die Zulässigkeit der
Nebenintervention aber nicht davon ab, dass die Streithelfer selbst anfechtungsbefugt
sind, sie vor allem auf der Hauptversammlung Widerspruch gegen die angegriffenen
Beschlüsse erhoben haben. Schon nach altem Recht war die Anfechtungsbefugnis
nach § 245 AktG nicht als prozessuale Einschränkung der Nebeninterventionsbefugnis
konzipiert. Die Mitgliedschaft als Aktionäre und die aus ihr fließenden Kontrollrechte
sind Sinn und Grundlage dafür, dem Nebenintervenienten die Beteiligung an einem
fremden Anfechtungsprozess zu gestatten. Sein Interventionsinteresse ergibt sich aus
50
der Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung des § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG und
aus der daraus abzuleitenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im fremden
Anfechtungsprozess. Deshalb ist es für das Interventionsrecht eines Aktionärs
unerheblich, ob er in der Hauptversammlung überhaupt erschienen ist oder ob er
Widerspruch gegen den Hauptversammlungsbeschluss hat protokollieren lassen
(vergleiche BGH, Beschluss vom 23.4.2007 - II ZB 29/05, BeckRS 2007, Rn. 17). Auch
nach der Novellierung des Aktiengesetzes im Jahre 2005 ergeben sich aus dem Gesetz
keine Anhaltspunkte, dass der Nebenintervenient anfechtungsbefugt im Sinne von §
245 AktG sein muss. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des UMAG zwar in 246 Abs. 4
Satz 2 AktG eine gesetzliche Frist bestimmt, in der die Nebenintervention erhoben sein
muss. Er hat aber davon abgesehen, weitere materielle Anforderungen an die
Nebenintervention im Rahmen der aktienrechtlichen Anfechtungsklage zu stellen. Auch
wenn die Klage und die Nebenintervention dasselbe Ziel verfolgen, ferner der Kläger
und der Nebenintervenient notwendige Streitgenossen sind und schließlich der
Nebenintervenient gegebenenfalls sogar Rechtsmittel gegen ein Urteil einlegen kann,
besteht kein Grund, von den allgemeinen Anforderungen an die Nebenintervention bei
der Anfechtungsklage abzuweichen und diese zu verschärfen (vergleiche in diesem
Sinne: BGH, Beschluss vom 23.04.2007 - II ZB 29/05, BeckRS 2007, Rn. 19).
Zulässigkeit der Anfechtungsklagen
51
Die Anfechtungsklagen sind zulässig.
52
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Anfechtungsklagen nicht
rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Es gelten die allgemeinen Schranken,
insbesondere das aus § 242 BGB folgende Verbot des treuwidrigen Handelns (Hüffer,
AktG, 7. Aufl., § 245 Rn 23). Eine grob eigennützige und treuwidrige Vorgehensweise
der Kläger kann jedoch nicht angenommen werden. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, dass Rechtsanwalt Dr. W2 möglicherweise die treibende Kraft für
sämtliche Anfechtungsklagen war und er zudem auf der Hauptversammlung der
Beklagten am 14.7.2006 eine dominierende Stellung unter den Minderheitsaktionären
einnahm. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Kläger im Rahmen der Anfechtungsklagen
arbeitsteilig vorgegangen sind, was nach Auffassung der Kammer zutreffend sein dürfte.
Das ist legitim und durchaus prozesswirtschaftlich. Daraus folgt aber nicht, dass die
Kläger unredliche Vorteile mit den Anfechtungsklagen verfolgen.
53
Begründetheit der Anfechtungsklagen
54
Die Kläger sind anfechtungsbefugt.
55
Nach § 245 AktG ist zur Anfechtung befugt jeder in der Hauptversammlung erschienene
Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung
erworben hatte und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat.
56
Sämtliche Kläger haben durch Vorlage einer Depotbescheinigung eines Kreditinstitutes
nachgewiesen, dass sie bereits vor der am 19.5.2006 erfolgten Bekanntmachung der
Tagesordnung der Hauptversammlung am 14.7.2006 Aktionäre der Beklagten waren
(vergleiche Kl. zu 5 = Blatt 68, Kl. zu 4 = Bl. 69 AH, Kl. zu 1 = 111 AH, Kl. zu 2 = Bl. 532
und Kl. zu 3 = 533 d. A.).
57
Die Kläger haben ferner gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse Widerspruch zur
58
Niederschrift der Hauptversammlung erklärt. Die Beklagte hat die entsprechenden
Behauptungen der Kläger nicht bestritten.
Stimmrechtsverlust gemäß § 28 WpHG
59
Die T2 SE war bei der Hauptversammlung der Beklagten am 14.7.2006 gemäß § 28
WpHG nicht stimmberechtigt.
60
Gesetzliche Voraussetzungen § 28 WpHG
61
Nach § 28 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören
oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 WpHG
zugerechnet werden, nicht für die Zeit, für welche die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs.
1 oder 1a WpHG nicht erfüllt werden.
62
Durch die Neufassung von § 28 WpHG durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz
wurde insofern eine Verschärfung eingeführt, als für die Zeit, für welche die
Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden, ein umfassender und endgültiger Rechtsverlust
angeordnet wird (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 28 Rn. 4 ff. und
23). Damit wurde § 28 WpHG an § 20 Abs. 7 AktG angeglichen. Erfasst wird sowohl die
unvollständige als auch die falsche Mitteilung (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4.
Aufl. 2006, § 28 Rn. 15 ff.). Der Rechtsverlust tritt nur ein, wenn der Meldepflichtige
schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig seine Mitteilungspflichten nicht erfüllt hat.
Der Meldepflichtige handelt nicht schuldhaft, wenn er den meldepflichtigen Sachverhalt
nicht kannte und auch nicht kennen musste. Musste der Meldepflichtige davon
ausgehen, dass ihm Stimmrechte zuzurechnen sind, so hat er entsprechende
Vorkehrungen zu treffen, damit ihm der Sachverhalt bekannt wird. Ein Rechtsirrtum ist
nur ausnahmsweise anzuerkennen (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, §
28 Rn. 20 ff. mit weiteren Nachweisen). § 28 WpHG begründet einen konzernweiten
Rechtsverlust, und zwar nicht nur für den zweistufigen, sondern auch für den
mehrstufigen Unterordnungskonzern. Daraus folgt, dass der Rechtsverlust auch bei
Aktien eintritt, die dem Tochterunternehmen gehören, falls das Mutterunternehmen ihre
Meldepflichten nicht erfüllt (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 28 Rn.
42 ff.). Hat der Aktionär das Stimmrecht trotz Rechtsverlust nach § 28 WpHG ausgeübt,
ist der betreffende Hauptversammlungsbeschluss zwar nicht gemäß § 241 Nr. 3, 3. Alt.
AktG nichtig, aber gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Die Anfechtung ist dann
begründet, wenn die fehlerhafte Berücksichtigung von Stimmen Einfluss auf das
Beschlussergebnis hatte (Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 243 Rn 19; Assmann/Schneider
(Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 28 Rn. 28 mit weiteren Nachweisen).
63
Voraussetzungen §§ 21, 22 WpHG
64
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist gegenüber der Gesellschaft und der BaFin
meldepflichtig, wer durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 5 %, 10 %, 25
%, 50 % oder 75 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht,
überschreitet oder unterschreitet. Die Meldung ist spätestens innerhalb von sieben
Kalendertagen unter Angabe der Anschrift und des Tages des Erreichens,
Überschreitens oder Unterschreitens und unter Beachtung von § 22 Abs. 1 und 2 WpHG
mitzuteilen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis
davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass sein Stimmrechtsanteil die
genannten Schwellen erreicht, überschreitet oder unterschreitet.
65
genannten Schwellen erreicht, überschreitet oder unterschreitet.
Für den Geltungszeitraum vom 01.01.2002 - 19.01.2007 sieht § 22 WpHG vor, dass für
die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 WpHG den Stimmrechten des Meldepflichtigen
Stimmrechte aus Aktien der börsennotierten Gesellschaft § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, oder
die dem Meldepflichtigen anvertraut sind, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien
nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des
Aktionärs vorliegen, § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG. Stimmrechte des Tochterunternehmens
werden dem Meldepflichtigen in voller Höhe zugerechnet. Nach § 22 Abs. 2 WpHG
werden dem Meldepflichtigen auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der
börsennotierten Gesellschaft in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige
oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die börsennotierte
Gesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt;
ausgenommen sind Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten in
Einzelfällen.
66
Nach § 22 Abs. 3 WpHG sind Tochterunternehmen solche Unternehmen, die als
Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB gelten oder auf die ein beherrschender
Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf die Rechtsform oder den Sitz
ankommt. Das Mutterunternehmen muss keine Kapitalgesellschaft sein, so dass auch
natürliche Personen in Betracht kommen (OLG Stuttgart, Urt. vom 10.11.2004 – 20 U
16/03, AG 2005, 125, 128; Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn.
31 ff.). Vor dem gesetzlichen Hintergrund gilt der Grundsatz der mehrfachen
Mitteilungspflicht, das heißt, dass im Falle der Zurechnung von Stimmrechten (§ 22
WpHG) sowohl der unmittelbar beteiligte Aktionär als auch derjenige, dem die
Stimmrechte zugerechnet werden, unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 WpHG
meldepflichtig ist. Im Ergebnis können daher die gemeldeten Beteiligungen die
Gesamtzahl der Stimmrechte – im mehrstufigen Konzern infolge einer
Kettenzurechnung häufig um ein Vielfaches – übersteigen (Bayer in: Münchener
Kommentar zum Aktienrecht, 2. Aufl., 2000, § 21 WpHG, Rn. 10; Assmann/Schneider
(Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn. 14 ff.).
67
Die Zurechnung nach § 22 Abs. 3, 2. Fall WpHG lehnt sich an § 17 Abs. 1 AktG an.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch die Fassung des Gesetzes Lücken
geschlossen werden, so dass alle Varianten potentieller Beherrschung genügen
(vergleiche Hüffer, Aktiengesetz, 7. Auflage, § 22 Anhang, § 22 WpHG Rn. 9).
Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG besteht, wenn sich ein rechtlich selbstständiges
Unternehmen aus seiner Perspektive in der Lage befindet, dass ein anderes
Unternehmen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Die Möglichkeit der beständigen,
umfassenden und gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme genügt, nicht
erforderlich ist die Ausübung des Einflusses (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4.
Aufl. 2006, § 22 Rn. 30 ff.). Ausreichend ist auch die Möglichkeit mittelbarer
Einflussnahme. Die Möglichkeit zum beherrschenden Einfluss kann sich aus einer
Mehrheitsbeteiligung ergeben, dann wird die Abhängigkeit nach § 17 Abs. 2 AktG
vermutet. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann genügen. Eine Minderheit wirkt auch
dann wie eine Mehrheit und genügt deshalb, wenn weitere Beherrschungsmittel, wie
etwa die Identität der Personen, hinzutreten (vergleiche Hüffer, a.a.O., § 17 Rn. 4 ff. mit
weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Insbesondere bei Mehrmütterschaft kann
eine Abhängigkeit gegenüber jedem der beteiligten Unternehmen vorliegen, wenn
Unternehmen Anteile an einer Gesellschaft erwerben und ihre Einflusspotenziale nicht
einzeln, sondern gemeinschaftlich ausüben. Herrschend sind dann die mehreren
beteiligten Unternehmen selbst, nicht die zwischen ihnen häufig bestehenden
68
Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Die erforderliche Interessenkoordination kann über
vertragliche Vereinbarungen zur einheitlichen Stimmenabgabe gewährleistet sein. Auch
nur tatsächliche Verhältnisse können eine Interessenkoordination ergeben, selbst bei
paritätischer Beteiligung von zwei Familienstämmen an mehreren Obergesellschaften
wegen des dadurch bedingten Interessengleichlaufs (vergleiche Hüffer, a.a.O., § 17 Rn.
13 ff., mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung; Assmann/Schneider (Hrsg.),
WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn. 35 ff..). Auch bei der Mehrmütterschaft sind jedem
Mutterunternehmen die Stimmrechte des Tochterunternehmens voll zuzurechnen (OLG
München vom 17.2.2005 - 23 W 2406/04, AG 2005, 407; Assmann/Schneider (Hrsg.),
WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn. 37 ff.).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 WpHG liegt bei
den Anfechtungsklägern. Bereits die Darlegung wird der Gesellschaft oder den
Mitaktionären schwer fallen, da sie keinen Einblick in die Verhältnisse der
möglicherweise meldepflichtigen Aktionäre haben. Daher hilft in der Regel nur eine
Gesamtwürdigung des Einzelfalls (Indizienbeweis). Daher sind gewisse
Beweiserleichterungen zuzulassen, um die Vorschrift nicht leer laufen zu lassen. Dazu
gehört beispielsweise ein bewusstes gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten in
mehreren Tagesordnungspunkten, das nur im Hinblick auf eine bestimmte
Gesamtstrategie Sinn macht. Halten Familienmitglieder die Mehrheit der Stimmrechte,
ist auch in soweit ein Zusammenwirken der Familienmitglieder zu vermuten, auch wenn
dies nicht zwingend ist (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn.
161). Im übrigen ist eine sekundäre Darlegungslast der Gesellschaft unter dem
Gesichtspunkt der Tatsachennähe in Betracht zu ziehen, vor allem dann, wenn die
Gesellschaft über die Informationen verfügt bzw. sie diese unter zumutbaren
Bedingungen beschaffen kann.
69
Beteiligungsverhältnisse
70
Die Beteiligungsverhältnisse stellen sich nach dem Vortrag der Beklagten wie folgt dar:
71
- es folgt eine grafische Darstellung der Beteiligungen -
72
Danach kommen Mitteilungspflichten der T2 SE, der E10, der sogenannten
Kernaktionäre der E10 und der Gruppe um Dr. B in Betracht.
73
Meldepflicht bezüglich Umfirmierung T2 SE
74
Es ist bereits davon auszugehen, dass die T2 SE ihre Mitteilungspflichten gemäß § 21
Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht erfüllt hat, da sie lediglich
unter der früheren Firmierung "C T2 SE" gemeldet hatte, nicht hingegen unter ihrer
Firmierung zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 14.7.2006.
75
Die T2 SE war als Hauptaktionärin der Beklagten meldepflichtig. Sie hat die Mehrheit an
der Beklagten im Jahre 1998 erworben. Am 28.1.2002 hat sie ihre Beteiligung und die
ihr zuzurechnende Beteiligung der J3 von insgesamt 65,13% der Beklagten und dem
Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel gemeldet, allerdings unter der alten
Bezeichnung "C T2 SE". Die Veröffentlichung in der Börsenzeitung erfolgte am
9.2.2002.
76
Es ist davon auszugehen, dass auch die Namensänderung der T2 SE eine Meldepflicht
77
Es ist davon auszugehen, dass auch die Namensänderung der T2 SE eine Meldepflicht
nach § 21 Abs. 1 WpHG ausgelöst hat. Meldeschwellen können auch ohne eigenen
Erwerb oder Veräußerung berührt werden. Dann liegt ein Fall der Berührung auf
sonstige Weise vor. Hauptanwendungsfall ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers
die Begründung oder der Wegfall von Zurechnungen nach § 22 WpHG. Auch eine
Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) oder durch
Erbfall (§ 1922 BGB) zählen hierzu, ebenso wie die mittelbare Veränderung der
Stimmrechtsquote durch die Nichtausübung von Bezugsrechten nach einer
Kapitalerhöhung (Hüffer, AktG, 7. Aufl., Anh. § 22 § 21 WpHG Rn. 8). In der Literatur wird
eine Mitteilungspflicht beim Formwechsel diskutiert (Bayer in: Münchener Kommentar
zum Aktienrecht, 2. Aufl., 2000, § 21 WpHG, Rn. 10; Hüffer, AktG, 7. Aufl., Anh. § 22 § 21
WpHG Rn. 8; bejaht von Nottmeier/Schäfer AG 1997, 87, 89) und bei einer
Umfirmierung verneint mit dem Argument, dass eine Meldeschwelle in "sonstiger
Weise" nicht tangiert werde, weil sich hinsichtlich des Eigentums an den betreffenden
Aktien nichts geändert habe. Die Firma sei gemäß § 17 Abs. 1 HGB (nur) der
Handelsname des Kaufmanns bzw. der Name der Handelsgesellschaft
(Nottmeier/Schäfer AG 1997, 87, 89).
77
Diese Auffassung wird dem Sinn und Zweck der Mitteilungspflichten nach dem
Wertpapierhandelsgesetz nicht gerecht. § 21 WpHG bildet die Kernnorm der auf die
Transparenzrichtlinie zurückgehenden Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für
Anteile an börsennotierten Aktiengesellschaften. Danach sind Beteiligungen ab dem
Schwellenwert von 5% der Gesellschaft mitzuteilen; diese hat die Mitteilung dann nach
§ 25 WpHG zu veröffentlichen. Auf diese Weise soll ein hohes Maß an Transparenz
bezüglich der Veränderungen von Aktienbeteiligungen erreicht werden, um die
Bereitschaft potentieller, insbesondere ausländischer Investoren, sich in deutschen
Aktiengesellschaften zu engagieren, zu erhöhen, die Attraktivität des Finanzplatzes
Deutschland im internationalen Wettbewerb zu fördern und das Vertrauen der Anleger in
die Funktionsfähigkeit des deutschen Aktienmarktes zu festigen (Anlegerschutz durch
Transparenz). Darüber hinaus soll dem Missbrauch von Insiderinformationen entgegen
gewirkt werden. Schließlich dienen die Informationen dazu, dass die
mitteilungsempfangende Gesellschaft ihrer Meldepflicht über kursbeeinflussende
Tatsachen aus § 15 WpHG nachkommen kann (Bayer in: Münchener Kommentar zum
Aktienrecht, 2. Aufl., 2000, § 21 WpHG, Rn. 1 mwN; Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG,
4. Aufl. 2006, § 21 Rn. 1 ff., vor § 21 Rn. 14).
78
Das geforderte Maß an Transparenz würde aber unterlaufen, wenn Namensänderungen
natürlicher Person bzw. Umfirmierungen von Unternehmen nicht gemeldet werden
müssten. Auf diese Weise könnte gewollt oder ungewollt verschleiert werden, wer
tatsächlich an der Gesellschaft beteiligt ist. Dabei ist unerheblich, ob es sich um
marginale oder um größere Namensänderungen bzw. Änderungen der Firma handelt, in
diesem Fall von "Bauholdig T2 SE" in "T2 SE". Im Wirtschaftsleben ist die genaue
Firmenbezeichnung entscheidend. Oftmals kennzeichnet nur ein einziges Zusatzwort
ein anderes Unternehmen. Das kann auch der obigen Beteiligungsstruktur entnommen
werden, insbesondere bezüglich der V4-Gruppe in Form der V4 Erwerb von
Beteiligungen Gesellschaft mbH, I GmbH, T AG, W AG und Q AG. Es handelt sich trotz
nur geringer Namensunterschiede jeweils um selbstständige Unternehmen. Das zeigt,
dass im Wirtschaftsverkehr ohne weiteres davon ausgegangen wird, dass es sich bei
der "C T2 SE" um ein anderes Unternehmen handelt als bei der "T2 SE". Die
Bedeutung der Namensbezeichnung für die Meldung ergibt sich auch aus der Tatsache,
dass § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Angabe des Namens einschließlich der
vollständigen Anschrift vorschreibt.
79
Einwände der Beklagten
80
Die gegenteiligen Ausführungen der Beklagten vermögen diese Rechtsansicht nicht zu
erschüttern.
81
Zunächst steht der Anwendung von § 21 Abs. 1 WpHG auf die Umfirmierung nicht
entgegen, dass Verstöße gegen Mitteilungspflichten zugleich Ordnungswidrigkeiten
darstellen. Dieser Aspekt mag für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit von Bedeutung
sein, nicht aber für die zivilrechtliche Rechtslage.
82
Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit für Aktionäre, sich über eine
Umfirmierung der Gesellschaft in anderen Medien, wie zum Beispiel der Homepage
oder den Geschäftsberichten der Gesellschaft, zu informieren, beseitigt das Bedürfnis
zur Veröffentlichung nach § 21 WpHG nicht. Wäre diese Argumentation der Beklagten
richtig, könnte auf Veröffentlichungen gemäß § 21 WpHG generell verzichtet werden, da
immer die Möglichkeit besteht, sich auf andere Weise über die Erreichung der
Schwellenwerte bzw. über die Umfirmierung zu informieren.
83
Der weitere Einwand der Beklagten, dass die Umfirmierung mit den gesetzlich
geregelten Tatbeständen des § 21 WpHG nicht vergleichbar sei, trägt ebenfalls nicht.
Richtig ist, dass dem Kapitalmarkt eine für den Anleger sehr bedeutende Information
fehlt, wenn die Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse an der börsennotierten
Gesellschaft nicht mitgeteilt wird. Richtig ist aber auch, dass dem Kapitalmarkt diese
Information auch dann fehlt, wenn die wahren Beteiligungsverhältnisse deshalb nicht
erkannt werden können, weil eine inzwischen nicht mehr existente Gesellschaft
gemeldet hat, das heißt die wahren aktuellen Beteiligungsverhältnisse für den Anleger
nicht erkennbar sind. Wie wichtig die Meldung auch im Falle der Umfirmierung ist, zeigt
sich darin, dass ansonsten die wahren Beteiligungsverhältnisse durch Umfirmierungen
leicht verschleiert werden könnten.
84
Der durch § 28 WpHG angedrohte Rechtsverlust veranlasst nicht grundsätzlich zu einer
restriktiven Auslegung der §§ 21 ff. WpHG, wie die Beklagte schließlich meint. Mit dieser
Begründung müssten sämtliche Vorschriften, die in der Rechtsfolge zu Nachteilen der
Betroffenen führen, grundsätzlich restriktiv ausgelegt werden. Im Gegenteil entspricht es
der Intention des Gesetzgebers, eine effektive Unterrichtung des Kapitalmarktes bzw.
der Anleger zu gewährleisten und Verstöße mit einschneidenden Sanktionen zu
ahnden.
85
Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert die Meldepflicht auch nicht am
Verschulden der T2 SE. Sie kann sich auf einen Rechtsirrtum nicht berufen. Zu
berücksichtigen ist schon, dass die Auslegung von §§ 21, 22 WpHG bislang nicht
abschließend geklärt ist. Angesichts der Folgen einer unterlassenen oder unrichtigen
Mitteilung muss der Mitteilungspflichtige gegebenenfalls Informationen einholen. Zwar
kann sich der Meldepflichtige in Zweifelsfragen an die BaFin wenden. Deren Auskünfte
sind aber nicht verbindlich. Vor allem schützen sie den Meldepflichtigen, vorbehaltlich §
28 Satz 2 WpHG, nicht vor einem Rechtsverlust, da die Zivilgerichte an die Auffassung
der BaFin nicht gebunden sind. Daher muss eine Alternativmeldung in Betracht
gezogen werden (Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 21 Rn. 87 ff.). An
einen Rechtsirrtum sind jedenfalls strenge Maßstäbe anzulegen. Im Zweifel ist der
Aktionär gehalten, Mitteilung zu machen (Bayer in: Münchener Kommentar zum
86
Aktiengesetz, 2. Auflage 2000, § 28 WpHG, Rn 6). Vor diesem Hintergrund kann die T2
SE nicht entlasten, dass sie nach einer Auskunft der BaFin davon ausgegangen sei,
dass eine Meldepflicht durch die Umfirmierung nicht ausgelöst werde. Offenbar hatte die
T2 SE bzw. die Beklagte Zweifel, ob durch die Umfirmierung eine Mitteilungspflicht nach
§ 21 WpHG ausgelöst wurde. Aus diesem Grund will sie sich bei der BaFin
rückversichert haben. Diese habe bestätigt, dass eine Meldepflicht nicht besteht. Diese
Auskunft wäre aber nicht verbindlich und könnte die T2 SE nicht entlasten. Ihr war
zunächst zuzumuten, Rechtsrat einzuholen. Daneben war ihr ohne weiteres eine
zutreffende Meldung möglich, ohne Gefahr zu laufen, dass sich diese zusätzliche
Meldung später als falsch heraus stellt (vergleiche zur Problematik der
Alternativmeldung Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 21 Rn. 91 ff.).
Die Meldung, dass die Anteile aufgrund der Umfirmierung nun von der T2 SE, nicht
mehr von der C T2 SE, gehalten werden, wäre auf jeden Fall zutreffend gewesen.
Mit der Meldung der T2 SE an die Beklagte vom 9.2.2006, dass ihr direkter und
indirekter Stimmanteil an der Beklagten 65,85% beträgt, hat die T2 SE ihre
Meldepflichten jedenfalls nicht vollständig erfüllt. Denn offenbar ist weder von der T2 SE
noch von der Beklagten (als Vertreterin) eine Meldung an die BaFin gerichtet worden.
Das wird auch dadurch bestätigt, dass die T2 SE laut Melderegister der BaFin, von der
Beklagten als Anl. B 13 vorgelegt, nicht aufgeführt ist, sondern immer noch die "C T2
SE".
87
Meldepflicht nach der Umfirmierung der E10
88
Aus den vorgenannten Gründen hat auch die E10 ihre Meldepflichten nach § 21 Abs. 1
Satz 1 WpHG nicht erfüllt.
89
Die E10 hat am 28.1.2002 unter ihrer alten Firma ihre Beteiligung an der
Mehrheitsaktionärin der Beklagten, der damaligen C T2 SE, gemeldet.
90
Die vor der Hauptversammlung am 14.7.2006 beschlossene Verschmelzung der E10
auf die T2 SE hat noch keine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG ausgelöst, da die
Verschmelzung mangels Eintragung in das Handelsregister noch nicht wirksam
geworden war. Die Verschmelzung der E10 auf die T2 SE wurde in den
Hauptversammlungen der Gesellschaften am 3.7.2006 beschlossen. Die Eintragung in
das Firmenbuch der E10 folgte am 5.8.2006, das heißt nach der Hauptversammlung am
14.7.2006. Wenn der Zeitpunkt der Vornahme und des Wirksamwerdens einer
Maßnahme auseinander fallen, ist letzterer entscheidend, weil sich ohne Veränderung
der Rechtszuständigkeit auch keine Veränderung in den Stimmrechten ergibt
(vergleiche Hüffer, Aktiengesetz, 7. Auflage, Anhang zu § 22, § 21 WpHG Rn. 8).
91
Allerdings hat die E10, ebenso wie die T2 SE, nach ihrer Umfirmierung keine neue
Meldung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG gemacht. Nach dem Vortrag der Beklagten
erfolgten die Meldungen der E10 unter ihrer früheren Firmenbezeichnung BIBAG
Bauindustrie-, Beteiligungs- und Verwaltung-Aktiengesellschaft (Anl. B 16 und B 17).
92
Zurechnung § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bezüglich der Aktionärsgruppe um Dr. I5
93
Ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG ist ferner durch die unterlassenen Mitteilungen der
Stimmrechtsanteile an der Beklagten seitens der Aktionärsgruppe um Dr. B eingetreten.
94
Die Kammer geht bereits davon aus, dass Dr. B nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG in
Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG meldepflichtig war. Er beherrschte zusammen
mit der B Stiftung und der L10 die E10. Zusammen hielten sie 50% plus eine Aktie an
der E10. Die vorgenannten Personen haben unstreitig keine Mitteilung über die
Erreichung der Schwellenwerte gegenüber der Beklagten bzw. der BaFin gemacht. Bei
einer Gesamtwürdigung aller relevanten Aspekte hat die Kammer keinen Zweifel, dass
die Aktionärsgruppe um Dr. B einen beherrschenden Einfluss auf die E10 hatte.
95
Aus der Übersicht der Beteiligungsverhältnisse ergibt sich, dass kein Gesellschafter der
E10 über die absolute Mehrheit von 50% plus einer Aktie verfügte. Die größte
Beteiligung an der E10 hielt die L10 mit 45,938 , an der wiederum die B Stiftung und die
M3 Privatstiftung zu jeweils 50% beteiligt waren. Mit der weiteren direkten Beteiligung
der B Privatstiftung an der E10 von 4,062% und der Beteiligung von Dr. B an der E10 in
Höhe von 0,00003% ergibt sich eine Mehrheit von 50,00003 %. Dr. B hatte damit unter
Einschluss der Anteile der B Privatstiftung, den Anteilen der L10 und den eigenen
Anteilen die Schwelle von 50% knapp überschritten.
96
Die Tatsache, dass die B Stiftung neben der M3 Privatstiftung paritätisch an der L10, die
ihrerseits 45% der Anteile an der E10 besaß, beteiligt war, spricht nicht gegen die
Mehrheitsbeteiligung der Aktionärsgruppe um Dr. B, denn wegen des faktischen
Einigungszwanges ist eine Abhängigkeit zu vermuten. Abgesehen davon ist für die
Kammer nicht vorstellbar, dass die Gesellschafter eine paritätische Beteiligung von 50%
an der L10 übernehmen, ohne Vorsorge dagegen zu treffen, dass es zu Patt-Situationen
kommt. Höchstwahrscheinlich gab es Vereinbarungen der Privatstiftungen B und M3
über die Ausübung des Stimmrechts in der L10. Bezüglich der Stimmrechte der B
Stiftung und von Dr. B ist aufgrund der familiären Verbundenheit eine gemeinschaftliche
und dauerhafte Ausübung der Stimmrechte zu vermuten.
97
Im übrigen deutet bereits eine Mehrheit von 50% plus einer Aktie darauf hin, dass damit
unter Einschluss der L10 eine Beherrschung der E10 beabsichtigt war und auch
ausgeübt wurde. Diese knappe Mehrheit von 1 Aktie ergibt sich nicht zufällig, sondern
ist in der Regel Bestandteil des Kalküls zur Beherrschung einer Gesellschaft. Dazu
passt, dass sich die Mitaktionäre Raiffeisen und V4 auf eine Beteiligung von 50% minus
einer Aktie eingelassen haben. Es wäre in der Tat ungewöhnlich, wenn die
Finanzdienstleistungskonzerne wie die Raiffeisen-Gruppe als Bank und die V4-Gruppe
als Versicherung ein erhebliches Investment eingehen und sie sich dabei auf die
gesetzlich vorgesehenen Minderheitsrechte beschränken. Dass dies offensichtlich nicht
so war, lässt auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der E10 vermuten, wie sie
sich aus dem Prospekt der E10 aus 2006 ergibt. Dort ist Vorsitzender des Aufsichtsrats
der Generalanwalt des österreichischen Raiffeisenverbandes und Vorstand der
Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien. Der Vertreter ist Präsident der
österreichischen Nationalbank. Zwei weitere von drei Aufsichtsratsmitgliedern gehören
der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien sowie dem Vorstand der W4 AG an
(siehe Seite 27 des Prospekts). Diese Präsenz der Minderheitsaktionäre Raiffeisen und
V4 im Aufsichtsrat der E10 kann damit erklärt werden, dass sich die
Minderheitsaktionäre auf die Kontrolle der Gesellschaft beschränken und sie die
Geschäftsführung dem Mehrheitsgesellschafter überlassen, hier Dr. B.
98
Dazu passt ferner, dass Dr. B aufgrund seiner zahlreichen Organfunktionen in der L10,
der E10, der T2 SE, der Y und der Beklagten die dominierende Stellung innerhalb der
Gruppe der Aktionäre der E10 eingenommen hat. Diese Dominanz ist nur zu erklären,
99
wenn er in der Lage war, über die L10 und die B-Anteile die E10, die T2 SE und letztlich
die Beklagte zu herrschen. Aufgrund seiner zahlreichen Organfunktionen in den
genannten Gesellschaften war er um so mehr in der Lage, Kraft seiner organschaftlich
vermittelten Gestaltungskraft auf die Gesellschaften, auch die E10, einzuwirken.
Letzte Zweifel bezüglich der Beherrschung der E10 durch die Gruppe um Dr. B unter
Einschluss der L10 werden durch seine Äußerungen in der Wirtschaftspresse
ausgeräumt.
100
In einem Interview im Managermagazin unter dem Titel "Das ist eine Beleidigung", Heft
November 2005, Seite 90 ff., (Anlage K 2) führte Dr. B u. a. aus:
101
"Für die Minderheitsaktionäre der T2 AG, an der Sie 66% halten, bieten solch mickrige
Zielrenditen keine tolle Perspektive.
102
B
Geschäft profitieren und das Unternehmen nicht pleite ist. Die deutschen Aktionäre
wollen mir immer noch den roten Teppich ausrollen. Bei denen habe ich bestes
Standing."
103
Seite 99:
104
"Koexistenz oder Krampf - das Verhältnis wird auch davon abhängen, wie Sie das
Geschäft zwischen Y und der T2 ordnen.
105
B
Die T2 wird sich auf den Straßenbau zurückziehen und den Markt für Ingenieurtiefbau
und den Hochbau der Y überlassen. Dafür wird die T2 einen Kaufpreis bekommen. Wir
werden sehen, wie hoch der sein wird."
106
Das zeigt, dass die Aktionärsgruppe um Dr. B sich selbst als diejenige sieht, die auf die
Struktur der Beklagten Einfluss nehmen kann.
107
In einem Interview in der Wirtschaftswoche vom 10.7.2006 (Anlage K 3) – kurz vor der
streitgegenständlichen Hauptversammlung am 14.7.2006 – wird Dr. B in einem
Interview unter dem Titel "Gewisser Lästigkeitswert" wie folgt zitiert:
108
"Was hat die T2 in Deutschland zu bieten?
109
B
Stuttgart angesiedelt ist, und den Straßenbau, der von der T2 in Köln betrieben wird. In
beiden Geschäften machen wir je 2 Milliarden € Umsatz. An Y halten wir 57% und an T2
derzeit gut 65%. Beide Unternehmen steuern wir von Wien, von der österreichischen T2,
aus."
110
In dem österreichischen Wirtschaftsmagazin Gewinn, Ausgabe 10/2006, Seite 112 bis
117 (Anlage K 13), wird über Dr. B unter der Überschrift "Mit einer Milliarde Euro macht's
noch mehr Spaß!" folgendes ausgeführt (Seite 114):
111
"Die Menschen, die ein derartiges Firmenimperium noch persönlich in der Hand haben
und große Entscheidungen im Handstreich treffen können, sind abzählbar. B besitzt
112
(über Familien-Holdings und private Stiftungen) noch immer 50% plus eine Stimme der
T2 SE, "50 minus eins" teilen sich die Raiffeisen-Landesbank NÖ-Wien (also das Reich
von Christian Konrad, nicht die RZB) und die V4-Versicherung. Raiffeisen hat mir als
Partner die Führung und Selbstständigkeit gelassen und mit einem dritten strategischen
Partner könnte ich meine Mehrheit nicht verteidigen. Das ist auch der Grund für den
jetzigen Börsengang."
Auf der Seite 115 des vorgenannten Artikels wird Dr. B wie folgt zitiert.
113
". . . Ob es da nicht Reibungsverluste gibt zwischen den Managern und den
Stabsstellen, fragen Sie mich? Es wissen alle, dass es so bei uns nicht nur verpönt,
sondern verboten ist, sich in Reibungsverlusten zu ergehen. Die wissen, dass ich das
nicht goutiere, und das ist der große Vorteil eines eigentümergeführten Unternehmens:
Wenn ich sage ´Ende der Debatte´, dann ist die Debatte zu Ende."
114
Ebenfalls auf S. 115 wird die heutige T2 dargestellt. Auf oberster Ebene wird "B +
Familie mit 50%+1" genannt, die "Raiffeisen NÖ-Wien und die V4 zusammen mit 50% -
1 Aktie".
115
Auf Seite 117 wird Dr. B dann wörtlich zitiert:
116
"Raiffeisen hat es mir ermöglicht, von einer auf fünf Milliarden Umsatz zu wachsen. Für
den nächsten Wachstumsschritt brauche ich die Börse, um meine Selbstständigkeit zu
erhalten."
117
Auf derselben Seite wird festgestellt:
118
"Diese (die Altaktionäre, Anm. Verfasser) binden sich durch einen Syndikatsvertrag, der
sie zwingt, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen, aneinander."
119
Diese Äußerungen in der Presse stehen in Übereinstimmung mit dem Prospekt der E10
über das öffentliche Angebot von Teilschuldverschreibungen 2006 bis 2011 vom
16.5.2006 (Anlage K 4). Daraus geht hervor, dass Dr. B der E10 war. Daraus geht ferner
hervor, dass er gleichzeitig Vorsitzender des Vorstandes der T2 SE und Vorsitzender
des Aufsichtsrats der Beklagten und der Y war. Von den übrigen Gesellschaftern der
E10 waren Vertreter der Raiffeisen-Bank und der V4-Versicherung im Aufsichtsrat der
E10 vertreten. Auf Seite 28 wird unter der Ziffer 12 "Hauptaktionäre" und Ziffer 12.1
"Angabe, ob an der Emittentin unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder
Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese
Beherrschung ausübt", folgendes ausgeführt:
120
"Eine Aktionärsgruppe um Dr. I3, Unternehmen der Raiffeisen-Gruppe und
Unternehmen der V4-Gruppe halten das gesamte Grundkapital der Gesellschaft. Es
bestehen keine satzungsmäßigen Sonderrechte der einzelnen Aktionäre. Vergleiche
dazu auch den unter Abschnitt III dargestellten Risikofaktor "Beherrschung der
Gesellschaft"."
121
Auf Seite 12 des Prospekts wird unter der Überschrift "Beherrschung der Gesellschaft",
ausgeführt:
122
"Eine Aktionärsgruppe um Dr. I2, Unternehmen der Raiffeisen-Gruppe und
123
Unternehmen der V4-Gruppe (die "Kernaktionäre") halten das gesamte Grundkapital der
Gesellschaft. Dieser Anteilsbesitz verleiht ihnen umfangreiche Rechte hinsichtlich der
strategischen Ausrichtung und hinsichtlich der den Aktionären zur Abstimmung
vorgelegten Angelegenheiten. Hierzu zählen insbesondere gesellschaftsrechtliche
Maßnahmen, wie Spaltungen oder Verschmelzungen, Übernahmen oder die
Veräußerung wichtiger Vermögensgegenstände, Genehmigung des
Jahresabschlusses, Dividendenfeststellung, Kapitalerhöhungen in Zusammenhang mit
Akquisitionen, Beteiligungen u.ä., sowie die Wahl und der Widerruf der Bestellung von
Aufsichtsratsmitgliedern. Die Interessen der Kernaktionäre bei der Entscheidung solcher
Gelegenheit und die Umstände, die sie bei der Ausübung ihres Stimmrechts
berücksichtigt, könnten von den Interessen der Gesellschaft abweichen. Dies könnte
dazu führen, dass eine Änderung in der Kontrolle oder eine Fusion, Konsolidierung,
Übernahme oder sonstige Unternehmensverbindung verzögert oder verhindert wird."
Aus diesen Veröffentlichungen ergibt sich zweifelsfrei, dass einer der so genannten
Kernaktionäre der E10 eine Aktionärsgruppe um Dr. B war.
124
Beherrschung auch durch die Kernaktionäre der E10
125
Für die Kammer spricht darüber hinaus einiges dafür, dass auch die Kernaktionäre der
E10, bestehend aus der Aktionärsgruppe um Dr. B (50% plus eine Aktie) sowie die
Mitaktionäre Raiffeisen und V4 (50% minus eine Aktie) einen beherrschenden Einfluss
auf die Beklagte hatten. Für diese Deutung sprechen sowohl die exakt austarierten
Beteiligungsverhältnisse, die Konzentrierung der Organfunktionen auf Dr. B und die
Vertreter von Raiffeisen und V4, die Aussagen im Prospekt der E10 und schließlich die
Angaben von Dr. B in der Presse, insbesondere bezüglich des "Syndikatsvertrags" der
Altaktionäre.
126
Widerlegung der Beherrschungslage
127
Bei dieser erdrückenden Indizienlage hätte es der Beklagten oblegen, im einzelnen
darzulegen, dass die E10 dennoch nicht durch eine Aktionärsgruppe um Dr. B bzw. ihre
so genannten Kernaktionäre beherrscht wurde. Dazu wäre die Beklagte auch in der
Lage gewesen, da ihr die Konzernverhältnisse aufgrund der organschaftlichen
Verflechtungen bekannt waren, wie sich auch aus ihrem Vortrag zu den
Beteiligungsverhältnissen ergibt. Im übrigen war ihr zuzumuten, Informationen zur Frage
der Beherrschung der E10 durch die Aktionärsgruppe um Dr. B bei letzterem
einzuholen, da er aufgrund seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten
zur Aufklärung beitragen konnte und musste. Es fällt auf, dass die Beklagte zwar die
prozentualen Beteiligungsverhältnisse offen darlegt, sich aber bezüglich ihres
Verhältnisses zur Gruppe um Dr. B und zu den Kernaktionären bedeckt hält.
128
Einwände der Beklagten gegen die Zurechnung
129
Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsverlust nach § 28
WpHG bzw. die Zurechnung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 WpHG sind unbegründet.
130
Der Einwand der Beklagten, bis zur mündlichen Verhandlung habe keiner der Kläger
behauptet, dass eine Gruppe um Dr. B bzw. die Kernaktionäre der E10 den
Zurechnungstatbestand nach § 22 Abs. 1 WpHG erfüllt, die spätere Bezugnahme sei
wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist gemäß § 246 AktG unzulässig, geht ins Leere. Die
131
wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist gemäß § 246 AktG unzulässig, geht ins Leere. Die
Klägerin zu 4 hat mit dem am 14.8.2006 rechtzeitig innerhalb der Anfechtungsfrist bei
Gericht zugegangen Schriftsatz behauptet, dass die Kernaktionäre der E10 nach § 22
Abs. 1 WpHG meldepflichtig gewesen seien und zudem auch eine Zurechnung nach §
22 Abs. 2 WpHG erfolgen müsse (Seite 14 des vorgenannten Schriftsatzes).
Der weitere Einwand der Beklagten, die Zitate aus der Presse seien irrelevant, da zu
bestreiten sei, dass Dr. B diese Äußerungen gemacht habe, und sie nicht die
Beteiligungsverhältnisse zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Beklagten am 14.7.
2006 wiederspiegeln würden, ist ebenfalls unerheblich. Denn einerseits lassen sich die
Äußerungen von Dr. B in der Presse bezüglich der angekündigten Umgestaltung des
Konzerns mit dem tatsächlichen Geschehen in Einklang bringen. Andererseits hält es
die Kammer für fernliegend, dass die Presse vor dem Hintergrund der gesetzlichen
Abwehrrechte bei unzutreffender Zitierung Dr. B wiederholt falsch zitiert hat. Dann wäre
zu erwarten gewesen, dass Dr. B bzw. die Mitaktionäre der E10 diese Berichte
dementieren und dagegen vorgegangen wären. Die in der Presse veröffentlichten
Äußerungen von Dr. B sind offensichtlich weder von ihm noch von den übrigen
Aktionären der E10 beanstandet worden. Jedenfalls ist dies nicht vorgetragen worden.
Abgesehen davon war die Beklagte in der Lage, ihren Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. B
mit den Pressezitaten zu konfrontieren, was offensichtlich nicht geschehen ist. Dass die
Pressezitate, wie die Beklagte meint, ohne Aussagekraft seien, weil sie keine
Rückschlüsse auf die Beteiligungsverhältnisse zum Zeitpunkt der Hauptversammlung
der Beklagten am 14.7.2006 zuließen, kann nicht festgestellt werden. Die Berichte aus
der Wirtschaftspresse datieren aus der Zeit vor als auch nach der Hauptversammlung
am 14.7.2006. Sie ergeben insgesamt ein stimmiges Bild. Dass innerhalb des Zeitraums
der Berichterstattung wesentliche Änderungen der Beteiligungsverhältnisse
vorgekommen sind, die in der Berichterstattung nicht berücksichtigt sind, behauptet die
Beklagte selbst nicht.
132
Die Beklagte wendet ferner ein, dass für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft eine
ausreichend sichere Grundlage bestehen müsse, dass heißt eine etablierte
unternehmerische Mehrheit vorhanden sein müsse, die sich nicht von Fall zu Fall erst
finden müsse. Zudem müsse die gemeinsame Beherrschung dauerhaft, dass heißt
beständig gesichert sein. Sie bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. Danach könne auch ein nicht über die erforderliche Mehrheit
verfügender Unternehmer dadurch zum beherrschenden werden, dass ihn ein
Gesellschafter, der selbst kein Unternehmer ist, mit seinen Stimmen unterstützt.
Allerdings sei erforderlich, dass die Unterstützung nicht zufällig auftrete, vielmehr auf
ausreichend sicherer Grundlage und beständig gesichert sei. Die
Familienverbundenheit allein lasse einen dahingehenden Schluss nicht zu. Es gebe
keinen Erfahrungssatz, dass Familienangehörige stets gleichgerichtete Interessen
verfolgen (vgl. BGH, NJW 1980, 2254 = WM 1980, 709 (712)), vielmehr müssten weitere
Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Familie beständig zu
einer gemeinsamen Stimmrechtsausübung zusammenfindet. Eine derart sichere
Grundlage gemeinsamer Herrschaft können nicht nur vertragliche oder organisatorische
Bindungen, sondern auch rechtliche und tatsächliche Umstände sonstiger Art bilden.
Diese Voraussetzungen könnten beispielsweise vorliegen, sollte die Familie in der
Vergangenheit stets als geschlossene Einheit aufgetreten sein, insbesondere stets mit
gleicher Stimme gesprochen, einem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer die
für die Geschäftspolitik nötige Rückendeckung gegeben haben (BGH, Urteil vom 16-02-
1981 - II ZR 168/79, NJW 1981, 1512, 1514 = BGHZ 80, 69). Dass diese
Voraussetzungen bei der Aktionärsgruppe um Dr. B nicht erfüllt sind, wie die Beklagte
133
ohne Begründung behauptet, hält die Kammer aufgrund der oben näher dargelegten
Anhaltspunkte für widerlegt.
Auch der weitere Einwand, die Anteile der L10 seien jedenfalls nicht Dr. B bzw. seiner
Familie zuzuordnen, da die B Stiftung und die M3 Stiftung jeweils mit 50% paritätisch an
der L10 beteiligt gewesen seien trägt nicht. Es habe zwischen den Familienstiftungen
weder einen Konsortialvertrag gegeben noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich,
dass der Einfluss auf die L10 von den Familienstiftungen einheitlich ausgeübt worden
sei. Daran ändere auch nichts, dass Dr. B der Geschäftsführung der L10 angehört habe,
da u. a. auch Anton M3 als Vertreter der M3 Stiftung Mitglied der Geschäftsführung
gewesen sei. Es sei nicht hinreichend gesichert, dass Dr. B und die B Stiftung einerseits
und die L10 andererseits ihren Einfluss auf die E10 stets oder auch nur regelmäßig
einheitlich und gemeinsam ausüben würden. Es mag so gewesen sein, dass man sich
von Fall zu Fall zu einer einheitlichen Linie durchgerungen habe. Das reiche jedoch
nicht aus. Auch die Leitungsorgane der gemeinsam herrschenden Unternehmen seien
nicht personenidentisch besetzt gewesen. Die in diesem Zusammenhang von der
Beklagten vermissten konkreten Anhaltspunkte für eine Abstimmung der Gesellschafter
der L10 liegen nach Auffassung der Kammer sehr wohl vor, wie erläutert worden ist. Aus
den dargelegten Gründen ist von einer Abstimmung auf gesicherter Grundlage
auszugehen. Die gesamten Indizien für eine Mehrheit der Gruppe um Dr. B,
insbesondere die exakt austarierten Beteiligungsverhältnisse in der E10, die
Konzentration der Organfunktionen auf Dr. B und die Vertreter von Raiffeisen und V4,
die Aussagen im Prospekt der E10 und schließlich die Angaben von Dr. B in der Presse
zu seiner Alleinbeherrschung der T2 setzen zwangsläufig eine dauerhafte und
gesellschaftsrechtliche vermittelte Beherrschung auch der L10 voraus. Der von der
Beklagten zusätzlich angeführte Aspekt, dass die Mehrheit der Anteile an der L10 von
der M3-Privatstiftung inzwischen von der B-Stiftung übernommen worden sei, um das
Patt aufzulösen, kann die vorstehenden Überlegungen nicht erschüttern.
134
Der Anwendungsbereich von §§ 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 WpHG ist nicht, wie die
Beklagte ferner meint, durch eine einschränkende Auslegung von § 17 AktG zu
begrenzen. Die Beklagte verkennt nicht, dass nach herrschender Ansicht und der
Intention des Gesetzgebers zur Definition des Tochterunternehmens im Sinne von § 22
Abs. 3 WpHG die zu § 17 AktG entwickelten Grundsätze herangezogen werden können,
folglich auch die Grundsätze zur gemeinsamen Beherrschung bzw. Mehrmütterschaft.
Die Beklagte will dies unter Berufung auf Äußerungen in der Literatur, insbesondere
zum parallelen Problem im Rahmen von § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG, aber begrenzen auf
solche Mutterunternehmen, die die "Mütter" als Gruppe ihrerseits beherrschen. Dieser
Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden, da keine Gründe ersichtlich sind, eine
Beherrschung durch mehrere Mütter zu privilegieren und diese von den
Mitteilungspflichten auszunehmen.
135
Soweit die Beklagte zwecks systematischer Auslegung von § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
WpHG ausführt, § 22 Abs. 2 WpHG würde weitgehend leer laufen, falls ein
abgestimmtes Verhalten (acting in concert) unter § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG subsumiert
würde, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte widerspricht sich damit schon
insofern, als sie rechtlich ausgeführt hat, dass § 22 Abs. 2 WpHG auf eine Abstimmung
mittelbarer Aktionäre nicht anwendbar sei. Dann kann natürlich nicht argumentiert
werden, die Vorschrift würde bei der Abstimmung mittelbarer Aktionäre leer laufen.
Offensichtlich hat auch die Beklagte diesen Widerspruch erkannt und will
argumentieren, dass die restriktive Auslegung von § 22 Abs. 2 WpHG, die die
136
Abstimmung mittelbarer Aktionäre nicht erfasse, auch im Rahmen von § 22 Abs. 1 Nr. 1,
Satz 3 WpHG zur Geltung kommen müsse, da sich Lücken in der Mitteilungskette nicht
ergeben würden. Schließlich seien Meldungen von der E10 und der T2 SE abgegeben
worden. Diese Rechtsauffassung werde von der BaFin geteilt, so dass auch ein
Verschulden fraglich sei. Auch diese Argumentation überzeugt nicht. § 22 Abs. 2 WpHG
will durch die Einbeziehung des acting in concert Zurechnungslücken schließen
(Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 4. Aufl. 2006, § 22 Rn. 132 ff.). Daher wäre es
geradezu sinnwidrig, eine restriktive Auslegung des §§ 22 WpHG auf den
Zurechnungstatbestand nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auszudehnen. Nach der Intention
des Gesetzes soll es eben nicht ausreichen, wenn zwei von drei Müttern ihre
Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG erfüllen. Dann würde der Gesetzeszweck vereitelt.
Stimmrechtsausschluss nach § 28 WpHG bezüglich der von Dr. W2 vertretenen
Stimmen
137
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die von Dr. W2 in der Hauptversammlung am
14.7.2006 vertretenen Stimmen im Umfang von 7,01% nicht nach § 28 WpHG wegen
Nichterfüllung von Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22
Abs. 1 Nr. 6 WpHG unwirksam.
138
Nach Meinung der Beklagten sind von dem Ausschluss nach § 28 WpHG nicht
diejenigen Aktien betroffen, die Dr. W2 in seiner Eigenschaft als Alleinvorstand des
Klägers zu 1 vertreten hat, sondern die Aktien, die er selbstständig, also nicht als
Vorstand des Klägers zu 1, vertreten hat. Dr. W2 sei in der Hauptversammlung der
Beklagten sowohl als Vorstand des Klägers zu 1 als auch als selbstständiger
Rechtsanwalt und Aktionärsvertreter aufgetreten. Das ergebe sich sowohl aus dem
Teilnehmerverzeichnis als auch aus den Vollmachtserteilungen auf den Eintrittskarten.
Es gebe zwei unterschiedliche Arten der Vollmachtserteilung an Rechtsanwalt Dr. W2,
die alle von den Vollmachtserteilungen zu Gunsten des Klägers zu 1 zu unterscheiden
seien. Dr. W2 sei für 108.370 Aktien, das entspreche 2,69% des Grundkapitals und
3,38% der in der Hauptversammlung vertretenen Stimmrechte, unmittelbar eine
Vollmacht erteilt worden. Der Kläger zu 1 werde dabei nicht erwähnt. Darüber hinaus
habe der Kläger zu 1 Dr. W2 Vollmachten für Aktien im Fremdbesitz erteilt, und zwar
unter der Kanzleiadresse von Dr. W2, die sich von der Anschrift des Klägers zu 1
unterscheide. Infolgedessen handele es sich insoweit um eine rechtsgeschäftliche
Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Dr. W2 selbst. Aus den Eintrittskarten ergebe sich,
dass der Kläger zu 1 Dr. W2 auf diese Weise zur Vertretung von 177.016 Aktien, das
entspreche 4,39% des Grundkapitals und 5,52% der in der Hauptversammlung
vertretenen Stimmrechte, bevollmächtigt habe. Insgesamt habe Dr. W2 somit 285.386
Aktien, insgesamt 7,08% des Grundkapitals und 8,9% der in der Hauptversammlung
vertretenen Stimmrechte, selbstständig vertreten. Aus diesem Grunde sei unerheblich,
ob der Kläger zu 1 an Weisungen gebunden gewesen sei. Rechtsanwalt Dr. W2 sei
jedenfalls nach eigener Aussage in der Hauptversammlung nicht an Weisungen
gebunden gewesen. Diese Stimmen seien nach § 28 WpHG betroffen.
139
Es kann offen bleiben, ob Rechtsanwalt Dr. W2 die vorgenannten Stimmanteile gemäß
§ 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG zuzurechnen sind und er infolgedessen nach § 21 Abs. 1 Satz
1 WpHG mitteilungspflichtig war. Denn einerseits wird eine Zurechnung nach § 22 Abs.
1 Nr. 6 WpHG nicht von § 28 WpHG erfasst. Betroffen von dem Rechtsverlust sind nach
§ 28 Satz 1 WpHG nur Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm
Stimmrechte gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG zugerechnet werden
140
(OLG Stuttgart, Urt. vom 10.11.2004 - 20 U 16/03 AG 2005, 125, 127). § 22 Abs. 1 Nr. 6
WpHG wird nicht erwähnt. Abgesehen davon hat die Beklagte nicht ansatzweise
dargelegt, dass Rechtsanwalt Dr. W2 Aktien anvertraut waren im Sinne von § 22 Abs. 1
Nr. 6 WpHG. Der Meldepflichtige muss sich hier Stimmrechte aus solchen Aktien
zurechnen lassen, die ihm zur Verwahrung anvertraut sind, sofern er die Stimmrechte
nach eigenem Ermessen ausüben kann und keinen Weisungen des Aktionärs
unterliegt. Auch hier handelt es sich um die Zurechnung von Stimmrechten aus fremdem
Aktienbesitz, auf deren Ausübung der Meldepflichtige Einfluss hat. Eigenverwahrung ist
nicht erforderlich. Auch der Rechtsgrund für die vorgenommene Verwahrung ist egal; in
Betracht kommt sowohl eine vertragliche als auch eine gesetzliche Grundlage
(beispielsweise elterliche Sorge, Testamentsvollstreckung (Bayer in: a.a.O., § 22 Rn. 37;
Hüffer, a.a.O., § 22 WpHG Rn. 5). Die Beklagte hat nicht erläutert, inwiefern Aktionäre
ihre Aktien Dr. W2 anvertraut haben. Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass
Dr. W2 die ihm übertragenen Stimmrechte nach eigenem Ermessen ausüben durfte, das
heißt, dass er keinen Weisungen der Aktionäre unterworfen war, selbst wenn unterstellt
würde, dass die Stimmrechte nicht dem Kläger zu 1, sondern Dr. W2 persönlich
übertragen werden sollten. Dabei ist unerheblich, ob Dr. W2 tatsächlich, wie die
Beklagte behauptet, in der Hauptversammlung mitgeteilt hat, er sei an Weisungen nicht
gebunden. Nach der Vorgeschichte, die der Übertragung von Stimmrechten auf Antrag
von Dr. W2 vorausging, ist ausgeschlossen, dass er nach freiem Ermessen, das heißt
gegebenenfalls auch für die Beschlussvorschläge der Verwaltung der Beklagten,
entscheiden durfte. Die Klägerin zu 1 hat im Aktionärsforum des elektronischen
Bundesanzeigers am 1. Februar 2006 ein Verlangen zur Einberufung einer
Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG mit Begründung veröffentlichen
lassen (Anlage K 15 bis K 17). Mit gesonderter Bekanntmachung vom 29.5.2006 hat die
Beklagte diesem Verlangen mit der Aufnahme der Tagesordnungspunkte 13 bis 15
auch entsprochen. Der Kläger zu 1 hat mit der Veröffentlichung vom 12.7.2006 andere
Aktionäre aufgefordert, sich den Anträgen anzuschließen (Anlage K 18). Daraufhin
haben sich mit einem vorbereiteten Vollmachtsformular (Anlage K 17) mehrere
Aktionäre bei dem Kläger zu 1 gemeldet und ihn mit der Vertretung in der
streitgegenständlichen Hauptversammlung beauftragt. Sie haben den Kläger zu 1 damit
beauftragt, für die Anträge zu den Tagesordnungspunkten 13 bis 15 und ferner gegen
die Beschlussvorschläge der Verwaltung zu stimmen. Im Verlauf der
streitgegenständlichen Hauptversammlung haben weitere Aktionäre den Vertreter des
Klägers zu 1 damit beauftragt, für die Anträge zu den Tagesordnungspunkten 13 bis 15
und im übrigen gegen die bekannt gemachten Beschlussvorschläge der Verwaltung zu
stimmen. Das alles wird von der Beklagten nicht bestritten. Die Stimmrechtsvertretung
durch Dr. W2 kann vor diesem Hintergrund nur so verstanden werden, dass die
Stimmen im Sinne der von dem Kläger zu 1 angekündigten Weise auszuüben waren.
Dr. W2 ist gesetzlicher Vertreter des Klägers zu 1. Als solcher ist er auch vor und auf der
Hauptversammlung der Beklagten am 14.7.2006 aufgetreten. Soweit Aktionäre ihn
persönlich mit der Stimmrechtsvertretung beauftragt haben, ist schon zweifelhaft, ob
damit nicht der Kläger zu 1 beauftragt werden sollte. Jedenfalls für die Aktionäre, die Dr.
W2 persönlich beauftragt haben, musste nicht zweifelhaft sein, dass die Stimmrechte
nur im Sinne des Vorschlag des Klägers zu 1 ausgeübt werden durften. Folglich war Dr.
W2 an Weisungen gebunden und konnte nicht nach eigenem Ermessen entscheiden.
Relevanz des Stimmenverlustes der T2 SE für die angefochtenen Beschlüsse
141
Aufgrund der nach § 28 WpHG ausgeschlossenen Stimmen der Mehrheitsaktionärin T2
SE sind die angefochtenen Beschlüsse wegen fehlender Mehrheit nicht zu Stande
142
gekommen. Im einzelnen ergeben sich folgende Abstimmungsergebnisse:
Ja-Stimmen lt.
Prot.
Rest Ja-/Nein-
Stimmen
Nein
Stimmen
TOP 3 Entlastung Vorstand
2.762.559
108.745
438.020
TOP 4 Entlastung Aufsichtsrat 2.762.347
108.533
437.882
TOP 5 Wahl Wirtschaftsprüfer 2.762.688
108.874
437.867
TOP
10
Änderung der Satzung 2.762.854
109.040
437.914
TOP
13
Entzug des Vertrauens 439.345
89.346
2.743.160
TOP
14
Weisung § 83 Abs. 1
AktG
424.944
103.786
2.757.600
TOP
15
Sonderprüfung
441.446
87.779
2.741.593
143
In der vorletzten Spalte sind die nach Abzug der Stimmen der T2 SE verbleibenden Ja-
/Nein-Stimmen aufgeführt. Die Zahlen in der letzten Spalte zu TOP 3, 4, 5 und 10
zeigen, dass die Nein-Stimmen jeweils die verbleibenden Ja-Stimmen übersteigen. Die
Zahlen in der drittletzten Spalte zu TOP 13 – 15 zeigen, dass die Ja-Stimmen die
verbleibenden Nein-Stimmen übersteigen.
144
Weitere Anfechtungsgründe
145
Der Rechtsverlust nach § 28 WpHG erfasst alle auf der Hauptversammlung der
Beklagten am 14.7.2006 gefassten Beschlüsse. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann
offen bleiben, ob auch die weiteren vorgetragenen Anfechtungs- bzw.
Nichtigkeitsgründe berechtigt sind. Es hat für den Ausgang des Rechtsstreits
insbesondere keine Bedeutung, ob die Integration der Beklagten in die T2 SE nur auf
der Grundlage eines Unternehmensvertrags bzw. einer Verschmelzung zulässig war.
146
Positive Feststellungsklagen
147
Die positiven Beschlussfeststellungsklagen sind ebenfalls begründet.
148
Die positive Beschlussfeststellungsklage betrifft abgelehnte (negative) Beschlüsse. Eine
erfolgreiche Anfechtung beseitigt nur den ablehnenden Beschluss. Das der
Abstimmungsmehrheit entsprechende Ergebnis (Annahme des Antrags) kann damit
aber nicht herbeigeführt werden. Nach herrschender Meinung darf der
Anfechtungsantrag deshalb um einen Feststellungsantrag ergänzt werden, dass der
Beschluss mit näher bezeichnetem Inhalt zu Stande gekommen ist (vergleiche Hüffer,
AktG, 7. Auflage, § 246 Rn. 42 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Das
Feststellungsurteil entfaltet erweiterte Rechtskraftwirkung analog § 248 Abs. 1 Satz 1
AktG. Andere Aktionäre können sich durch eine Nebenintervention am Verfahren
beteiligen und gegen die Feststellungsklage einredeweise Anfechtungsgründe geltend
149
machen, die sie bei bisheriger Beschlusslage (Ablehnung) nicht vorzubringen brauchten
(BGH, Urteil vom 13. 3. 1980 - II ZR 54/78 (Karlsruhe), NJW 1980, 1465, 1468).
Vorliegend sind keine Nebenintervenienten oder sonstige Anfechtungsbefugte auf
Seiten der Beklagten beigetreten, die Anfechtungsgründe gegen die
Beschlussfeststellungen zu TOP 13 bis 15 vorgebracht haben. Lediglich die Beklagte
hat einredeweise Anfechtungsgründe gegen die vorgenannten positiven Beschlüsse
vorgebracht. Die Beklagte selbst ist aber nicht anfechtungsbefugt, so dass die
Anfechtungsgründe auch keine Berücksichtigung finden können. Daher ist nicht zu
prüfen, ob Anfechtungsgründe vorliegen, weil die positiven Beschlüsse gegen Gesetz
oder Satzung verstoßen, etwa weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht eingehalten
wurden. Beachtlich sind lediglich Nichtigkeitsgründe, da diese auch ohne Anfechtung
zur Nichtigkeit führen und dann nicht festgestellt werden könnte, dass diese Beschlüsse
wirksam zustande gekommen sind.
150
Positive Feststellung TOP 13 (Vertrauensentzug)
151
Der Beschluss ist wirksam gefasst worden.
152
Die Hauptversammlung ist berechtigt, dem Vorstand durch Beschluss das Vertrauen zu
entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 28. 4. 1954 - II ZR 211/53 (Köln), NJW 1954, 998 ff.).
Auch § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG setzt die Möglichkeit eines Vertrauensentzugs durch die
Hauptversammlung voraus. Zusätzlicher Begründung neben dem Vertrauensentzug
bedarf es nicht. Er genügt auch dann, wenn dem Vorstandsmitglied kein persönlicher
Vorwurf gemacht werden kann, ausreichend sind Meinungsverschiedenheiten über
wesentliche Unternehmensentscheidungen, die aus der Sicht der Hauptversammlung
den Vertrauensentzug rechtfertigen, selbst wenn der Vorstand bei objektiver
Betrachtung im Recht sein sollte. Nur offenbar unsachliche Gründe machen den
Vertrauensentzug wirkungslos, etwa bei Willkür oder offenbarer Treuwidrigkeit
(vergleiche Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 84 Rn 29 mit weiteren Nachweisen).
153
Von einer Wirkungslosigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses wegen Willkür
oder offenbarer Treuwidrigkeit kann nicht ausgegangen werden. Denn der Entzug des
Vertrauens basiert im wesentlichen darauf, dass die für den Entzug des Vertrauens
votierenden Aktionäre den Standpunkt vertreten und vertreten haben, dass die
Integration in den T2 Konzern nachteilig im Sinne von § 311 ff AktG sei und ein
Unternehmensvertrag bzw. eine Verschmelzung erforderlich sei.
154
Nichtigkeitsgründe sind nicht vorgetragen worden.
155
Positive Feststellung TOP 14 (Anweisung nach § 83 AktG)
156
Der Beschluss der Hauptversammlung am 14.7.2006 nach § 83 Abs. 1 AktG, den
Vorstand zur Vorbereitung eines Verschmelzungsvertrages zwischen der T2 AG und der
Y anzuweisen, ist wirksam zustande gekommen.
157
Nach § 83 Abs. 1 AktG ist der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung
verpflichtet, Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen,
vorzubereiten. Das gleiche gilt für die Vorbereitung und den Abschluss von Verträgen,
die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. Der Beschluss der
Hauptversammlung bedarf der Mehrheit, die für die Maßnahme oder die Zustimmung zu
158
dem Vertrag erforderlich ist. Der Vorstand ist verpflichtet, die von der Hauptversammlung
im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Das gilt auch
dann, wenn nur die Hauptversammlung die Maßnahme fordert, der Vorstand aber nicht
(Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 83 Rn 3). Die Entscheidung über die Verschmelzung der
Gesellschaft mit einem anderen Unternehmen fällt nach § 65 Umwandlungsgesetz in
die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Erforderlich ist eine Mehrheit, die mindestens
3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst.
Die für den Weisungsbeschluss der Hauptversammlung erforderliche Mehrheit von 3/4
des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals lag vor, da 429.944 Stimmen
für die Weisung, und 103.786 Stimmen dagegen abgegeben wurden. Das entspricht
einer Mehrheit von 81% des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals.
159
Die positive Beschlussfeststellungsklage ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht
rechtsmissbräuchlich wegen Verletzung der aktienrechtlichen Treuepflicht. Die Beklagte
argumentiert, den Klägern sei mehrfach erläutert worden, dass die Verschmelzung der
Beklagten mit der Y nicht möglich sei, weil die Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft,
die Mitglieder der Familie M3, ihre Zustimmung zu einer solchen Verschmelzung nicht
erteilen. Mit dem Anweisungsbeschluss würde der Vorstand zu einem zeit- und
kostenintensiven Handeln verpflichtet, das nicht Erfolg versprechend sei. Die Bindung
der personellen und finanziellen Ressourcen würde der Beklagten schaden, ohne dass
damit irgendein Nutzen verbunden wäre. Bei dieser Sachlage kann von einer
Treuepflichtverletzung der Minderheitsaktionäre nicht ausgegangen werden. Zwar ist
davon auszugehen, dass die Gespräche zwischen der Beklagten und der Y zwecks
Verschmelzung gescheitert sind. Offensichtlich war der Minderheitsaktionär der Y mit
den Konditionen der Verschmelzung nicht einverstanden. Das schließt aber nicht aus,
dass weitere Verhandlungen zu einer Übereinkunft mit der Y bzw. ihres
Minderheitsaktionärs führen. Dass eine Verschmelzung der Beklagten mit der Y
überhaupt nicht verhandlungsfähig und damit völlig aussichtslos ist, hat die Beklagte
nicht dargelegt.
160
Im übrigen würde eine etwaige Treuepflichtverletzung der Minderheitsaktionäre, wollte
man diese unterstellen, auch nicht zur Nichtigkeit eines Weisungsbeschlusses nach §
83 Abs. 3 AktG führen, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit. Die Beklagte kann jedoch,
wie erläutert wurde, Anfechtungsgründe nicht einredeweise geltend machen.
161
Positive Feststellung TOP 15 (Sonderprüfung)
162
Der Beschluss über die Bestellung eines Sonderprüfers gemäß TOP 15 ist wirksam.
163
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung mit einfacher
Stimmenmehrheit für die Prüfung von Vorgängen innerhalb der Geschäftsführung
Sonderprüfer bestellen. Unter Geschäftsführung im Sinne von § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG
ist zunächst der gesamte Verantwortungsbereich des Vorstands zu verstehen, aber
auch die Tätigkeit des Aufsichtsrats, jedenfalls soweit sie sich auf die Überwachung
oder Ausübung einer Zustimmungskompetenz auf die Geschäftsführung des Vorstands
bezieht (Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 142 Rn 4 f.; Schröer in: Münchener Kom. zum AktG, Bd.
4, 2. Aufl., 2004, § 142 Rn 19, 20). Ziel der Prüfung nach § 142 AktG ist es, die
Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus Pflichtverletzung der
Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß §§ 93, 116 AktG und aus § 117 AktG zu
sichern. Daneben können auch andere Ansprüche, zum Beispiel Vertragsverletzungen
164
Dritter, vorbereitet werden. Die tatsächlichen Grundlagen etwaiger Ersatzansprüche der
Gesellschaft sollen aufgeklärt werden können (Schröer in: Münchener Kom. zum AktG,
Bd. 4, 2. Aufl., 2004, § 142 Rn 4). Hauptanwendungsfall der Sonderprüfung sind
Vorgänge, aus denen sich Ersatzansprüche gegen die Organe der Gesellschaft ergeben
können (Hüffer, AktG, 7. Auflage, § 142 Rn. 2; Schröer in: Münchener Kom. zum AktG,
Bd. 4, 2. Aufl., 2004, § 142 Rn 4 f.). Zur Geschäftsführung können auch bestimmte
Vorgänge im Konzern gehören, wie z. B. die geschäftlichen Beziehungen zu einem
Konzernunternehmen (Schröer in: Münchener Kom. zum AktG, Bd. 4, 2. Aufl., 2004, §
142 Rn 19).
Ob sich der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten am 14.7.2006 zur
Sonderprüfung gemäß § 142 AktG in allen Einzelheiten auf Vorgänge bei der
Geschäftsführung bezieht, was die Beklagte bestreitet, muss nicht entschieden werden.
Nichtig ist der Beschluss nach § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG nur dann, wenn ein
Sonderprüfer für Vorgänge bestellt wird, die nicht Gegenstand einer Sonderprüfung sein
können, sofern damit in die Zuständigkeit anderer Organe oder vom Gesetz für solche
Sachverhalte bestimmte Prüfer eingegriffen wird und damit der Beschluss mit dem
Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar ist, § 241 Nr. 3 AktG. Ein
verfahrensfehlerhaft zustande gekommener oder inhaltlich fehlerhafter Beschluss ist
jedenfalls nur anfechtbar (Schröer in: Münchener Kom. zum AktG, Bd. 4, 2. Aufl., 2004, §
142 Rn 51, 14 mit weiteren Nachweisen).
165
Auch wenn der Sonderprüfungsantrag zu TOP 15 sehr umfassend ist, kann jedoch der
Auffassung der Beklagten, dass er uferlos sei, ohne sich auf konkrete Vorgänge zu
beziehen, nicht gefolgt werden. In dem Sonderprüfungsantrag wird zunächst einleitend
klargestellt, dass sich die Prüfung auf Vorgänge der Geschäftsführung sowie auf die
Aufdeckung von aktien- und konzernrechtswidrigen bzw. kapitalmarktwidrigen Eingriffen
bzw. Leitungsmaßnahmen zulasten der Gesellschaft beziehen soll. Mögliche Ansprüche
der Gesellschaft auf Schadensersatz oder Nachteilsausgleich sowie Reflexschäden der
Aktionäre gegen gegenwärtige oder ehemalige Organmitglieder sollen ermittelt werden.
Nachfolgend werden die Prüfungsgegenstände 1 "Übertragung des
Unternehmensbereichs Hoch- und Ingenieurbau auf die Y" mit insgesamt 16
Unterpunkten, Prüfungsgegenstand 2 "Vorbereitung des Beherrschungsvertrag mit der
C T2" mit 8 Unterpunkten, Prüfungsgegenstand 3 "Informationspflichten gegenüber den
Aktionären und den Kapitalmärkten/Marktmanipulation/Aktienkäufe" mit 5 Unterpunkten
und Prüfungsgegenstand 4 "Teilnehmerhaftung" mit 4 Unterpunkten aufgeführt. Der
Vorwurf der Beklagten, diese Prüfungsgegenstände seien nicht hinreichend bestimmt
und beträfen keine abgrenzbaren Vorgänge der Geschäftsführung, hält die Kammer für
unbegründet. Hier könnte eher der Vorwurf erhoben werden, dass die
Prüfungsgegenstände zu detailliert sind und möglicherweise den für jede
Sonderprüfung erforderlichen Spielraum bei der Beurteilung eines Sachverhaltes zu
sehr eingrenzen. Das dürfte im übrigen auch der Grund dafür sein, dass eingangs des
Sonderprüfungsantrags ausgeführt wird, dass die dargestellten Prüfungsgegenstände
lediglich eine beispielhafte Aufzählung für mögliche Ansatzpunkte der weiteren
Prüfungstätigkeiten seien. Bezeichnenderweise beruft sich die Beklagte zur Abwehr des
Antrags zu Ziffer 8 (Antrag auf Ergänzung des Sonderprüfungsantrags) u. a. darauf, dass
die übrigen – hier relevanten Anträge so konkret gewesen seien, dass ergänzende
Anträge nicht mehr bekanntmachungsfrei gestellt werden konnten.
166
Nicht überzeugend ist auch der weitere Einwand der Beklagten, der
Prüfungsgegenstand 3 betreffe überhaupt keine abgegrenzten Vorgänge der
167
Geschäftsführung, sondern beziehe sich ganz allgemein auf Informationspflichten
gegenüber den Aktionären, und der Prüfungsgegenstand 4 enthalte bloße
Rechtsfragen. Der Prüfungsgegenstand 3 bezieht sich auf konkrete Ereignisse,
beispielsweise auf die Veräußerung des Unternehmensbereichs Hoch- und
Ingenieurbau, die Vorbereitungen und den Verlauf des in Betracht gezogenen
Unternehmensvertrages und eines Paketerwerbs. Der Prüfungsgegenstand 4 beinhaltet
lediglich in 2 Unterpunkten Rechtsfragen, und zwar hinsichtlich der strafrechtlichen
Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat und der eingeschalteten Beratungsgesellschaften.
Zwar ist Zweck der Sonderprüfung nicht die Klärung von Rechtsfragen, die verbindlich
nur die Gerichte zu beurteilen haben. Allerdings schließt die Aufgabe, die tatsächlichen
Grundlagen für Schadensersatzansprüche zu klären, je nach Prüfungsauftrag nicht aus,
dass die Prüfungsergebnisse im Prüfungsbericht auch rechtlich gewürdigt werden
(Schröer in: Münchener Kom. zum AktG, Bd. 4, 2. Aufl., 2004, § 142 Rn 7). Aufgrund des
umfassenden Prüfungsauftrags zur Klärung der organschaftlichen Haftung hält es die
Kammer für vertretbar, dass zwei Rechtsfragen zur strafrechtlichen Verantwortung in
dem Sonderprüfungsantrag enthalten sind. Abgesehen davon enthalten die Fragen zu
4.1 und 4.2 auch den Auftrag zu tatsächlichen Feststellungen, soweit sie für die
strafrechtliche Verantwortung relevant sind.
Letztlich kommt es auf die vorstehenden Fragen aber nicht entscheidend an, da
mögliche Verstöße jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 15 der
Hauptversammlung vom 14.7.2006 führen, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit. Denn
aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich unter Berücksichtigung des Beschlusses zu
TOP 15 nicht, dass die dort genannten Prüfungsaufträge nicht Gegenstand einer
Sonderprüfung sein können, weil in die Zuständigkeit anderer Organe oder vom Gesetz
für solche Sachverhalte bestimmten Prüfer eingegriffen wird und damit der Beschluss
mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar ist, § 241 Nr. 3 AktG.
168
Antrag zu Ziffer 8 (Ergänzung Sonderprüfung)
169
Der Antrag ist begründet.
170
Es handelt sich um eine allgemeine Feststellungsklage. Auch wenn der Vorgang
abgeschlossen ist, haben die Kläger ein Interesse an der Feststellung des Sachverhalts
im Hinblick auf etwaige Haftungsansprüche und eine Schadensersatzverpflichtung des
Versammlungsleiters.
171
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Versammlungsleiter hat die Ergänzung der
zu TOP 15 beantragten Sonderprüfung um den Prüfungsgegenstand
"Geschäftsbeziehungen zur X3-Gruppe" zu Unrecht abgelehnt. Dieser
Sonderprüfungsantrag war zwar nicht rechtzeitig gemäß § 124 AktG bekannt gemacht
worden. Er war aber bekanntmachungsfrei im Sinne von § 124 Abs. 4 Satz 2, 2. Alt.
AktG.
172
Allgemeiner Überzeugung nach sind sachlich ergänzende Anträge, etwa die Bestellung
von Sonderprüfern im Rahmen des Entlastungsantrags, bekanntmachungsfrei. (Hüffer,
AktG, 7. Aufl., § 124 Rn 19; OLG Brandenburg Urt. vom 06.06.2001 - 7 U 145/00, AG
2003, 328, 329; Schröer in: Münchener Kom. zum AktG, Bd. 4, 2. Aufl., 2004, § 124 Rn
73). In Betracht kommt auch ein Bezug zu anderen Punkten, etwa der Vertrauensentzug
oder auf die Geltendmachung von Schadensersatz gegen einzelne oder alle
Organmitglieder (Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 124 Rn 19; Schröer in: Münchener Kom. zum
173
AktG, Bd. 4, 2. Aufl., 2004, § 124 Rn 73).
Vorliegend hatte der Ergänzungsantrag Bezüge zu mehreren Tagesordnungspunkten,
und zwar zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (TOP 3 und 4), zum
Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand (TOP 13) und zum Sonderprüfungsantrag
(TOP 15). Es bestand ein enger sachlicher Zusammenhang zu diesen
Tagesordnungspunkten.
174
Die Bedenken der Beklagten sind unbegründet.
175
Unerheblich ist zunächst, ob die Ergänzung bereits in das Ergänzungsverlangen zu
dem Sonderprüfungsantrag TOP 15 hätte aufgenommen werden können. Das ist kein
entscheidendes Kriterium.
176
Ohne Bedeutung ist auch, ob der Gesamtkomplex der Veräußerung der W5-Beteiligung
bereits von dem Sonderprüfungsantrag zu TOP 15 umfasst war. Es geht um
Schadensersatzansprüche bzw. Nachteilsausgleichsansprüche gegenüber der T2 SE
bzw. Organen betreffend die Veräußerung von Anteilen, insbesondere W5-Anteilen
bzw. Assets des Unternehmens an die X3-Gruppe seit 1998. Dieser
Sachverhaltskomplex reiht sich jedenfalls nahtlos in die übrigen Vorwürfe ein, die die
Kläger gegen die Mehrheitsaktionärin T2 SE bzw. die Organe der Beklagten erheben,
und die sie einer Sonderprüfung, wie zu TOP 15 beschlossen, unterziehen wollen.
177
Schließlich spielt auch die von der Beklagten geltend gemachte Verjährung etwaiger
Ansprüche keine Rolle. Die bisherige 49 %ige Beteiligung der Beklagten an der W5
wurde erst mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.1.2006 an die bisherige
Mitgesellschafterin X3 & O2 OHG veräußert. Ansprüche sind daher nicht verjährt.
178
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
179
Den Anträgen der Beklagten auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß
§ 156 ZPO und - hilfsweise - auf Aussetzung des Anfechtungsverfahrens gemäß § 148
ZPO ist nicht zu entsprechen.
180
Gemäß § 156 Abs. 1 ZPO kann das Gericht die Wiedereröffnung einer Verhandlung
anordnen. Nach § 156 Abs. 2 ZPO hat es die Wiedereröffnung insbesondere
anzuordnen bei der Feststellung eines entscheidungserheblichen Verfahrensfehlers,
insbesondere einer Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht oder einer
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, oder wenn nachträglich Tatsachen
vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund
darstellen.
181
Die Beklagte trägt in dem Antrag auf Wiedereröffnung vor, das anlässlich der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 1.6.2007 die hier streitigen
Beschlüsse mit überwältigender Mehrheit gemäß § 244 AktG bestätigt worden seien.
Sie fügt insofern die festgestellten Abstimmungsergebnisse bei. Zusätzlich wird
vorgetragen, dass gegenwärtige und ehemalige Gesellschafter der T2 SE und der E10
am 09.05. 2007 weitere Stimmrechtsmitteilungen an die Beklagte bzw. die BaFin
übersandt hätten, womit etwaige Verstöße gegen Mitteilungspflichten nach § 28, § 21
WpHG mit der Bestandskraft der Bestätigungsbeschlüsse geheilt seien.
182
Die Kläger wenden ein, die Beklagte habe das Verfahren bereits durch ihren Antrag auf
Ablehnung des Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit treuwidrig
hinausgezögert und damit verhindert, dass ein Urteil vor der Bestätigung der streitigen
Hauptversammlungsbeschlüsse in der Hauptversammlung am 1.6.2007 verkündet
werden konnte. Darüber hinaus sei eine Bestätigung der Beschlüsse nach § 244 AktG
auch wegen der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse ausgeschlossen. Im
übrigen sei nicht vorgetragen, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung am 1.6.2007
nicht innerhalb der Frist angefochten worden seien.
183
Vor diesem Hintergrund besteht kein Grund zur Wiedereröffnung bzw. Aussetzung des
Verfahrens. Denn der Vortrag der Beklagten ist schon unerheblich.
184
Bestätigungsbeschlüsse gemäß § 244 AktG sind für ein laufendes
Anfechtungsverfahren nur dann von Bedeutung, wenn sie in Bestandskraft erwachsen
sind. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck von § 244 AktG (vgl.
Bokern, AG 2005, 285, 285). Denn das Ziel, mit dem Bestätigungsbeschluss das
Anfechtungsverfahren über die Wirksamkeit des Ausgangsbeschlusses zu
vereinfachen, kann nur eintreten, wenn der Bestätigungsbeschluss nicht angefochten
wird oder über dessen Anfechtung rechtskräftig vor Abschluss des Verfahrens über die
Anfechtung des Ausgangsbeschlusses entschieden worden ist. Ansonsten kommt es zu
einer Gemengelage verschiedener Verfahren, in denen sich entgegen dem Normzweck
noch zusätzliche Schwierigkeiten, insbesondere die Überlagerung der gerichtlichen
Verfahren, ergeben (vgl. Zöllner, Die Bestätigung von Hauptversammlungsbeschlüssen
- ein problematisches Rechtsinstitut, AG 2004, 397 ff.). Dass die
Bestätigungsbeschlüsse bestandskräftig sind, hat die Beklagte aber nicht vorgetragen.
Das war zum Zeitpunkt des Antrags am 14.6.2007 auch noch nicht abzusehen.
185
Im übrigen hat die Beklagte nicht konkret vorgetragen, welche Meldungen erfolgt sind.
Sie hat sich insofern - unzulässig - auf die Anl. B 33 bezogen.
186
Darüber hinaus scheitert der Bestätigungsbeschluss daran, dass die hier festgestellten
Verstöße gegen § 28 WpHG nicht geheilt werden können. Selbst wenn die
Mitteilungspflichten nachgeholt werden, ist jedenfalls für den Zeitraum, in dem
Mitteilungen gemäß § 21 WpHG unterblieben sind, ein endgültiger Rechtsverlust gemäß
§ 28 WpHG eingetreten. Der Rechtsverlust nach § 28 WpHG ist abschließend. Es liegt
kein Verstoß gegen formale Vorschriften vor, deren Heilung Regelungszweck des §§
244 AktG ist (Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 244 Rn 2). Eine rückwirkende Heilung ist folglich
ausgeschlossen, weil der Mangel fortbesteht (vergleiche LG Mannheim, Urteil vom
7.4.2005 - 23 O 102/04, AG 2005, 780 ff.). Die Verletzung der §§ 21 ff. WpHG mit der
scharfen Sanktionsfolge des § 28 WpHG ist nicht zu vergleichen mit anderen Fällen, in
denen Stimmrechte, etwa nach § 142 Abs. 1 S. 2 AktG, nicht ausgeübt werden dürfen
(vergleiche BGH, Urteil vom 12.12.2005 - II ZR 253/03, AG 2006,1 158 ff. zu einem
Abstimmungsverbot bei einem Antrag gemäß § 142 AktG). Die Sanktion gemäß § 28
WpHG hat materiellen Charakter und wirkt auf die Rechte des Aktionärs inhaltlich ein.
Eine Nachholung der Mitteilungen kann nur begrenzt heilen, wie sich auch aus § 28
Satz 2 WpHG ergibt.
187
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
188
Streitwert: 500.000,00 €
189