Urteil des LG Köln vom 12.07.2005

LG Köln: heilende wirkung, therapie, arthrose, behandlung, werbung, datum, meinung, unterlassen, sicherheitsleistung, beweislast

Landgericht Köln, 33 O 38/05
Datum:
12.07.2005
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
33. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 O 38/05
Tenor:
I.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur
Höhe von 250.000,- €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von
Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie folgt zu
werben:
- Es folgt eine mehrseitige Darstellung der Werbeaussagen sowie
Schriftsätzung und Werbebroschüren.-
II.
Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die
Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich
- des Unterlassungsausspruchs: 25.000,- €
- der Kosten: 110% des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Werbeaussagen für die sog. MBST-
KernspinResonanzTherapie.
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Der Kläger ist ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der
gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört,
dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
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Der Beklagte ist Heilpraktiker und wirbt für die Behandlung mit einer sogenannten
MBST-KernspinResonanzTherapie. Wegen des Inhalts der Werbung wird auf die als
Anlage K 2 zur Klageschrift eingereichten Unterlagen (Anschreiben "Therapie-Info",
Auflistung der Behandlungsgebiete, Flyer "MBST-KernspinResonanzTherapie", Bl. 24-
28 d.A.) Bezug genommen.
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Der Kläger ist bereits gegen den Anbieter der Therapie, die N GmbH, im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich vorgegangen. Wegen der in diesem Verfahren
ergangenen Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom
27.05.2004 - 2/3 O 171/04 - (Bl. 41 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Der Kläger ist der Ansicht, die einzelnen Werbeaussagen verstießen gegen das
Heilmittelwerbegesetz (HWG) und seien nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu unterlassen.
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Er behauptet, der gesundheitliche Nutzen der MBST-KernspinResonanzTherapie sei
wissenschaftlich ungesichert und ohne Beleg. Insbesondere stehe nicht fest, dass die
Behandlung bei Arthrose und Sportverletzungen eine positive Wirkung habe. Wegen
der Einzelheiten wird auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers in der Klageschrift
vom 07.02.2005 (Bl. 9 ff. d.A.) und in dem Schriftsatz vom 13.05.2005 (Bl. 221 ff. d.A.)
Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
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- wie erkannt -.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, die von ihm beworbene MBST-KernspinResonanzTherapie sei
eine wirksame Behandlung bei Arthrose und Sportverletzungen. Wegen der
Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom
21.04.2005 (Bl. 132 ff. d.A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der von dem Kläger
vorgelegten Gutachten meint der Beklagte, dass diese nicht aussagekräftig seien, da sie
sich auf PEMF-Verfahren (= pulsierende elektromagnetische Felder) beschränkten und
die streitgegenständliche MBST-Therapie nicht erfassten. Schließlich beruft der
Beklagte sich darauf, das Vorgehen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Der – nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugte – Kläger hat gegen den Beklagten einen
Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 HWG unter dem
Gesichtspunkt der irreführenden Werbung.
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Die von dem Beklagten beworbene MBST-KernspinResonanzTherapie unterfällt dem
HWG, weil sie eine Behandlung iSv § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist und sich die angegriffenen
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Werbeaussagen als gesundheitsbezogen darstellen.
Sämtliche Aussagen sind bereits deshalb zu untersagen, weil sie eine Irreführung des
Verkehrs im Sinne von § 3 S. 2 Nr. 1 HWG beinhalten. Denn der Beklagte legt der
MBST-KernspinResonanzTherapie eine Wirkung bei, die diese tatsächlich nicht hat.
Die Werbeaussagen beinhalten sämtlich, dass die MBST-KernspinResonanzTherapie
eine heilende Wirkung bei Arthrose und anderen Beschwerden sowie
Sportverletzungen haben. Diese therapeutische Wirkung hat der Beklagte jedoch nicht
hinreichend substantiiert dargelegt.
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Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BGH (GRUR 1991, 848 – Rheumalind II
m.w.N.), dass es bei der Frage irreführender Werbung zwar grundsätzlich dem Kläger
obliegt, die Unrichtigkeit der Werbung darzulegen und zu beweisen, dass aber
umgekehrt der Werbende dann darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn er mit einer
fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, die ohne Erwähnung widersprechender
Meinungen den Eindruck einer gesicherten Fachaussage erweckt. Dabei obliegt die
Beweislast, dass es sich um eine fachlich umstrittene Meinung handelt, dem Kläger.
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Der Kläger hat durch die von ihm eingereichten Unterlagen und Gutachten substantiiert
dargelegt, dass die gesundheitsfördernde und heilende Wirkung der MBST-
KernspinResonanzTherapie fachlich umstritten ist. Die Kammer verweist insoweit auf
die Ausführungen des Landgerichts Frankfurt in dem Urteil vom 27.05.2005 – 2/3 O
171/04 (S. 7 f. des Urteils, Bl. 47 f. d.A.) und schließt sich diesen ausdrücklich an. Die in
dem dortigen Verfahren vorgelegten Unterlagen hat der Kläger auch im vorliegenden
Rechtsstreit eingereicht. Dabei hat der Kläger auch substantiiert dargelegt, dass es sich
bei der MBST-KernspinResonanzTherapie um ein Verfahren mit einem pulsierenden
elektromagnetischen Feld handelt. Besondere Bedeutung kommt nach Auffassung der
Kammer insoweit auch dem Umstand zu, dass selbst die Untersuchung von G u.a., auf
die der Beklagte sich beruft, die MBST-KernspinResonanzTherapie als eine Form der
PEMF-Therapie bezeichnet (Anlage B 4, Bl. 189 ff. d.A.).
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Die behauptete medizinische Wirksamkeit der MBST-KernspinResonanzTherapie ist
demgegenüber von dem Beklagten nicht substantiiert dargelegt. Offen bleiben kann
dabei nach Auffassung der Kammer, ob es sich bei der MBST-
KernspinResonanzTherapie tatsächlich um eine PEMF-Therapie handelt, denn
maßgeblich ist vorliegend allein die Frage der medizinischen Wirksamkeit der
beworbenen Therapie. Der Beklagte hat zwar umfänglich Unterlagen vorgelegt, aus
denen sich der wissenschaftliche Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit der
MBST-KernspinResonanzTherapie ergeben soll. Mit der wissenschaftlichen
Aussagekraft dieser Unterlagen hat sich – ganz überwiegend – bereits das LG Frankfurt
in der Sache überzeugend auseinandergesetzt (LG Frankfurt, Urteil vom 06.05.2005, S.
8, Bl. 48 d.A.). Ebenso wie das Landgericht Frankfurt ist die Kammer der Auffassung,
dass die vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen nicht ausreichen, um die
behauptete Wirksamkeit der MBST-KernspinResonanzTherapie darzulegen. Die
eingereichten Stellungnahmen entsprechen nicht wissenschaftlichen Standards. Die
moderne Wissenschaft verlangt prospektive, randomisierte, placebokontrollierte
Doppelblindstudien mit vorab definierten, der Fragestellung angemessenen Endpunkten
und einer adäquaten statistischen Auswertung (Landgericht Frankfurt, a.a.O.).
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Der als Anlage B 4 eingereichte Aufsatz von G u.a. (Bl. 159 ff. d.A.) basiert auf einer
Untersuchung von 14 Patientinnen und ist daher nicht repräsentativ. Die als Anlage B 5
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eingereichte Studie von B u.a. (Bl. 165 ff. d.A.) ist nicht veröffentlicht und trägt zudem
kein Datum. Eine Placebokontrolle hat nicht stattgefunden. Die als Anlage B 6
vorgelegte Studie - ohne Datum - von K1 u.a. (Bl. 172 ff. d.A.) ist nicht veröffentlicht und
sogar als strengst vertraulich zu behandeln. Die als Anlage B 7 eingereichte - undatierte
- Studie von K2 (Bl. 189 f. d.A.) ist nicht veröffentlicht. Die als Anlage B 8 eingereichte
Untersuchung von P ist nicht veröffentlicht und basiert lediglich auf einer Patientenzahl
von 27 Personen, die in drei verschiedenen Arztpraxen behandelt wurden. Auch die
Studie von K2, die als Anlage B 9 vorgelegt wurde (Bl. 200 ff. d.A.) ist nicht veröffentlicht.
Die Studie von B u.a. (B 10, Bl. 205 ff. d.A.) ist nicht veröffentlicht und als strengst
vertraulich zu behandeln. Es handelt sich zudem lediglich um eine In-Vitro-Studie. Im
Übrigen tragen zwei der zuvor genannten Untersuchungen nicht die von dem Beklagten
behauptete medizinische Wirkung der MBST-KernspinResonanzTherapie. In den als
Anlagen B 7 und B 9 eingereichten Studien wird keine definitive Aussage zur Wirkung
der MBST-KernspinResonanzTherapie getroffen. Das Gutachten vom 04.05.2005 von
Prof. Dr. K (Bl. 264 ff. d.A.), welches der Beklagtenvertreter in der mündlichen
Verhandlung übergeben hat, ist für die medizinische Wirkung der MBST-
KernspinResonanzTherapie irrelevant, da Untersuchungsgegenstand lediglich die
Funktionsweise des Gerätes ist.
Da eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Untersuchung, die eine
Wirksamkeit der beworbenen MBST-KernspinResonanzTherapie zur Behandlung von
Arthrose und Sportverletzungen nicht vorliegt, bestand für die Kammer kein Grund, das
Gutachten eines Sachverständigen einzuholen.
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Da die angegriffenen Aussagen allesamt eine heilende Wirkung der Therapie bei
Arthrose und anderen Beschwerden sowie Sportverletzungen beinhalten, diese
Wirkung jedoch nicht feststeht, sind sämtliche Aussagen irreführend.
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Soweit sich der Beklagte auf eine unzulässige Rechtsausübung durch den Kläger
beruft, ist der entsprechende Vortrag – insbesondere nach der Erwiderung des Klägers
– nicht ausreichend.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 38.000,- €
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