Urteil des LG Köln vom 14.07.2010
LG Köln (internationale zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, negative feststellungsklage, zuständigkeit, antrag, körperliche unversehrtheit, verhältnis zu, öffentliches interesse, einstweilige verfügung, berichterstattung)
Landgericht Köln, 28 O 403/10
Datum:
14.07.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 403/10
Tenor:
Die Verfügungsbeklagte hat es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes
bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu
unterlassen, zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten:
Sie habe auf ihn gewartet. Mit „hochgezogenem Strickkleid“. Wie üblich
habe sie „Handschellen und eine Reiterpeitsche bereitgelegt“.
wenn dies geschieht wie auf blick.ch im Artikel vom 14.06.2010 mit der
Überschrift „Fall L– Beweist Tampon Vergewaltigung?“.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
T a t b e s t a n d:
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Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Berichterstattung der
Verfügungsbeklagten hinsichtlich der aus dem Antrag ersichtlichen Äußerung.
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Der Kläger ist Moderator, Journalist und Unternehmer. Er produzierte und moderierte die
Sendung "D" und tritt in der Werbung für "C" auf.
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Am 20.03.2010 wurde der Verfügungskläger wegen des Verdachtes der Vergewaltigung
festgenommen und befindet sich seit dem aufgrund eines Haftbefehls in der JVA N. Am
22.03.2010 wurde über die Internetseite "www.anonym1.de" über die Festnahme des
Verfügungsklägers berichtet. Es folgte eine umfangreiche Berichterstattung in den
Medien. So wurde in der Boulevardpresse, aber auch in der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung, der Süddeutschen Zeitung und im Spiegel über die Vorwürfe berichtet. Dabei
wurden auch verschiedene den Verdacht gegen den Verfügungskläger begründende
Umstände mitgeteilt. Teilweise wurde über das Privatleben des Verfügungsklägers
berichtet.
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In einem auf Antrag des Verfügungsklägers anberaumten Haftprüfungstermin wurde der
Verfügungskläger ca. drei Stunden vernommen. Der Antrag auf Haftprüfung wurde
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sodann zurückgenommen. Nach dem Haftprüfungstermin äußerte der Verfügungskläger
auf dem Weg zu dem Dienstfahrzeug, das den Verfügungskläger zurück in die JVA
transportierte, vor laufenden Kameras, dass er unschuldig sei.
Am 00.00.00 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin " Z" einen Artikel unter der
Überschrift "Indizien auch im Bad – In der Anklage gegen L stützen sich die Ermittler
offenbar auf mehrere DNA-Spuren". Dabei wurde auch über die Sexualpraktiken des
Verfügungsklägers berichtet.
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Das Landgericht Köln untersagte dem Nachrichtenmagazin " Z" mit einstweiliger
Verfügung vom 16.06.2010, Az. 28 O 392/10 die Veröffentlichung der folgenden
Darstellung: "Sabine W. habe auf ihn gewartet, mit schon hochgezogenem Strickkleid.
Wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt."
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Die Verfügungsbeklagte ist verantwortlich für den Internetauftritt unter der Domain
"www.blick.ch", dem Internetauftritt der Schweizer Boulevardzeitung Blick. Die Zeitung
wird in Deutschland nicht IVW-gelistet.
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Am 00.00.00 veröffentlichte die Verfügungsbeklagte auf der vorgenannten Internetseite
im Rahmen eines Artikels mit der Überschrift "Fall L – Beweist Tampon Vergewaltigung"
einen Artikel, der u.a. folgenden Inhalt hatte:
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"Sie habe auf ihn gewartet. Mit "hochgezogenem Strickkleid". Wie üblich habe sie
"Handschellen und eine Reiterpeitsche bereitgelegt".
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Auf den als Anlage AS7 vorgelegten Artikel wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 00.00.00 wurde die Verfügungsbeklagte wegen der Veröffentlichung
abgemahnt. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnte die
Verfügungsbeklagte ab.
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Der Verfügungskläger ist der Ansicht, das Landgericht Köln sei für die Entscheidung
über den Erlass einer einstweiligen Verfügung international und örtlich zuständig. Der
Antrag sei auch begründet, da es unzulässig sei, in der aus dem Antrag ersichtlichen
Form über das Intimleben des Verfügungsklägers zu berichten.
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Der Verfügungskläger beantragt,
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anzuordnen, dass es die Verfügungsbeklagte bei Vermeidung eines
Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,0, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu
unterlassen hat, zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten:
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"Sie habe auf ihn gewartet. Mit "hochgezogenem Strickkleid". Wie üblich habe
sie "Handschellen und eine Reiterpeitsche bereitgelegt".
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wenn dies geschieht wie auf blick.ch im Artikel vom 00.00.00 mit der Überschrift
"Fall L – Beweist Tampon Vergewaltigung?".
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagte rügt die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln.
Diese sei nicht gegeben, da – unstreitig – in der Schweiz eine negative
Feststellungsklage hinsichtlich des gleichen Streitgegenstandes rechtshängig sei. Der
diesbezügliche Antrag ist – ebenfalls unstreitig – zeitlich vor dem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung eingegangen. Auch liege keine Verletzung im Inland vor, da
die Internetseite nicht aus Deutschland abgerufen werde. Hierfür würden die
Publikationen in deutschen Medien genutzt. Schließlich verletze die Äußerung das
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
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Die durch den Verfügungskläger beantragte einstweilige Verfügung ist zu erlassen, da
der Antrag zulässig ist, die Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Verfügungsklägers verletzt und ein Eilbedürfnis gegeben ist. Im Einzelnen:
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I. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die internationale und örtliche Zuständigkeit
des Landgerichts Köln gegeben. Diese bestimmt sich im Allgemeinen aus einer
entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Bei
grenzüberschreitenden Delikten - im vorliegenden Fall kommen als
Anspruchsgrundlagen die Bestimmungen der §§ 823 Abs. 1 BGB; 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit 186 StGB; 1004 BGB analog in Betracht - kann der Verletzte an Stelle
des Rechts am Handlungsort auch das Recht des Erfolgsortes wählen. Nach den im
internationalen Privatrecht maßgeblichen Grundsätzen ist auf Ansprüche aus einer
unerlaubten Handlung, zu denen auch die auf eine Verletzung des
Persönlichkeitsrechts gestützten Unterlassungsansprüche gehören, das Recht des
Tatorts anzuwenden. Bei Internetseiten, um die es hier geht, ist Tatort einmal der
(Handlungsort), zum anderen auch jeder Ort, an dem diese Internetseite
bestimmungsgemäß verbreitet wird. Insoweit machen die Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs zum Erfolgsort bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch
Pressedruckerzeugnisse (BGH, NJW 1977, 1590/1591; BGH, NJW 1996, 1128)
deutlich, dass der Bundesgerichtshof bei der Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit
deutscher Gerichte und der der ausländischen Gerichte den festzustellenden
Verbreitungsort des Presseerzeugnisses beschränkt auf den Ort der
bestimmungsgemäßen Verbreitung, also den Bereich, den der Verleger und
Herausgeber nach seinen Intentionen auch wirklich erreichen will oder in dem er mit
einer Verbreitung rechnen muss. Insoweit besteht Übereinstimmung darin, dass
aufgrund der zwangsläufigen, technisch bedingten Gegebenheit des Mediums Internet
(vgl. OLG Bremen, CR 2000, 770) nicht bereits durch die bloße Abrufbarkeit einer
Webseite von Deutschland aus die internationale Tatortzuständigkeit der deutschen
Gerichte begründet werden kann. Vielmehr ist nach Auffassung des
Bundesgerichtshofes entscheidend, ob die im Internet abrufbaren Informationen objektiv
einen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der
widerstreitenden Interessen – Interesse des Kl. an der Achtung seines
Persönlichkeitsrechts bzw. Interesse der Bekl. an der Gestaltung ihres Internetauftritts
und an einer Berichterstattung – nach den Umständen des konkreten Falls,
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insbesondere auf Grund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich
eingetreten sein kann oder eintreten kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 461 – The New York
Times).
Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die Internetseite einen über ihre bloße
Abrufbarkeit hinausgehenden hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Nur in diesem
Falle ist eine entsprechende Kollision anzunehmen. Es muss demnach in jedem
Einzelfall ermittelt werden, ob sich die auf einer Webseite präsentierten Informationen
bei einer objektiven Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erkennbar für
Nutzer in einem bestimmten Land von Interesse sind (vgl. BGH a.a.O.).
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Anhaltspunkte dafür, ob eine Webseite den über die bloße Abrufbarkeit der Webseite
hinausgehenden hinreichenden Inlandsbezug aufweist, können der sprachlichen
Fassung, der inhaltlichen Gestaltung der Webseite, der Zahl der Zugriffe auf die
Webseite durch inländische Internetnutzer, der Art der auf der Webseite angebotenen
Produkte (vgl. LG Düsseldorf in AfP 2008, 224) oder anderer Indizien entnommen
werden. Bei Presseveröffentlichungen ist dabei wesentlich auf den Inhalt abzustellen
(vgl. BGH a.a.O.).
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Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die internationale Zuständigkeit des
Landgerichts Köln gegeben. Denn der streitgegenständlichen Beitrag weist einen
ausreichenden Inlandsbezug auf. Der streitgegenständliche Beitrag auf der Internetseite
der Verfügungsbeklagten ist in deutscher Sprache verfasst. Auch zeigt der Beitrag einen
im deutschen Fernsehen regelmäßig zur besten Sendezeit auftretenden Moderator, der
in Deutschland einen erheblichen Bekanntheitsgrad aufweist. Damit richtet sich der
Beitrag zumindest auch an das in Deutschland ansässige Publikum und wird von
diesem in erheblichem Umfang zur Kenntnis genommen werden.
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Da der Internetauftritt entsprechend der vorstehenden Ausführungen auch im Bezirk des
Landgerichts Köln abgerufen werden und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des
Verfügungsklägers im Inland eingetreten sein kann, ist gemäß § 32 ZPO auch die
örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben.
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Die Entscheidung bezieht sich naturgemäß lediglich auf die Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Äußerung in Deutschland, da die Zuständigkeit deutscher
Gerichte bei im Ausland ansässigen Verletzern auf die Ansprüche beschränkt ist, die in
dem Staat des angerufenen Gerichts entstanden sind (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO,
28. Auflage, § 32 Rn. 3, m.w.N.).
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Die internationale Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 21 LGVÜ entfallen. Zwar
begründet die negative Feststellungsklage bei zeitlicher Priorität die Zuständigkeit eines
ausländischen Gerichtes, so dass auch die Leistungsklage nicht mehr im Inland
erhoben werden kann (vgl. BGH, NJW 1997, 870). Damit liegt eine Zuständigkeit
deutscher Gerichte für die Hauptsache nicht mehr vor. Jedoch kann entsprechend der
ausdrücklichen Anordnung des Art. 24 LGVÜ einstweiliger Rechtsschutz weiterhin bei
nationalen Gerichten geltend gemacht werden. Die Vorschrift des Art. 24 LGVÜ würde
leerlaufen, wenn gemäß Art. 21 LGVÜ die Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für
das Eilverfahren ausgeschlossen würde. Hiervon geht auch der EuGH aus (vgl. EuGH,
EuZW 1999, 413).
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II. Dem Verfügungskläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die
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Verfügungsbeklagte hinsichtlich der Veröffentlichung der streitgegenständlichen
Veröffentlichung gemäß §§ 823, 1004 BGB zu. Zwar müssen wahre
Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, unwahre dagegen nicht.
Auch wird vorliegend die Wahrheit der berichteten Äußerung nicht angegriffen. Jedoch
können auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dann verletzen,
wenn die Darstellung einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer
Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfG in NJW
2009, 3357). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen, obschon
sie wahr sind, geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine
besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum
Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl.
BVerfG a.a.O.).
Insoweit ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass Straftaten Teil des Zeitgeschehen
sind und daher auch die entsprechende Vermittlung Aufgabe der Presse ist. Hieran
besteht ein öffentliches Interesse, das sich auch auf die Person des Täters beziehen
kann. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und
Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist
daher ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes
Informationsinteresse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die
Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl.
BVerfG, a.a.O.).
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In Fällen der identifizierenden Berichterstattung über eine Straftat ist daher das
öffentliche Interesse auf der einen und die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts,
die mit der identifizierenden Berichterstattung über mögliche Verfehlungen des
Betroffenen verbunden ist, auf der anderen Seite, abzuwägen. Dies führt im
vorliegenden Fall dazu, dass grundsätzlich eine identifizierende Berichterstattung über
die Vorwürfe gegen den Verfügungskläger zulässig ist.
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Dieser Vorrang gilt jedoch nicht schrankenlos. Denn auch im Bereich der
Verdachtsberichterstattung ist auf den unantastbaren innersten Lebensbereich
Rücksicht zu nehmen. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss auch
insoweit im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner
sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen (vgl. BVerfG, a.a.O.).
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Handelt es sich wie vorliegend um eine Berichterstattung in einem noch laufenden
Ermittlungsverfahren bzw. vor Beginn der Hauptverhandlung, so ist im Rahmen der
Abwägung auch die zugunsten des Betroffenen streitende, aus dem Rechtsstaatsprinzip
folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG a.a.O.)
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Vor diesem Hintergrund ist eine nicht mehr gerechtfertigte Verletzung der Intimsphäre
des Verfügungsklägers anzunehmen. Denn das Grundgesetz gewährt dem Bürger
einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich
höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen
Gewalt entzogen ist. Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist der
Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt (vgl. BVerfG a.a.O.). Diesem
Kernbereich gehören insbesondere Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfG
a.a.O.). Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich
zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem
Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich
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heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.
Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass der Bereich der Sexualität nicht
zwangsläufig und in jedem Fall zu diesem Kernbereich gehört. Geschützt ist die
Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in
einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Eine Sexualstraftat mag
intime Züge tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr geht aber
ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche
Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung keinesfalls als Ausdruck der
von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters
angesehen werden kann. Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die
Menschenwürde des Täters berührender Natur, so dass ihm hierfür ein fremden
Einblicken entzogener Freiraum zuzubilligen wäre. Auch die weiteren Umstände der
Tat, insbesondere die Beziehung des Täters zu seinem Opfer, zählen nicht zu seiner
absolut zu schützenden Intimsphäre (vgl. BVerfG a.a.O.).
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Wenn jedoch das allgemeine sexuelle Verhalten des Betroffenen auch hinsichtlich der
Beziehung zu dem Opfer keinen Bezug zu der Straftat aufweist, so ist weiterhin von
einem Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre auszugehen. Vorliegend wird zwar
über die Beziehung des Verfügungsklägers zu dem möglichen Opfer der Straftat
berichtet. Die Beziehung des Verfügungsklägers zu dem möglichen Opfer kann auch für
die Straftat an sich grundsätzlich von erheblicher Bedeutung sein, da – nach dem
Vorwurf des möglichen Opfers – der Verdacht besteht, dass ein Streit über mögliche
weitere Partnerinnen des Verfügungsklägers entbrannte, der zu der Straftat geführt
haben soll. Hierfür sind für die Öffentlichkeit jedoch die streitgegenständlichen
Informationen über die allgemeinen Vorlieben und sexuellen Verhaltensweisen des
Verfügungsklägers in seiner Beziehung zu dem möglichen Opfer nicht relevant. Denn
aus diesen entwickelte sich das vorgeworfene Verhalten des Verfügungsklägers
unstreitig nicht. Ob der Verfügungskläger Sexualpraktiken bevorzugte, bei denen
Handschellen oder eine Reiterpeitsche benutzt wurden, könnte allenfalls dann eine
Rolle spielen, wenn dies einen Bezug zur vorgeworfenen Tat hätte. Dies ist jedoch
unstreitig ebenfalls nicht anzunehmen. Besteht somit kein unmittelbarer Bezug der
beschriebenen Sexualpraktiken des Verfügungsklägers und des potentiellen Opfers zu
der Straftat und hat der Betroffene die Inhalte seines Privat- und Intimlebens nicht selbst
der Öffentlichkeit offenbart, ist ein Eingriff in den absoluten geschützten Bereich des
Persönlichkeitsrechts anzunehmen, der nicht durch das – hier grundsätzlich
anzunehmende – öffentliche Interesse an einer Verdachtsberichterstattung als zulässig
anzusehen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Das Urteil ist ohne besondere Anordnung
sofort vollstreckbar (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Auflage, § 704, Rn. 4).
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Streitwert: 25.000,00 €.
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