Urteil des LG Köln vom 18.03.2008

LG Köln: werbung, inkasso, geschäftstätigkeit, geschäftsführer, russisch, skrupellosigkeit, geschäftsverkehr, anzeige, prozess, vollstreckung

Landgericht Köln, 33 O 390/06
Datum:
18.03.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
33. Ziivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 O 390/06
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt,
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €
- ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten zu unterlassen,
1.
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Inkassodienstleistungen anzukündigen, insbesondere wenn dies mit
einer öffentlichen Aufforderung und/oder auf einer Website wie jeweils
nachstehend wiedergegeben erfolgt:
und/oder
2.
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Inkassodienstleistungen auszuführen, sofern dies erfolgt,
a)
indem Aufträge zur Realisierung von Forderungen angeboten und/oder
entgegengenommen werden, insbesondere wenn dies wie nachstehend
wiedergegeben geschieht:
und/oder
b)
indem schriftliche Mahnungen an etwaige Schuldner ausgesandt
werden, insbesondere wenn diese aufgefordert werden, zu offenen
Forderungen Stellung zu nehmen und/oder unter Fristsetzung
Zahlungsvorschläge zu unterbreiten und/oder Kooperationsbereitschaft
zu zeigen, insbesondere wenn dies wie aus dem nachstehend
wiedergegebenen Formular ersichtlich geschieht:
und/oder
c)
indem Kontakt mit etwaigen Schuldnern aufgenommen wird mit dem
Ziel, Dialogbereitschaft herzustellen, und/oder für den Fall des
Nichterfolgs das persönliche Erscheinen durch die Beklagten
angekündigt wird, insbesondere wenn dies wie nachstehend
wiedergegeben geschieht:
und/oder
d)
indem Mitarbeiter der Beklagten etwaige Schuldner persönlich
aufsuchen, um deren Zahlungsbereitschaft zu ermitteln und/oder
Ratenzahlungen zu vereinbaren,
und/oder
e)
wenn Tätigkeiten der Beklagten „über den normalen bürokratischen
Inkassorahmen hinaus“ und/oder nicht nur im Recherche- sondern auch
im „Zugriffsbereich“ angekündigt und/oder durchgeführt werden,
insbesondere wenn dies wie nachstehend wiedergegeben geschieht:
II.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
1.044,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 19.01.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,--€ vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verein, zu dessen satzungsgemäßen
Aufgaben u.a. die Bekämpfung von Missbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung
und des unlauteren Wettbewerbs zählt.
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Der Beklagte zu 3) ist der handelsregisterlich eingetragene Geschäftsführer der
Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) tritt blickfangmäßig wie im Tenor wiedergegeben
unter "XXXInkasso" bzw. "InkassoteamXXX" auf. Auch wirbt sie mit der Aussage " Ihr
Schuldner muss kein russisch können, er wird uns auch so verstehen !". In ihrem
Internetauftritt unter der Domain "#######" wirbt die Beklagte zu 1) wie ebenfalls im
Tenor wiedergegeben. Dort findet sich auch die Ankündigung:
3
"Wir sind kein herkömmliches, normales zugelassenes Inkassounternehmen! Und wir
wollen es auch nicht sein ... Wenn Sie so etwas suchen, wenden sie sich an einen
Rechtsanwalt oder den Bundesverband der Inkassounternehmen ...Suchen Sie mehr?
Dann XXXInkasso ...".
4
Die Beklagte zu 1) bedient sich im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit der als Anlagen 1
bis 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 08.10.2007 zur Akte gereichten und im Tenor
wiedergegebenen Unterlagen.
5
Der Kläger behauptet, die Beklagten kündigten Inkassodienstleistungen an und
betrieben diese auch.
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Er behauptet ferner, der Beklagte zu 2) trete im Geschäftsverkehr, insbesondere in der
Werbung der Beklagten zu 1), als maßgeblich für sie handelnde Person auf.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.09.2006 (Anlage K 4 zur Klageschrift – Bl. 42 ff.
d.A.).mahnte der Kläger die Beklagten erfolglos ab.
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Am 07.05.2007 haben die Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
angeboten (Bl. 155 f. d.A.), die der Kläger nicht angenommen hat.
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Der Kläger meint, dass die Beklagten gegen die Art 1 § 1 RberG in Verbindung mit den
§§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG verstoßen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags des Klägers wird Bezug
genommen auf die Seiten 4 ff. der Klageschrift (Bl. 4 ff. d.A.) sowie seine Schriftsätze
vom 22.12.2006 (Bl. 84 ff. d.A.), 21.08.2007 (Bl. 167 ff. d.A.) und vom 08.10.2007 (Bl.
257 ff. d.A.).
11
Der Kläger beantragt,
12
-wie erkannt-.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, sie leisteten keine Inkasso-, sondern Ermittlungsarbeit. Vor
allem wenn Forderungseinzugsversuche Dritter bereits gescheitert seien, ermittelten sie,
ob Schuldner leistungsfähig seien. Dies diene allein der Vorbereitung des
Forderungseinzugs durch einen Rechtsanwalt oder ein Inkassounternehmen.
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Sie behaupten ferner, der Beklagte zu 2) sei abhängig Beschäftigter der Beklagten zu
1). Er arbeite als PR-Beauftragter und Pressesprecher und verfüge als früherer
Geschäftsführer der Beklagten zu 1) über einen großen Bekanntheitsgrad.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird
Bezug genommen auf ihre Schriftsätze vom 01.12.2006 (Bl. 69 ff. d.A.), 07.02.2007 (Bl.
131 ff.d.A.) und vom 31.08.2007 (Bl. 187 ff. d.A.).
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
21
Die Unterlassungsansprüche des Klägers folgen aus den §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2,
3, 4 Nr. 11, Art. 1 § 1 RBerG.
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Vorab ist dazu festzuhalten, dass die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten
Inhalts der Verhandlungen nach freier Überzeugung gemäß § 286 ZPO davon ausgeht,
dass die Beklagte zu 1) nichts anderes als Forderungseinzug in ihrer Werbung anbietet
und diese auch tatsächlich betreibt. Die Geschäftstätigkeit der Beklagten ist ersichtlich
darauf angelegt, durch Drohungen mit körperlicher Gewalt oder deren Anwendung
Forderungen einzuziehen. Signalisiert wird eine entsprechende Skrupellosigkeit, ein
Drohpotential zum Einsatz zu bringen ohne Rücksicht darauf, ob diese Vorgehensweise
gemäß §§ 240, 253 StGB als kriminell einzustufen ist oder nicht. Dementsprechend
richtet sich auch die Werbung der Beklagten an solche potentiellen Kunden, die meinen,
mit einer der Rechtsordnung entsprechenden Vorgehensweise ihr Ziel nicht erreichen
zu können bzw. die meinen, eine Erfolglosigkeit einer nach den gegebenen
rechtsstaatlichen Regeln betriebenen Vollstreckung nicht hinnehmen zu müssen. Die
Behauptung der Beklagten, sie leisteten nur vorbereitende Ermittlungsarbeit ist
ersichtlich unwahr und zeigt, dass die Beklagten auch im Prozess die notwendige
Skrupellosigkeit aufbringen, um die Grenze zur kriminellen Handlung - hier: versuchter
Prozessbetrug - zu überschreiten.
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Nicht widerlegte Indizien für diese Überzeugungsbildung der Kammer ergeben sich aus
den im Prozesse vorgelegten unstreitigen Werbematerialien der Beklagten sowie den
ebenfalls unstreitig von ihnen verwendeten Geschäftsunterlagen. Die Bezeichnungen
"XXX-Inkasso" bzw. "Inkasso Team XXX" in Verbindung mit Werbeaussagen wie "Ihr
Schuldner muss kein russisch können – er wird uns auch so verstehen" bzw. "Schuldner
möchten nicht das wir wiederkommen" kombiniert mit Abbildungen des Beklagten zu 2)
und ihn begleitender Männer, die bestenfalls den Eindruck eines straff organisierten
Schlägerkommandos vermitteln, können und sollen allein potentiellen Auftraggebern die
Aussage vermitteln, dass die Beklagte zu 1) und ihre Mitarbeiter schon die
"Außenstände" und "uneinbringlichen Forderungen" beitreiben werden, die diese
bislang legal nicht realisieren konnte. Dementsprechend wird in der Anlage 1) und 2)
eine "Forderungsrealisierung" durch das Inkasso Team XXX angeboten. In der Anlage 3
werden u.a. Fristen zur Unterbreitung von Zahlungsvorschlägen und zur Anzeige der
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Kooperationsbereitschaft gesetzt. Aus den Anlagen 4 und 5 ergibt sich dann, was die
Beklagte zu 1) alles anders macht als an Recht und Gesetz gebundene Rechtsanwälte
und Inkassounternehmen: So macht man u.a. "Besuche beim Schuldner", geht " mit
äußerster Härte" vor, mit "Methoden", die "über den normalen bürokratischen
Inkassorahmen hinausgehen", mit einem "Einsatzteam", das im "Zugriffsbereich hohe
Effektivität" aufweist, und ist damit "kein herkömmliches Inkassounternehmen". Nur
deshalb meint die Beklagte zu 1) für sich in Anspruch nehmen zu können , dass sie
"mehr ist" als ein herkömmliches Inkassounternehmen.
Damit bewirbt die Beklagte zu 1) den Forderungseinzug und führt diesen auch aus,
ohne über die entsprechende behördliche Erlaubnis zu verfügen, und ist gemäß Art. 1 §
1 RberG, 3, 4 Nr. 11, 8 UWG im tenorierten Umfang zur Unterlassung verpflichtet.
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Als Geschäftsführer haftet der Beklagte zu 3) in seiner Eigenschaft als handelndes
Organ.
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Der Beklagte zu 2) schließlich haftet im gleichen Umfang, weil er wie von dem Kläger
vorgetragen im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Werbung der Beklagten zu 1) als
maßgeblich für sie handelnde Person auftritt und dies auch tatsächlich ist. Soweit die
Beklagten dies bestreiten, verstoßen sie wiederum gegen die Wahrheitspflicht des §
138 Abs. 1 ZPO. Die Werbung der Beklagten lässt keinen Zweifel daran, dass der
Beklagte zu 2) der Drahtzieher der angebotenen Machenschaften der Beklagten zu 1)
ist. Dementsprechend hat er auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
13.03.2007 keinen Zweifel daran gelassen, wer das Sagen, bei der Beklagten zu 1) hat,
etwa in der Weise, dass er betont hat, dass er(!) alles tun wolle, um seine(!)
Geschäftstätigkeit im Einklang mit den Gesetzen zu gestalten.
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Die von den Beklagten angebotene Unterlassungsverpflichtungserklärung war – wie die
Kammer bereits im Beschluss vom 04.09.2007 im einzelnen ausgeführt hat - nicht
geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Der Kläger hat diese Erklärung zu
Recht nicht angenommen.
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Der Zahlungsanspruch des Klägers ist aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG gerechtfertigt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
30
Streitwert: 100.000,--€
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