Urteil des LG Köln vom 25.02.2004

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Landgericht Köln, 23 O 223/03
Datum:
25.02.2004
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 O 223/03
Schlagworte:
Abänderung des Bezugsrechts aus Lebensversicherung;
Deckungsverhältnis, Valutaverhältnis
Normen:
§§ 328, 331 BGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Streithelferin, werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist für die Beklagte und die Streithelferin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3000,00 EUR vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin des am 22.03.1927 geborenen und am
10.03.2002 verstorbenen Dr. G. Der Verstorbene unterhielt bei der Beklagten eine
Rentenversicherung, die im wesentlichen vorsah, daß die versicherten
Rentenleistungen nach Ableben des Herrn Dr. G an seine Tochter, die Klägerin, zu
einem bestimmten Prozentsatz erfolgen sollten. Wegen der weiteren Einzelheiten der
von dem Verstorbenen unterhaltenen Rentenversicherung wird auf den Inhalt des
Versicherungsscheins vom 21. April 1987 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen. § 12 der
Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Versicherung von
Leibrenten sah vor, daß der Versicherungsnehmer jederzeit - auch nach Beginn der
Rentenzahlung - anstelle der im Versicherungsschein bezeichneten Empfänger der
Leistungen aus der Versicherung einen Dritten als Bezugsrechtigen bezeichnen konnte.
Der Bezugsberechtigte sollte das Recht auf die Leistungen der Gesellschaft erst bei
deren Fälligkeit erwerben. Bis dahin konnte der Versicherungsnehmer die
Bezugsberechtigung widerrufen. Ein sofortiges und unwiderrufliches Bezugsrecht sollte
der Bezugsberechtigten nach § 12 Abs. 2 der vorerwähnten Bedingungen nur erwerben,
wenn die Gesellschaft den dahingehenden Antrag des Versicherungsnehmers
angenommen und ihm schriftlich bestätigt hatte, daß der Widerruf ausgeschlossen sei.
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Durch ein Schreiben vom 16.09.2000 setzte der Verstorbene die Streithelferin Frau S,
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seine frühere Pflegerin, die dem vorliegenden Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten
beigetreten ist, als Begünstigte aus dem in Rede stehenden Versicherungsvertrag ein.
Aufgrund dieses Schreibens, das bei der Beklagten am 20.09.2000 einging, policierte
die Beklagte die Vertragsänderung unter dem Datum des 10.11.2000. Auf den Inhalt
dieses Ersatzversicherungsscheins (Bl. 152 d. A.) wird Bezug genommen.
Nach dem Tode des Herrn Dr. G meldete die Klägerin unter dem Datum des 16.03.2002
Ansprüche bei der Beklagten aus dem Rentenversicherungsvertrag an. Gleiches tat die
Streithelferin unter dem Datum des 27.03.2002. Unter dem Datum des 02.04.2002 teilte
die Beklagte der Klägerin mit, daß sie, die Klägerin, nicht mehr bezugsberechtigt sei.
Unter dem Datum des 11.06.2002 widerrief die Klägerin ein etwaiges
Schenkungsversprechen ihres Vaters an die Streithelferin.
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Die Klägerin ist der Ansicht, daß in ihrem Schreiben vom 16.03.2002, durch das sie
Ansprüche bei der Beklagten angemeldet habe und auf dessen Inhalt Bezug genommen
wird (Bl. 6 d. A.), ein konkulenter Widerruf eines Schenkungsversprechens ihres Vaters
zu sehen sei. Ferner ist sie der Ansicht, daß die Schenkung ihres Vaters an die
Streithelferin sittenwiedrig sei. Ihr Vater habe sich durch großzügige Schenkungen
sexuelle Dienste seiner damaligen Pflegekraft erkauft. Die Erklärung des Verstorbenen
vom 16.09.2000 hat die Klägerin hilfsweise angefochten. Durch das Testament ihres
Vaters vom 18.07.2001 (Bl. 67 ff. d. A.) habe ihr Vater sämtliche vorherigen letztwilligen
Verfügungen und damit auch die Änderung der Bezugsberechtigung an die
Streithelferin aufgehoben. Im übrigen sei diese Bezugsberechtigung unwiderruflich
gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird
namentlich auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 02.01.2004 (Bl. 185-188 d. A.) Bezug
genommen.
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Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Auskunft über das monatliche
Rentenbezugsrecht aus der in Rede stehenden Versicherung ihres Vaters zu
verurteilen. In der mündlichen Verhandlung hat sie diesen Auskunftsanspruch für
erledigt erklärt.
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Sie beantragt nunmehr,
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1. festzustellen, daß der Klageantrag zu 1. aus der Klageschrift vom
27.11.2002 erledigt ist.
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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 30.06.2002 vierteljährlich
und nachschüssig eine Rente zu zahlen in Höhe von 1.400,65 EUR zzgl.
der jeweiligen Gewinnrenten, die sich aus der Überschußbeteiligung
ergibt.
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Die Beklagte und die Streithelferin, die der Erledigungserklärung der Klägerin
widersprochen haben, beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte und die Streithelferin sind der Ansicht, daß der Widerruf der Schenkung
durch die Klägerin zu spät erfolgt sei. Das Schreiben der Klägerin vom 16.03.2002
enthalte keinen Widerruf. Die Schenkung des Verstorbenen an die Streithelferin sei
wirksam. Sie, die Streithelferin, sei Bezugsberechtigte aus dem
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Rentenversicherungsvertrag geworden. Der Auskunftsanspruch sei bereits vor
Anhängigmachung des Rechtsstreits aufgrund eines vorprozessualen Schreibens der
Beklagten vom 08.05.2002, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 37 d. A.),
erfüllt gewesen.
Die Kammer hat in Form ihres Beschlusses vom 12.11.2003 (Bl. 173 d. A.), einen
Hinweis erteilt. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen versicherungsrechtlichen Anspruch auf
Auszahlung der in Rede stehenden Rentenversicherungsleistungen. Infolge dessen
bestand auch zu keinem Zeitpunkt ein entsprechender Auskunftsanspruch der Klägerin,
so daß auch der auf einseitige Feststellung gerichtete Antrag, der in diesem Sinne
auszulegen war, unbegründet ist. Im einzelnen gilt folgendes:
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Im Rahmen der Beurteilung der rechtlichen Beziehungen der Parteien und der
Streithelferin ist zwischen dem Deckungs- und dem Valutaverhältnis zu unterscheiden.
Das Deckungsverhältnis betrifft die Rechtsbeziehungen zwischen dem
Versprechenden, das ist vorliegend die Versicherung und Beklagte, und dem
Versprechensempfänger, das ist vorliegend der Verstorbene Herr Dr. G bzw. die
Klägerin als seine Alleinerbin. Das Valutaverhältnis betrifft die Rechtsbeziehungen
zwischen dem Versprechensempfänger (siehe oben) und dem Dritten, das ist hier die
Streithelferin Frau S.
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Maßgebend ist im vorliegenden Rechtsstreit das Deckungsverhältnis. In diesem
Verhältnis hat der Verstorbene noch zu Lebzeiten, nämlich mit Schreiben vom
16.09.2000, das der Beklagten unwidersprochen am 20.09.2000 zugegangen ist, daß
Bezugsrecht aus der Rentenversicherung abgeändert und der Streithelferin zugewandt.
Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei diesem Schreiben nur um einen Entwurf gehandelt
habe, wie die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit behauptet, bestehen nicht. Die
Beklagte hat das Schreiben auch mit Recht gemäß den §§ 133, 157 BGB als Antrag auf
Abänderung des Bezugsrechtes angesehen und aufgrund dieses Schreibens unter dem
Datum des 10.11.2000 die Vertragsänderung policiert.
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Diese Änderung des Bezugsrechtes war nach den einschlägigen Allgemeinen
Versicherungsbedingungen der Beklagten, die im Tatbestand zitiert worden sind,
namentlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 dieser Bedingungen, und auch nach der
Gesetzeslage, §§ 328 Abs. 2, 331 Abs. 1 BGB, entgegen der Ansicht der Klägerin
eindeutig wirksam. Die Unwiderruflichkeit des zuvor bestehenden Bezugsrechtes der
Klägerin war nämlich gerade nicht im Sinne von § 12 Abs. 2 der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen vereinbart. Allein auf die Beurteilung dieser Bedingungen
kommt es jedoch an, wenn die Rechtsfrage zu klären ist, wem das Bezugsrecht zusteht
(ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BGH vom 30.11.1994, BGHZ 128, 125 ff.,
Leitsatz 2). Wenn dem so ist, hat die Streithelferin in dem Zeitpunkt des Todes des Herrn
Dr. G den Anspruch auf die Versicherungsleistung erworben. Dies ergibt sich aus dem
Inhalt des Ersatzversicherungsscheins und aus § 331 Abs. 1 BGB. Damit war der
Rechtserwerb vollzogen, und zwar auch für den Fall, daß im Valutaverhältnis eine
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Schenkung vorlag, § 518 Abs. 2 BGB. Auch diese rechtliche Einschätzung entspricht
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. nur Urteil vom 26.11.1975
(BGHZ 66, 9, 13):
"Der Kläger hat im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin gem. §§ 328, 331 BGB
unmittelbar
vollzogen
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Dies bedeutet: Von dem Zeitpunkt des Todes des Herrn Dr. G konnte das Bezugsrecht
von der Klägerin nicht mehr wirksam widerrufen werden, und die Beklagte war zur
Auszahlung der Versicherungsleistungen an die Streithelferin "aus ihrem
Rechtsverhältnis zum Versprechensempfänger (Deckungsverhältnis)" verpflichtet (so
ausdrücklich und prägnant in einem insoweit vergleichbaren Fall BGH vom 29.01.1964,
BGHZ 41, 95, 97 oben). Auf die Reichweite der Erklärung der Klägerin vom 16.03.2002
kommt es mithin nicht an.
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Eine andere Frage ist es, ob dem Rechtserwerb der Streithelferin im Valutaverhältnis
eine wirksame causa zugrunde lag. Mit dieser Frage muß sich die Kammer im
vorliegenden Rechtsstreit nicht auseinandersetzen. Sie betrifft allein das
Valutaverhältnis zwischen der Klägerin als Erbin ihres Vaters und der Streithelferin. In
diesem Verhältnis können Bereichungsansprüche bestehen, wenn die Beklagte bei
Unwirksamkeit der causa im Valutaverhältnis eine Leistung an die Streithelferin als
Nichtberechtigte erbracht hätte, die die Berechtigte, die Klägerin, gegen sich gelten
lassen müßte, § 816 Abs. 2 BGB. Ein solcher Rechtsgrund kann in einem vom
Empfänger angenommenen Schenkungsversprechen bestehen, wobei es freilich
vorliegend angesichts der Nähe des Erblassers zur Streithelferin nahe liegt, dass ein
solcher Vertrag bereits zu Lebzeiten zustande gekommen wäre. Im übrigen gibt die
Kammer zu bedenken, daß nach dem eigenen Vortrag der Klägerin im Valutaverhältnis
eine Schenkung gerade nicht vorliegt. Denn die Streithelferin soll das Bezugsrecht als
Gegenleistung für sexuelle Dienste erhalten haben. Auch ein solches Rechtsgeschäft
wäre als entgeltlich zu bewerten, dann allerdings am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB zu
messen. Da jedoch solche Einwendungen, wie oben dargestellt, auf das
Deckungsverhältnis nicht durchschlagen können, muß die Kammer jene Rechtsfrage im
vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheiden. Die Klage unterlag vielmehr ohne weiteres
der Abweisung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 101 Abs. 1 und 74 Abs. 1 ZPO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709 und 108 Abs.
1 Satz 2 ZPO.
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Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
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a) aufgelaufene Rentenleistungen bis zur Antragsänderung
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in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2004:
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7 x 1.400,65 EUR = 9.804,55 EUR
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b) danach gem. § 9 ZPO: 42 x 1.400,65 EUR = 58.827,30 EUR
29
insgesamt:
68.631,85 EUR.
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