Urteil des LG Köln vom 15.12.2005

LG Köln: geschäftsführung ohne auftrag, subunternehmer, entsorgung, rechtsgeschäft, öffentlich, auftragsvergabe, materialien, sammlung, körperschaft, unternehmen

Landgericht Köln, 22 O 134/05
Datum:
15.12.2005
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
22 O 134/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 159.107,20 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 8. Oktober 2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
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Seit 1992 bestand zwischen dem Kläger – einer öffentlich rechtlichen Körperschaft –
und der Beklagten - damals noch unter der Bezeichnung E GmbH - ein Vertrag über
"Aufbau und Betrieb eines Systems zur Erfassung und Sortierung von Wertstoffen der
Verpackungsverordnung".
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Darin verpflichtet sich der Kläger zum Aufbau eines Systems nach § 6 Absatz 3
VerpackV.
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Der Kläger selbst ist aufgrund gesetzlicher Regelung gemäß § 15 AbfallG zur
Entsorgung von Abfall verpflichtet. Die Pflicht der Beklagten zur Entsorgung von
Verkaufsverpackungen gründet sich darauf, daß sie als einziges Unternehmen
bundesweit ein System nach § 6 Absatz 3 VerpackV unterhält.
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Durch die Verpackungsverordnung wurden die Hersteller von Verpackungen, die an
den Endverbraucher gelangten, verpflichtet, diese entweder zurückzunehmen oder sich
an einem flächendeckend im jeweiligen Einzugsgebiet die Abholung der gebrauchten
Verpackungen garantierenden System zu beteiligen. Um ein solches System zu
etablieren und zu unterhalten, wurde die Beklagte gegründet.
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Auf der obigen vertraglichen Grundlage sammelte der Kläger in von ihm gestellten
Sammelbehältern unter anderem die anfallenden Stoffe: Papier, Pappe und Karton
(PPK), entsorgte diese durch Subunternehmer und stellte seine Leistungen nach Abzug
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der Kosten aus der auf ihn entfallenden Entsorgungspflicht für graphische Papiere (ca.
75%) in Höhe von 25% für Verpackungsstoffe der Beklagten in Rechnung.
Bedenken hiergegen wurden durch das Bundeskartellamt aufgebracht. Hiernach sei es
unzulässig, die Auftragsvergabe durch die Beklagte lediglich an den Kläger zu richten.
Nur unter bestimmten Voraussetzungen könne der öffentlich rechtliche
Entsorgungsträger die Mitbenutzung der Einrichtungen, die für die Sammlung und
Sortierung von Materialien gegen ein angemessenes Entgelt nach § 6 Absatz 3 Satz 8
VerpackV verlangen. Grundsätzlich müsse sich die Beklagte selbst an die vom Kläger
eingesetzten Subunternehmer richten, um mit diesen über die Kosten der Entsorgung
des auf sie entfallenden Verpackungsteils zu verhandeln. Eine weitere Beauftragung
der öffentlich rechtlichen Körperschaft käme nur dann in Betracht, wenn diese die
operativen Entsorgungsleistungen selbst erbringe und sich mithin nicht etwaiger
Subunternehmer bediene.
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Vor diesem Hintergrund endet der Vertrag zum 31. Dezember 2003.
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Auf Anfrage der Beklagten vom 16. Dezember 2003 (B 19) unter Hinweis auf die obige
Problematik teilte der Kläger im Dezember 2003 mit (B 20), daß er die Entsorgung des
Altpapieres durchführe. Daraufhin beauftragte die Beklagte unter dem 19. Januar 2004
vorläufig den Kläger, die bei ihr lizenzierten Verpackungen aus PPK (mit) zu erfassen
und einer stofflichen Verwertung zuzuführen (B 21).
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Im Frühjahr 2004 teilte die S GmbH - ein Subunternehmer des Klägers - mit, daß nicht
dieser sondern sie selbst und drei weitere Unternehmen die Erfassung und Verwertung
der PPK durchführen (B 25 f.).
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In der Folge kündigte die Beklagte die vorläufige Beauftragung des Klägers mit
Schreiben vom 15. Juni 2004 zum Ende Juni 2004 (B 27) und führte aus, der Kläger sei
kein operativer Entsorger. Mit Schreiben vom 21. Juni 2004 (B 30) führte der Kläger aus,
daß die Beklagte zur weiteren Mitbenutzung der Sammel- und Sortiereinrichtungen
gemäß § 6 Absatz 3 Satz 8 VerpackV verpflichtet sei. Einer weiteren Beauftragung
widersprach die Beklagte noch einmal ausdrücklich mit Schreiben vom 12. Juli 2004 (K
12).
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Zu einer auf den 1. Juli 2004 rückwirkenden Beauftragung der Subunternehmer direkt
durch die Beklagte kam es bis zum heutigen Tage nicht. Da die Einwohner des Bezirks
aber nach Aufkündigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien weiterhin
auch die lizenzierten Verpackungen in die Sammelbehälter des Klägers einwarfen,
wurden diese auch in den Monaten Juli und August 2004 durch den Kläger bzw. die von
ihm beauftragten Subunternehmer entsorgt. Dies stellte der Kläger der Beklagten unter
dem 15. September 2004 in Rechnung (K 13) und verlangt diesen Betrag mit der Klage
erstattet.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag zur Erstattung seiner Aufwendungen für die Monate Juli
und August 2004 verpflichtet.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 159.107,20 € nebst Zinsen in Höhe von 8
15
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit dem 8. Oktober 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte wendet ausschließlich ein, der Kläger könne schon deshalb keine
Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, weil bereits seine Beauftragung durch die
Beklagte gegen § 1 GWB verstoßen würde. Schließe jedoch § 1 GWB in Verbindung mit
§ 134 BGB eine Beauftragung aus, so komme auch keine Erstattung nach den
Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Dies würde einen
Umgehungstatbestand erfüllen. Der Abschluß von Verträgen mit den einzelnen
Versorgern werde durch den Kläger verhindert.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen
eingereichten Unterlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden sind, verwiesen.Fehler! Textmarke nicht definiert.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist in voller Höhe gemäß § 677, 683 Satz 2, 670 BGB begründet.
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Der Kläger führte durch das Einsammeln, Entsorgen und Wiederverwerten der PPK ein
fremdes Geschäft im Sinne des § 677 BGB durch. Dabei handelte es sich hinsichtlich
der lizenzierten Verpackungen um ein Geschäft der Beklagten, die sich gegenüber
Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen mit dem grünen Punkt
verpflichtet hatte, diese entsprechend den Auflagen der Verpackungsverordnung zu
entsorgen und der stofflichen Wiederverwertung zuzuführen.
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Unabhängig von der Frage, ob der Kläger gemäß § 15 AbfallG subsidiär zur Beklagten
zur Entsorgung der lizenzierten PPK selbst verpflichtet war (vgl. VG Gießen 6 E
1972/97), stellte dies jedenfalls für ihn ein "auch" fremdes Geschäft dar.
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Ein Fremdgeschäftsführungswille ist - anders als in dem vom OLG Köln 9 U 30/95
entschiedenen Fall - gleichfalls gegeben. Bei zugleich eigenen und fremden Geschäften
wird der Wille, ein fremdes Geschäft gleich mitzubesorgen, vermutet, wobei diese
Vermutung im Streitfall widerlegbar ist. Hierfür bestehen - anders als im Fall des OLG
Köln - keine Anhaltspunkte. Gerade der Hinweis des Klägers im Schreiben vom 21. Juni
2004 auf die Verpflichtung der Beklagten, sich an dem System der Sammlung und
Entsorgung gemäß § 6 Absatz 3 Satz 8 VerpackV zu beteiligen, zeigt, daß der Kläger
weiterhin von einer Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung der Maßnahme
ausging.
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Soweit die Beklagte einer Durchführung der Maßnahmen durch den Kläger durch
Kündigung des Vertrages und erneuten Widerspruch im Schreiben vom 12. Juli 2004
entgegengetreten ist, bleibt dies nach § 679 BGB unbeachtlich.
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Die Entsorgung und Weiterverwertung gebrauchter Verpackungen liegt im öffentlichen
Interesse. Anders als im Falle des OLG Köln ist auch festzustellen, daß eine rechtzeitige
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Erfüllung durch die Beklagte nicht erkennbar ist. Diese hat bis zum heutigen Tage keine
Verträge mit den Subunternehmern geschlossen. Ob dies, wie von der Beklagten
behauptet - daran liegt, daß die Subunternehmer vom Kläger mehr bezahlt erhalten als
von ihr - ändert hieran nichts. Das Vorbringen der Beklagten, der Kläger verhindere den
Abschluß von Verträgen mit den Entsorgern, ist nicht hinreichend substantiiert.
Nach Auffassung der Kammer ist eine Erstattung der Aufwendungen auch dann
begründet, wenn eine vertragliche Vereinbarung hierüber wegen eines Verstoßes
gegen § 1 GWB gemäß § 134 BGB nichtig wäre.
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§ 134 BGB setzt ein Rechtsgeschäft voraus, dessen Nichtigkeit wegen eines
Gesetzesverstoßes begründet wird. Ein Rechtsgeschäft besteht aus einem oder
mehreren Willenserklärungen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen
Tatbestandmerkmalen eine Rechtsfolge deshalb herbeiführen, weil sie gewollt ist. Die
Geschäftsübernahme ist jedoch nur eine Rechtshandlung in der Form der
rechtsgeschäftsähnlichen Handlung. Dabei sind die Regelungen über Rechtsgeschäfte
grundsätzlich nicht anwendbar, weil die Übernahme der Geschäftsführung ohne Auftrag
im Verhältnis zum Geschäftsherrn stets ein tatsächliches aber kein rechtsgeschäftliches
Verhalten ist.
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Andernfalls würde es sich - insbesondere angesichts des wenn auch unbeachtlichen
Widerspruches des Beklagten - bei der Geschäftsführung ohne Auftrag allenfalls um ein
einseitig begründetes Rechtsgeschäft handeln. Hierdurch kann jedoch auch keinen
Verstoß gegen § 1 GWB begangen werden.
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Der Kläger hat die Mitbenutzung der Sammelbehälter und die Verwertung durch die
Beklagte nicht erzwungen. Die Nutzung ergab sich allein aus dem Umstand, daß die
Verbraucher - mangels einer von der Beklagten gestellten Alternative - ihre PPK
weiterhin in die von der Klägerin aufgestellten Behälter einwarfen. Anders als bei einem
Verstoß gegen § 1 GWB stellt die tatsächliche Übernahme der Materialien durch den
Kläger daher kein wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten dar.
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Eine Entscheidung auf Erstattung steht auch nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen
des § 1 GWB. Der Beklagten bleibt es unbenommen, nach Auftragsvergabe an einen
Subunternehmer, diesen durch rückwirkende Übernahme der Verpflichtungen der
Beklagten gemäß § 6 Absatz 3 VerpackV zum Ausgleich der Leistungen an den Kläger
bzw. nach Ausgleich durch die Beklagte an sie zu verpflichten.
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Da der Kläger unstreitig Aufwendungen in Höhe der Klageforderung erbrachte, ist die
Klage insgesamt begründet.
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Dem Verzugszinsbegehren der Klägerseite ist in Höhe des zuerkannten Betrages
gemäß §§ 288 Absatz 2, 286 Absatz 1, 280 Absatz 1 und 2 BGB unter dem
Gesichtspunkt des Verzuges stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert:
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