Urteil des LG Köln vom 19.12.2003

LG Köln: korruption, anfang, pressekonferenz, ausgabe, zitat, archiv, redaktion, sorgfalt, sicherheitsleistung, geschäftsführer

Landgericht Köln, 28 O 439/03
Datum:
19.12.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 439/03
Tenor:
Den Beklagten wird untersagt, in Bezug auf die Klägerin und den von ihr
herausgegebenen "L" - wie in der Print- und Online-Ausgabe der "U"
vom 20. Mai 2003 auf Seite 18 unter der Überschrift "die verhinderte
Wacht am Rhein" geschehen und nachstehend wiedergegeben -
wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu
verbreiten:
a) "den 'Wächterpreis' hat der L ausgerechnet für die Aufdeckung eines
Skandals bekommen, den er jahrelang verschwiegen hat."
b) "tatsächlich begann 'die sehr genaue Berichterstattung' der Zeitung
aus dem Verlagshaus N erst im März 2002."
c) "erst im März 2002 schwenkte der L plötzlich um: 'die Spuren des
Schmiergeldes' wurden jetzt endlich verfolgt. ... klar ist jedenfalls: als
Anfang März dann überregionale Zeitungen von U bis G über den Müll-
und Spendenskandal zu berichten begannen, konnte die größte L 2
Lokalzeitung nicht mehr hinten anstehen."
d) "... als den L , der den Skandal 'etwa sechs Jahre lang, eingebunden
in die L 2 Korruption, verschwiegen' habe."
Gleichzeitig wird den Beklagten angedroht, dass gegen sie für jeden Fall
der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
hinsichtlich der Beklagten zu 1) jeweils zu vollstrecken an deren
Geschäftsführer, verhängt werden kann.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt
diese selbst zu 5 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 95 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu
5 %. Im übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin allerdings nur
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der
Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T A T B E S T A N D:
1
Die Klägerin ist Verlegerin der L2 Tageszeitungen "L", "L3" und "F". Die Beklagte zu 1)
verlegt die bundesweit erscheinende Tageszeitung "U", der Beklagte zu 2) hat den
streitgegenständlichen Artikel verfasst und ist derzeit kommissarischer Leiter der "U" -
Redaktion Köln.
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Am 5. Mai 2003 erhielt die Redaktion des "L", wozu die Redakteure C, E und T gehören,
von der Stiftung "Freiheit der Presse" den diesjährigen "Wächterpreis der Tagespresse"
verliehen. Sie erhielt diese Auszeichnung für ihre Berichterstattung über den so
genannten L2 Müllskandal.
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In der Ausgabe der "U" vom 20. Mai 2003 erschien u. a. der Artikel mit der Überschrift
"die verhinderte Wacht am Rhein", der die Verleihung des Wächterpreises an den "L"
zum Gegenstand hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie dieses Artikels
(Anlage K 4, Blatt 21 der Akten) Bezug genommen.
4
Die Klägerin behauptet, die von ihr gerügten Behauptungen in dem Artikel der "U" seien
unwahr und führt dies im einzelnen aus. Sie legt dazu insbesondere diverse Artikel aus
dem "L" vor und behauptet dazu, dass sich daraus die umfassende und ausgewogene
Berichterstattung seit Jahren zu der L2 Müllverbrennungsanlage ergebe. Ernsthafte
Anhaltspunkte für den Spendenskandal um die Müllverbrennungsanlage habe sie erst
nach Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen Ende Februar 2002 erhalten.
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Nach Rücknahme des ursprünglich angekündigten weiteren Klageantrags, die Beklagte
zu 1) zu verpflichten, den am 20. Mai 2003 in der "U" erschienenen Artikel "die
verhinderte Wacht am Rhein" in ihrem Print-Archiv mit einem Sperrvermerk zu versehen
und aus ihrem Online-Archiv zu entfernen, beantragt die Klägerin nunmehr,
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die Beklagten zu verurteilen, in Bezug auf die Klägerin und den von ihr
herausgegebenen "L" - wie in der Print- und Online-Ausgabe der "U" vom 20.
Mai 2003 auf Seite 18 unter der Überschrift "die verhinderte Wacht am Rhein"
geschehen und nachstehend wiedergegeben - wörtlich oder sinngemäß die
Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten:
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a) "den 'Wächterpreis' hat der 'L' ausgerechnet für die Aufdeckung eines
Skandals bekommen, den er jahrelang verschwiegen hat."
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b) "tatsächlich begann 'die sehr genaue Berichterstattung'der Zeitung aus dem
Verlagshaus N erst im März 2002."
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c) "erst im März 2002 schwenkte der L plötzlich um: 'die Spuren des
Schmiergeldes' wurden jetzt endlich verfolgt. ... klar ist jedenfalls: als Anfang
März dann überregionale Zeitungen von U bis G über den Müll- und
Spendenskandal zu berichten begannen, konnte die größte L2 Lokalzeitung
nicht mehr hinten anstehen."
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d) "... als den L, der den Skandal 'etwa sechs Jahre lang, eingebunden in die
L2 Korruption, verschwiegen' habe."
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und den Beklagten gleichzeitig anzudrohen, dass gegen sie für jeden Fall der
Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der
Beklagten zu 1) jeweils zu vollstrecken an deren Geschäftsführer, verhängt
werden kann.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Nachdem die Beklagten zunächst behauptet hatten, der Artikel beziehe sich nur auf die
Berichterstattung hinsichtlich des "Müllskandals", worunter die Überdimensionierung
der Müllverbrennungsanlage zu verstehen sei, tragen sie später vor, dass sowohl der
Spenden- als auch der Müllskandal gemeint gewesen sei. Die Beklagten behaupten
ferner, es habe schon Jahre vor der Berichterstattung Anfang 2002 eine Reihe von
Beweisanzeichen gegeben, die einen "korruptiven Hintergrund" nahegelegt hätten, und
die der Klägerin bzw. den Redakteuren des "L" bekannt gewesen seien. Dies gelte
insbesondere für den Vermerk des damaligen Regierungspräsidenten B vom 23. Juli
1992, der anlässlich einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative L4 am 28. August 1995
auch an den Redakteur der Klägerin E überreicht worden sei. Die von ihnen
aufgeworfene Frage der Beweisanzeichen führen sie näher aus, wobei sie
insbesondere auch auf von ihnen als politische Einflussnahmen gewertete Schreiben
von Herrn O nehmen. Sie sind des weiteren der Auffassung, es stelle eine
Bewertungsfrage dar, ob eine Berichterstattung genau oder nicht genau sei. Auch
handele es sich um eine Bewertung journalistischen Verhaltens bei der Klägerin und
nicht um Tatsachenbehauptungen. Außerdem sei die Aussage in dem Artikel ("etwa
sechs Jahre lang, eingebunden in die L2 Korruption, verschwiegen") in
Anführungszeichen gesetzt - was zutrifft und unstreitig ist - und somit als Zitat
gekennzeichnet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den
Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der
angegriffenen Äußerungen aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog in Verbindung mit dem
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Denn bei den Äußerungen
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handelt es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, den Ruf der
Klägerin als unabhängiges und überparteiliches Presseunternehmen zu schädigen. Die
Tatsachenbehauptungen erwecken den Eindruck, die Klägerin habe einen Skandal
zunächst verschwiegen und dann erzwungenermaßen darüber berichtet, nachdem
überregionale Zeitungen zuerst über ihn berichtet hätten. Eine Rechtfertigung unter dem
Gesichtspunkt der in Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht gegeben.
Zu den Behauptungen im einzelnen:
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1. Die Klägerin hat Anspruch auf Unterlassung der Behauptung: "Den 'Wächterpreis' hat
der 'L' ausgerechnet für die Aufdeckung eines Skandals bekommen, den er jahrelang
verschwiegen hat."
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Dabei handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Von einer Tatsachenbehauptung
ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des
Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas
Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht (BGH NJW 52, 660 - Constanze;
66, 296 - Höllenfeuer; AfP 1975, 804 - Brüning I). Es kommt darauf an, ob der
Durchschnittsempfänger dem Beitrag - mag er auch wertend eingekleidet sein - einen
dem Beweis zugänglichen Sachverhalt entnehmen kann (BGH NJW 1976, 1198 -
Panorama). Dies ist bei der angegriffenen Äußerung der Fall. Sie behandelt einen
tatsächlichen Vorgang, nämlich die Frage, dass ein Skandal von der Klägerin bzw. dem
"L" verschwiegen worden sei. Die Frage, ob die Klägerin bzw. der "L" in Kenntnis des
Skandals nicht über ihn berichtet und mithin verschwiegen hat, kann entweder positiv
oder negativ bewiesen werden.
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Unterstellt man den ursprünglichen Vortrag der Beklagten, dass der von der "U" in
Bezug genommene Skandal der "Müllskandal" mit der Überdimensionierung der
Müllverbrennungsanlage gegen den Widerstand von Teilen der Politik und der
Bevölkerung ist, liegt ein "jahrelanges Verschweigen" auch nach dem Vortrag der
Beklagten nicht vor. Denn die Klägerin hat anhand von diversen Zeitungsartikeln belegt,
dass sie seit 1988 kontinuierlich über Planung und Bau der Müllverbrennungsanlage
berichtet und dabei auch die Kritiker hat zu Wort kommen lassen. Die zahlreichen
Artikel, die Klägerin in dem Anlagenkonvolut K 26 zusammengestellt hat, und ihr
Erscheinen, bestreiten die Beklagten ebenso wenig wie den Umstand, dass der "L"
darüber berichtet hat, dass die Überdimensionierung von den MVA-Gegnern gerügt
wurde. Darin ein "Verschweigen" des "Müllskandals" zu sehen, erscheint abwegig.
Denn der Umstand, dass der "L" und seine Redakteure bzw. gegebenenfalls auch sein
Herausgeber zu den Befürwortern der Müllverbrennungsanlage gezählt haben mögen,
ändert an der Tatsache der Berichterstattung auch über die
Müllverbrennungsanlagengegner und ihre Argumente nichts.
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Nach Auffassung der Kammer wird der durchschnittliche Leser des Artikels der
Beklagten indes den "Skandal", der von den Beklagten in dem streitgegenständlichen
Artikel behandelt wird, nicht in der Überdimensionierung der Müllverbrennungsanlage
sehen, sondern darunter den Spendenskandal im Zusammenhang mit der Errichtung
verstehen. Denn bereits im ersten Absatz des Artikels heißt es: "... beim
Spendenskandal um den Bau der Müllverbrennungsanlage" und "Skandal ... der ... die
SPD um deren Fraktionschef S explodieren ließ, ... und bundesweit so viel
Aufmerksamkeit erregte wie zuvor nur der Spendenskandal der CDU ...". Ein
unbefangener Leser muss unter dem "Skandal" in Anbetracht dieser Hinweise den
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Spendenskandal verstehen. Unabhängig davon ergibt sich auch in diesem Fall keine
andere Beurteilung. Denn die Klägerin bzw. der "L" haben vielmehr gleichzeitig mit dem
Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen darüber berichtet und selbst
zur Aufdeckung von Einzelheiten beigetragen. Diese Behauptung der Klägerin ist schon
mit der Klageerwiderung nicht bestritten worden und wird von den Beklagten nunmehr
im Schriftsatz vom 30. November 2003 eingeräumt, als dort dargestellt ist, dass der
Redakteur T seine (angeblich) besonders guten Verbindungen zur Justiz nutzen konnte
und den Stand der Ermittlungen wiedergeben durfte, was zu einer früheren
Berichterstattung durch den "L" als in anderen Presseorganen führte.
Die Beklagten behaupten auch nicht, der "L" bzw. die Klägerin habe positive Kenntnis
von der Korruption im Zusammenhang mit der Müllverbrennungsanlage gehabt. Sie
führen zwar ausführlich aus, es habe schon Jahre vorher Anhaltspunkte für einen
"korruptiven Hintergrund" gegeben, die die Klägerin nicht beachtet habe. Insoweit
zutreffend bezeichnen die Beklagten diese Umstände allerdings als Beweisanzeichen
und nicht etwa als Beweis der Korruption. Dies gilt insbesondere für den Vermerk des
damaligen Regierungspräsidenten B vom 23. Juli 1992, der anlässlich einer
Pressekonferenz der Bürgerinitiative L4 am 28. August 1995 auch an den Redakteur der
Klägerin E überreicht worden sein soll. Hinsichtlich dieses Vermerks ist der Vortrag der
Beklagten zudem widersprüchlich. Einerseits behaupten sie, dieser Vermerk sei von der
Klägerin verschwiegen worden, führen in ihrem letzten Schriftsatz demgegenüber aber
aus, in der Berichterstattung des "L" über diese Pressekonferenz sei dieser Vermerk
sehr wohl erwähnt gewesen. Bereits in der Klageerwiderung haben sie ferner
ausgeführt, dass sich (jedenfalls) am 26. März 1996 in der Berichterstattung der Klägerin
ein Hinweis zu einer möglichen Befangenheit von Herrn B befindet. Wie sich daraus ein
Verschweigen dieses Vermerks und sich daraus möglicherweise ergebender Hinweise
auf Korruption ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht.
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Soweit die Beklagten des weiteren bemängeln, es habe sich um eine einseitige
Berichterstattung des L über die Vorgänge rund um die Errichtung der L2
Müllverbrennungsanlage gehandelt, mag dies aus ihrer Sicht zutreffen. Ein
Verschweigen des Skandals als solchen ist das jedenfalls nicht.
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2. Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung: "tatsächlich
begann die 'sehr genaue Berichterstattung' der Zeitung aus dem Verlagshaus N erst im
März 2002". Auch insoweit handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, da die
Frage, wann die Berichterstattung der Klägerin bzw. des "Ls" einerseits und die der
übrigen Zeitungen andererseits begann, dem Beweis zugänglich ist. Denn bereits seit
dem 23. Februar 2003 berichtete der "L" fast täglich über den Bestechungsskandal, der
durch die staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen vom 20. Februar 2003 bekannt zu
werden begann. Das Erscheinen der Artikel vom 23. Februar 2002, 25. Februar 2002,
26. Februar 2002 und 28. Februar 2002 wird von den Beklagten letztlich nicht bestritten.
Damit ist jedoch die Behauptung unwahr, der "L" habe erst im März 2002 mit der
entsprechenden Berichterstattung begonnen.
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Keine Rolle spielt dabei auch das Argument der Beklagten, ob eine Berichterstattung
genau sei oder nicht, sei eine Wertungsfrage. Denn wann eine Berichterstattung
beginnt, ist eine Tatsachenfrage. Die Beklagten haben mit der gerügten Äußerung nicht
eine Bewertung der Genauigkeit der Berichterstattung vorgenommenen, sondern
behauptet, die Berichterstattung habe erst im März 2002 begonnen. Mit den in
Anführungszeichen gesetzten Worten "sehr genaue Berichterstattung" greifen sie
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vielmehr lediglich die lobenden Worte der Jury auf, die schon einige Zeilen vorher zitiert
worden waren. Aus dem weiteren Verlauf des Textes wird deutlich, dass die Beklagten
nicht etwa eine Bewertung dahingehend vornehmen, dass die Berichterstattung von
März nicht genau gewesen sei. Der Text erweckt insgesamt und insbesondere durch die
nachfolgend zu erörternde Behauptung den Eindruck, der "L" habe erst im März 2002 -
und nicht schon vorher - überhaupt über den Müll- und Spendenskandal berichtet. Dies
ist wie dargelegt unwahr.
3. Auch im Hinblick auf die weitere Äußerung besteht der Unterlassungsanspruch der
Klägerin: "Erst im März 2002 schwenkte der "L" plötzlich um: die 'Spuren des
Schmiergeldes' wurden jetzt endlich verfolgt. ... klar ist jedenfalls: als Anfang März dann
überregionale Zeitungen von U bis G über den Müll- und Spendenskandal zu berichten
begannen, konnte die größte L2 Lokalzeitung nicht mehr hinten anstehen."
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Auch insoweit handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, wonach nämlich der "L"
erst ab März über den Müll-und Spendenskandal berichtet habe, und zwar erst,
nachdem die überregionale Zeitungen bereits zuvor darüber berichtet hatten. Es handelt
sich dabei nicht, wie die Beklagten offenbar behaupten wollen, um eine Bewertung des
journalistischen Verhaltens des "L". Wie dargelegt, hat die Klägerin durch Vorlage der
entsprechenden Zeitungsartikel belegt, dass sie über die Schmiergeldzahlungen bereits
im Februar 2002 berichtet hat. Damit ist dieser Teil der Tatsachenbehauptung unwahr.
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Auch im übrigen ist die angegriffene Äußerung unwahr. Die Klägerin hat des weiteren
Artikel der überregionalen Zeitungen vorgelegt, die alle erst im März verfasst worden
sind und teilweise auf die Berichterstattung des "L" Bezug genommen haben. Weder
haben die Beklagten vorgetragen, es seien bereits Presseberichte vor der
Berichterstattung des "L" erschienen, geschweige denn haben sie einen solchen Artikel
vorgelegt.
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4. Schließlich ist auch die letzte angegriffene Äußerung wie folgt zu untersagen: "... als
dem L, der den Skandal 'etwa sechs jahrelang, eingebunden in die L2 Korruption,
verschwiegen' habe."
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Die Behauptung, der "L" habe den Skandal verschwiegen, ist unwahr. Insoweit wird auf
die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
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Die Haftung der Beklagten entfällt hier auch nicht deshalb, weil es sich bei der
angegriffenen Textpassage im wesentlichen um ein Zitat handelt. Zwar ist dieses als
solches mit Anführungszeichen und unter Nennung der Quelle gekennzeichnet. Der
Zitierende haftet jedoch für Zitate auch dann, wenn er sich den Inhalt des Zitats zu eigen
macht (vgl. Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 10 Rdnr.
209 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist das Zitat an das Ende des Artikels gesetzt und
bestätigt dessen Aussage. Denn die - von der Klägerin ebenfalls gerügte - Zweite
Überschrift des Artikels ist fast wortgleich mit dieser Aussage. In dem Verwenden eines
Zitats zur Bestätigung der eigenen Aussage liegt jedoch eindeutig ein Zueigenmachen
(vgl. Oberlandesgericht Frankfurt NJW 1981, 2707, 2708). Die Beklagten stellen auch
nicht etwa verschiedene Ansichten einander gegenüber, sondern drücken durchgängig
ihre (negative) Auffassung über die Berichterstattung des "L" aus.
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Bei den angegriffenen Textstellen handelt es sich mithin um unwahre
Tatsachenbehauptungen. Diese stellen einen rechtswidrigen Eingriff in die durch §§
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823,1004 BGB geschützten Rechtsgüter der Klägerin dar. Insbesondere sind die
Behauptungen nicht durch die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gewährleistete
Pressefreiheit geschützten. Denn unwahre Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich
unzulässig und nicht von der Pressefreiheit umfasst. Insbesondere handelten die
Beklagten auch nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Denn sie haben die
erforderliche journalistische Sorgfalt nicht erkennen lassen. Bei Beachtung der
journalistischen Sorgfalt hätten sie schon allein auf Grund der von der Klägerin
vorgelegten zahlreichen Artikel, die jedenfalls über den Internetauftritt des "L" auch den
Beklagten zugänglich waren, erkennen müssen, dass die von ihnen aufgestellten
Behauptungen unwahr sind.
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus
der bereits erfolgten Veröffentlichung und der Verweigerung der Abgabe einer
diesbezüglichen strafbewehrten Unterlassungserklärung.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert:
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Bis zum 5. November 2003: 90.000,00 EUR (4 x 2 x 10.000,00 EUR + 10.000,00)
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danach: 80.000,00 EUR
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