Urteil des LG Köln vom 14.02.2002

LG Köln: eintritt des versicherungsfalles, versicherungsnehmer, schweres verschulden, fahrzeug, versicherer, aufklärungspflicht, funkgerät, unterlassen, gefährdung, versicherungsschutz

Landgericht Köln, 24 O 273/01
Datum:
14.02.2002
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 273/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
der Beklagten in Höhe von EUR 920,33 (DM 1.800), die auch in Form
einer selbstschuldnerischen, unwiderruflichen, unbedingten und
unbefristeten Bankbürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-
rechtlichen Sparkasse erbracht werden kann, abwenden, wenn die
Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher
Höhe und Art leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger schloß bei der Beklagten eine Fahrzeugvollversicherung für seinen Ford
Galaxy mit dem amtlichen Kennzeichen #-## ### mit einer Selbstbeteiligung von DM
1.000,00 (EUR 511,29) ab. Ursprünglich war das Fahrzeug als Taxi, später als
Privatfahrzeug versichert worden.
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Der Kläger teilte der Beklagten am 19.11.2000 gegen 22.50 Uhr mit, daß das
streitgegenständliche Fahrzeug aufgebrochen und beschädigt wurde. Am 20.11.2000
übermittelte die Beklagte dem Kläger ein Schadenanzeigeformular. Dieses reichte der
Kläger unterschrieben am 06.12.2000 mit Schreiben vom 04.01.2001 der Beklagten ein.
Dabei ließ der Kläger die Fragen zum Schadenort, zur Schadenzeit, zum
Schadenhergang sowie zu den Schäden am eigenen Fahrzeug unbeantwortet. Sodann
sandte die Beklagte dem Kläger das Schadenanzeigeformular mit der Bitte zurück, die
an den rot gekennzeichneten Stellen noch offenstehenden und vom Kläger
unbeantwortet gelassenen Fragen auszufüllen. Der Kläger übersandte kurz darauf das
Formular an die Beklagte zurück ohne Angaben zum Schadenhergang gemacht zu
haben.
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Der Kläger behauptet, Unbekannte hätten sein Fahrzeug sowie das im Fahrzeug
befindliche Taxameter und Funkgerät, die nach Ansicht des Klägers von der
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Vollkaskoversicherung mitumfaßt werden, beschädigt. Er habe den Wagen am
17.11.2000 gegen 17 Uhr auf der C-Allee abgestellt und sei von der Polizei gegen 20
Uhr von den Schäden benachrichtigt worden. Angaben zum Tathergang im
Schadenformular habe er nicht angegeben, da er diesen nicht beobachtet habe. Den
Schaden berechnet der Kläger auf der Grundlage zweier von ihm und der Beklagten
eingeholter Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 5.174,27 (DM 10.120,01) nebst 5% Zinsen
über dem Basisdiskontsatz seit dem 03.04.2001 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte beruft sich wegen der fehlenden Angaben zum Schadenhergang im
Schadenformular auf Leistungsfreiheit. Ferner ist sie der Auffassung, daß das
Taxameter und das Funkgerät nicht versichert seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von EUR
5.174,27 (DM 10.120,01) wegen der Schäden an dem bei der Beklagten versicherten
Fahrzeug Ford Galaxy mit dem amtlichen Kennzeichen #-## ### nebst Zubehör nach
§§ 1, 49 VVG, § 12 Abs. 1 II f) AKB nicht zu.
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Dabei kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug wie klägerseits
behauptet am 17.11.2000 gegen 17 Uhr auf der C-Allee vom Kläger abgestellt und
sodann von unbekannten Tätern aufgebrochen und beschädigt wurde. Ferner bedarf es
keiner Überprüfung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob das Taxameter und
das Funkgerät unter den Versicherungsschutz fallen. Denn der Ersatzanspruch des
Klägers entfällt jedenfalls, weil die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der dem
Versicherungsnehmer nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht
gemäß § 7 V Abs. 4 AKB, § 6 Abs. 3 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist.
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Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Abs. 2
Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein
kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig
über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung des Schadens von
Bedeutung sind. Die Auskünfte müssen es dem Versicherer ermöglichen, sachgemäße
Feststellungen zu treffen, um den Schaden regulieren zu können. Grundsätzlich sind
alle sachdienlichen Fragen des Versicherers zu beantworten, wobei gestellte Fragen im
Zweifel als sachdienlich anzusehen sind. Diese Obliegenheit nach Eintritt des
Versicherungsfalles hat der Kläger verletzt.
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Der Kläger hat nämlich im Schadenformular der Beklagten die Frage nach dem
detaillierten Schadenhergang mit Skizze nicht beantwortet und es demnach
unterlassen, wichtige für die Feststellung des Beschädigungshergangs erforderliche
Informationen anzugeben. Die streitige Frage, ob eine Pflichtverletzung des
Versicherungsnehmers durch das Offenlassen von Fragen nur dann gegeben ist, wenn
die Versicherung den Versicherungsnehmer erneut zur Beantwortung aufgefordert hat,
kann hier dahinstehen, denn die Beklagte hat dem Kläger das von diesem nur teilweise
ausgefüllte Formular mit der Bitte um ergänzende Angaben an den rot
gekennzeichneten Stellen zurückgesandt. Die nachträgliche, erst mit der Klageschrift
gegenüber der Beklagten zur Kenntnis gegebene Schilderung des Schadenhergang
führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Tatsache der unvollständigen
Schadenanzeige entfällt damit nämlich nicht.
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Das Unterlassen der Schilderung zum Schadenhergang erfolgte auch vorsätzlich. Die
gegen den Kläger sprechende Vorsatzvermutung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG hat der
Kläger nicht widerlegt. Auch wenn im allgemeinen nicht angenommen werden kann,
daß jemand durch die vorsätzliche Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten seinen
Versicherungsschutz in Gefahr bringen will (vgl. dazu OLG Hamm r + s 91, 408 (409)),
liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Denn der Kläger hat nach nochmaliger Übersendung
des Schadenanzeigeformulars in Kenntnis der ihn treffenden Aufklärungspflicht die
Beklagte nicht über den für die Regulierung des Versicherungsfalls bedeutsamen
Umstand des Schadenhergangs unterrichtet. Die Einlassung des Klägers, er habe keine
Angaben zum Schadenhergang machen können, da er den Vorgang selbst
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nicht beobachtet habe, entlastet ihn nicht. Grundsätzlich ist jeder Eigentümer eines
Fahrzeuges, welches von unbekannten Dritten beschädigt wird, nicht in der Lage
Angaben zum konkreten Hergang des Beschädigungsvorgang zu machen. Gleichwohl
ist von einem Versicherungsnehmer in dieser Situation zu erwarten, daß er genaue und
ausführliche Ausführungen zu Ort, Zeit und Abstellort macht. Dies insbesondere dann,
wenn, wie hier die Beklagte, den Kläger nochmals durch Zurücksenden der
Schadenanzeige und durch Markierung eines roten Kreuzes darauf aufmerksam macht
und eine detaillierte Beschreibung und Skizze verlangt. Der Einwand des Klägers, die
Beklagte habe zu einem späteren Zeitpunkt vom Inhalt der Ermittlungsakte und des
darin geschilderten Schadenhergangs Kenntnis genommen, ist unerheblich und
entschuldigt den Kläger nicht. Die Beklagte als Versicherer muß, um sachgerechte
Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen können, daß der Kläger als ihr
Versicherungsnehmer von sich aus lückenlose Angaben zum Versicherungsfall macht.
Enttäuscht der Kläger dieses Vertrauen, indem er vorsätzlich nicht alle Fragen
beantwortet, kann er sich hinterher nicht darauf berufen, daß der Versicherer den
wahren Sachverhalt von dritter Seite noch zeitig genug erfahren habe oder sich die
erforderlichen Informationen anderweitig habe beschaffen können (ständige
Rechtsprechung vgl. nur OLG Hamm NJW-RR 90, 1310 r + s 91, 408 (409)).
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Nach den Grundsätzen der sog. Relevanztheorie des Bundesgerichtshofes tritt bei
vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos gebliebenen Verletzungen der
Aufklärungspflicht Leistungsfreiheit nur dann ein, wenn die Verletzung generell geeignet
war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und wenn dem
Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last fällt. Ferner muß er zutreffend
über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers bei derartigen
Obliegenheitsverletzungen belehrt worden sein. Dies ist hier der Fall. Die
Obliegenheitsverletzung war geeignet, die Interessen der Beklagten als Versicherer
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ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand, daß bei wie hier vorliegenden
Beschädigungen an Fahrzeugen vollständige und ausführliche Angaben zum
Schadenhergang im Hinblick auf die Feststellungen der Umstände von Zerstörung bzw.
Beschädigung von großer Wichtigkeit sind. Deshalb kann kein Zweifel daran bestehen,
daß eine Verletzung der Aufklärungspflicht infolge unvollständiger Angaben zum
Schadenhergang "generell" geeignet ist, eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des
Kaskoversicherers zu begründen. Ob diese Gefährdung auch im vorliegenden
konkreten Versicherungsfall bestand, ist nicht entscheidend. Von einem nur geringen
Verschulden des Klägers kann nicht ausgegangen werden. Der Kläger trägt keine
Umstände vor, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen. Allein die
Tatsache, daß er den Hergang als solchen nicht beobachtet hat, entlastet den Kläger
nicht. Denn ein ordentlicher Versicherungsnehmer überlegt genau, vor allem wenn er
das Formular mit der Bitte um komplettes Ausfüllen der Tragen zurückgesendet
bekommt, daß auch genaue Ausführungen neben dem reinen Beschädigungsvorgang
zu Ort, Zeit, Abstellvorgang etc. von der Versicherung erbeten sind. Es handelt sich
demnach hier nicht um ein Fehlverhalten, das auch einem ordentlichen
Versicherungsnehmer leicht unterlaufen und für das deshalb ein Einsichtiger
Verständnis aufzubringen vermag.
Im Schadensmeldeformular wurde der Kläger unmittelbar vor der Unterschriftenzeile in
drucktechnisch hervorgehobener Form eindeutig und korrekt über die mögliche Folge
einer Obliegenheitsverletzung belehrt. Es kommt klar und unmißverständlich in der
Belehrung zum Ausdruck, daß eine Leistungsfreiheit der Beklagten bei vorsätzlichen
(bewußt) und folgenlosen Obliegenheitsverletzungen besteht.
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Die Ausführungen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.02.2002
ändern an der obigen Begründung nichts, denn sie enthalten keinen neuen und
erheblichen Vortrag, der eine andere Beurteilung der Sache rechtfertigt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Ziffer 11, 711 Satz 1 ZPO.
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Der Streitwert beträgt: EUR 5.174,27 (DM 10.120,01)
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