Urteil des LG Köln vom 30.06.2004

LG Köln: versorgung, gebühr, prothese, brücke, zahnarzt, feststellungsklage, sicherheitsleistung, tarif, heilbehandlung, versicherungsnehmer

Landgericht Köln, 23 O 310/01
Datum:
30.06.2004
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 O 310/01
Tenor:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im
Rahmen des Tarifs ZM 3 zahnärztliche Leistungen für eine
implantaologische Versorgung gemäß den Heil- und Kostenplänen des
Zahnarztes Dr. F vom 15.5.2001 bezüglich der Versorgung des
Unterkiefers bei Nachweis der Durchführung der Behandlung zu
erstatten, jedoch mit folgenden Einschränkungen:
Die Leistungen der Gebühren GOZ 411, GOÄ 2253, 2254 entfallen,
die Gebühr GOZ 2697 ist nicht zu erstatten,
die Gebühr GOZ 900 ist nur einmal pro Kiefer zu erstatten,
die Gebühr GOZ 902 ist nur einmal pro Implantat zu erstatten,
statt der Gebühr GOZ 221 ist die Gebühr GOZ 220 zu erstatten,
die Gebühr GOZ 905 ist nur einmal zu erstatten,
die Gebühr GOZ 508 ist nicht zu erstatten.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ein Drittel die
Beklagte zwei Drittel.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 EUR. Dem Kläger wird gestattet,
die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 500 EUR
abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheitskosten versichert; nach dem Tarif ZM
3 hat er bei zahnprothetischen Leistungen Anspruch auf Erstattung von 75 % der
entstandenen Kosten. Der Zahnarzt Dr. F in M empfahl dem Kläger, einen Zahnersatz
2
durch Implantate vornehmen zu lassen. Er erstellte über die vorgesehenen Arbeiten
Heil- und Kostenpläne mit einem Aufwand von 38.890,94 DM. Der Kläger reichte diese
Pläne der Beklagten ein, die sie hinsichtlich des Oberkiefers genehmigte. Die
prothetische Versorgung ist bei dem Kläger im Oberkiefer inzwischen durchgeführt.
Hinsichtlich des Unterkiefers teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 1.3.2000
mit, es reichten zwei Teleskopkronen und die Versorgung mit einer Prothese aus.
Der Kläger behauptet, die Versorgung mit Implantaten im Unterkiefer sei medizinisch
notwendig, weil der Kieferknochen dort reduziert sei. Die Kosten beliefen sich auf etwa
31.950 DM.
3
Der Kläger beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger im Rahmen des Tarifs ZM 3 zahnärztliche Leistungen für
eine implantologische Versorgung durch den Zahnarzt Dr. F im
Rahmen der vorgelegten Heil- und Kostenpläne vom 15.5.2001 über
insgesamt 31.952,26 DM bezüglich des Unterkiefers zu erstatten.
4
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Die Beklagte ist der Ansicht, die Feststellungsklage sei unzulässig. Sie behauptet, die
von ihr vorgeschlagene alternative Versorgung mit 2 Teleskopkronen und einer
Prothese reiche aus. Zahlreiche Gebühren des Zahnarztes seien nicht zu erstatten.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten der Behauptungen der Parteien wird auf den Inhalt
ihrer Schriftsätze und die Heil- und Kostenpläne Bezug genommen. Das Gericht hat
über ihre Behauptungen Beweis erhoben durch Einholen eines Gutachtens des
Sachverständigen Prof. Dr. H vom 6.10.2002 mit Ergänzung vom 25.1.2004, auf die
verwiesen wird.
7
Entscheidungsgründe:
8
Die zulässige Feststellungsklage ist nur teilweise begründet.
9
Der Kläger hat nach § 256 ZPO ein Interesse an der Feststellung, daß die Beklagte
verpflichtet ist, die beabsichtigte prothetische Versorgung im Unterkiefer nach dem Tarif
ZM 3 zu erstatten. Das Gericht hält in ständiger Rechtsprechung, die der Beklagten
bekannt ist, eine derartige Klage im Bereich zahnprothetische Versorgung für zulässig.
Zwar kann die medizinische Notwendigkeit einer beabsichtigten ärztlichen Versorgung
regelmäßig nicht festgestellt werden, weil der Gesundheitszustand des Patienten nicht
statisch, sondern veränderlich ist. Bei einem Zahnverlust ist das jedoch anders zu
bewerten. Dabei kommt hinzu, daß die Beklagte in den Tarifen ZM den
Versicherungsnehmern empfiehlt, die Heil- und Kostenpläne einzureichen, um eine
Zusage der Erstattung zu erhalten. Deshalb muß der Versicherungsnehmer bei einer
Ablehnung auch einen Anspruch auf Feststellung der Leistungspflicht einklagen können
( vgl. OLG Stuttgart, OLGR 98, 23 ).
10
Der Kläger hat gegen die Beklagte nach §§ 1 VVG, 1 MB-KK Anspruch auf die
Feststellung, daß die Versorgung im Unterkiefer mit Implantaten medizinisch notwendig
ist. Eine Behandlungsmaßnahme ist medizinisch notwendig, wenn es nach den
objektiven Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der
Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Die
11
Heilbehandlung ist vertretbar, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das
zugrundeliegende Leiden hinreichend erfaßt und eine ihm adäquate geeignete
Therapie anwendet (vgl. BGH, VersR 79, 221; 87, 287; 91, 987; OLG Köln, r+s 95, 431;
r+s 98, 34). Davon ist bezüglich der Versorgung des Klägers nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme auszugehen.
Der Sachverständige Prof. H hat in seinem Gutachten ausgeführt, bei dem Kläger
fehlten im Unterkiefer die Zähne 36, 37,46 und 47. Im Unterkiefer sei rechts eine kleine
Brücke vorhanden, links eine provisorische Brücke. Eine neue Versorgung mit einer
Brücke scheide aus, weil die Weisheitszähne als Pfeiler nicht geeignet seien, sie seien
gekippt. Eine solche Versorgung wäre auch nicht preiswerter, weil bei Verlust der
Weisheitszähne eine neue Versorgung nötig werde. Außerdem sei eine
schleimhautgestützte Versorgung ungünstiger. Zudem sei ein schnellerer
Knochenschwund zu befürchten. Eine Versorgung mit Implantaten vermeidet diese
Probleme. Eine herausnehmbare Prothese sei nicht gleichwertig zu festsitzendem
Zahnersatz. Ein Zahn - 45 - sei parodontal geschädigt und mit einer Füllung versehen,
er könne in die Versorgung nicht einbezogen werden. Durch eine herausnehmbare
Prothese würden die Prämolaren überbelastet, es könne zum Knochenabbau kommen.
Implantate seien heute als langlebig anerkannt, ihre Insertion von hoher Erfolgsquote.
Insgesamt seien vier Implantaten notwendig. Ob das Implantatbett aufgebessert werden
müsse, sei fraglich und im Röntgenbild nicht erkennbar. Verschiedene Gebühren seien
nicht oder nicht vollständig anzusetzen.
12
Das Gutachten des Sachverständigen überzeugt. Er hat den Kläger einer eingehenden
klinischen Untersuchung unterzogen und die Heil- und Kostenpläne des behandelnden
Zahnarztes überprüft. Er hat sich ausführlich mit dem alternativen Vorschlag der
Beklagten auseinandergesetzt und ihn als nicht gleichwertig bezeichnet. Zu den
Einwendungen der Beklagten gegen sein Gutachten hat er umfassend Stellung
genommen und sie widerlegt. Auch dem erkennenden Gericht ist aus einer Vielzahl von
Gutachten inzwischen bekannt, daß eine herausnehmbare Prothese nach dem heutigen
Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft nicht mehr als gleichwertig mit einer
festsitzenden Versorgung gestützt auf Implantaten ist. Der Sachverständige hat
andererseits einen Teil der gebührenrechtlichen Einwendungen der Beklagten bestätigt.
Seine Sachkunde als Direktor einer Universitätsklinik steht außer Frage und wird von
den Parteien auch nicht angezweifelt.
13
Entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen ist zwar die medizinische
Notwendigkeit der beabsichtigten Versorgung des Klägers im Unterkiefer mit vier
Implantaten festzustellen. Die Aufbesserung des Kieferknochens hat der
Sachverständige jedoch nicht als notwendig bezeichnet. Soweit er einzelne Gebühren
als nicht erstattungsfähig angesehen hat, ist das entsprechend in dem Urteilsausspruch
zu berücksichtigen.
14
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Absatz 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
15
Streitwert: 9.801 EUR (Kosten der Versorgung 31.950 DM = 16.335 EUR,
davon 75 % Erstattung - 20 % Abschlag)
16