Urteil des LG Köln vom 15.11.2007
LG Köln: vgb, versicherter, deckung, bad, wohnung, zusage, besuch, erstellung, kontaktaufnahme, unterlassen
Landgericht Köln, 24 O 12/07
Datum:
15.11.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 12/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin schloss 1994 bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung für das
Mietshaus G 1 in C ab. Auf den Vertrag finden die VGB 88 Anwendung.
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Am 8.8.2006 wurde aufgrund eines Mieterwechsels festgestellt, dass im Treppenhaus
die Tapete verrutscht war. Die Klägerin beauftragte die Fa. C2, die in der Folgezeit
feststellte, dass in der Wohnung eines Mieters aus einem Rohr Wasser austrat. Vor
1994 hatte das Rohr bereits ein Loch. Die Klägerin behauptet hierzu, dieses sei
ordnungsgemäß repariert worden. Eine Holzdeckenkonstruktion war
wasseraustrittsbedingt durch Schädlinge befallen, ebenso eine Fachwerkwand. Die
Klägerin ließ durch die Fa. C2 das komplette Bad und die komplette Küche entfernen,
ebenso eine Trennwand. Die Arbeiten der Fa. C2 begannen nach dem Klägervortrag
etwa eine Wochen nach dem 28.8.2006; nach zehn Tagen sei klar geworden, dass die
Schadensursache ein Wasserschaden gewesen sei.
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Am 21.9.2006 erfolgte die Schadensmeldung bei der Klägerin. Am 25.9.2006 fand ein
Ortstermin mit der Regulierungsbeauftragten der Beklagten statt. Feuchtigkeit konnte zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr festgestellt werden. Über den Ortstermin verhält sich eine
Stellungnahme des beklagtenseits beauftragten Sachverständigen D (B 3, Bl. 119 f.
GA). In diesem heißt es u.a., das ursprüngliche Schadensereignis sei bereits 30 Jahre
und älter, was von der Klägerin bestätigt worden sei. Auf das Abwasserrohr sei
mechanisch eingewirkt worden, dann sei versucht worden, das entstandene Loch zu
flicken.
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Die Klägerin behauptet, ein Großteil des Schadens könne nicht vor 1994 entstanden
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sein. Nach Feststellung, dass ein Wasserschaden vorliege, habe sie sofort versucht,
den für sie zuständigen Versicherungsvertreter zu erreichen, was nicht gelungen sei.
Am 21.9.2006 oder etwas früher habe sie den Schaden in der Agentur Stahlfeld dann
persönlich gemeldet. Anlässlich des Ortstermins habe die Reguliererin der Beklagten
erklärt, dass die Beklagte die Regulierung übernehme. Ein Sachverständiger sei mit der
Ermittlung von Schadensumfang und –ursache beauftragt worden. Im Einvernehmen mit
der Reguliererin sei mit den Sanierungsarbeiten begonnen worden; daher könne, meint
die Klägerin, die Beklagte sich jetzt nicht auf Obliegenheitsverletzungen berufen.
Insgesamt sei ein Schaden, einschließlich Mietverlust, in Höhe der Klageforderung
entstanden. Die Klägerin hält die Beklagte für verpflichtet, zu beweisen, dass der
Schadensfall nicht in die versicherte Zeit falle, wie sich aus der
Versicherungsbedingung ergebe, wonach dann, wenn dem VN bei Antragstellung
bekannt sei, dass ein Versicherungsfall bereits eingetreten sei, die Haftung hierfür
entfalle (§ 19 Abs. 3 VGB). Soweit die Beklagte sich auf einen Verstoß gegen das
Veränderungsverbot berufe, sei sie angesichts der Regulierungszusage hiermit
ausgeschlossen. Zudem, behauptet die Klägerin hierzu, seien die Veränderungen, die
vorgenommen worden seien, notwendig gewesen, um größeren Schaden zu
verhindern.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 62.607,27 € nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2004 zuzüglich Kosten in Höhe von
892,44 € für die außergerichtliche anwaltliche Vertretung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet, dass der Schadensfall in versicherte Zeit falle und hält den
Vortrag zum Rohrbruch- wie Wasserschaden für nicht schlüssig. Sie beruft sich auf
Verletzung der Anzeigeobliegenheit. Beim Ortstermin sei der 8.8.2006 als Schadenstag
angegeben worden. Außerdem habe die Klägerin vor dem Ortstermin bereits die
Schadenstelle massiv verändert; auch deshalb hält sich die Beklagte für leistungsfrei.
Die Neuwertspitze sei nicht fällig, der Mietausfallschaden nicht schlüssig dargetan.
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Zum weitergehenden Vortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die Klägerin hat unter dem 6.11.2007 einen
Schriftsatz zur Akte gereicht.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Es ist schon fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen versicherten
Leitungswasserschaden im Sinne von §§ 4 Nr. 1b, 6 VGB 88 nachvollzieh- und
abgrenzbar dargelegt hat. Einen versicherten Schaden darzulegen und zu beweisen,
obliegt der Klägerin als Versicherungsnehmerin. Sie muss auch beweisen, dass der
Schaden in versicherter Zeit eingetreten ist. Aus § 19 Abs. 3 VGB 88 folgt nichts
anderes. Die Vorschrift regelt ersichtlich nicht die Frage, wer beweisen muss, dass ein
Schadensfalls vorvertraglich ist, sondern verhält sich allein zur Frage, ob ein dem
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Versicherungsnehmer bei Antragstellung bekannter vorvertraglicher Schaden in der
Deckung ist.
Die Klägerin räumt ein, dass ein Teil des Wasserschadens schon vor dem Abschluss
des Versicherungsvertrages eingetreten ist, mithin vor dem Jahr 1994. Sie trägt nämlich
lediglich vor, ein Großteil des Schadens könne nicht vor 1994 entstanden sein, ohne
hierfür im Übrigen Beweis anzutreten. Unstreitig hat sie beim Ortstermin mit der
Regulierungsbeauftragten der Beklagten und dem Sachverständigen D angegeben,
dass ein "ursprüngliches Schadensereignis ... bereits 30 Jahre und älter" sei (B 3 Bl.
119 GA). Der Sachverständige hielt es aufgrund des Schadensbildes und der
Oberbeplankung des geschädigten Bereichs sogar für möglich, dass der Schaden vor
langer Zeit eingetreten sei und gar nicht bemerkt wurde. Die Klägerin trägt in diesem
Zusammenhang auch nicht vor, wann das offenbar nur unzureichend geflickte Rohr
geflickt worden sei, was sie aber behauptet. Wenn das Rohr aber ordnungsgemäß
geflickt wurde, muss das der Klägerin bekannt geworden sein, sonst könnte sie dies
nicht behaupten. Dann aber müsste sie auch in der Lage sein, einen möglichen Beginn
einer neuen Leckage einzugrenzen. Das hat sie nicht getan, obgleich sie nach dem
Einwand der Vorvertraglichkeit des Schadens gehalten gewesen wäre, zum
Schadensbeginn in versicherter Zeit näher vorzutragen. So steht nur im Raum, dass es
auch in versicherter Zeit zu einem Wasseraustritt gekommen sein könnte.
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Ob ein allmählicher Wasseraustritt aus dem beschädigten Rohr auch in versicherter Zeit
in der Deckung sein könnte, braucht aber nicht entschieden werden. Die Beklagte kann
sich nämlich auf einen Verstoß gegen das Veränderungsverbot des § 20 Nr. 1e) VGB 88
berufen. Dem steht nicht entgegen, dass beim Ortstermin mit der
Regulierungsbeauftragten der Beklagten diese nach dem Vortrag des Klägerin zu
verstehen gegeben haben soll, dass die Beklagte die Schadensregulierung übernähme.
Der Vortrag hierzu ist nämlich in sich widersprüchlich. Gleichzeitig soll der
Sachverständige H mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang wie zur
Schadensursache beauftragt worden sein. Mithin waren Schadensursache und –umfang
nicht bekannt. Dass die Beklagtenvertreterin ohne Kenntnis des Schadensursache eine
Regulierungszusage gemacht haben soll, ist nicht nachvollziehbar, zumal der anlässlich
dieses Ortstermins erstellte Bericht des hinzugezogenen Architekten D (B 3, Bl. 119 f.
GA) erkennen lässt, dass die Schadensursache alles andere als klar war und die
Eintrittspflicht der Beklagten aufgrund des ggf. gegebenen Altschadens nicht auf der
Hand lag. Dass gleichwohl die Regulierungsbeauftragte der Beklagten eine Zusage
gemacht haben soll, dass die Beklagte die zur Behebung des beim Ortstermin
sichtbaren Schadens anfallenden Kosten übernehme, hat die Klägerin bis zur
mündlichen Verhandlung auch selbst nicht behauptet. Soweit die Kammer in der
mündlichen Verhandlung die klägerische Behauptung zur Regulierungszusage
angesprochen und auf den Widerspruch verwiesen hat, ist die Klägerin dem nicht
entgegen getreten. Einen Schriftsatznachlass hat sie nicht beantragt. Soweit sie
erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 6.11.2007 ihren Vortrag zur
behaupteten Regulierungszusage der Regulierungsbeauftragten der Beklagten
konkretisiert, indes auf den aufgezeigten Widerspruch auch dabei nicht eingeht, ist ihr
Vortrag verspätet, § 296a ZPO, und gibt auch keinen Anlass, die mündliche
Verhandlung wiederzueröffnen, § 156 ZPO. Aus dem Vortrag der Klägerin erschließt
sich nämlich nicht, dass seitens der Regulierungsbeauftragten eine derart unbedingte
Regulierungszusage gemacht worden sein soll, dass es der Beklagten verwehrt sein
könnte, sich auf Obliegenheitsverletzungen zu berufen. Dass der
Regulierungsbeauftragten der Beklagten der Verstoß gegen das Veränderungsverbot
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bewusst gewesen sein soll und sie gleichwohl eine Regulierungszusage machte, wird
nicht behauptet.
Ein objektiver Verstoß gegen das Veränderungsverbot liegt vor:
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Beim Ortstermin vom 25.9.2006 waren Bad, Küche und Trennwand entfernt worden,
ohne dass die Beklagte dem zugestimmt hätte. Nach insoweit nicht streitigem Vortrag
der Beklagten war es nicht mehr möglich, Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit
ein Schaden vor der Entkernung der Wände sichtbar und feststellbar war.
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Die Vermutung qualifizierten Verschuldens nach §§ 20 Nr. 2 VGB 88, 6 Abs. 3 VVG hat
die Klägerin nicht widerlegt. Insbesondere kommt hier nicht in Betracht, dass die
Schadensstelle in Gänze derart verändert worden ist, allein um festzustellen, was denn
überhaupt Schadensursache war. Die Klägerin hat vorgetragen, dass eine Woche nach
dem Besuch des Herrn C2 am 28.8.2006 dessen Mitarbeiter angerückt seien und etwa
zehn Tage später festgestellt hätten, dass ein Wasserschaden vorlag. Mithin war ein
solcher Mitte September 2006 bekannt. Von da an hätten weitere Arbeiten, die die
Schadensstelle veränderten, nicht mehr ausgeführt werden dürfen, ohne dies mit der
Beklagten abzustimmen, denn jede weitere Veränderung der Schadenstelle nahm der
Beklagten die Möglichkeit, den Schaden nach Ursache und Umfang selbst überprüfen
zu können. Der Umstand, dass ein erheblicher Schaden drohte, der auch für die
Wohngebäudeversicherung Anlass zu sorgfältiger Überprüfung geben könnte, war der
Klägerin auch bewusst. Sie trägt einmal vor, wiederholt nach dem 15.9.2006 versucht zu
haben, den örtlichen Vertreter der Beklagten zu kontaktieren. Gleichzeitig, obwohl ihr
eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten aus nicht näher dargelegten Gründen nicht
gelungen war (so bleibt offen, warum sie sich nicht an die im Versicherungsschein
genannte Niederlassung der Beklagten gewandt hat), beauftragte die Klägerin bereits
das Ingenieurbüro Prof. T mit näheren Feststellungen zum Schadensfall, wie die
vorgelegte Rechnung vom 26.9.2006 (Bl. 77 GA) zeigt, in der bereits ein Ortstermin am
18.9.2006 genannt ist.
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Soweit die Klägerin weiter vorträgt, die Veränderungen der Schadensstelle seien
notwendig gewesen, um größeren Schaden zu verhindern, entlastet sie dies nicht:
Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht vorträgt, welcher Schaden durch welche
verändernden Arbeiten, die zwischen Schadensmeldung und dem zeitnah erfolgten
Ortstermin vom 25.9.2006 abgewendet worden sein könnte, ist auch nicht
nachvollziehbar, warum nicht bis zum Ortstermin abgewartet werden konnte, bevor
weitere Arbeiten durchgeführt wurden, die den Schadensort veränderten. Es lag auf der
Hand, dass jede weitere Veränderung der Schadensstelle Feststellungen zum Schaden
erschweren würden. Die Beklagte hat hier nach Schadensmeldung auch schnell
reagiert und einen Ortstermin angesetzt. Dass angesichts dieses Zeitablaufs es von
Nöten gewesen sein soll, gleichwohl weitere Arbeiten vorzunehmen, ist nicht
nachvollziehbar. Soweit die Klägerin auf einen sich vergrößernden Mietausfall rekurriert,
hat sie eine konkrete Neuvermietung der Wohnung nicht dargelegt. Der Schaden ist bei
einem Mieterwechsel erst aufgefallen, wie die Klägerin selbst vorträgt. Jedenfalls hätte
der Klägerin oblegen, die Notwendigkeit der Vornahme weiterer Änderungen mit der
Beklagten schon vor dem Ortstermin abzustimmen und die Zustimmung der Beklagten
einzuholen. Das hat sie unterlassen. Insoweit oblag es ihr, sich über die ihr im
Schadensfall einzuhaltenden Obliegenheiten selbst kundig zu machen. Hierzu bedurfte
es keines Hinweises der Beklagten.
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Ob weitere Einwendungen der Beklagten greifen, kann nach alle dem dahinstehen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: 62.607,27 €.
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