Urteil des LG Köln vom 10.06.2008

LG Köln: beitrittserklärung, anleger, kündigung, anlageberater, widerruf, stillen, markt, zentralbank, lebensversicherung, anwaltskosten

Landgericht Köln, 22 O 276/07
Datum:
10.06.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 276/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.900,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 12. Dezember 2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten
beendet ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.419,19 € außergerichtliche
Anwaltkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basissatz seit dem 20. Mai 2008 zu zahlen.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D
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Am 9. März 2005 suchte der Anlagevermittler U den Kläger in seiner Wohnung auf, um
mit diesem Vermögensanlagemöglichkeiten zu erörtern.
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Der Kläger verfügte über eine Lebensversicherung, die er zum Zwecke der
Altersvorsorge abgeschlossen hatte und deren Kündigung zum Zwecke einer anderen
Vermögensanlage mit dem Anlageberater erörtert wurde.
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Am selben Tag unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung als atypischer stiller
Gesellschafter an der Beklagten (vergl. Blatt 51 GA). In der Folgezeit stockte er seine
Beteiligung auf 39.400,00 € auf (vergl. Bl. 53 GA). Die Beklagte nahm den Beitritt des
Beklagten an und dieser zahlte nach Kündigung der Lebensversicherung und
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Auszahlung seines Guthabens dort in der Folge 21.900,00 € an die Beklagte. Unter dem
20. November 2006 erklärte er den Widerruf seiner Beitrittserklärung sowie die
Anfechtung der Beitrittserklärung und die außerordentliche Kündigung des
Gesellschaftsbeitritts (vergl. Blatt 59 GA).
Der Kläger behauptet, durch Herrn U nicht ordnungsgemäß über die Anlageform
aufgeklärt worden zu sein. Entgegen seiner Bestätigung in der Beitrittserklärung habe
ein Prospekt nicht vorgelegen. Die Widerrufsbelehrung sei unrichtig.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.900,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 12. Dezember 2006 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten
beendet ist;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.761,08 € außergerichtliche
Anwaltkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basissatz seit dem 20. Mai 2008 zu zahlen.
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hilfsweise:
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1. die Beklagte zu verurteilen, eine Auseinandersetzungsbilanz für die
Beteiligung des Klägers zu Vertragsnummer 12607B03 nach Maßgabe
von § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zu 21.11.2006 zu erstellen,
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2. nach Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz die Beklagte zu
verurteilen, an den Kläger den sich ergebenden Abfindungsbetrag nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.11.2006 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie sich das Verhalten des Herrn U, deren
selbständiger Handelsvertreter er sei, nicht zurechnen lassen müsse. Sie ist der
Auffassung, dass der Hinweis auf einen fehlenden 2. Markt für die Verwertung der
Beteiligung nicht erforderlich gewesen sei, da der Kläger die Anlageform zum Zwecke
der Altersvorsorge gewählt habe.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen
eingereichten Unterlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden sind, verwiesen.
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Gemäß Beweisbeschluss vom 11. März 2008 ist Beweis erhoben worden durch die
Vernehmung der Zeugen T und U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf die Vernehmungsniederschrift vom 20. Mai 2008 Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Klage ist bis auf einen Teil der erst im Schriftsatz vom 19. Mai 2008 geltend
gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten begründet.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest,
dass der Kläger bei seiner Anlageentscheidung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist.
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Dem Kläger steht deswegen gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß §
280 Abs. 1 Abs. 3, § 282, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB n. F. zu.
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Der Beklagten oblag es gegenüber dem Kläger als Anleger für seine
Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über dieses Beteiligungsobjekt zu vermitteln.
Das heißt, ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher
Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen
speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich
und vollständig aufzuklären. Dies konnte auch durch einen Anlageberater wie Herr U
geschehen, dessen Verhalten sich die Beklagte jedoch gemäß § 278 BGB zurechnen
lassen muss.
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Eine Zurechnung des Handelns oder Unterlassens eines Erfüllungsgehilfen erfolgte
dann, wenn dieser nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners
bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig wird.
Dies ist auch bei der Kundenwerbung durch selbständige Vermittlungsunternehmen der
Fall (vergl. BGH NJW 2001, 358).
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Entgegen der Ansicht der Beklagten erfolgte die Aufklärung des Klägers in
unzutreffender Weise.
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Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin T2, erfolgte eine Aufklärung über den
fehlenden 2. Markt gegenüber dem Kläger nicht. Auch der Zeuge U hat selbst
eingeräumt hierüber mit dem Kläger nicht gesprochen zu haben.
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Die Frage, ob die begrenzte Möglichkeit Beteiligungen weiterzuverkaufen, eine
Eigenschaft ist, über die der Anlageberater auch ohne entsprechende Anfrage des
Interessenten aufzuklären hat, wurde vom BGH für gebrauchte Kommanditanteile
dahingehend bejaht, dass dieser Umstand für den durchschnittlichen Anleger für seine
Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung ist. Die Bedingungen, zu denen ein
Anleger auch auf langfristig festgelegtes Geld vorzeitig zugreifen kann, sind
typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung. Dies gelte
auch für Anlagen, die der Alterssicherung dienen sollen. Die Pflicht zur ungefragten
Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität kann allenfalls dann entfallen, wenn
unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die Weiterveräußerung für den
Anleger erkennbar ohne Belang ist. Dabei reicht nach der Rechtsprechung des BGH
allein der Umstand des Altersvorsorgezweckes nicht aus, die Aufklärung entfallen zu
lassen.
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Diese Grundsätze gelten auch für die Anlageform einer stillen Beteiligung. Letztlich geht
sogar die Beklagte ausweislich ihres Prospektinhaltes davon aus.
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Aber auch unter Berücksichtigung des Prospektinhaltes ergibt sich kein andere
Bewertung hinsichtlich des Aufklärungsverstoßes.
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Der Hinweis in dem Prospekt ist vor der Anlageentscheidung nicht angesprochen
worden. Da der Kläger vor seiner ersten Unterschrift keine Gelegenheit hatte den
Prospekt durchzulesen, reicht auch der in diesem enthaltene Hinweis nicht aus.
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Nach der sehr anschaulichen Schilderung der Zeugin T erfolgte – entgegen der vom
auch im Termin zur mündlichen Verhandlung sichtlich überforderten Kläger selbst
unterzeichneten Erklärung – zur Überzeugung des Gerichts keine Übergabe des
Prospektes im Anlagetermin. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers in seiner
Anhörung.
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Soweit der Zeuge U bekundet hat, eine Übergabe des Prospektes erfolge immer, folgt
ihm das Gericht nicht. Seine Erklärung beinhaltet nur eine Schlussfolgerung, ohne dass
der Zeuge eine konkrete Erinnerung hieran bekundet. Allein die allgemeine
Behauptung, dies immer zu machen, schließt einen Ausnahmefall nicht in
überzeugender Weise aus. Demgegenüber ist die Bekundung der Zeugin T, der Zeuge
U habe nicht ein Blatt zurückgelassen und erklärt, dieses Prospekt bräuchte er noch und
sie erhielten ein solches später zugeschickt, für das Gericht überzeugend.
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Angesichts dieser Umstände, kommt es auf die vom Zeugen U selbst eingeräumte
unzutreffende Belehrung über eine vor Ablauf der Vertragszeit von 19 Jahren
bestehende Kündigungsmöglichkeit, die nach 12 Jahren sogar ohne Verlust möglich
sein sollte – nach der Zeugen T waren es fünf Jahre – nicht an.
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Da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die mangelhafte Aufklärung
des Klägers ursächlich für seine Anlageentscheidung war, ist die Beklagte verpflichtet
den Kläger so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht zustande gekommen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind im Fall einer stillen
Beteiligung nicht die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar, so dass ein
Schadenersatzanspruch in voller Höhe des eingezahlten Betrages gegeben ist (vgl.
BGH ZIP 2004, 1707).
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Dem Verzugszinsbegehren der Klägerseite ist in Höhe des zuerkannten Betrages
gemäß §§ 288 Absatz 1 Satz 2, 286, 280 Absatz 1 und 2 BGB unter dem Gesichtspunkt
des Verzuges stattzugeben.
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Aus den obigen Gründen kann der Kläger im Wege des Schadenersatzes auch die
Feststellung verlangen, dass das Vertragsverhältnis beendet ist (vgl. BGH ZIP 2005,
763).
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Außergerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger als weiteren Schaden wegen
vorvertraglicher Pflichtverletzung erstattet verlangen (vgl. BGH DB 1986, 1814) ohne
dass es der Voraussetzungen eines Verzuges bedarf. Die Prozessbevollmächtigte des
Klägers ist auch – nach erklärtem Widerruf (vgl. Bl. 59 GA)- hinsichtlich des gesamten
Vertragsverhältnisses tätig geworden. Der Streitwert berechnet sich jedoch, da der
Rückzahlungsanspruch in dem Feststellungsanspruch enthalten ist nicht mit 53.420,00
€ sondern mit 35.900,00 € (s. u.). Bei einer 1,3 Gebühr ergibt sich somit eine Forderung
von 1.419,19 €.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert:
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Klageantrag zu 1. 21.900,00 €
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Klageantrag zu 2. 14.000,00 € (Differenz 39.400,00 € zu 21.900,00 € davon 80 %)
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