Urteil des LG Köln vom 26.01.2004

LG Köln: wider besseres wissen, ampel, unfall, kreuzung, vollstreckung, versicherungsnehmer, fahrlässigkeit, sicherheitsleistung, sachschaden, fahrzeug

Landgericht Köln, 24 O 188/03
Datum:
26.01.2004
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 188/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.630,75 EUR nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.1.2003 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 95,4 % und die
Klägerin 4,6 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
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Zwischen den Parteien bestand am 7.8.2002 ein Vollkaskoversicherungsvertrag mit
einer Selbstbeteiligung in Höhe von 511,- EUR für den Pkw der Klägerin BMW,
amtliches Kennzeichen ##-## ##.
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Die Klägerin befuhr gegen 14.10 Uhr die E-Straße in C in Fahrtrichtung C-Allee. Obwohl
die Lichtzeichenanlage für sie länger als eine Sekunde Rotlicht zeigte, fuhr die Klägerin
aus zwischen den Parteien streitigen Gründen in den Kreuzungsbereich mit der V-
Straße ein. Es kam zum Zusammenstoß zwischen ihrem Fahrzeug und dem des
Zeugen U, der die V-Straße in Fahrtrichtung O befuhr. Am Fahrzeug der Klägerin
entstand ein Sachschaden von 11.141,75 EUR. Am 31.1.2003 lehnte die Beklagte
jegliche Leistung aus Anlass des Unfallgeschehens ab.
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Die Klägerin behauptet, sie habe zunächst an der Ampel angehalten, als diese für sie
Rotlicht gezeigt habe. Sie habe ihren Wagen nach einiger Wartezeit an der roten Ampel
in der objektiv unbegründeten, irrtümlichen Einschätzung in Bewegung gesetzt, sie
dürfe fahren, und sei trotz fortdauernden Rotlichts los und in der Kreuzungsbereich
eingefahren, weil sie lediglich geglaubt habe, ihre Ampel sei plötzlich auf Grünlicht
umgeschlagen. In der Nachschau komme für sie nur als Ursache für diese
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Fehleinschätzung in Betracht, dass sie den Phasenwechsel der Fußgängerampel
zufällig erfasst und falsch als ein Umschlagen des für sie entscheidenden Ampellichtes
wahrgenommen habe.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.141,75 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 31.1.2003 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die Klägerin sei ungebremst und ohne an der Kreuzung überhaupt
angehalten zu haben in den Kreuzungsbereich unter Missachtung des Rotlichts
eingefahren. Der Unfall sei insofern grob fahrlässig herbeigeführt worden. Im Übrigen
habe die Klägerin in der Schadensanzeige das Unfallgeschehen und die Umstände
ihres Rotlichtverstoßes wahrheitswidrig geschildert.
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Die Kammer hat durch den zuständigen Einzelrichter Beweis erhoben gemäß
Beweisbeschlüssen vom 1.7.2003 (Bl. 40 f. d. A.) und 30.9.2003 (Bl. 65 f. d. A.). Zum
Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 29.9.2003 (Bl.
59 ff. d. A.) und 15.12.2003 (Bl. 84 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Bußgeldakte
777.8003.5108 Bundesstadt Bonn war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist aus dem zwischen den Parteien bestehenden
Vollkaskoversicherungsvertrag (§§ 1, 49 VVG) weitgehend begründet. Die Beklagte ist
verpflichtet, den der Klägerin am ihrem versicherten Pkw entstandenen Sachschaden zu
ersetzten; allerdings muss die Klägerin die vereinbarte Selbstbeteiligung in Abzug
bringen. Insoweit war die Klage abzuweisen.
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Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass der Unfall von der Klägerin grob
fahrlässig herbeigeführt worden ist. Ebenso lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin
falsche Angaben zum Unfallhergang in der Schadensanzeige gemacht hat.
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Nach § 61 VVG soll der Versicherungsnehmer, der sich in bezug auf das versicherte
Interesse völlig sorglos oder gar unlauter verhält und damit den Versicherungsfall
herbeiführt, keine unverdiente Vergünstigung erhalten. In diesem Sinn wird das
Nichtbeachten einer roten Ampel regelmäßig als grob fahrlässig zu betrachten sein.
Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch schon an den objektiven oder aber an
den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen (BGH, NJW 2003,
1118 m.w.N.). Insbesondere kann eine Beurteilung eines Rotlichtverstoßes als nicht
grob fahrlässig dann in Betracht kommen, wenn der Fahrer zunächst bei Rot angehalten
hat und dann in der irrigen Annahme, die Ampel habe auf Grün umgeschaltet, wieder
angefahren ist (BGH, a.a.O.). Dabei obliegt es dem Versicherungsnehmer, ihn
entlastende Tatsachen vorzutragen, wobei die grundsätzliche Beweislast für die
Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit beim Versicherer verbleiben (BGH, a.a.O.).
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Die Beweisaufnahme hat zur sicheren Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die
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Klägerin zunächst an der für sie maßgeblichen Ampel angehalten hat und dann in der
irrigen Annahme, sie dürfe losfahren, in den Kreuzungsbereich eingefahren ist.
Insbesondere der Zeuge T2, der mit seinem Pkw hinter dem der Klägerin an der Ampel
angehalten hatte, konnte bestätigen, dass die Klägerin an der roten Ampel zunächst
angehalten hat. Es ist nicht zweifelhaft, dass der Zeuge diese Aussage frei von
jeglichen einseitigen Be- oder Entlastungstendenzen getätigt hat. Der Zeuge war an
dem Unfallgeschehen unbeteiligt; irgend eine Beziehung zur Klägerin ist nicht
ersichtlich. Diese Schilderung deckt sich mit derjenigen, die die Klägerin unmittelbar
nach dem Unfall dem den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten L gemacht hat. Der
Zeuge L hob in seiner Aussage hervor, dass ihm die Angabe als sehr glaubhaft
erschien. Wenn auch der Zeuge U als Unfallgegner keine eigenen Wahrnehmungen zur
Frage, ob die Klägerin zunächst an der Ampel angehalten hatte, haben konnte, so
konnte er doch bestätigen - insbesondere mit seiner schriftlichen Aussage vom
4.10.2003-, dass er bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist. Insoweit
vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der Zeuge X, der als einziger meinte, sich
in der Weise an das Unfallgeschehen erinnern zu können, dass die Klägerin ohne
anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren war und er, hinter dem Zeugen U, wie
dieser ebenfalls zunächst bei Rotlicht an der Kreuzung angehalten habe, das
Unfallgeschehen zutreffend schilderte. Aus der Erinnerung mag sich für den Zeugen der
Hergang so dargestellt haben. Überzeugend ist seine Schilderung jedoch nicht. Dabei
sind vor allem die Umstände ausschlaggebend, dass der Zeuge T2 aus der
wesentlichen besseren Position (hinter der Klägerin fahrend!) gerade bestätigte, die
Klägerin habe zunächst angehalten, und der den Unfall aufnehmende Polizist L die
entsprechenden Angaben der Klägerin unmittelbar nach dem Unfall als sehr glaubhaft
bezeichnete. Diesen Eindruck vermochte die Klägerin im übrigen dem Gericht ebenfalls
zu vermitteln.
Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Klägerin rechtstreu
verhalten hat, indem sie an der für sie maßgeblichen Ampel zunächst anhielt. Wer
jedoch zunächst das Rotlicht beachtet hat, wird regelmäßig -wenn er nicht wider
besseres Wissen handelt- nur in der irrigen Annahme, er dürfe jetzt anfahren, in den
Kreuzungsbereich unter Mißachtung des fortdauernden, gerade nicht mehr beachteten
Rotlichts einfahren. Mit der Entscheidung des BGH vom 29.1.2003 (a.a.O.) kann man
einen solchen Irrtum nicht als Sorgfaltsverstoß von hohem Maße bezeichnen. Für ein
Handeln wider besseres Wissen der Klägerin ist nichts ersichtlich.
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Indem die Klägerin in der Schadensanzeige ebenfalls angab, an der roten Ampel
zunächst angehalten zu haben, entspricht dies dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Soweit sie dort angab, "ungewöhnlich lange" gewartet zu haben, hat die Klägerin
lediglich zu erklären versucht, wieso sie trotz ihres Anhaltens unvermittelt in die
Kreuzung eingefahren ist. Eine Falschangabe des Sachverhalts ist nicht zu erkennen.
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Die Nebenforderung ist aus Verzug begründet (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 709,
711 ZPO.
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Streitwert: 11.141,75 EUR
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Landgericht Köln, 24. Zivilkammer
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