Urteil des LG Köln vom 10.07.2008

LG Köln: marke, handelsvertreter, beendigung, firma, händler, vorkauf, rabatt, fahrzeug, stamm, werbung

Landgericht Köln, 86 O 14/06
Datum:
10.07.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
86 O 14/06
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 21.629,93 nebst Zinsen in
Höhe von 5 % vom 1. 2. 2003 bis zum 30. 5. 2005 und in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. 5. 2005 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 85 % und die
Beklagte zu 15 %.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des zu vollstreckenden Betrages und für die Beklagte gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten
vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
1
Die Klägerin war seit 1993 Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt auf der Grundlage
des Händlervertrages vom 23. 10./18. 11. 1996. Sie verkaufte im eigenen Namen und
auf eigene Rechnung die von der Beklagten angebotenen Neufahrzeuge sowie
Ersatzteile an Endverbraucher. Für alle Vertragswaren hatte sie Kundendienst zu
leisten; sie hatte ständig einen Mindestvorrat an neuen Fahrzeugen sowie Ersatzteilen
zu unterhalten.
2
Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 19. 1. 2001 zum 31. 1. 2003. Mit
Schreiben vom 7. 12. 2002 meldete die Klägerin ihren Ausgleichsanspruch analog § 89
b HGB an.
3
Seit 1. 2. 2003 ist die Klägerin aufgrund eines mit der Beklagten abgeschlossenen
Werkstattvertrages als B Vertragswerkstatt eingesetzt. Einen B-Neuwagenagentur-
Vertrag mit der Autohaus I GmbH & Co. in O, einer Vertragshändlerin der Beklagten,
schloss die Klägerin am 29. 1./31. 1. 2003, aufgrund dessen sie sich verpflichtet hat,
effizient am Verkauf von B-Neuwagen an Endkunden mitzuwirken, wobei sie für jedes
von ihr übermittelte und vom Vertragshändler abgeschlossene Geschäft eine Provision
gemäß den von der Beklagten empfohlenen Sätzen in Anlage 1 des Vertrages erhält.
4
Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Ausgleichsanspruch aufgrund der
sogenannten Münchener Formel auf € 136.406,56 brutto für das Kfz-Geschäft und auf €
7.883,59 brutto für das Ersatzteilgeschäft berechnet. Die Kappungsgrenzen gibt die
Klägerin mit € 140.306,82 an bzw. € 15.428,00 an.
5
Die Klägerin beantragt,
6
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 144.290,15 nebst Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. 2. 2003 zu zahlen.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Die Beklagte bestreitet, dass der Klägerin aufgrund der Beendigung des
Händlervertrages Provisionsverluste entstanden seien; aufgrund des Agenturvertrages
könne sie ihren Kundenstamm vollumfänglich weiter nutzen. Die Klägerin erhalte
Verdienstmöglichkeiten in Form von Provisionen, die je nach Modellreihe zwischen 12,5
% bis 17 % betrügen und im Ergebnis effektiv der Händlermarge entsprächen. Hingegen
trage die Klägerin als Agentur nicht das sonstige händlertypische wirtschaftliche Risiko
und träfen sie keine Investitionspflichten.
10
Als Vertragshändlerin habe die Klägerin in den letzten fünf Vertragsjahren jährlich im
Schnitt 35,6 Neufahrzeuge verkauft, als Agentin verkaufe sie im Schnitt 48,3
Neufahrzeuge pro Jahr.
11
Jedenfalls bestünde ein Ausgleichsanspruch nicht in der von der Klägerin behaupteten
Höhe, wobei der für das Ersatzteilgeschäft geltend gemachte Ausgleichsanspruch
schon dem Grunde nach unbegründet sei, weil die Voraussetzungen für eine analoge
Anwendung des § 89 b HGB nicht vorlägen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten
Unterlagen verwiesen.
13
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
14
Die Klage ist nur in dem zuerkannten Umfang begründet.
15
In entsprechender Anwendung von § 89 b HGB steht der Klägerin ein
Ausgleichsanspruch in Höhe von € 21.629,93 zu.
16
Die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen (vgl. BGH in ZIP 1987,
1383ff. m.w.N.) für die Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers
nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit seinem Lieferanten sind erfüllt. Das
Vertragsverhältnis erschöpfte sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung;
die Klägerin war vielmehr als Einzelhändlerin so in die Absatzorganisation der
Beklagten eingebunden, dass sie wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem
Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte. Zwischen den Parteien ist
nicht streitig, dass die Klägerin verpflichtet war, mit jeder Zulassungsmeldung die
17
persönlichen Daten des Käufers der Beklagten mitzuteilen, so dass diese im Falle der
Erfüllung dieser Vertragspflicht in der Lage gewesen war, sich die Vorteile des
Kundenstammes der Klägerin bei Vertragsende sofort und ohne weiteres nutzbar zu
machen, wobei nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass der
Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus der Geschäftsverbindung
mit dem früheren Kundenstamm der Klägerin weiterhin erhebliche Vorteile bleiben.
Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs steht nicht
entgegen, dass sie nach Beendigung des Vertragshändlervertrages mit der Beklagten
als Neuwagenagentur der Firma Autohaus I eingesetzt war und als solche den Verkauf
von Neufahrzeugen der Marke der Beklagten an Kunden der Firma I vermittelt hat.
Schon im Hinblick auf die Parteien des Agentur-Vertrages kann dieser nicht als
Fortsetzung des Händlervertrages, der mit der Beklagten bestanden hatte, angesehen
werden. Bei Beendigung des Agentur-Vertrages wäre nicht die Beklagte, sondern das
Autohaus I der Klägerin ausgleichspflichtig, wobei diese sich auch nicht von der
Klägerin in der Vergangenheit für die Beklagte geworbene Stammkunden zurechnen
lassen müsste. Auch sind die Bedingungen des Agentur-Vertrages andere als die des
Händlervertrages: Da die Klägerin nicht mehr selbst als Verkäuferin, sondern nur noch
als Vermittlerin für einen anderen Verkäufer auftritt, leidet hierdurch die Kundenbindung,
worauf sich die Klägerin auch beruft. Die uneingeschränkte Nutzung des von ihr
geschaffenen Kundenstammes ist der Klägerin zwar als Vermittlerin weiterhin möglich;
allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Kundenstamm, den sie bei Beendigung des
Händlervertrages der Beklagten überlassen hatte, parallel auch von dem
Vertragshändler, dem sie angeschlossen wurde, und von der Beklagten selbst genutzt
werden kann. Deshalb kann der Ausgleichsanspruch aufgrund des Agenturvertrages
nicht entfallen, sondern es kann nur durch einen Billigkeitsabzug berücksichtigt werden,
dass die Klägerin die Möglichkeit hat, den für die Beklagte geschaffenen Kundenstamm
"sonstwie" weiter zu nutzen. Andererseits kann der Umstand, dass die Klägerin
Fahrzeuge nicht mehr im eigenen Namen verkauft, sondern nunmehr tatsächlich als
echter Handelsvertreter auftritt, also nicht mehr nur entsprechend einem
Handelsvertreter zu behandeln ist, einem Billigkeitsabzug nicht entgegen stehen, weil
sie eben nach wie vor die Möglichkeit hat, den Kundenstamm "sonstwie" zu nutzen.
18
Dem Ausgleichsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Anschluss an
den Vertragshändlervertrag als autorisierter Werkstattbetrieb der Beklagten tätig
geworden ist. Der Ausgleichsanspruch analog § 89 b HGB wird dem Vertragshändler
allein auf der Grundlage des Neuwagenverkaufs zuerkannt; Einkünfte aus dem neben
dem Neuwagenverkauf geführten Werkstattbetrieb finden bei der Berechnung des
Ausgleichsanspruchs keine Berücksichtigung, erhöhen ihn also nicht.
Dementsprechend sieht es die Kammer nicht als gerechtfertigt an, den
Ausgleichsanspruch eines gekündigten Vertragshändlers, der den Werkstattbereich
fortführt, mit Rücksicht hierauf auszuschließen oder auch nur mittels eines
Billigkeitsabschlags zu verkürzen.
19
Der Ausgleichsanspruch des § 89 b HGB soll dem Handelsvertreter eine Gegenleistung
dafür gewähren, dass er mit Schaffung des Kundenstammes dem Unternehmer eine
Leistung erbracht hat, die während der bisherigen Vertragszeit noch nicht abgegolten ist
und wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergütet wird.
Abgeltungsfähig sind deshalb nur Abschlüsse mit dem bei Vertragsende vorhandenen,
neu geworbenen Stamm von Kunden, mit denen in Form von Folgeaufträgen und
Nachbestellungen gerechnet werden kann, für die der Handelsvertreter jedoch infolge
20
der Vertragsbeendigung die Provisionen nicht mehr erhält. Dementsprechend kommt es
angesichts der entsprechenden Anwendung von § 89 b HGB auch beim
Vertragshändler nur auf die von ihm geworbenen Stamm- bzw. Mehrfachkunden an,
wobei allein das Neuwagengeschäft mit diesen Kunden maßgeblich ist (vgl. BGH
a.a.O.). Den einem Handelsvertreter entgehenden Provisionen entspricht beim
Vertragshändler dabei der ihm vom Lieferanten gewährte Rabatt zuzüglich der ihm in
diesem Zusammenhang gewährten Boni, reduziert durch die von ihm selbst gewährten
Preisnachlässe, die seinen Gewinnanteil mindern (vgl. OLG Köln – 19 U 114/95 -, Urteil
vom 23. 2. 1996), d.h. also die Spanne zwischen seinem Einkaufs- und seinem
Verkaufspreis.
Bei der Berechnung der Provisionsverluste eines Vertragshändlers ist auf dessen
Umsatz im Neuwagengeschäft im letzten Vertragsjahr abzustellen, und zwar beschränkt
auf den Umsatz mit Mehrfachkunden (vgl. BGH in NJW 1983, 2877ff., 2879; BGH in
NJW-RR 1988, 42ff., 44; OLG Köln in MDR 1996, 129f.).
21
Im vorliegenden Fall sind für das letzte Vertragsjahr vom 1. 2. 2002 bis zum 31. 1. 2003
die nachfolgenden Verkäufe an Mehrfachkunden festzustellen, wobei seitens der
Klägerin die Mehrfachkundeneigenschaft durch Vorlage der entsprechenden
Rechnungen über den Vorkauf belegt worden ist:
22
(Es folgt eine Aufstellung der Mehrfachkunden)
23
24
Die Kammer berücksichtigt auch den Kunden N, obwohl der seitens der Klägerin für das
Jahr 2000 dargelegte Vorkauf den eines Vorführwagens betroffen hatte. Anders als bei
den Käufen im letzten Vertragsjahr, die Grundlage der aufzustellenden Prognose bilden,
vertritt die Kammer die Ansicht, dass der Vorkauf nur insoweit von Bedeutung ist, als er
ein Indiz dafür, dass ein Kunde für ein Fahrzeug der Marke des ausgleichspflichtigen
Herstellers geworben worden ist, liefert; dies manifestiert sich eben durch den
wiederholten Kauf eines Fahrzeugs dieser Marke. Insoweit ist es aber nach Ansicht der
Kammer nicht von Bedeutung, ob der Vorkauf ein Neufahrzeug oder einen
Vorführwagen der betreffenden Marke betraf. Wer sich aufgrund des Kaufs eines
Vorführwagens mit der Marke sowie den Serviceleistungen des betreffenden Händlers
angefreundet hat und zu ihm wiederkehrt, um diesmal ein Neufahrzeug zu kaufen, zeigt
genauso wie derjenige, die schon beim ersten Mal ein Neufahrzeug erworben hatte,
dass er vom Händler für die betreffende Marke geworben worden ist, auch wenn die
Werbung für den ersten Kauf zusätzlich über einen etwas günstigeren Preis, den der
Händler aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen Vorführwagen gehandelt
hatte, machen konnte, erfolgt war. Im übrigen zeigt der Umstand, dass der Kunde N im
Jahre 2005 wiederum ein Fahrzeug der Beklagten erworben hat, dass die Klägerin ihn
tatsächlich als Stammkunden für die Beklagte geworben hat.
25
Soweit es um Verkäufe an den seinerzeit der Klägerin angeschlossenen B-Händler K
geht, können diese nur insoweit berücksichtigt werden, als dieser Fahrzeuge an
26
Endkunden weiterverkauft hat, die als für die Marke der Beklagten gewonnene
Stammkunden gewertet werden können. Denn der B-Händler K selbst ist so in die
Verkaufsorganisation der Beklagten eingegliedert, dass er nicht als im Sinne des § 89 b
Abs. 1 HGB für die Beklagte geworbener Kunde gewertet werden kann. Insoweit ist für
das letzte Vertragsjahr nur der Weiterverkauf an den Kunden Bastel, der schon 1998
einen Neuwagen der Beklagten erworben hatte, berücksichtigungsfähig, während der
seitens der Klägerin weiterhin angegebene Endkunde S am 18. 5. 2002 von K einen
Vorführwagen erworben hatte, das Geschäft also nicht den Kauf eines Neuwagens
betroffen hatte.
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist aus dem letzten Vertragsjahr der Verkauf
eines Fahrzeugs an M, bei dem es sich nach den Angaben der Klägerin um den Vater
des P handeln soll, der im Jahre 2001 von der Klägerin einen Vorführwagen erworben
hatte. Auch wenn ein enges verwandtschaftliches Verhältnis besteht, so wohnten beide
gemäß den angegebenen Adressen nicht in einer Hausgemeinschaft, sondern sogar in
unterschiedlichen Ortschaften, so dass die Beziehung nicht als so eng angesehen
werden kann, dass ein Fahrzeugkauf durch den einen dem anderen zugerechnet
werden könnte.
27
Soweit die Klägerin den Ausgleichsanspruch auch auf die in den Verkaufsräumen
veräußerten Ersatzteile erstrecken will, sind diese Geschäfte nicht ausgleichspflichtig,
weil es an den Voraussetzungen fehlt. Es fehlt nämlich insoweit an einer Übermittlung
der Kundendaten an die Beklagte, die diese im übrigen auch gar nicht gefordert hat. Die
Überlassung des Kundenstammes wäre Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch,
weil hierin die Vorteile gesehen werden, die dem Unternehmer aus der
Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, nach
Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleiben. Diese Vorteile hat der
Handelsvertreter gemäß § 89b HGB darzulegen; entsprechend hat dies auch für einen
Vertragshändler zu gelten, so dass der pauschale Verweis, dass es sich hierbei um
Käufer von Fahrzeugen der Beklagten handeln würde, die dieser schon irgendwie
bekannt sein werden, nicht genügt. Denn hieraus ergeben sich keineswegs zwingend
der Beklagten zukünftig verbleibende Vorteile. Etwa Namen von Käufern, die einen B-
Gebrauchtwagen gekauft haben und sich die Ersatzteile selbst beschaffen, um an dem
Fahrzeug selbst herumzubasteln, dürfte die Beklagte in ihrer Kundendatei nicht finden;
auch kann sie nicht auf Folgegeschäfte mit diesen hoffen.
28
Der von der Klägerin im letzten Vertragsjahr im Mehrfachkundengeschäft erzielte
Rohertrag, d.h. die Spanne zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis zuzüglich in
diesem Zusammenhang ihr erteilter Boni, betrug nach den vorstehenden Zahlen €
26.711,34; dies sind 15,96 % des im Mehrfachkundengeschäft des letzten
Vertragsjahres erzielten Gesamtumsatzes.
29
Diese Spanne kann bei der Berechnung des Ausgleichs jedoch nur insoweit angesetzt
werden, als hiermit die werbende Tätigkeit des Händlers abgegolten wird (vgl. BGH in
NJW 1985, 860, 861). Die Klägerin nimmt einen Abzug von 15 % für verwaltende
Tätigkeiten vor, während die Beklagte von einem Abzug von 2,5 % vom Gesamtumsatz
ausgeht, was einander etwa entspricht.
30
13,46 % des im Mehrfachkundengeschäft erzielten Gesamtumsatzes ergeben einen
Betrag von € 22.711,34. Da von den von der Klägerin erzielten Verkaufspreisen
ausgegangen wird, sind die von ihr gewährten Rabatte und Preisnachlässe bereits
31
berücksichtigt, die zu den sonstigen Kosten des Absatzes zählen und beim Vergleich
zwischen Rabatt und Provision herausgerechnet werden müssen. Durch die
Notwendigkeit, Preisnachlässe zu gewähren, verwirklichen sich nämlich die
händlertypischen Risiken wie Absatz-, Preis- und Lagerrisiko, die den Vertragshändler
im Gegensatz zum Handelsvertreter treffen (vgl. hierzu BGH in NJW 1996, 2302ff.).
Der Betrag von € 22.711,34 ist wegen der "Sogwirkung der Marke" zu kürzen, so dass
ein Betrag von € 16.890,35 verbleibt. Der Entschluss zum Kauf eines Kraftfahrzeugs
wird erfahrungsgemäß durch verschiedene Gründe beeinflusst; regelmäßig beeinflusst
die für die Zubilligung des Ausgleichsanspruchs maßgebliche werbende Tätigkeit des
Eigenhändlers nicht allein den Kaufentschluss des Kunden, sondern ist im allgemeinen
nur mitursächlich hierfür. Das genügt zwar im allgemeinen für die Zubilligung eines
Ausgleichs; es entspricht jedoch meist der Billigkeit, bei der Bemessung des
Ausgleichsanspruchs durch einen pauschalen Abzug zu berücksichtigen, dass die
Verkaufsbemühungen des Eigenhändlers durch die von der Marke ausgehende
Sogwirkung in nicht unerheblichem Ausmaß gefördert werden. Auch wenn die Beklagte
nur einen relativ geringen Marktanteil hat, erscheint es dem Gericht gleichwohl nicht als
gerechtfertigt, den wegen der "Sogwirkung der Marke" vorzunehmenden Abzug sehr
niedrig anzusetzen. Denn bei "B" handelt es sich um eine auch in Deutschland seit
langem eingeführte Marke, zu deren Bekanntheitsgrad auch gerade die Werbung
seitens der Beklagten als Herstellerin beigetragen hat. Für die Anknüpfung des ersten
Kontaktes mit dem Kunden wird deshalb in erster Linie die Marke maßgeblich gewesen
sein, die die Klägerin vertrat.
32
Im Hinblick darauf, dass die Zahlen der Klägerin in den Vorjahren hinsichtlich der
Anzahl von Fahrzeugverkäufen nicht erheblich von der Zahl für das letzte Vertragsjahr
abweichen, können die Zahlen dieses letzten Vertragsjahres ohne weiteres der
aufzustellenden Zukunftsprognose zugrunde gelegt werden. Im Hinblick hierauf ist für
den nächsten Nachbestellintervall von fünf Jahren eine Abwanderungsquote schon
mitenthalten, so dass diese nicht zusätzlich anzusetzen ist. Bezogen auf einen wegen
der bei Kraftfahrzeugen zu unterstellenden durchschnittlichen Kaufintervalle von 5
Jahren fünfjährigen Zeitraum beträgt der Gesamtverlust der Klägerin gemäß dieser
Prognoseberechnung € 84.451,75.
33
Da der Klägerin aufgrund ihrer Vermittlungstätigkeit für die Firma Autohaus I die weitere
Nutzung ihrer Kundenbeziehungen sofort nach Beendigung des
Vertragshändlervertrages weiterhin möglich war und möglich ist, ist – wie bereits oben
ausgeführt worden ist - im Rahmen der anzustellenden Billigkeitserwägungen ein
Abzug vorzunehmen. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin in den
verbleibenden 11 Monaten des Jahres 2003 31 Verkäufe, im Jahre 2004 42 Verkäufe
und 2005 72 Verkäufe vermittelt hat – wobei es unerheblich ist, dass die Klägerin diese
letztere Anzahl durch Einstellung eines Autoverkäufers erzielt hat -, ist davon
auszugehen, dass die Klägerin in der Lage war, in weitem Umfang die von ihr als
Vertragshändlerin angeknüpften Kundenbeziehungen zu nutzen. Sie hatte hierbei
gegenüber einem Handelsvertreter, der nachvertraglich seine Kundenbeziehungen
deshalb nutzen kann, weil er einen Vertrag mit einem Wettbewerber seines bisherigen
Geschäftsherrn abgeschlossen hat, den Vorteil, dass sie nach wie vor die Marke vertrat,
die sie bisher vertreten hatte, so dass sie die früher für diese Marke gewonnenen
Kunden nicht auf eine andere Marke umzuleiten hatte. Die Vorteile der Beklagten haben
sich hingegen nicht erweitert; die Kunden, die die Klägerin aufgrund ihrer früheren
Werbetätigkeit ansprechen konnte, waren und sind weiterhin im Kundenbestand der
34
Beklagten.
Die Höhe der Vermittlungsprovisionen, die die Klägerin mit der Firma Autohaus I gemäß
Agentur-Vertrag vereinbart hat, entspricht dem der Agentur vom Vertragshändler
eingeräumten Handlungsspielraum abzüglich des gewährten Kundennachlasses. Der
Handlungsspielraum besteht in den Margen, die je nach Modell zwischen 12,00 und
17,00 % liegen, d.h. in dem Nachlass bzw. Rabatt, den die Beklagte auf die
unverbindliche Preisempfehlung gewährt. Diese Margen hatten während der Laufzeit
des Vertragshändlervertrages zuletzt zwischen 15 % und 20 % gelegen und waren von
der Beklagten per Februar 2003 ebenfalls auf zwischen 12,00 und 17,00 % verkürzt
worden. Gemäß der Anlage 1 zum Agentur-Vertrag werden von der Beklagten gewährte
Verkaufshilfen wie Zulassungsprämien und Rückerstattungen an den Vermittler
weitergegeben, können von ihm also als verkaufsfördernde Mittel eingesetzt werden,
wie es auch ein Vertragshändler selbst getan hat und tut, weil es ihm erfahrungsgemäß
selten gelingt (und wie es der Klägerin bei den oben aufgeführten
Mehrfachkundengeschäften in keinem einzigen Fall gelungen war), gegenüber dem
Kunden die unverbindliche Preisempfehlung zu realisieren, so dass er von der ihm
eingeräumten Marge tatsächlich nur einen Bruchteil erzielt.
35
Mehrkosten für die Agentur ergeben sich aus der Belastung mit € 150,00, die sie für jede
Lagerfahrzeugeinheit, die ihr durch den Vertragshändler zur Verfügung gestellt wird, zu
zahlen hat, sowie aus den ihr entstehenden Abholkosten. Andererseits entfallen für die
Agentur etwa Investitions- und Lagerhaltungskosten. Nachteile der Agentur gegenüber
einem Vertragshändler können in der verminderten Kundenbindung auch aufgrund des
Umstandes, dass sie Werbe- und Kennzeichen der Beklagten nur noch sehr vermindert
im Rahmen des Vertragswerkstattbetriebes nutzen darf, sowie darin, dass ihr kein
Vertragsgebiet mehr zur Betreuung zugewiesen worden ist, gesehen werden.
36
Bei Abwägung all dieser Umstände, vor allem desjenigen, dass der Klägerin aufgrund
des Agentur-Vertrages die Möglichkeit gegeben wurde, die von ihr angeknüpften
Kundenbeziehungen weiterhin für die bisher von ihr vertretene Marke zu nutzen, was ihr
offenbar auch tatsächlich weitgehend gelungen ist, hält die Kammer einen
Billigkeitsabzug von 75 % für angemessen, so dass ein Betrag von € 21.112,94
verbleibt.
37
Wegen der vorzeitigen Fälligkeit der Ausgleichssumme ist der Betrag abzuzinsen; nach
der Methode Gillardon (21.112,94: 60 x 52,9907) verbleibt ein Betrag von € 18.646,49.
Hierauf sind 16 % Mehrwertsteuer = € 2.983,44 aufzuschlagen, so dass der
Ausgleichsanspruch € 21.629,93 beträgt.
38
Fälligkeitszinsen in Höhe von 5 % schuldet die Beklagte gemäß §§ 352, 353 HGB seit
dem 1. 2. 2003. Verzugszinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 286, 288 BGB seit dem
31. 5. 2005 zu, jedoch nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, weil
das zugrunde liegende Schuldverhältnis aus der Zeit vor dem 1. 1. 2002 stammt.
39
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
40