Urteil des LG Köln vom 02.10.2003

LG Köln: rufnummer, verbraucher, medien, sperrung, anschluss, sicherheitsleistung, störer, unabhängigkeit, vollstreckbarkeit, missbrauch

Landgericht Köln, 31 O 349/03
Datum:
02.10.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 O 349/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber
Verbrauchern zur Förderung des Absatzes von Telefaxabrufdiensten per
Telefax Kontakt aufzunehmen und/oder an einer solchen
Kontaktaufnahme mitzuwirken, ohne dass das Einverständnis des
Empfängers vorliegt oder - soweit es sich um einen Gewerbetreibenden
handelt - zu vermuten ist, wie nachstehend wiedergegeben:
[ Im Original folgt eine Abbildung des Telefax ]
wenn der Kläger der Beklagten mitgeteilt hat, dass
- Telefax-Schreiben dieser Art ohne vorherige Zustimmung wiederholt
an Verbraucher übermittelt wurden,
- die Entscheidungen der Verbraucher zu den gestellten Fragen nicht
den politischen Funktionsträgern sowie Medien präsentiert wurden,
- ein Unterlassungsanspruch gegen den Versender der Telefax-
Schreiben wegen Zustellungsproblemen kurzfristig gerichtlich nicht
durchgesetzt werden kann.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar. Die
Sicherheitsleistung beträgt:
- für die Unterlassung: 10.000 EUR
- für die Kosten: 2.000 EUR.
Tatbestand
1
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der
Bundesländer und weiterer Organisationen. Satzungsgemäß verfolgt der Kläger
Verstöße gegen das UWG und macht Ansprüche gemäß §§ 1 und 2 UKlaG geltend. Er
ist seit dem 16.7.2002 in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste gemäß § 4
UKlaG eingetragen.
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Die Beklagte ist eine Telefonnetzbetreiberin, der von der S Premiumrufnummern
zugeteilt worden sind. Sie gibt diese Nummern mit den erforderlichen
Leitungskapazitäten entgeltlich u.a. an gewerbliche Telekommunikationsdienstleister
weiter. So hat sie die Rufnummer ############ vertraglich der Firma T GmbH in M
überlassen, die ihrerseits einer "J " (im folgenden:J) mit Sitz in D die Nutzung
überlassen hat.
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Die J versendet seit geraumer Zeit unverlangt Werbefaxe wie das in den Tenor
eingeblendete an Verbraucher. Unter dem Vorwand, eine Umfrage zu einem allgemein
interessierenden Thema durchzuführen, deren Ergebnisse u.a. Bundesministern,
Generalsekretären der im Bundestag vertretenen Parteien und Medien vorgelegt
würden, fordern diese Werbefaxe dazu auf, in vorbereiteten Kästchen "Ja" oder "Nein"
anzukreuzen und das Fax an eine 0190-Nummer - die nicht von der Beklagten gehalten
wird - zurückzusenden. Im weiteren Text heißt es: "Weitere Wahl-Themen finden Sie
unter ############ ", also der streitgegenständlichen Nummer.
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Trotz mehrfacher Aufforderung des Klägers, diese Rufnummer zu sperren - so in den
Schreiben vom 12.12.2002 (Anlage K 10, Bl. 38 d.A.) und vom 10.2.2003 (Anlage K 11,
Bl. 39 d.A.) -, wies die Beklagte mit Schreiben vom 17.12.2002 (Anlage K 2, Bl. 18 d.A.)
lediglich darauf hin, dass sie die Rufnummer weitervermietet habe und verwies den
Kläger auf die Fa. T GmbH. Erst im Laufe des Rechtsstreits teilte sie mit, dass der
Anschluss nun abgeschaltet sei.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei gemäß § 13a TKV zur Sperrung des
Anschlusses verpflichtet.
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Der Kläger beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, nur die Fa. T GmbH sei vorliegend aus § 13a TKV verpflichtet, da sie
die fragliche Rufnummer an J überlassen habe. Im Übrigen würden über diese
Rufnummer nur weitere Wahlthemen angeboten, was grundsätzlich rechtmäßig sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Unterlassung im tenorierten Umfang aus §§ 2 Abs. 1 UKlaG, 1 UWG, 13a TKV.
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Das unverlangte Zusenden von Werbefaxschreiben ist wettbewerbswidrig im Sinne von
§ 1 UWG. Für dieses unlautere Handeln haftet auch die Beklagte als Mitstörerin. Als
Störer haftet, wer willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung eines Zustands
mitgewirkt hat, der die rechtswidrige Beeinträchtigung eines Dritten zur Folge hat. Als
Mitwirkung kann auch die bloße (auch gutgläubige) Unterstützung des
eigenverantwortlich handelnden Störers mit Mitteln des eigenen Betriebs genügen,
sofern die rechtliche Möglichkeit besteht, die Störungshandlung des Dritten zu
verhindern (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002,
14. Kapitel, Rn. 4 m.w.N.).
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Die Beklagte hat die rechtliche Möglichkeit, den Missbrauch, den die Fa. J mit der ihr
überlassenen Rufnummer treibt, zu beenden. Sie hat im Laufe des Rechtsstreits den
Anschluss gesperrt und hätte dies auch schon früher tun können. Dem steht weder
entgegen, dass zwischen die Beklagte und die Fa. J eine Resellerin geschaltet ist, noch
dass die Rufnummer "nur" zum Abruf weiterer Wahlthemen verwendet worden ist.
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Die Zwischenschaltung eines Resellers enthebt die Beklagte nicht von den
Verpflichtungen aus § 13a TKV. Sinn dieser Vorschrift ist es gerade, den Verbraucher
nicht auf das - oft aussichtslose - Vorgehen gegen denjenigen Unternehmer zu
verweisen, der die überlassene Rufnummer als Endkunde nutzt, sondern Ansprüche
direkt gegen jeden zu begründen, der den Rechtsverstoß durch Überlassung der
Rufnummer ermöglicht hat und durch deren Sperrung auch beenden kann. Das trifft aber
nicht nur auf denjenigen zu, der in einer möglicherweise langen Kette das letzte Glied
vor dem Endkunden ist, sondern auch für jedes andere Glied der Kette, hier die
Beklagte.
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Ebensowenig kann es die Beklagte entlasten, dass ihre Rufnummer "nur" zum Abruf
weiterer Wahlthemen dient. Die Kammer hat bereits entschieden, dass zwischen dem
unverlangt zugesandten Werbefax und der als Reaktion anzuwählenden
Mehrwertrufnummer selbst dann ein rechtlicher Zusammenhang besteht, wenn das
Werbefax nicht über eine Premiumrufnummer versandt wird (Urt. v. 24.7.2003, 31 O
301/03). Mit Faxabrufen lässt sich nur deswegen Geld verdienen, weil sie über
Premiumrufnummern erfolgen. Ein Faxabruf, bei dem nur das übliche
Verbindungsentgelt anfiele, würde dem Versender keine Einnahmemöglichkeit bieten,
und eine andere Zahlungsweise - etwa per Vorauskasse oder per offener Rechnung -
wäre entweder für den einen oder den anderen Vertragspartner des Faxabrufgeschäfts
unsicher oder zumindest unbequem. Setzt demnach die gewerbsmäßige Erbringung
von Faxabrufdienstleistungen voraus, dass der Anbieter über Premiumrufnummern
verfügt, so folgt daraus, dass mit dem Sperren dieser Nummer nicht nur deren Gebrauch
unmöglich wird, sondern auf diese - nicht mehr erreichbare - Nummer auch in keinem -
unlauteren - Werbefax mehr hingewiesen wird. Denn die Werbeaufwendungen wären
wirtschaftlich sinnlos, wenn keine Einnahmen mehr generiert werden könnten. Es trifft
zwar zu, was in der Rechtsprechung vereinzelt (OLG Dresden, Urt. v. 20.11.2001, 14 U
1838/01; LG Wuppertal, Urt. v. 25.3.2003, 1 O 539/02; AG Reinbek, Urt. v. 28.8.2002, 5
C 160/02; alle vorgelegt als Anlage Ag 2, Bl. 53 ff. d.A.) gegen eine Störerhaftung des
Netzbetreibers angeführt wird, dass nämlich die Überlassung der Premiumrufnummer
weggedacht werden kann, ohne dass der Wettbewerbsverstoß, der in der
unerwünschten Zusendung von Werbefaxen über eine andere Rufnummer liegt, entfiele.
Doch gilt dieses gegen die Kausalität ins Feld geführte Argument nur formal: Zwar
könnten Werbefaxe über übliche Telefonanschlüsse selbst dann erfolgen, wenn der
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Faxabrufanbieter über keine einzige Premiumrufnummer verfügt. Doch wären sie in
diesem Fall, wie oben gezeigt, wirtschaftlich sinnlos und würden deswegen gerade
nicht erfolgen. Die technische Unabhängigkeit von Premiumrufnummer und der für die
unverlangte Werbefaxzusendung verwandten Rufnummer bedeutet demnach nicht,
dass beide auch wirtschaftlich und damit rechtlich nichts miteinander zu tun hätten.
Diese Auffassung wird im Ergebnis vom OLG Frankfurt geteilt (Beschl. v. 12.6.03, 6 U
87/02, MD 9/03, S. 852), weil nur mit dieser Art eines Inkassoinstruments das
angestrebte wirtschaftliche Ziel des Versenders zu erreichen sei. Durch die
größtmögliche Vereinfachung des Übertragungs- und Inkassoweges ließen sich sehr
hohe Rücklaufzahlen erreichen, die anders nicht erreicht werden könnten.
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Diese Überlegungen greifen aber unabhängig davon, wieviele Rückrufnummern in
einem Werbefax aufgeführt werden. Selbst wenn, wie hier, der größte Teil derjenigen
Faxempfänger, die sich zum Rückfax entschließen, an der Abstimmung teilnehmen
werden - die nicht über eine seitens der Beklagten überlassene Rufnummer erfolgt - und
nur ein kleinerer Teil sich für weitere Wahlthemen interessieren wird - und dafür die
Rufnummer der Beklagten benutzt -, ändert dies nichts daran, dass zumindest auch mit
dieser Rufnummer Einnahmen generiert werden, bei denen durch die Vereinfachung
von Übertragung und Inkasso hohe Rücklaufzahlen ermöglicht und damit die
unverlangte Aussendung des Werbefaxes wirtschaftlich erst sinnvoll wird.
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Hinsichtlich der drei Einschränkungen des Unterlassungsantrags, die durch
Spiegelstriche kenntlich gemacht sind, ist die Kammer an den gestellten Antrag
gebunden und darf hierüber nicht hinausgehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 10.000 EUR
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