Urteil des LG Köln vom 08.02.2007
LG Köln: arzneimittel, verpackung, produkt, verbraucher, firma, verkehr, erzeugnis, begriff, irreführung, sicherheitsleistung
Landgericht Köln, 31 O 722/06
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 O 722/06
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen-den Ordnungsgeldes bis
zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am
Geschäftsführer der Beklagten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr ein Nahrungsergänzungsmittel mit den
Inhaltsstoffen 250 mg D-Glucosaminsulfat und 200 mg Chondroitinsulfat
pro Tablette und einer Verzehrsemp-fehlung von 2 Tabletten täglich
unter der Bezeichnung donaprevent® in der nachstehend
wiedergegebenen Verpackungsaufmachung in den Verkehr zu bringen
und/oder zu bewerben:
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10 % und die
Beklagte
90 % zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreck-bar,
wegen zu vollsteckender Kosten in Höhe von 1.200,00 EUR ohne
Sicherheitsleistung und im Übrigen gegen Si-cherheitsleistung. Die
Sicherheitsleistung beträgt
- hinsichtlich der Unterlassung 30.000,00 EUR,
- hinsichtlich der Kosten im Übrigen 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist ein gerichtsbekannt branchenübergreifend und überregional tätiger
Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich die Wahrung der Regeln des
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lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat.
Die Beklagte ist ein Pharmaunternehmen, das seit vielen Jahren das als Arzneimittel
zugelassene Präparat "e® 200-S" mit dem Wirkstoff D-Glucosaminsulfat zur
Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis mittelschwerer
Gonarthrose vertreibt. Als Dosierung ist die dreimal tägliche Einnahme von ein bis zwei
Tabletten vorgesehen, wobei jede Tablette 250 mg D-Glucosaminsulfat enthält. Auf der
Vorder- und Rückseite der Verpackung ist der Begriff "e" in dunkelblauen Buchstaben
abgedruckt, während der Zusatz "200-S" in weißer Schrift vor einem grünen
rechteckigen Hintergrund gehalten ist. Des Weiteren findet sich auf der ansonsten
weißen Verpackung die schemenhafte Ablichtung zweier menschlicher Knie in einem
Grauton. Auf den beiden in grün und blau eingefärbten Längsseiten der Schachtel ist die
Firma der Beklagten in weißer Schrift angegeben. Wegen der genauen Gestaltung der
Verpackung des Arzneimittels "e® 200-S" wird auf das zu den Akten gereichte
Originalexemplar (Anlage K 4) Bezug genommen.
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Darüber hinaus bot die Beklagte vor einiger Zeit, jedenfalls bis Ende April 2006,
exklusiv in Apotheken das Produkt "e1®" an, das pro Tablette 250 mg D-
Glucosaminsulfat und 200 mg Chondroitinsulfat enthält und von dem zweimal täglich
eine Tablette zum Verzehr empfohlen wird. Das Erzeugnis ist in einem Karton
abgepackt, auf dessen Vorderseite der Begriff "e" in blauer und der Zusatz "prevent" in
weißen Fettbuchstaben, letztere vor grünem rechteckigem Hintergrund, abgedruckt sind.
Zusätzlich sind in kleinerer blauer Fettschrift eingangs der Hinweis
"Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel" und rechts neben der
Produktbezeichnung der Verweis "... zur Nahrungsergänzung" angebracht. Unterhalb
der in grüner Schrift angegebenen Wirkstoffe findet sich des Weiteren in kleinerer Schrift
die Anmerkung "Die wichtigen Nährstoffe für Gelenke und Knorpel." Auf der ansonsten
weißen Fläche finden sich graue stilisierte Abbildungen unter anderem von Hüft-,
Knöchel-, Finger- und Kniegelenksknochen. An den in weiß und grün gehaltenen
Längsseiten des Kartons ist die Firma der Beklagten aufgedruckt, auf einer der beiden
Laschen der Hinweis "Tabletten zur Nahrungsergänzung" aufgebracht. Wegen der
Verpackungsaufmachung des Produkts "e1®" im Einzelnen wird auf die vorgelegte
Originalschachtel (Anlage K 6) verwiesen. In dem eingelegten Beipackzettel bewarb die
Beklagte das Erzeugnis mit dem Hinweis "e1® ist ein Nahrungsergänzungsmittel und
stellt einen wichtigen Beitrag zur Ernährung Ihrer Gelenke und Knorpel dar."
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Auf die Beanstandung der O GmbH gab die Beklagte am 12.07. 2006 eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend ab, ein Nahrungsergänzungsmittel
für Gelenke und Knorpel unter einer Produktbezeichnung mit dem
Kennzeichnungsbestandteil oder –zusatz "prevent", wie in der angegriffenen
Verpackungsaufmachung einschließlich der Packungsbeilage geschehen, in den
Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.
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Der Kläger meint, durch die Verwendung der Bezeichnung "e1®" in der konkreten
Verpackungsgestaltung erwecke die Beklagte – auch ohne Berücksichtigung des
Beipackzettels - den irreführenden Anschein, bei dem tatsächlich als
Nahrungsergänzungsmittel einzustufenden Produkt handele sich um ein Arzneimittel.
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Mit dem Begriff "e1®" knüpfe die Beklagte durch die Einbindung der Dachbezeichnung
"e" an ihr seit geraumer Zeit auf dem Markt erhältliches, dem Verkehr als Arzneimittel
bekanntes Präparat "e® 200-S" an und verweise durch den Zusatz "prevent" auf eine
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arzneimitteltypische Präventivwirkung zur Verhinderung von Gelenkschäden. Darüber
hinaus habe die Beklagte auch die Verpackungsgestaltung des Arzneimittels "e® 200-
S" übernommen und darauf gut sichtbar ihre volle Firma "P Arzneimittel" ausgewiesen.
Der Verbraucher werde das Produkt "e1®" deshalb irrig als weiteres Präparat der
Arzneimittelreihe "e®" zur Vorbeugung und Behandlung von Gelenkerkrankungen und -
verschleiß auffassen. Dabei liege die fehlsame Einstufung als – gegenüber dem
Präparat "e® 200-S" fortentwickeltes oder verbessertes - Arzneimittel für den
Verbraucher um so näher, als das Produkt "e1®" neben dem im Arzneimittel "e® 200-S"
enthaltenen D-Glucosaminsulfat einen weiteren Wirkstoff aufweise.
Erwecke die Beklagte aber demgemäß schon durch die gewählte Produktbezeichnung
in Ergänzung mit der markanten Verpackungsgestaltung den fehlsamen Anschein eines
Arzneimittels, so seien die dazu in Widerspruch stehenden weiteren Hinweise auf die
Nahrungsergänzungsfunktion nicht geeignet, die Gefahr einer Irreführung über die
Arzneimitteleigenschaft des Produkts "e1®" zu beseitigen.
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Der Kläger hat die Verwendung der Bezeichnung "e1®" zunächst auch isoliert zur
Unterlassung begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat er seinen Antrag sodann auf
den Gebrauch der Produktbezeichnung in der konkreten Verpackungsgestaltung
beschränkt.
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Darüber hinaus hat er sein anfängliches weiteres Unterlassungsbegehren betreffend die
– als Irreführung über positive Auswirkungen von D-Glucosaminsulfat auf die Erhaltung
des Gelenkknorpels monierte - Angabe "... ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung Ihrer
Gelenke" in der mündlichen Verhandlung auf die konkrete Auslobung in der
Packungsbeilage reduziert. Insoweit haben die Parteien, nachdem die Beklagte eine
strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, alsdann den
Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Ansicht, die auf der Verpackung befindlichen mehrfachen Hinweise auf
die Nahrungsergänzungsfunktion des Produkts "e1®" führten dem Verbraucher
hinreichend deutlich vor Augen, dass es sich nicht um ein Arzneimittel handele.
Angesichts jener ausdrücklichen und klaren Zweckbestimmung riefen die
Produktbezeichnung und die mit dem Präparat "e® 200-S" vergleichbare
Verpackungsaufmachung keine diesbezüglichen Fehlvorstellungen hervor. Da dem
Verkehr der Gebrauch einheitlicher Dachmarken für Arznei- und
Nahrungsergänzungsmittel geläufig sei, schließe er weder aus der Bezeichnung "e"
noch aus der Angabe ihrer, der Beklagten, Firma mit dem Bestandteil "Arzneimittel" irrig
auf die Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses. Gleiches gelte für den
phantasievollen Bezeichnungsbestandteil "prevent", der vom Verbraucher gar nicht erst
mit einer präventiven Wirkung in Verbindung gebracht werde, jedenfalls aber keinen
Krankheitsbezug herstelle. Auch die enthaltenen Wirkstoffe gäben dem Produkt, da
diesem in der empfohlenen Verzehrmenge keine pharmakologische Wirkung zukomme,
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nicht den Anschein eines Arzneimittels.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in dem noch rechtshängigen Umfang begründet. Der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2
UWG aktivlegitimierte Kläger kann von der Beklagten aus den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 11
Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB die Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung des
Produkts "e1®" in der konkret beanstandeten Packungsaufmachung verlangen. Die
Verwendung jener Bezeichnung ist in Kombination mit der Gestaltung des Kartons zur
Täuschung des durchschnittlichen aufmerksamen Verbrauchers über die
Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses geeignet, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB. Bei
der vorgenannten Vorschrift handelt es sich um eine gesetzliche
Markverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. OLG München GRUR-RR
2006, 139; Köhler in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, 25. Auflage, § 4 UWG Rn. 11.136).
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Für die Einstufung des Erzeugnisses "e1®" spricht aus Sicht des potentiellen Kunden
schon der vorangestellte Bezeichnungsbestandteil "e", der einer nicht unbeträchtlichem
Anzahl von Verbrauchern – nicht zuletzt wegen der weiten Verbreitung von
Kniegelenksbeschwerden und der jahrzehntelangen Marktpräsenz des Präparats "e®
200-S" der Beklagten – als Arzneimittel zur Behandlung von Kniegelenkverschleiß
bekannt ist.
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Eine solche Anlehnung und Eingruppierung in eine "e"-Arzneimittelserie drängt sich für
den Betrachter um so mehr auf, als die beiden Produkte "e® 200-S" und "e1®" eine
übereinstimmende Grundgestaltung der Verpackung aufweisen. So ist der Schriftzug "e"
jeweils in dunkelblauen, fett gedruckten Kleinbuchstaben gehalten, während die
Zusätze "200-S" und "prevent" in weißer Schrift vor grüner rechteckiger Hinterlegung
angebracht sind. Auf der ansonsten in weiß gehalten Verpackung finden sich bei beiden
Produkten oberhalb der Produktbezeichnung graue Abbildungen mit Bezug auf das
menschliche Gelenk, so beim Arzneimittel "e 200-S" in Form der schemenhaften
Abbildung eines menschlichen Knies und beim Präparat "e1" mit diversen Abbildungen
von Gelenkknochen.
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Angesichts dieser Parallelaufmachung wird der Verbraucher aus dem plakativen Zusatz
"prevent" in der angegriffenen Produktbezeichnung zwanglos darauf schließen, das
Erzeugnis "e1®" wirke präventiv dergestalt, dass seine Einnahme die Entstehung
krankhafter Gelenkschäden verhüte oder diesen jedenfalls entgegenwirke, während das
Präparat "e 200-S®" der Therapierung bereits aufgetretener Gelenkschäden diene.
Dafür spricht aus Sicht des Verbrauchers um so mehr, als beide Präparate den Wirkstoff
"D-Glucosaminsulfat" enthalten (der bei bloßen Verhütungsmaßnahmen naturgemäß
geringer als bei erfolgtem Ausbruch der Krankheit dosiert ist). In der Einstufung auch
des Produkts "e1®" als Arzneimittel wird der Verbraucher auch dadurch bestärkt, dass
sich auf der Verpackung der deutliche Hinweis auf die Firma "P Arzneimittel" der
Beklagten findet. Sofern die Beklagte darauf verweist, eine Vielzahl von Unternehmen
vertreibe unter ihrer Firma oder einer einheitlichen Dachmarke sowohl Arzneimittel als
auch Nahrungsergänzungsmittel, ist schon nicht ersichtlich, dass dies dem
durchschnittlichen aufmerksamen Verbraucher bekannt ist. Jedenfalls handelt es sich
bei den entsprechenden Bezeichnungen ("Sandoz", "Cetebe", "Ameu", "ratiopharm")
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um Phantasiebezeichnungen, die allenfalls einen pharmazeutischen Hinweis, nicht
aber - wie die Firma der Beklagten - einen unmittelbaren Verweis auf Arzneimittel
beinhalten.
Unter diesen Umständen erscheinen die Hinweise auf die Eigenschaft des Produkts
"e1®" als Nahrungsergänzungsmittel nicht derartig auffällig, dass sie der Bildung einer
Fehlvorstellung des potentiellen Kunden entgegen wirken könnten. Zwar wird auf der
Verpackung an mehreren Stellen in Fettdruck angeführt, dass das Produkt der
Nahrungsergänzung dient. Die entsprechenden Angaben sind aber deutlich kleiner als
die auf ein Arzneimittel hindeutende Bezeichnung des Erzeugnisses und erheblich
unscheinbarer als die dem Verbraucher unmittelbar ins Auge fallende, mit dem
Arzneimittel "e® 200-S" übereinstimmende farbliche Verpackungsgestaltung gehalten.
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In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Produkt "e1®"
ausschließlich in Apotheken abgegeben wird und darum die Gefahr besteht, dass es in
räumlicher Nähe zum Arzneimittel "e® 200-S" präsentiert wird. Zumindest aber wird der
potentielle Kunde das Produkt "e1®", da Nahrungsergänzungsmittel nach den eigenen
Erfahrungen der Kammer regelmäßig in Regalen hinter der Verkaufstheke präsentiert
werden, zunächst aus einer gewissen Entfernung wahrnehmen, aus der ihm die
Aufdrucke "Nahrungsergänzungsmittel" nicht ohne Weiteres auffallen werden. Vielmehr
wird er sich auf Grund der auffälligen Produktbezeichnung und Verpackungsgestaltung,
bevor er sich mit dem Erzeugnis und den auf der Umverpackung angebrachten weiteren
Hinweisen näher befasst, bereits eine Fehlvorstellung über die Arzneimitteleigenschaft
des Erzeugnisses "e1®" gebildet haben. Diese mag zwar bei näherer Betrachtung der
Verpackung gegebenenfalls noch vor dem Erwerb des Erzeugnisses wieder
aufgehoben werden. Eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung liegt jedoch schon
in dem Umstand begründet, dass sich der Interessent überhaupt näher mit dem Produkt
der Beklagten befasst (vgl. dazu Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25.
Auflage, § 5 UWG Rn. 2.192).
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Der dem Kläger demnach zustehende Unterlassungsanspruch ist dadurch, dass die
Beklagte gegenüber einer Mitbewerberin eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, nicht erloschen. Da sich das
dortige Vertragsstrafeversprechen auf die Verpackung einschließlich der
Packungsbeilage bezieht, ist die Wiederholungsgefahr für den – vom Kläger
weitergehend zur Unterlassung begehrten – künftigen Vertrieb und die weitere
Bewerbung des Produkts "e1®" unter Beibehaltung (allein) der beanstandeten
Verpackungsgestaltung nicht entfallen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 269 Abs. 3 S. 2, 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, hat sich die Beklagte bereit erklärt, die diesbezüglichen Kosten des
Rechtsstreits zu übernehmen.
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Streitwert: 50.000,00 EUR
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