Urteil des LG Köln vom 01.06.2010

LG Köln (zpo, höhe, arbeitsunfähigkeit, richtigkeit, unfall, verdienstausfall, liste, ersatz, tätigkeit, schwere)

Landgericht Köln, 11 S 197/09
Datum:
01.06.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 S 197/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 261 C 465/05
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
10.6.2009 – 261 C 465/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 a Abs.
1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO –
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die zulässige Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
2
Der Klägerin stehen aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 27.7.2003, für dessen
Folgen die Beklagten unstreitig in vollem Umfang einstandspflichtig sind, über die
vorgerichtlichen Zahlungen der Beklagten zu 3) und den vom Amtsgericht zuerkannten
weitergehenden Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 300 € hinaus keine
weitergehenden Schmerzensgeldansprüche und auch die mit der Klage geltend
gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu.
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1)
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht einen den Betrag von
800 € übersteigenden Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes verneint. Die
angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch
rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere
Entscheidung.
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Der Betrag von 800 € ist auch nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die geltend
gemachte HWS-Distorsion, die der Sachverständige T als unfallbedingt möglich
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bezeichnet hat, in Verbindung mit der attestierten Arbeitsunfähigkeit von 100 % vom 1.8.
2003 bis zum 23.9.2003 als hinreichender und angemessener Ausgleich anzusehen.
Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin insoweit nicht zu.
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Insbesondere hat das Amtsgericht, dem Sachverständigen folgend, zu Recht das
Vorliegen einer von der Klägerin als schwere Verrenkung der Wirbelsäule bezeichnete
Verletzungsfolge verneint, die der Sachverständige im Sinne eines vollständigen
Verlustes des Kontaktes von Gelenkpartnern der Halswirbelsäule verstanden hat.
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Die hiergegen mit der Berufung geltend gemachten Angriffe rechtfertigen keine
abweichende Beurteilung. Denn es liegen entgegen der Darstellung der Klägerin
keinerlei ärztliche Unterlagen und Atteste vor, die eine solche schwere Folge
bestätigen, so dass sich der Sachverständige auch nicht mit solchen auseinandersetzen
musste. Weder das Attest des Arztes S vom 10.2.2009 noch dasjenige vom 9.6.2008
belegt eine solche schwere Verletzung. Vielmehr wird in den Attesten lediglich bestätigt,
dass die geklagten Beschwerden – mit Sicherheit - unfallbedingt sein dürften;
gleichzeitig werden aber auch degenerative Veränderungen bestätigt. Die Klägerin zeigt
auch nicht auf, aus welchen Ausführungen sich das Vorliegen einer Verrenkung oder
eines Verlustes des Kontaktes von Gelenkpartnern der HWS ergeben soll. Das Attest
vom 10.2.2009 bestätigt vielmehr die Richtigkeit der Ausführungen des
Sachverständigen, indem es ausführt, die von der Klägerin beklagten Beschwerden
könnten sowohl auf den Unfall als auch auf degenerative Veränderungen zurückgeführt
werden.
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Der Sachverständige hat sodann auch die behauptete Unfallursächlichkeit für eine
Verletzung der Nerven des linken Armes verneint. Seine Ausführungen sind in jeder
Hinsicht nachvollziehbar und plausibel. Ihnen folgt die Kammer daher.
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2)
11
Zu Recht hat das Amtsgericht desweiteren einen Anspruch auf Verdienstausfall
verneint.
12
Auch mit der Berufung hat die Klägerin den mit der Klage verfolgten Verdienstausfall für
die Zeit ihrer Arbeitsunfähgigkeit in der geltend gemachten Höhe von 935 € nicht
nachvollziehbar dargelegt. Es ist rechnerisch in keiner Weise plausibel konkretisiert, wie
sich dieser unter Zugrundelegung des nunmehr in der Berufungsinstanz mit wöchentlich
75 € netto + 10 € Gewinn aus Kosmetikaverkauf bezifferte Erwerbsschaden, der
erstinstanzlich noch mit 110 € wöchentlich angegeben worden war, ergeben soll.
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Da die Klägerin Ihre selbständige Tätigkeit als Fußpflegerin erst am 1.7.2003
aufgenommen hatte, kann entgegen ihrer Auffassung naturgemäß nicht wie sonst bei
der Berechnung des Erwerbsschadens eines Selbständigen an die vor dem Unfall
liegende Zeit angeknüpft werden. Die Klägerin hatte ihre frühere Tätigkeit aus eigenem
Entschluss aufgegeben, so dass eine Orientierung an der in der Vergangenheit
liegenden Tätigkeit gleichgültig welcher Art zu einer nicht gerechtfertigten
Besserstellung führen würde, wenn diese Einkünfte als Schätzgrundlage in der
Aufbauphase ihrer neuen Selbständigkeit herangezogen würden. Ebensowenig kommt
in Betracht, die Umsätze aus dem Jahr 2004 für die Berechnung heran zu ziehen, da
diese – eine übliche Geschäftsentwicklung unterstellt - naturgemäß höher ausgefallen
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sein dürften, als die Umsätze gerade in der hier betroffenen ersten Aufbauphase und
deshalb keinen Rückschluss auf diese zulassen.
Auch der vorgelegte Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid betreffend den
Veranlagungszeitraum 2003 gibt nichts für die Höhe der entgangenen Verdienste her,
da er einen Verlust für 2003 in Höhe von 4.067 € ausweist. Darüber hinaus bezieht er
sich auf den gesamten Veranlagungszeitraum 2003 und besagt daher naturgemäß
nichts über die kurze Phase der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 27.7.03 bis
23.9.2003.
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Im Ergebnis rechtfertigen auch die Darlegungen der Klägerin in ihrer sog. Terminliste
nicht die Bejahung eines Verdienstausfallschadens.
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Soweit sie behauptet, einen Verdienstausfallschaden insoweit verletzungsbedingt
erlitten zu haben, als die ersten 11 in der Liste genannten Patienten nach
vorangegangener Vereinbarung von Behandlungsterminen sodann im Hinblick auf die
verletzungsbedingten Absagen der Termine auf Dauer als Kundinnen "abgesprungen"
seien und keine Folgetermine mehr vereinbart hätten, kann dahinstehen, ob ein sich
hieraus ergebender Verdienstausfallschaden überhaupt rechnerisch nachvollziehbar
dargetan ist. Jedenfalls ist die Klägerin für die Behauptung der Vereinbarung von
Behandlungsterminen und der späteren Absagen beweisfällig geblieben. Die Beklagten
hatten den Inhalt der Terminliste in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten. Der
Beweisantritt der Klägerin für die Richtigkeit der Angaben im Schriftsatz vom 2.6.2006
bezieht sich indessen nur auf die letzten 7 in der Liste genannten Patienten, nicht aber
auch auf die ersten 11 Personen der Liste.
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Aber auch hinsichtlich derjenigen in der Terminliste verzeichneten 7 Kunden/dinnen,
deren zunächst vereinbarten Termine sämtlich auf eine Zeit nach Beendigung der
Arbeitsunfähigkeit der Klägerin verschoben worden waren, aber "bei ihr geblieben" sind,
ist ein Verdienstausfall nicht schlüssig dargelegt. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache
der Verschiebung und der Nachholung der Behandlungen, dass der Klägerin insoweit
kein Schaden entstanden ist. Den Ertrag eines "nachgeholten Geschäfts" braucht sich
der Geschädigte nur dann nicht anrechnen zu lassen, wenn sich die Nachholung als
überpflichtige Maßnahme darstellt (Geiger, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage Kap 4
Rdn. 70). Da sich die Klägerin mit ihrem Geschäft gerade erst in der Aufbauphase
befand und sie ausweislich ihrer Terminliste bis zum Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit
ohnehin nur 18 Kunden hatte, war sie nicht ausgelastet und konnte die Termine daher
nachholen.
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Soweit sie erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer behauptet hat, vor
dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit hätte bei diesen Kunden schon die nächste
Fußpflegebehandlung angestanden, war dieser Vortrag neu und gemäß § 531 Abs. 2
ZPO unberücksichtigt zu lassen. Es ist von der Klägerin nicht dargelegt, warum sie dies
nicht schon erstinstanzlich darlegen und gegebenenfalls unter Beweis stellen konnte. Im
übrigen fehlt auch jeglicher Vortrag dazu, wann im Einzelfall die nächste Behandlung
angestanden hätte. Die in der Terminliste aufgeführten Termine sind jedenfalls
durchgängig als "verschobene" Termine gekennzeichnet.
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Auch die erstmalig mit Schriftsatz vom 2.3.2010 zu den Akten gereichten Listen
rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. Soweit auch dort auf die
Umsatzentwicklung im Jahre 2004 abgestellt wird, wird auf obige Ausführungen
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verwiesen.
Die in dieser Liste für die Zeit vom 24.6. bis zum 10.7.2003 dargestellten Einkünfte in
einer Gesamthöhe von 130 € können schon deshalb nicht als Schätzungsgrundlage für
einen Verdienstausfall in der Zeit nach dem Unfallgeschehen vom 27.7.2003
herangezogen werden, da die Klägerin diesen konkret auf den Inhalt der mit Schriftsatz
vom 2.6.2006 überreichten Terminliste gestützt hat.
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3)
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Zu Recht hat das Amtsgericht Ansprüche der Klägerin auf Ersatz von
Behandlungskosten gemäß den Rechnungen über Akupunkturbehandlungen,
krankengymnastische Behandlungen und Massagen vom 20.1.04, 9.3.2004 und
28.4.2004 verneint. Denn nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens T steht
nicht fest, dass diese Behandlungen noch durch den Unfall bedingt waren. Der
Sachverständige hat vielmehr plausibel dargelegt, dass allenfalls für einen begrenzten
Zeitraum von maximal 3 Monaten ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit – also bis
spätestens Ende 2003 – mit einer auf den Unfall zurückzuführenden
Beschwerdesymptomatik zu rechnen gewesen sei. Eine darüber hinausgehende lasse
sich nicht plausibel begründen, vielmehr sei mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen,
dass es sich dabei um unfallunabhängige Beschwerden aufgrund der auch durch die
behandelnden Ärzte der Klägerin festgestellten degenerativen bandscheibenbedingten
Veränderung handle.
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Diesen widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen
folgt die Kammer.
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Dementsprechend ist die Klägerin als beweisfällig für ihre Behauptung der
Unfallbedingtheit dieser Behandlungen anzusehen.
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4)
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a) Ein Anspruch der Klägerin in Höhe der Anschaffungskosten für die Freisprechanlage,
die infolge der Zerstörung des Mobiltelefons nicht mehr verwendbar und anderweitig
einsetzbar sein soll, scheitert schon aus Rechtsgründen. Da diese noch existent ist,
macht die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch geltend, sondern einen Anspruch
auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Ein solcher kommt indessen nur unter den
Voraussetzungen des § 284 BGB in Betracht. Hiernach kann Ersatz nur solcher
Aufwendungen verlangt werden, die im Vertrauen auf den Erhalt einer Leistung gemacht
worden sind. § 284 BGB gilt wegen dieser Voraussetzung einer schuldrechtlichen
Leistungspflicht mithin nicht im Bereich der außervertraglichen Schadensersatzhaftung
etwa aus unerlaubter Handlung (Mü-Ko-Ernst § 284 Rdn. 10 und 11).
27
b)
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Es kann dahinstehen, ob das Amtsgericht zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz
in Höhe des Wertes des zerstörten Mobiltelefons mit der Begründung verneint hat, es
fehle an der Annahmeerklärung der Klägerin hinsichtlich der von ihrem Ehemann als
Eigentümer des Mobiltelefons erklärten Abtretung.
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Jedenfalls ist aber die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, das im Hinblick auf die von
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dem Vortrag der Klägerin abweichende Version der Zeugin S einen unfallbedingt
entstandenen Schaden am Handy mit der Begründung verneint hat, es liege nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme in dieser Hinsicht ein "undurchsichtiger Vorgang" vor,
nicht zu beanstanden.
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten
Rechtszuges festgestellten Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, soweit
nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Das Berufungsgericht hat sich
demgemäß auf die Prüfung zu beschränken, ob sich das Gericht des ersten
Rechtszuges entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den
Beweisergebnissen umfassend auseinandergesetzt hat oder ob die Beweiswürdigung
ins sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen
zuwiderläuft oder wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt geblieben
sind (BGH VersR 2005, 945) .
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Mit der Berufung wird nicht aufgezeigt, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts
insoweit widersprüchlich sein soll, gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze
verstoßen soll, noch werden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
Beweiserhebungen geltend gemacht.
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In diesem Zusammenhang ist vielmehr ergänzend darauf zu verweisen, dass die
Klägerin in ihrer schriftlichen Äußerung im Ordnungswidrigkeitsverfahren keinerlei
Angaben dazu gemacht hatte, wie es zum Fallenlassen des Handys gekommen sein
soll, insbesondere findet sich dort kein Hinweis darauf, dass dies bei der Hilfestellung
zugunsten ihrer Schwester, die im Begriff war, aus dem Fahrzeug auszusteigen, der Fall
gewesen sein soll, noch – wie von der Schwester der Klägerin in der Beweisaufnahme
bekundet – diese der Klägerin das Handy "im Taumeln" .."aus der Hand geschlagen
haben soll" . Es ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht diese Abweichungen
zum Anlass nahm, von einem undurchsichtigen Vorgang zu sprechen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr 10, 711, 713 ZPO.
34
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung
des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, §
543 Abs. 2 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 2.635,38 €.
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