Urteil des LG Köln vom 28.08.2009
LG Köln (entstehung des anspruchs, verjährung, fälligkeit, entstehung, kenntnis, umfang, angabe, verjährungsfrist, höhe, klausel)
Landgericht Köln, 89 O 3/09
Datum:
28.08.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
89 O 3/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über
sämtliche Verkaufsgeschäfte, die zwischen der Beklagten und den
Optikerfachgeschäften in den Postleitzahlengebieten 01000 bis
einschließlich 09999, 14 und 15 (ausschließlich der
Optikerfachgeschäfte, die sich innerhalb des Autobahngürtels der A 10
befinden), 36433 bis einschließlich 36999, 37300 bis einschließlich
37359, 39, 98 und 99 mit dem Verkauf der Kollektionen A, A1, B, C, D, E
(bis 30.6.2008), F und G, die in dem Zeitraum zwischen dem 1.1.2005
bis zum 29.12.2006 zustande gekommen sind zu erteilen, wobei der
Buchauszug Auskunft über die folgenden Punkte zu geben hat:
Auftragsdatum und Auftragsnummer;
Auftragsumfang mit Angabe der Warenart und Warenmenge (ggf. mit
Artikelnummer), Stückpreise und Auftragswert;
Datum und Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen;
Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag;
Kunden mit genauer Anschrift (evtl. Kundennummer)
Stadium der Ausführung der Geschäfte;
Annullierungen, Nichtauslieferungen und Stornierungen nebst Angabe
von Gründen
Retouren nebst Angaben von Gründen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist seit dem 8.12.1999 aufgrund des Agenturvertrages vom selben Tage als
Handelsvertreterin für die Beklagten mit dem Vertrieb verschiedenerer
Brillenkollektionen befasst. Seit dem 1.1.2005 betrifft das die Kollektionen A, A1, B, C,
D, E, F und G. Das der Klägerin zugewiesene Gebiet entspricht dem im Tenor
angegebenen Postleitzahlengebiet.
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In § 15 Abs. 1 des für eine Mehrzahl von Fällen seitens der Beklagten vorformulierten
Vertrages heißt es:
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"Alle Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in sechs Monaten nach Fälligkeit,
spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den
Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt bzw. von dem Zeitpunkt,
in dem der Anspruch aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Ausschlussfrist hätte
geltend gemacht werden müssen. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber,
dass die Verjährungsfrist abgekürzt wird, um eventuelle Unstimmigkeiten zügig zu
regeln."
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Seit 2005 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass die von ihr vermittelten
Geschäfte nicht ordnungsgemäß verprovisioniert worden seien. Insbesondere seien von
der Klägerin vermittelte Geschäfte nicht ausgeführt worden. Die Klägerin wandte sich
mit Schreiben vom Juli 2006 und 28.1.2007 an die Beklagte und machte geltend, dass
im Kalenderjahr 2005 Geschäfte im Warenwert von 32.837,00 € nicht ausgeliefert
worden seien, und Retouren im Warenwert von 125.020,00 € angefallen seien. Für das
Kalenderjahr 2006 habe es sich um nicht ausgelieferte Waren im Umfang von 45.599,00
€ und um Retouren in Höhe von 116.021,00 € gehandelt. Mit weiterem Schreiben vom
2.5.2007 überreichte die Klägerin der Beklagten eine Auflistung der Geschäfte, die
wegen Produktionsfehlern nicht zur Auslieferung gekommen sind. Bei einer
Besprechung im September 2007 sagte die Beklagte zu, dass man eine Lösung finden
werde. Für das Jahr 2007 berief sich die Klägerin auf Nichtauslieferungen im Umfang
von 32.045,00 € und Retouren von 102.175,00 €. Nach einem weiteren erfolglosen
Treffen verlangte die Klägerin im Schreiben vom 4.10.2008 die Erteilung eines
Buchauszuges für die Jahre 2005 bis 2008. Daraufhin zahlte die Beklagte die sich aus
der Provisionsabrechnung vom 2.10.2008 ergebende Provision in Höhe von 4.378,96 €
nicht aus.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass die in § 15 Abs. 1 des Vertrages geregelte
Verjährungsverkürzung unwirksam sei.
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Die Klägerin hat zunächst im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszuges,
der bestimmte Angaben enthalten sollte, sowie noch unbeziffert die Zahlung sich aus
dem Buchauszug ergebender Provisionen begehrt. Nachdem die Klägerin den Antrag
bezüglich bestimmter Angaben zurückgenommen und die Beklagte den Klageantrag
hinsichtlich des Buchauszuges teilweise anerkannt hat, hat die Kammer die Beklagte
durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 15.5.2009 zur Erteilung eines Buchauszuges über
sämtliche Verkaufsgeschäfte, die zwischen der Beklagten und den
Optikerfachgeschäften in den Postleitzahlengebieten 01000 bis einschließlich 09999,
14 und 15 (ausschließlich der Optikerfachgeschäfte, die sich innerhalb des
Autobahngürtels der A 10 befinden), 36433 bis einschließlich 36999, 37300 bis
einschließlich 37359, 39, 98 und 99 mit dem Verkauf der Kollektionen A, A1, B, C, D, E
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(bis 30.6.2008), F und G, die in dem Zeitraum zwischen dem 30.12.2006 bis zum
31.12.2008 zustande gekommen sind zu erteilen, wobei der Buchauszug Auskunft über
die aus dem Tenor ersichtlichen Punkte zu geben hat.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
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Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Buchauszug über sämtliche
Verkaufsgeschäfte, die zwischen der Beklagten und den Optikerfachgeschäften in
den Postleitzahlengebieten 01000 bis einschließlich 09999, 14 und 15
(ausschließlich der Optikerfachgeschäfte, die sich innerhalb des Autobahngürtels
der A 10 befinden), 36433 bis einschließlich 36999, 37300 bis einschließlich
37359, 39, 98 und 99 mit dem Verkauf der Kollektionen A, A1, B, C, D, E (bis
30.6.2008), F und G, die in dem Zeitraum zwischen dem 1.1.2005 bis zum
29.12.2006 zustande gekommen sind zu erteilen, wobei der Buchauszug Auskunft
über die folgenden Punkte zu geben hat:
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Auftragsdatum und Auftragsnummer;
Auftragsumfang mit Angabe der Warenart und Warenmenge (ggf. mit
Artikelnummer), Stückpreise und Auftragswert;
Datum und Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen;
Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag;
Kunden mit genauer Anschrift (evtl. Kundennummer)
Stadium der Ausführung der Geschäfte;
Annullierungen, Nichtauslieferungen und Stornierungen nebst Angabe von
Gründen
Retouren nebst Angaben von Gründen.
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Die Beklagte zu verurteilen, einen sich aus dem Buchauszug ergebenden noch zu
beziffernden Restprovisionsbetrag nebst Verzugszinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab Verzugszeitpunkt an die
Klägerin zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin für den über den in dem Teil-
Anerkenntnisurteil bereits berücksichtigten Zeitraum hinaus kein Anspruch auf Erteilung
eines Buchauszuges zustehe. Sie erhebt insoweit die Einrede der Verjährung und stützt
sich auf die Regelung in § 15 des Handelsvertretervertrages. Sie ist der Ansicht, dass
die darin geregelte Verkürzung der Verjährung auf 6 Monate wirksam ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Erteilung des Buchauszuges auch für
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die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 29.12.2006 begehrt. Aufgrund des
Handelsvertretervertrages in Verbindung mit § 87cHGB steht der Klägerin die Erteilung
eines Buchauszuges zu.
Dieser Anspruch ist für den begehrten Zeitraum auch nicht verjährt.
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Die gesetzliche Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB 3 Jahre ab Schluss des Jahres
beträgt, in dem der Anspruch fällig geworden ist, ist für im Jahr 2005 vermittelte bzw.
ausgeführte Geschäfte zum 31.12.2008 abgelaufen. Da die Klageschrift der Klägerin
vom 22.12.2008 am 22.12.2008 bei Gericht eingegangen und demnächst zugestellt
worden ist, ist die Verjährung rechtzeitig gemäß § 204 BGB, § 167 ZPO gehemmt
worden. Zwar erfolgte die Zustellung bei der Beklagten erst am 12.2.2008, die
Verzögerung ist aber durch das Gericht aufgrund interner Abgabe verursacht und daher
unbeachtlich (vgl. Palandt, BGB, 68. Auflage, zu § 204, Rz. 7).
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Die Verjährungsfrist ist von den Parteien auch nicht wirksam verkürzt worden.
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Hier haben die Parteien zwar in § 15 Abs. 1 des zwischen ihnen geschlossenen
Vertrages in Abweichung von der gesetzlichen Regelung vereinbart, dass alle
Ansprüche aus dem Vertrag in sechs Monaten nach Fälligkeit, spätestens gerechnet
von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die
Entstehung des Anspruchs rechtfertigen, verjähren. Aufgrund der Hemmung der
Verjährung durch die Klageerhebung wäre danach der Anspruch auf Erteilung eines
Buchauszuges bezüglich solcher Geschäfte verjährt, die vor dem 22.6.2008
abgerechnet worden sind. Diese Klausel ist aber unwirksam. Zwar kann die gesetzliche
Verjährungsfrist nach § 202 BGB grundsätzlich verkürzt werden, wobei dies auch durch
Klauseln in AGB erfolgen kann. Die verwendete Klausel hält einer Inhaltskontrolle
gemäß § 307 BGB aber nicht stand. Sie ist schon unklar, da zwar grundsätzlich die
Verjährung 6 Monate nach Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs geregelt wird, durch die
Formulierung "spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten
von den Umstände, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt ..." aber das Gewollte
nicht ausreichend klargestellt wird, nämlich dass zur Fälligkeit die Kenntnis
hinzukommen muss, so dass der Anspruch frühestens 6 Monate nach Fälligkeit
verjähren kann. Vielmehr kann nach dem Wortlaut der Klausel die Verjährung bereits
vor Fälligkeit eintreten, wenn die Kenntnis von den Umständen, die die Entstehung des
Anspruchs rechtfertigt, bereits mehr als 6 Monate vor Eintritt der Fälligkeit, vorliegt.
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Ein solcher Fall ist hier auch nicht durch die getroffenen Fälligkeitsregelungen
ausgeschlossen. Gemäß § 7 Ziffer 6 des Vertrages werden Provisionen und
Provisionsvorschüsse in dem Zeitpunkt fällig, in dem gemäß § 11 Abs. 1 spätestens
über sie abzurechnen ist. Nach § 11 Abs. 1 hat der Unternehmer über die Provision, auf
die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich, und zwar spätestens bis zum Ende
des der unbedingten Entstehung des Provisionsanspruchs folgenden Kalendermonats,
abzurechnen. Nach § 7 Abs. 4 des Vertrages entsteht der Provisionsanspruch
unbedingt, wenn der Kunde den Kaufpreis gezahlt hat. Hier sind jedenfalls hinsichtlich
der Provisionsvorschüsse Fälle denkbar, bei denen eine Verjährung bereits vor
Fälligkeit eintritt..
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Diese Unklarheit geht zu Lasten des Verwenders der Klausel, also der Beklagten.
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Es bleibt nach alledem bei der gesetzlichen Verjährung, die – wie oben dargestellt – für
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den hier begehrten Zeitraum noch nicht eingetreten ist.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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