Urteil des LG Köln vom 03.02.2009

LG Köln: einstweilige verfügung, schriftliche prüfung, verkehr, werbung, form, zertifizierung, bestimmtheit, mitbewerber, versendung, siegel

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 33 O 353/08
03.02.2009
Landgericht Köln
33. Zivilkammer
Urteil
33 O 353/08
Die einstweilige Verfügung vom 12.11.2008 wird bestätigt.
Den Antragsgegnern werden auch die weiteren Kosten des Verfahrens
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Antragsteller sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz
bzw. Arbeitsrecht.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist eine Tochtergesellschaft der F, eine auf Prüfung von Qualität
von Produkten und Dienstleistern spezialisierte Gesellschaft. Die Antragsgegnerin zu 1)
bietet gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltszentrum, deren Geschäftsführer die
Antragsgegner zu 2) und 3) sind, Rechtsanwälten die Möglichkeit an, besondere
Kenntnisse in einem bestimmten Rechtsgebiet gegenüber Mandanten kenntlich zu
machen, indem durch schriftliche Prüfung eine sog. "Erstzertifizierung" erlangt wird. Derzeit
bieten die Antragsgegner Zertifizierunngen bzw. Prüfungen unter fachlicher Anleitung von
Universitätsprofessoren in den Rechtsgebieten Arbeits-, Straf-, Familien- und Erbrecht an.
Nach bestandenem Test erhält der Anwalt zur werblichen Verwendung das im Tenor der
einstweiligen Verfügung der Kammer wiedergegebene Zertifikat. Ihr Angebot bewarben die
Antragsgegner mit dem im Tenor der einstweiligen Verfügung wiedergegebenen
Schreiben.
Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Verwendung des von den Antragsgegnern
angebotenen Zertifikats in der werblichen Präsentation von Rechtsanwälten irreführend sei,
da dem angesprochenen Verkehr suggeriert werde, die Voraussetzungen der Verleihung
des Zertifikats seien - vergleichbar mit denen der Erlangung der Fachanwaltsqualifikation –
unter Beteiligung der interessierten Kreise in einem neutralen Verfahren erarbeitet worden,
so dass die Zertifizierung nach objektiven Kriterien erfolge. Tatsächlich seien die
Zertifizierungsbedingungen allein von den Antragsgegnern festgelegt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragsteller wird
Bezug genommen auf die Seiten 5 ff. der Antragsschrift (Bl. 5 ff. d.A.) und ihren Schriftsatz
vom 06.01.2009 (Bl. 131 ff. d.A.).
Die Antragstellerin hat am 12.11.2008 eine im Beschlusswege erlassene, einstweilige
Verfügung der Kammer erwirkt, mit der folgendes angeordnet worden ist:
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Die Antragsgegner haben es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise
Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Bereich der Fortbildung
von Rechtsanwälten Werbungsschreiben wie nachstehend wiedergegeben zu versenden:
( Es folgt eine Darstellung)
Nachdem die Antragsgegner gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt
haben, beantragen die Antragsteller,
die einstweilige Verfügung vom 12.11.2008 zu bestätigen.
Die Antragsgegner beantragen,
die Beschlussverfügung vom 12.11.2008 aufzuheben und den auf ihren Erlass
gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner sind der Ansicht, der Verfügungstenor sei nicht hinreichend bestimmt.
Die Verwendung des Zertifikats durch Anwälte stehe im Einklang mit der Regelung in § 7
BerufsO. Eine Verwechslungsgefahr mit Fachanwaltstiteln bestehe nicht. Die Verwendung
des von ihnen vergebenen Prüfsiegels sei auch im übrigen nicht irreführend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragsgegner wird
Bezug genommen auf ihre Schriftsätze vom 28.11.2008 (Bl. 104 ff. d.A.) und vom
07.01.2009 (Bl. 152 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil ihr Erlass auch nach dem weiteren
Vorbringen der Parteien gerechtfertigt war.
Der Antrag war zulässig, insbesondere fehlte dem Antrag nicht die erforderliche
Bestimmtheit. Das beantragte Verbot bezog sich eindeutig und unmissverständlich auf die
Versendung des im Tenor als sog. konkrete Verletzungsform eingeblendeten Schreibens.
Dass sich die Gründe für das Verbot dieses Schreibens erst aus der Antragsbegründung
ergaben, ist für die Bestimmtheit des Antrages ohne Belang.
Der Antrag war auch begründet.
Der Verfügungsanspruch der Antragsteller folgt aus den §§ 3, 5, 8 UWG.
Die Antragsteller können von den Antragsgegner gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung der
Versendung des im Tenor wiedergegebenen Schreibens verlangen, da die Antragsgegner
mit diesem Scheiben § 3 UWG zuwidergehandelt haben. Danach sind unlautere
geschäftliche Handlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der
Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu
beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gemäß § 5 UWG insbesondere,
wer irreführend wirbt.
Eine Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das sie
bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen
Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck der
Werbung maßgeblich; es sind alle Bestandteile zu berücksichtigen. Dabei ist auf das
Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der
streitgegenständlichen Werbung abzustellen, der die Werbung mit einer der Situation
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entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl. dazu BGH WRP
2005, 474, 475 – "Direkt ab Werk", BGH WRP 2005, 480, 483 – "Epson-Tinte").
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Verwendung des von den Antragsgegnern
vergebenen Zertifikats in der konkreten in dem beanstandeten Schreiben
wiedergegebenen Form in der werblichen Präsentation von Rechtsanwälten irreführend.
Unstreitig sind nämlich die Prüfungsbedingungen, die Rechtsanwälte für den Erwerb des
Zertifikats erfüllen müssen, allein von den Antragsgegnern unter fachlicher Beteiligung von
Hochschullehrern nach eigenem Gutdünken aufgestellt worden. Dies offenbart das von den
geprüften Rechtsanwälten zu verwendende Zertifikat in seiner konkreten Form nicht.
Vielmehr suggeriert es den angesprochenen Verkehrskreisen, dass das F-Siegel dem
damit werbenden Anwalt auf der Grundlage neutraler, allgemein anerkannter
Prüfungsbedingungen unter Beteiligung der betroffenen Fachkreise (hier: der Anwaltschaft)
erteilt worden ist.
Dies folgt aus dem Zusammenwirken mehrerer in dem Zertifikat enthaltener werblicher
Hinweise:
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem verwendeten F-Siegel um ein dem Verkehr
geläufiges Prüfzeichen handelt, bei dem er – wie auch bei anderen solcher Zeichen -
davon ausgeht, dass die damit beworbene Dienstleistung von einem neutralen Dritten mit
entsprechender Kompetenz nach objektiven Prüfkriterien geprüft wurde (vgl. dazu
Harte/Henning/Weidert, UWG, § 5 Rz. 500).
Der neben dieses Zeichen tretende weitere Hinweis "Zertifiziert im ... " verweist aus Sicht
des Verkehrs darauf, dass diese objektiven Prüfkriterien jedenfalls einem von dritter Seite
vorgegebenen Standard entsprechen. Denn der Verkehr ist gerade in den letzten Jahren
daran gewöhnt worden, dass in allen möglichen Wirtschaftsbereichen Zertifizierungen
erfolgen, mit denen dann auch geworben wird und die darauf verweisen, dass bestimmte
objektiv vorgegebene nationale, europäische oder internationale Standards eingehalten
werden.
Schließlich wird der Verkehr dem weiteren Hinweis, dass die Zertifizierung einem
Rechtsanwalt in einem bestimmten Rechtsgebiet erteilt worden ist, entnehmen, dass bei
der Erstellung der geprüften Standards die betroffenen Fachkreise mitgewirkt haben,
zumindest aber die Prüfungskriterien von diesen als Standards akzeptiert werden. Denn
gerade im Bereich der sog. freien Berufe ist das Verständnis der
angesprochenen Verkehrskreise geprägt durch die Bezeichnungen "Fachanwalt" oder
"Facharzt", die ihrerseits darauf verweisen, dass der so auftretende Rechtsanwalt oder Arzt
vorgegebene Anforderungen an einen bestimmten Kenntnis- und Erfahrungsstand erfüllt,
die von diesen Fachkreisen bestimmt worden sind und allgemein akzeptiert werden.
Ist damit die Verwendung des angebotenen Zertifikats in seiner konkreten Form als
irreführend einzustufen, bedarf die in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien
erörterte Frage, ob Anwälte einen Hinweis auf die Überprüfung ihrer Kenntnisse auf einem
bestimmten Rechtsgebiet durch die Antragsgegner als zulässige Spezialisierungsangabe
im Sinne von § 7 BerufsO führen dürfen, nicht der Entscheidung.
Die Antragsgegner fördern durch die Vergabe ihres Zertifikats zur werblichen Verwendung
durch Rechtsanwälte jedenfalls auch deren Wettbewerb, so dass die Antragsteller als
Mitbewerber der so geförderten Anwälte sie – die Antragsgegner – zu Recht auf
Unterlassung in Anspruch nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der
einstweiligen Verfügung.
Streitwert: 50.000,--€