Urteil des LG Köln vom 07.12.2004

LG Köln: zustellung, auskunft, lohnpfändung, schriftstück, abrede, nettoeinkommen, antwortschreiben, zwangsvollstreckung, kausalität, mehrarbeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 1 T 485/04
07.12.2004
Landgericht Köln
1. Zivilkammer
Beschluss
1 T 485/04
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des
Amtsgerichts Köln vom 20.09.2004 - 72 IK 97/01 - wird auf Kosten des
Schuldners zurückgewiesen.
G R Ü N D E :
Unter dem 31.05.2001 hat der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein
Vermögen beantragt und unter anderem begehrt, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren.
Mit Beschluß vom 17.09.2001 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren wegen
Zahlungsunfähigkeit eröffnet und Rechtsanwalt Dr. E zum Treuhänder ernannt.
In dem auf den 29.07.2003 anberaumten Schlußtermin hat der Beteiligte zu 2) beantragt,
dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Er hat sich dabei auf sein Schreiben
vom 28.07.2003 bezogen, welches als Anlage zum Protokoll genommen wurde. Darin
heißt es, dass einer Restschuldbefreiung nicht zugestimmt werden könne, da der
Schuldner gegenüber dem Gläubiger hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit am 15.01.2001
falsche Angaben gemacht habe.
Gemäß Beschluß vom 02.12.2003 hatte das Amtsgericht den Versagungsantrag
zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht
gemäß Beschluß vom 19.04.2004 die Sache zur erneuten Entscheidung über den
Versagungsantrag an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Nunmehr hat das Amtsgericht in dem im Tenor angeführten Beschluß vom 20.09.2004 dem
Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung versagt. Es hat ferner die Gerichtskosten
des früheren Beschwerdeverfahrens (LG Köln 19 T 276/03) gemäß § 8 Abs. 1 GKG
niedergeschlagen und die weiteren Kosten des Verfahrens über den Antrag auf
Restschuldbefreiung einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens LG Köln 19 T 276/03 dem Schuldner auferlegt. Auf die Gründe der
Entscheidung wird Bezug genommen.
Der Beschluß ist dem früheren Bevollmächtigten des Schuldners am 28.09.2004 zugestellt
worden. Mit seiner am 06.10.2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 03.10.2004
begehrt der Schuldner weiterhin die Ankündigung der Restschuldbefreiung. In der
Beschwerdebegründung vom 28.10.2004 heißt es, der Versagungsbeschluß sei fehlerhaft
zugestellt und damit unwirksam. Abgesehen davon dürfe die Restschuldbefreiung nicht auf
§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützt werden; denn der Schuldner habe keinen schriftlichen
7
8
9
10
11
Angaben im Sinne dieser Vorschrift gemacht. Der Schuldner habe lediglich mündlich
Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben. Soweit diese Angaben den
Tatsachen seinerzeit nicht entsprochen hätten, habe er schließlich in der bloßen Absicht
gehandelt, die von ihm am 16.12.2000 begonnene Tätigkeit in der Praxis des Zahnarztes I1
in N und einen in der Zukunft erhofften Partnerschaftsvertrag innerhalb dieser Praxis nicht
zu gefährden. Die wegen Verschweigens seiner beruflichen Tätigkeit unterbliebene
Pfändung und Zwangsvollstreckungsmaßnahme seitens des Beteiligten zu 2) seien für ihn
von untergeordneter Bedeutung gewesen. Auf die weiteren Eingaben der
Verfahrensbeteiligten wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde gemäß Beschluß vom 02.11.2004 nicht
abgeholfen und die Akten dem Landgericht Köln erneut zur Entscheidung vorgelegt. Auf
die Gründe wird verwiesen. Dem Beschwerdeführer ist hierzu Gelegenheit zur
Stellungnahme gewährt worden.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist statthaft gemäß § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO und
auch im übrigen zulässig. In der Sache selbst führt sie jedoch nicht zum Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Schuldner zu Recht auf den nach § 290 Abs. 1 und Abs. 2 InsO
zulässigen Versagungsantrag des Beteiligten zu 2) die Restschuldbefreiung versagt.
Die Rüge der fehlerhaften Zustellung des angefochtenen Beschlusses hat keine Nichtigkeit
der Entscheidung selbst zur Folge. Der Beschluß selbst leidet mangels einer wirksamen
Zustellung nicht an einer Fehlerhaftigkeit. Es kann im übrigen offen bleiben, ob die
Zustellung an den vom Schuldner beauftragten Internationalen Bund Verbund Rhein-Erft
rechtens war; in jedem Fall ist mit der von der Kammer veranlaßten Zustellung des
angefochtenen Beschlusses an den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners
die Zustellung an den Schuldner wirksam erfolgt.
Es greift der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Danach ist die
Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten 3 Jahren vor dem
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder
grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine
wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus
öffentlichen Mitteln zu beziehen oder
Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden
Hier hat der Schuldner eingeräumt, gegenüber dem Vollziehungsbeamten des Beteiligten
zu 3), als dieser am 15.01.2001 die Wohnung des Schuldners aufgesucht hatte, um dort
Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu treffen, unwahre
Angaben gemacht hat. Er hat wahrheitswidrig angegeben, er sei zur Zeit erwerbslos,
während er tatsächlich bereits seit dem 16.12.2000 in der Zahnarztpraxis I1 gegen Entgelt
als Assistent beschäftigt war. Der Beteiligte zu 3) hat - vom Schuldner unwidersprochen -
berechnet, dass aus diesem Grund Lohnpfändungen für die Monate Februar 2001 bis
Oktober 2001 unterblieben und der Finanzkasse insgesamt pfändbare Anteile aus dem
Nettoeinkommen von insgesamt 8.203,50 DM vorenthalten worden sind. Das Schreiben
des Beteiligten zu 3) vom 28.06.2004 ist dem Schuldner zur Kenntnis gegeben und die
Zahlen sind von diesem in seinem Antwortschreiben, welches am 10.08.2004 eingegangen
ist, nicht in Abrede gestellt worden. Dabei ist unbeachtlich, dass der Schuldner das
diesbezügliche Protokoll des Vollziehungsbeamten vom 15.01.2001 selbst nicht
unterzeichnet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vg. Beschluß vom
11.09.2003 - IX ZB 37/03 -) liegen auch dann unrichtige schriftliche Angaben des
Schuldners vor, wenn ein Dritter die schriftliche Erklärung über die wirtschaftlichen
Verhältnisse mit Wissen und Billigung des Schuldners abgegeben hat. So liegt der Fall
12
13
14
15
16
hier. Der Vollziehungsbeamte hat die Auskunft des Schuldners in seinem Beisein und mit
dessen Billigung schriftlich niedergelegt. Nach der Rechtsprechung hat der Schuldner auch
dann unrichtige Angaben gemacht, wenn er die entsprechenden Erklärungen nicht selbst
formuliert, sondern durch einen Dritten hat abfassen lassen; denn § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO
setzt kein vom Schuldner unterzeichnetes eigenhändiges Schriftstück voraus. Die
Vorschrift soll nicht denjenigen privilegieren, der die Angabe der ihm obliegenden
Erklärungen an einen Dritten delegiert hat. Unrichtige schriftliche Angaben, die der
Schuldner zwar nicht persönlich niedergelegt hat, die jedoch mit seinem Wissen und seiner
Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sind, entsprechen dem Unrechtsgehalt,
den § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sanktionieren will.
Auch der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der unzutreffenden Angabe
gegenüber dem Vollziehungsbeamten und der unterbliebenen Lohnpfändung liegt vor.
Anfang des Jahres 2001 war der Schuldner, der schon im Jahre 1998 eidesstattliche
Offenbarungsversicherungen abgegeben hatte, mit Zwangsvollstreckungen vertraut. Das
hat er selbst eingeräumt. Der Anlaß für den Vollziehungsbeamten, am 15.01.2001 den
Schuldner zu Hause aufzusuchen, diente gerade der Ermittlung seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse. Indem der Schuldner bei diesem Anlaß sein Monatseinkommen
verschwiegen hat, ist davon auszugehen, dass er dieses zumindest auch deshalb
unternommen hat, um die Lohnpfändung zu vermeiden. Dies hat er schließlich auch
eingeräumt. Er handelte insoweit auch absichtlich; denn es kam ihm nach eigenen
Angaben darauf an, dass ein Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung auf sein Gehalt
nicht genommen wurde. Seine weitere Begründung hierfür, er habe den sich anbahnenden
Sozietätsvertrag nicht gefährden wollen, leuchtet als möglicherweise weiteres Motiv ein,
vermag aber die Kausalität zwischen seinen unrichtigen Angaben und den vorenthaltenen
Leistungen an die öffentliche Kasse des Beteiligten zu 3) nicht in Frage zu stellen. Die
Vorschrift setzt nicht voraus, dass das alleinige Ziel der fehlerhaften Angaben die
Vermeidung von Leistungen an öffentliche Kassen ist.
Das Amtsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass die Mehrarbeit des Schuldners im
Jahre 2004 zwar positiv zu beurteilen ist, aber den Tatbestand des § 290 InsO nicht
entfallen lassen kann.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners war demnach mit der Kostenfolge aus §§ 97
Abs. 1 ZPO, 4 InsO zurückzuweisen.
Beschwerdewert:
Kommentar zur Insolvenzordnung § 290 Rdnr. 91)