Urteil des LG Köln vom 22.12.2006

LG Köln: einspruch, zahlungsbefehl, abrechnung, beschwerdeschrift, berechtigung, laie, zustellung, verschulden, meinung, datum

Landgericht Köln, 13 T 232/06
Datum:
22.12.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 T 232/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 127 C 411/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 10.11.2006 gegen das
Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 9.10.2006 - 127 C 411/06
- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
Die gemäß §§ 99 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige
sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Kosten
des Rechtsstreits zu Recht der Klägerin auferlegt, da die Beklagte den Anspruch sofort
anerkannt hat, ohne Veranlassung zur Klageerhebung gegeben zu haben.
2
Ein Beklagter gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn sein Verhalten vor
Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein Verschulden und die materielle Rechtslage
gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage
nicht zu seinem Recht kommen (z.B. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 93 Rn. 3; OLG
Köln, OLGR 2004, 58 ff.). Zur Beurteilung ist alleine das vorprozessuale Verhalten des
Beklagten erheblich, zu dessen Beurteilung jedoch auch das Verhalten nach
Klageerhebung herangezogen werden kann (allgemeine Meinung, z.B. BGH, NJW
1979, 2040, 2041; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 93 Rn. 5; Musielak/Wolst, ZPO,
4. Aufl. 2005, § 93 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Bei einer fälligen Forderung besteht Anlass zur
Klage erst dann, wenn der Beklagte diese trotz Aufforderung durch den Kläger nicht
erfüllt (z.B. BGH, NJW 1979, 2040, 2041; OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 1472). Wer
ohne eine vorausgehende erfolglose Aufforderung sofort den Klageweg beschreitet,
geht das Risiko ein, dass er bei einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten nach § 93
ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (BGH, NJW 1979, 2040, 2041). Es ist
zwischen den Parteien unstreitig, dass es an einer entsprechenden Aufforderung der
Klägerin vor Einleitung des Mahnverfahrens fehlte. Die im Mahnbescheid angegebene
Abrechnung vom 6.12.2005 wurde unstreitig nur den Geschwistern der Beklagten, nicht
aber der Beklagten selbst übersandt.
3
Allerdings hat die Klägerin die Beklagte im Zeitraum zwischen der Beantragung des
Mahnbescheides am 30.12.2005 (Zustellung des Mahnbescheids: 12.1.2006) und der
Einlegung des Widerspruchs durch die Beklagte (Eingang beim Mahngericht:
23.1.2006) über die bestehende Forderung mit Schreiben vom 2.1.2006 aufgeklärt.
4
Dass die Beklagte trotzdem gegen den Mahnbescheid insgesamt Widerspruch
eingelegt und diesen nicht bloß auf die Kosten beschränkt hat, steht einer
Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zugunsten der Beklagten jedoch nicht entgegen
(BGH, NJW 1979, 2040, 2041; KG Berlin, MDR 1980, 942; Fischer, MDR 2001, 1336 f.;
Jonas/Stein/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 93 Rn. 9; MüKo/Belz, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 93
Rn. 13, Stichwort Mahnverfahren; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 93
Rn. 13). Die Kammer vermag der von der Klägerin zitierten Gegenauffassung (u.a.
jüngst OLG Schleswig, MDR 2006, 228 f.) nicht zu folgen, zumal die Frage entgegen der
Ansicht des OLG Schleswig bereits höchstrichterlich entscheiden worden ist. Der
zitierten Entscheidung des BGH (NJW 1979, 2040 f.) lag nämlich der vergleichbare Fall
zugrunde, in dem die Klägerin ohne Vorwarnung – also ohne vorherige Aufforderung zur
Zahlung – gegen den Beklagten einen Mahnbescheid (damals: Zahlungsbefehl)
beantragt, der Beklagte gegen diesen Widerspruch eingelegt und die Klageforderung
(bzw. einen Teilbetrag) in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat. Der BGH hat der
Klägerin die Kosten nach § 93 ZPO auferlegt und – wie oben bereits wiedergegeben –
ausgeführt, dass demjenigen, der ohne vorausgehende erfolglose Aufforderung sofort
den Klageweg beschreite, die Kosten des Rechtsstreits nach § 93 ZPO auferlegt
werden können, wobei die Klägerin wie im vorliegenden Fall einen Mahnbescheid
(damals: Zahlungsbefehl) gegen den Beklagten beantragt hatte, gegen den die Beklagte
insgesamt – und nicht nur hinsichtlich der Kosten – Widerspruch eingelegt hatte.
Die Argumentation der Klägerin in der Beschwerdeschrift, die Beklagte habe aufgrund
des Schreibens vom 2.1.2006 die Berechtigung der Forderung prüfen können und
keinen (Gesamt-) Widerspruch einlegen müssen, greift im Übrigen nicht, weil die
Beklagte dann die Kosten des Mahnverfahrens hätte tragen müssen und ihr die
Möglichkeit verwehrt gewesen wäre, eine Entscheidung über die Kosten nach § 93 ZPO
herbeizuführen. Eine solche Entscheidung hätte die Beklagte zwar auch herbeiführen
können, indem sie den Widerspruch auf die Kosten beschränkt hätte, so dass dann
gegen sie hinsichtlich der Hauptforderung ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden
wäre. In dem Vollstreckungsbescheid wären aber erneut (weitere) Kosten gegen die
Beklagte festgesetzt worden, so dass die Beklagte Einspruch, und zwar wieder
beschränkt auf die Kosten, hätte einlegen müssen. Erst dann wäre der Weg zu einer
Entscheidung nach § 93 ZPO hinsichtlich sämtlicher Kosten eröffnet. Ein solcher Weg
ist einem Beklagten entgegen der Ansicht des OLG Schleswig jedoch nicht zuzumuten.
Zwar mag man dem OLG Schleswig und den Ausführungen der Beschwerdeführerin
darin zustimmen, dass die Möglichkeit, nur die Kosten zum Gegenstand des
Rechtsstreits zu machen, auf dem Widerspruchsvordruck optisch hervorgehoben und
auch für den Laien klar und verständlich sind. Dadurch besteht – wie gerade gezeigt –
für den Beklagten aber noch nicht die Möglichkeit, über sämtliche Kosten eine
Entscheidung nach § 93 ZPO herbeizuführen, denn der hinsichtlich der Hauptforderung
folgende Vollstreckungsbescheid enthält weitere Kosten. Und für den Einspruch gegen
den Vollstreckungsbescheid gibt es gerade kein Formular und keinen mitübersandten
Vordruck, dem der Laie klar und deutlich entnehmen kann, dass er seinen Einspruch auf
die Kosten beschränken kann, und er sogar – wieder beschränkt auf die Kosten –
Einspruch einlegen muss, um eine Entscheidung nach § 93 ZPO über sämtliche Kosten
herbeizuführen. Auch die Hinweise auf dem Vollstreckungsbescheid (gemäß dem
amtlichen Vordruck, Anlage 5 der MaschVordrMahnverfV v. 6.6.1978, vgl. BGBl. I 1978,
705 ff.; zuletzt geändert durch das ZPO-Reformgesetz v. 27.7.2001) zeigen die
Möglichkeit eines nur auf die Kosten beschränkten Einspruchs nicht auf.
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Im vorliegenden Fall hat die Klägerin dementsprechend die Kosten des Rechtsstreits
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nach § 93 ZPO zu tragen, weil sie es schlich und ergreifend versäumt hat, vor Einleitung
des Mahnverfahrens der Beklagten eine Abrechnung zu übersenden und sie zur
Zahlung aufzufordern. Es bestand für die Klägerin keinerlei Anlass anzunehmen, dass
sie ohne Klage nicht zu ihrem Recht kommen werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: bis 900,- EUR
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