Urteil des LG Köln vom 14.10.2009

LG Köln (wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, frist, absendung, zpo, telefax, verschulden, anweisung, kontrolle, tag)

Landgericht Köln, 9 S 52/09
Datum:
14.10.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 S 52/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 63 C 255/08
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bergisch
Gladbach (63 C 255/08) vom 13.01.2009 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf
14.914,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 1 S. 1, S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil
der Beklagte die Berufungsbegründung nicht innerhalb der in § 520 Abs. 2 ZPO
bestimmten Frist bei Gericht eingereicht hat. Die Frist zur Begründung der Berufung
gegen das am 13.01.2009 verkündete und dem Beklagten am 07.02.2009 zugestellte
Urteil des Amtsgerichts lief nach einmaliger Verlängerung gemäß § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO
am 05.05.2009 ab. Mit Fax vom selben Tag ist am 05.05.2009 lediglich die erste Seite
der Berufungsbegründung des Beklagten eingegangen, die nicht von seinem
Prozessbevollmächtigten unterschrieben war. Erst am 06.05.2009 – und damit einen
Tag zu spät – wurde der vollständige Text der Berufungsbegründung einschließlich
Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten per Telefax an das Gericht
übermittelt.
2
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war
zurückzuweisen. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist für
die Berufungsbegründung (§§ 233, 520 Abs. 2 ZPO) einzuhalten. Sein
Prozessbevollmächtigter hat diese Frist versäumt; dessen Verschulden muss sich der
Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Insofern kann dahinstehen, ob die
in der Kanzlei des Beklagtenvertreters, wie von ihm im Schriftsatz vom 11.05.2009
3
geschildert, praktizierte Ausgangskontrolle den Anforderungen der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs generell genügt. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des
Beklagten schuldhaft in das in seiner Kanzlei praktizierte System der Ausgangskontrolle
eingegriffen und damit die Fristversäumung verursacht. Die praktizierte allgemeine
Arbeitsanweisung (vgl. dazu den zweiten Absatz auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom
11.05.2009) sieht vor, dass nach Übermittlung eines Schreibens an das Gericht anhand
des danach auszudruckenden Sendeberichts zu überprüfen ist, ob die Übermittlung
vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist; bei der Versendung von
Telefaxen ist insbesondere eine Abgleichung zwischen den gesendeten Seiten und den
Original-Seiten anhand des Sendeprotokolls vorzunehmen; erst dann sind Fristen im
Termin- und Fristenkalender zu streichen; bei nachhaltigen Problemen im Rahmen der
Übermittlung von Schriftsätzen ist der zuständige sachbearbeitende Rechtsanwalt sofort
zu informieren. Entgegen dieser allgemeinen Anweisung, wonach der
sachbearbeitende Rechtsanwalt nur bei Problemen zu unterrichten und die Streichung
von Fristen von den Mitarbeitern selbst vorzunehmen ist, hat der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten der zuständigen Mitarbeiterin Frau G für den
konkreten Fall die (Einzel-) Anweisung erteilt, den Schriftsatz per Telefax zu versenden,
den Zugang der vollständigen Berufungsbegründungsfrist anhand des
auszudruckenden Sendeberichts zu prüfen und nach Überprüfung dem Unterzeichner
darüber Mitteilung zu machen, ob das Telefax-Schreiben ordnungsgemäß zugegangen
ist. Sodann hat er – entgegen der sonst üblichen Praxis – selbst die Löschung der Frist
im Kalender vorgenommen. Soweit er dies jedoch getan hat, ohne sich zuvor auch
selbst von der ordnungsgemäßen Absendung des Telefaxes zu überzeugen, nimmt die
Kammer, in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 11.02.2009,
Az.: IV ZB 26/08), ebenso ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten an
wie hinsichtlich des Umstandes, dass er sich auf die von seiner Mitarbeiterin Frau G auf
Nachfrage erteilte Auskunft über die – angeblich korrekte – Absendung des Faxes
verließ. Der Rechtsanwalt kann zwar die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges
Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (a.a.O. m.w.N.).
Übernimmt er sie aber im Einzelfall selbst und weicht damit von der allgemein in seiner
Kanzlei praktizierten Ausgangskontrolle ab, muss er eine klare Einzelanweisung treffen
und selbst für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen. Hier hat er sich von seiner
Mitarbeiterin über die Absendung des betreffenden Schriftsatzes unterrichten lassen und
sodann die Löschung der entsprechenden Frist selbst veranlasst. Er hätte sich jedoch
zuvor selbst Klarheit darüber verschaffen müssen, ob eine ordnungsgemäße
Absendung des Faxes erfolgt ist; insoweit war seine Ausgangskontrolle unzureichend.
Dabei ist es auch - entgegen der im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des
Beklagten vom 17.08.2009 geäußerten Ansicht - unerheblich, ob der Rechtsanwalt
seine Mitarbeiterin nach der Absendung des Faxes oder der Kontrolle des
Sendesberichts befragt hat, entscheidend ist allein, dass er sich selbst Klarheit über die
ordnungsgemäße Absendung verschafft hat. Diese erhöhte Sorgfaltspflicht eines
Rechtsanwalts, die Vornahme von fristgebundenen Prozesshandlungen, wie z.B. der
Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung, durch eigene Kontrolle
sicherzustellen, findet sich – entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters – auch im
von diesem selbst zitierten Beschluss des BGH vom 17.11.1999 (Az.: IV ZB 18/99),
wonach einem Rechtsanwalt dann die Pflicht zur Fristenkontrolle obliegt, wenn ihm
Akten wegen einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Dies gilt umso
mehr, wenn - wie auch im vorliegenden Fall - die Berufungsbegründung unter
Ausnutzung der Frist erst am letzten Tag des Ablaufs der selbigen gefertigt und an das
Berufungsgericht versendet werden soll, weil nach der Rechtsprechung des BGH (vgl.
BGH Beschluss vom 23.04.1998, Az.: I ZB 2/98) den Rechtsanwalt in dieser
Konstellation eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft, wobei diese – wie bereits dargelegt –
insbesondere dann erhöht ist, wenn er abweichend von der allgemeinen Anweisung
eine Einzelanweisung erteilt.