Urteil des LG Köln vom 02.11.2006
LG Köln: einstweilige verfügung, versicherung, fusion, subjektives recht, öffentliche gewalt, öffentliche aufgabe, anfechtungsklage, pressefreiheit, abfindung, glaubhaftmachung
Landgericht Köln, 28 O 421/06
Datum:
02.11.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
28. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 O 421/06
Tenor:
Die einstweilige Verfügung vom 05.09.2006 – LG Köln 28 O 421/06 wird
aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Verfügungskläger wird
nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des durch das Urteil vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
T A T B E S T A N D :
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In dem einstweiligen Verfügungsverfahren LG Köln 28 O 408/06 hatte der
Verfügungskläger wegen einer Berichterstattung der Verfügungsbeklagten über den
Abschluss von Teilvergleichen in den Anfechtungsklagen gegen die Fusion von N AG
und G1 unter der Überschrift "N erzielt Teilerfolg im Fusionsstreit" eine einstweilige
Verfügung gegen diese und den Verfasser des angegriffenen Artikels, den Zeugen Y
erwirkt. Ihnen wurde verboten,
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"in Bezug auf den Antragsteller folgende Behauptungen aufzustellen und/oder
aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
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a)
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im Zusammenhang mit der Fusion von N mit der Internettochter G1 sei er einer der
Kläger,
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b)
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ihm unterstellten die weiteren Beteiligten (an der gerichtlichen Auseinandersetzung über
diese Fusion), sich die Klage nur gegen einen Millionenbetrag abkaufen lassen zu
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wollen."
Der Bericht, der Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist,
betrifft im Anschluss hieran die Berichterstattung über die Hauptversammlung der Fa. N
vom 28.08.2006 in der von der Verfügungsbeklagten verlegten Zeitung Financial Times
Deutschland vom 29.08.2006 mit der Überschrift "N verliert Hoffnung auf schnelle
Fusion" (Bl. 5 d.A.). Dort hatte sich der Verfügungskläger, mittlerweile selbst auch
Aktionär von N, gegen den Fusionsbeschluss mit der Internettochter G1 gewendet.
Hierzu heißt es in dem Beitrag u.a.:
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"Energisch dagegen wandte sich L2-Walter G. Er ist Geschäftsführer der
Vermögensverwaltung W, die gegen die Fusion klagt. Einige Beteiligte an den
Klageverfahren werfen G vor, die Fusion aus finanziellen Motiven möglichst lange
behindern zu wollen."
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Nach Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen des Verfügungsklägers hat die
Kammer der Verfügungsbeklagten mit einstweiliger Verfügung vom 05.09.2006
verboten, im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Anfechtungsklagen
wegen der N AG/G1.de in Bezug auf den Antragsteller die Behauptung aufzustellen
und/oder aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, einige
Beteiligte an den Klageverfahren würfen ihm vor, die Fusion aus finanziellen Motiven
möglichst lange behindern zu wollen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der
Verfügungsbeklagten.
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Der Verfügungskläger macht geltend, die Äußerung sei in zweifacher Hinsicht unwahr,
da sie zum einen den Eindruck erwecke, als gehe es der von dem Verfügungskläger
vertretenen Firma W und H GmbH (im Folgenden: W) um eigensüchtige Motive, also
eigene finanzielle Vorteile, zum anderen sei aber entscheidend, dass es die Beteiligten
am Klageverfahren, die dem Verfügungskläger angeblich dergleichen vorwerfen, nicht
oder nur in der Fantasie der Verfügungsbeklagten gebe. Ein derartiger Vorwurf einiger
Beteiligter sei dem Verfügungskläger nicht bekannt. So habe sowohl der Vorstand von
N als auch von G1 auf der Hauptversammlung bestätigt, dass solche Vorwürfe gegen
ihn von keiner der beiden Gesellschaften erhoben worden seien. Darüber hinaus habe
er dargestellt, wen er weiter dazu befragt habe. Von keinem der Beteiligten habe er den
Vorwurf gehört, er wolle die Fusion aus finanziellen Gründen möglichst lange
behindern. Eine weitere Aufklärungsarbeit sei ihm nicht möglich. Er beruft sich weiter
auf ein Schreiben der Fa. N vom 10.10.2006 und eine eidesstattliche Versicherung des
Zeugen Dr. I2, des Prozessbevollmächtigten zweier Kläger gegen den
Fusionsbeschluss, die belegten, dass ihm nicht sämtliche Beteiligte den
streitgegenständlichen Vorwurf machten. Ein darüber hinausgehender Gegenbeweis
"ins Blaue hinein" sei ihm nicht möglich; die Verfügungsbeklagte trage die
Darlegungslast, genauer anzugeben, wer wann was geäußert habe, um dem
Verfügungskläger die Möglichkeit zu geben, die Unwahrheit der Äußerung zu belegen.
Die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Y über diverse Gespräche mit –
namentlich nicht bezeichneten – Informanten genüge dem nicht. Die Angabe, Äußernde
seien "ein Vertrauter eines Aufsichtsratsmitglieds der N AG", "ein (weiteres)
Aufsichtsratsmitglied der N AG", "ein Vertreter eines Klagebeteiligten gegen die Fusion"
und "ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung der N AG" genüge dem nicht. Vielmehr mache
die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Y deutlich, dass die Verfügungsbeklagte
Informationen zurückhalte und damit gegen ihre Erklärungspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO
verstoße. Der Informantenschutz könne nicht zu Lasten des Schutzes des allgemeinen
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Persönlichkeitsrechts gehen. Der Verfügungskläger macht weiter – von der
Verfügungsbeklagten nicht angegriffen – geltend, die hier streitgegenständliche
Äußerung sei nicht mit der viel spezielleren in dem Verfahren 28 O 408/06 identisch und
darum nicht schon von dem dort ausgesprochenen Verbot umfasst. Er beantragt,
den Beschluss der Kammer vom 05.09.2006 zu bestätigen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den
zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.
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Sie macht geltend, soweit die streitgegenständliche Äußerung einen Tatsachengehalt
habe, sei sie wahr, im übrigen handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung.
Der – beweisbelastete – Verfügungskläger mache nur glaubhaft, dass ihm solche
Vorwürfe nicht bekannt seien und dass er in den von ihm geführten Gesprächen keine
Hinweise darauf gefunden habe, dass Beteiligte einen derartigen Vorwurf erheben, was
indes nicht bedeute, dass derartige Vorwürfe nicht gegenüber anderen, insbesondere
der Verfügungsbeklagten, verbreitet würden. Tatsächlich erhöben eine ganze Reihe von
Beteiligten den Vorwurf, der Verfügungskläger betreibe seine Anfechtungsklage über
die Firma W mit dem Ziel einer möglichst hohen Abfindung; so sei dies entsprechend
seiner eidesstattlichen Versicherung gegenüber dem Zeugen Y geäußert worden. Dass
derartige Vorwürfe nicht gegenüber dem Verfügungskläger erhoben würden, könne
nicht verwundern, da der Erpresste regelmäßig die Forderung nicht dadurch in die Höhe
treibe, dass er derartige Vorwürfe gegenüber dem Erpresser erhebe. Nicht umsonst sei
in dem Beitrag von Jahn "UMAG: Das Aus für "räuberische Aktionäre" oder neues
Erpressungspotential?", BB 2005, 5 ff. die Rede von einer Mauer des Schweigens.
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Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, sie sei ihrer erweiterten Darlegungslast
nachgekommen und habe glaubhaft gemacht, dass es mindestens vier weitere
Personen gebe, die an der Anfechtungsklage beteiligt seien und die dem
Verfügungskläger finanzielle Motive für die Anfechtungsklage und seine bisherige
Weigerung der Beteiligung an einem Vergleich unterstellten. Die Verfügungsbeklagte
habe sich nicht nur pauschal auf anonyme Informanten bezogen, sondern konkrete
Umstände vorgetragen, aus denen auf die Richtigkeit der Information geschlossen
werden könne. Insbesondere sei es dem Verfügungskläger ohne weiteres möglich,
durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Mitglieder der entsprechenden
Gremien bzw. Abteilungen glaubhaft zu machen, dass sie keine entsprechenden
Vorwürfe gegen ihn erheben. Zu berücksichtigen sei bei der Bewertung auch, dass der
Verfügungskläger in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder dadurch auf sich
aufmerksam gemacht habe, dass er Anfechtungsklagen mit dem Ziel erhoben habe,
diese gegen möglichst hohe Zahlungen zurückzunehmen. Sie weist darauf hin, dass
nach einer Entscheidung des Kammergerichts vom 3. Mai 2002 über den
Verfügungskläger verbreitet werden dürfe, dass er "zur Spezies der räuberischen
Aktionäre" gehöre, und dass er zu denen gehöre, "die sich für den Verzicht auf
spektakuläre Anfechtungsverfahren bei Fusionen 'auskaufen' lassen". Auch habe das
OLG Düsseldorf 1993 eine Anfechtungsklage des Verfügungsklägers als
rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen, weil es ihm ersichtlich darauf ankomme, von der
beklagten Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten. Der Verfügungskläger werde in der
rechtswissenschaftlichen Literatur auch als eine der Personen genannt, deren Vorgehen
unter anderem Anlass für den Entwurf eines "Gesetzes zur Unternehmensintegrität und
Modernisierung des Anfechtungsrechts" sei (vgl. Jahn: UMAG: Das Aus für "räuberische
Aktionäre" oder neues Erpressungspotential? , BB 2005, 5, 6). Dies belege, dass die
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dem Verfügungskläger jetzt unterstellten Motive naheliegend seien.
Im übrigen teile die Verfügungsbeklagte mit der Tatsache, dass sich der
Verfügungskläger energisch gegen die Freigabe der Fusion gewandt habe, einen
Anknüpfungspunkt für die Bewertung seines Verhaltens durch einige Beteiligte mit, so
dass es sich nicht um die Behauptung einer inneren Tatsache handele, sondern um die
Wiedergabe eines subjektiven Urteils der Beteiligten; so etwas verstünde der
Durchschnittsleser immer als subjektive Einschätzung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf
die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach dem Ergebnis der
mündlichen Verhandlung über den Widerspruch nicht (mehr) begründet.
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Dem Verfügungskläger steht hiernach gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf
Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung aus §§ 823, 1004 BGB zu, weil die
Verfügungsbeklagte hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht hat, dass diese wahr
ist, dass nämlich Beteiligte an der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen N und
G1 dem Verfügungskläger vorwerfen, die Fusion aus finanziellen Motiven möglichst
lange behindern zu wollen.
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Die Kammer folgt beiden Parteien in der Einschätzung, dass die streitgegenständliche
Äußerung nicht identisch ist mit derjenigen, die bereits Gegenstand des Verfahrens LG
Köln 28 O 408/06 war. Es macht einen Unterschied, ob "alle" Beteiligten dem
Verfügungskläger einen Vorwurf machen oder nur "einige"; auch ist es unterschiedlich,
ob die Fusion "aus finanziellen Motiven" behindert wird oder ob sich der
Verfügungskläger die Klage nur gegen einen Millionenbetrag abkaufen lassen will.
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Allerdings kann der Verfügungsbeklagten nicht in der Einschätzung gefolgt werden, es
handele sich bei der vom Verfügungskläger angegriffenen Äußerung um eine zulässige
Meinungsäußerung, weil aus dessen Verhalten auf seine Absicht geschlossen werde,
wie er gedenke, sich prozessual zu verhalten. Die streitgegenständliche Äußerung gibt
vielmehr wieder, wie sich "einige Beteiligte" über den Verfügungskläger geäußert haben
sollen; dies ist – auch wenn es sich um einen Rückschluss aus dessen Verhalten
handelt – unzweifelhaft als Tatsachenbehauptung einzustufen. Für die Einstufung als
Meinungsäußerung kommt es in Abgrenzung zur Tatsachenbehauptung darauf an, ob
die Äußerung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises
zugänglich ist (BGHZ 139, 95, 102 = AfP 1998, 506 m.w.N.). Im Falle von
Meinungsäußerungen ist eine solche Überprüfung nicht möglich, weil sie durch die
subjektive Beziehung des sich Äußernden zu dem Inhalt seiner Erklärung und durch
Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind. Sie lassen sich daher
im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen nicht als wahr oder unwahr beweisen (BGH
a.a.O.). Allerdings kann im Einzelfall auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht,
als Tatsachenbehauptung einzustufen sein, wenn und soweit bei dem Adressaten
zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen
hervorgerufen wird. Wirken Tatsachenbehauptung und Wertung dagegen untrennbar
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zusammen, wird die Äußerung grundsätzlich in ihrer Gesamtheit von der Schutzwirkung
des Artikels 5 Abs. 1 GG erfasst. Dies gilt insbesondere in den Fallkonstellationen, in
denen die Äußerung in entscheidender Weise durch Elemente der Stellungnahme, des
Dafürhaltens oder des Meinens geprägt wird (BGHZ 132, 13, 21; BGHZ 143, 199, 208).
Von einem Überwiegen des Wertungscharakters in diesem Sinne ist auszugehen, wenn
der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der
Wertung in den Hintergrund tritt (BGHZ 45, 296, 304). Dies ist der Fall, wenn sich der
Äußerung die Behauptung wenigstens einer konkret-greifbaren Tatsache nicht
entnehmen lässt und sie sich in einem pauschalen Urteil erschöpft (BVerfG NJW 1983,
1415, 1416 = AfP 1982, 295).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Vortrags der Parteien zum
Vorhandensein oder Nichtvorhandensein derartiger Vorwürfe gegenüber dem
Verfügungskläger – jede Partei beruft sich auf Beteiligte, die sich so oder so geäußert
haben sollen – kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Frage, ob einige Beteiligte dem
Verfügungskläger den streitgegenständlichen Vorwurf machen, dem Beweis zugänglich
und daher eine Tatsachenbehauptung ist. Hier soll es nämlich Gespräche mit dem
Zeugen Y gegeben haben, in denen eine solche Einschätzung geäußert worden ist. Der
Bericht gibt in seinem vom Verfügungskläger angegriffenen Abschnitt eben solche
Äußerungen wieder; ob diese Äußerungen so gefallen sind, ist beweisbar.
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Die den Verfügungskläger betreffende Äußerung hat grundsätzlich ehrenrührigen
Charakter, da berichtet wird, ihm werde von Beteiligten des Verfahrens vorgeworfen, er
wende sich nur deshalb mit einer Anfechtungsklage gegen die Fusion von N und G1
und behindere diese möglichst lange, um für sich selbst oder die von ihm geleitete
Klägerin W finanzielle Vorteile zu erlangen. Es handelt sich um ein ebensolches
Verhalten, wie es 1993 das Oberlandesgericht Düsseldorf als rechtsmissbräuchlich
bewertet hat, weil er als Minderheitsaktionär nicht aus sachlich begründeten Motiven,
sondern allein mit dem Ziel, von der damaligen Beklagten eine Abfindung zu erhalten,
Anfechtungsklage erhoben habe. Der Verfügungskläger, der weiterhin im
Wirtschaftsleben tätig ist und sich nunmehr als Geschäftsführer der
Minderheitsaktionärin, der Firma W, gegen die Fusion gewandt hat, mag hiermit – was
allerdings nicht Gegenstand seines Vortrags gewesen ist – sachliche Ziele verfolgen,
zumal er eidesstattlich versichert hat, er habe für sein Tun keine finanziellen Motive. Für
sein Ansehen im Wirtschaftsleben wirkt es sich jedenfalls negativ aus, wenn über ihn
weiterhin - zu Unrecht – verbreitet würde, er verfolge nach der Einschätzung einiger
Beteiligter mit dem Rechtsmittel gegen die Fusion in Wahrheit nur seine finanziellen
Interessen. Dies wäre ehrenrührig. Immerhin trägt die Verfügungsbeklagte selbst vor,
dass darin der Vorwurf der Erpressung liegt.
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Beim Aufstellen ehrenrühriger Behauptungen trifft den Beklagten unabhängig von der
Beweislast grundsätzlich eine erweiterte Darlegungslast; so lange der Beklagte seiner
Darlegungslast nicht entspricht, kann von der Unwahrheit der bestrittenen Behauptung
ausgegangen werden (BGH NJW 1974, 1710 f.; OLG Köln AfP 2001, 524, 525; OLG
Hamburg NJW-RR 1992, 1378, 1379). Einschränkend allerdings ist dann, wenn ein
Presseunternehmen oder ein Journalist auf Beklagtenseite steht, zu berücksichtigen,
dass das Redaktionsgeheimnis nicht ausgehöhlt werden darf (OLG Köln a.a.O.). Wie
das Bundesverfassungsgericht in der Konsequenz seiner Rechtsprechung zur
Pressefreiheit entschieden hat (NJW 1984, 1741 ff.), umfasst der Schutzbereich des Art.
5 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit eines
Presseunternehmens. So hat das Gericht mehrfach die Bedeutung einer freien Presse
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für den freiheitlichen Staat hervorgehoben (BVerfGE 20, 162 [174 f.] - Spiegel; ferner
etwa BVerfGE 52, 283 [296] - Tendenzschutz), zugleich indessen darauf hingewiesen,
dass die der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" nicht von der staatlichen Gewalt
erfüllt werden kann. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei
bilden können; sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in
privatrechtlichen Organisationsformen; sie stehen miteinander in geistiger und
wirtschaftlicher Konkurrenz, in welche die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht
eingreifen darf (BVerfGE 20, 162 [175]).
Der Funktion der freien Presse im demokratischen Staat entspricht ihre
verfassungsrechtliche Stellung. Als subjektives Recht gewährleistet die Pressefreiheit
den im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen Freiheit von staatl. Zwang. In
ihrer objektiven Bedeutung schützt sie die "institutionelle Eigenständigkeit" der Presse
von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung
(BVerfGE 10, 118 [121]; ständige Rspr., vgl. etwa noch BVerfGE 62, 230 [243] -
Boykottaufforderung). In diesem Zusammenhang hat das BVerfG wiederholt auf die
Bedeutung hingewiesen, die dem Schutz der Informationsquellen für das Pressewesen
zukommt (BVerfGE 20, 162 [176, 187]; 36, 193 [204]; 50, 234 [240]; 64, 108 [114 f.]) und
insofern das Redaktionsgeheimnis als durch die Pressefreiheit geschützt angesehen.
Für die Bestimmung des Schutzbereichs der Pressefreiheit kommt es hiernach
wesentlich darauf an, was notwendige Bedingung der Funktion einer freien Presse ist.
Zu diesen Bedingungen gehört die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Hierfür spricht
zunächst der enge Zusammenhang mit dem Informantenschutz: Auch wenn bei einer
Aufdeckung von Interna der Redaktion nicht über Informanten berichtet wird, kann die
Möglichkeit solcher Publikationen die Gefahr in sich tragen, Informationsquellen
versiegen zu lassen. Auch allgemeine Erwägungen sprechen für einen solchen Schutz:
Wenn die Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist, wird auch nicht offen und ohne
Rücksicht auf die Gefahr verkürzter oder entstellter Weitergabe gesprochen (BVerfG
a.a.O.).
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Wie alle Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG kann allerdings auch die Pressefreiheit
eingeschränkt sein; soweit die Einwirkung des Grundrechts auf privatrechtliche
Vorschriften in Frage steht, können ihm im Hinblick auf die Eigenart der geregelten
Rechtsverhältnisse andere, unter Umständen engere Grenzen gezogen sein als in
seiner Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Erst wenn diese Grenzen
berücksichtigt werden, ergibt sich im konkreten Fall die Tragweite des Grundrechts.
Schranken können sich aus den in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Gesetzen, aber auch
unmittelbar aus der Verfassung selbst ergeben (vgl. BVerfG a.a.O.).
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Aus diesem Grund steht dem Schutz des Redaktionsgeheimnisses wiederum
gegenüber, dass es eine übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung zu verhindern
gilt, die mit der Notwendigkeit, regelmäßig auf Klägerseite einen Negativbeweis führen
zu müssen, zwangsläufig einhergeht. Deshalb ist von dem Presseorgan, das sich an der
Benennung des Informanten gehindert sieht, zu verlangen, dass wenigstens nähere
Umstände vorgetragen werden, aus denen auf die Richtigkeit der Information
geschlossen werden kann. Unterbleibt dies, muss das beklagte Presseunternehmen die
prozessualen Folgen seiner Rücksichtnahme auf den Informanten in Kauf nehmen (OLG
Köln a.a.O; OLG Hamburg a.a.O.).
28
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Verfügungsbeklagte ihrer Darlegungs-
und Glaubhaftmachungslast nachgekommen. Die hiergegen vom Verfügungskläger
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angeführten Glaubhaftmachungsmittel sind nicht geeignet, die Glaubhaftmachung durch
die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Y erschüttern. Auch waren sie nicht
geeignet, die "näheren Umstände", die für die Richtigkeit der Information der
Verfügungsbeklagten sprachen, in erheblicher Weise in Frage zu stellen. Der Zeuge Y
hat in seiner eidesstattlichen Versicherung zunächst generell und zusammengefasst
den Inhalt der ihm gegenüber von vier Personen gemachten Äußerungen geschildert. Er
hat sodann unter weiterer Bezeichnung die Erklärungen der einzelnen Personen – ohne
Widerspruch hierzu – nach Inhalt und Zeitpunkt geschildert. Er hat ausgeführt, dass –
auch anhand seiner Aufzeichnungen – durchaus sehr differenzierte Äußerungen
gefallen sind, die er im einzelnen schildert. Dies erfüllt die Anforderungen der
Rechtsprechung, wonach nähere Umstände dargelegt werden müssen, aus denen auf
die Richtigkeit der ehrenrührigen Behauptung geschlossen werden kann. Dies ist der
Fall, wenn der Zeuge sich z.B. auf Einzelheiten in den verschiedenen Äußerungen
seiner Gesprächspartner bezieht, wie die Anzahl der Eintragungen im Bundesanzeiger,
die Kleinaktionärsrechte, die Höhe der Freikaufsumme u.a.. Auf die Richtigkeit der
eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Y kann allerdings auch aus dem unstreitigen
Verhalten des Verfügungsklägers selbst geschlossen werden, das er in der
Vergangenheit gezeigt hat. Hiernach ist es auch jetzt nicht abwegig zu vermuten, der
Verfügungskläger verfolge mit seiner Strategie – wie auch in der Vergangenheit –
finanzielle Motive. Nach der Entscheidung des Kammergerichts vom 03.05.2006 (9 U
98/01) darf über ihn geäußert werden, dass er zu denen gehöre, die sich für den
Verzicht auf spektakuläre Anfechtungsverfahren bei Fusionen "auskaufen" lassen.
Hergeleitet wird dies aus dem bisher gezeigten Verhalten des Verfügungsklägers.
Hinzuweisen ist auch auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 09.12.1993 (6 U
2/93), wonach der Verfügungskläger unter anderem deshalb mit seiner
Anfechtungsklage gescheitert ist, weil es ihm hier – wie auch in anderen Fällen –
ersichtlich darauf angekommen sei, von der beklagten Gesellschaft eine Abfindung zu
erhalten. Schließlich wird der Kläger unstreitig in der rechtswissenschaftlichen Literatur
als eine der Personen genannt, deren Vorgehen u.a. Anlass für den Entwurf eines
Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts ist
(Jahn "UMAG: Das Aus für "räuberische Aktionäre" oder neues Erpressungspotential?",
BB 2005, 5 ff.). Jahn führt hier (unter Bezugnahme auf die Sanierung des
Kaufhauskonzerns Karstadt-Quelle) u.a. aus: "Die Tatsache, dass auch der Kölner
Geschäftsmann L2-Walter G aktiv geworden war, fand hingegen – wie meistens – nur
wenig Aufmerksamkeit. Dies liegt auch daran, dass G zur Vermeidung von
Kostenrisiken häufig mit Prozessvehikeln wie der W und H-GmbH arbeitet." Dies zeigt,
dass der Verfügungskläger auch in nicht allzu ferner Vergangenheit wie in früherer Zeit
agierte.
Es ist zur Erfüllung der Darlegungslast der Verfügungsbeklagten nicht erforderlich, dass
die Gesprächspartner des Zeugen Y namentlich bezeichnet werden müssen, um dem
Verfügungskläger gegebenenfalls zu ermöglichen, an diese Personen heranzutreten
und inhaltlich entgegengesetzte eidesstattliche Versicherungen von diesen vorlegen zu
können. Dem Erfordernis, dass das Presseorgan wenigstens nähere Umstände
vortragen muss, aus denen auf die Richtigkeit der Information geschlossen werden
kann, muss auf der Gegenseite dadurch Rechnung getragen werden, dass der
Betroffene umgekehrt auch nur diese näheren Umstände erschüttern muss, um die
Glaubhaftmachung gegebenenfalls anzugreifen. Dies ist dem Verfügungskläger indes
mit seinen Glaubhaftmachungsmitteln nicht gelungen. Zum einen hat er zwar
eidesstattlich versichert, dass weder er noch die von ihm vertretene W die Absicht
haben, die Fusion aus eigensüchtigen finanziellen Motiven möglichst lange zu
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behindern und sich insbesondere nicht die Klage nur gegen einen Millionenbetrag
abkaufen lassen zu wollen. Indes hat er zu den eigentlichen Motiven seiner Klage und
des Umstandes, dass er sich den bisher geschlossenen Vergleichen nicht anschließt,
nichts weiter vorgetragen. Auch im übrigen sind weder seine noch die weiter von ihm
vorgelegte eidesstattliche Versicherung bzw. das Schreiben der Fa. N vom 10.10.2006
geeignet, die Glaubhaftmachung der Verfügungsbeklagten zu erschüttern. Zum einen
besagen seine eidesstattlichen Versicherungen nicht, dass nicht doch einige Beteiligte
an den Anfechtungsklagen den streitgegenständlichen Vorwurf gegen ihn erheben.
Nach eigenem Vorbringen hat der Verfügungskläger nicht mit allen Beteiligten
gesprochen. Dies ergibt sich auch aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom
04.09.2006. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass nicht doch – entsprechend der
eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Y – einige Beteiligte den
streitgegenständlichen Vorwurf gegen den Verfügungskläger erheben. Auch die
eidesstattliche Versicherung vom 10.10.2006 des Verfügungsklägers zu den in der
Hauptversammlung von N am 28.08.2006 gestellten Fragen sowie das Schreiben der N
vom selben Tag schließen die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen
Y nicht aus. Dies gilt auch für die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Dr. I2, der
hier nur für sich selbst, seine Mandantschaft und Herrn Dr. E2 spricht. Zum einen ist der
Zeuge bereits als Gesprächspartner des Verfügungsklägers in seiner eidesstattlichen
Versicherung vom 04.09.2006 genannt worden, zum anderen hat auch er keine
weitergehende Kenntnis hinsichtlich anderer, bisher nicht angesprochener Personen.
Darüber hinaus verhält sich die eidesstattliche Versicherung im wesentlichen zu dem
Thema, ob "sämtliche" weitere Beteiligte den Vorwurf erheben, was natürlich nicht der
Fall wäre, wenn Dr. I2 und seine Mandantschaft bereits dem Verfügungskläger den
entsprechenden Vorwurf nicht machten.
Soweit sich diese eidesstattliche Versicherung über ein Gespräch mit dem Zeugen Y
verhält, gilt das gleiche. Auch hier geht es um die Frage, ob sämtliche anderen
Beteiligten sich entsprechend über den Verfügungskläger geäußert haben. Soweit
hiernach der Zeuge Y geäußert hat, auch aus dem Kreis von N sei so etwas geäußert
worden, deckt sich dies durchaus mit seiner eidesstattlichen Versicherung.
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Hinsichtlich der weiter von der Verfügungsbeklagten angesprochenen Frage, dass der
veröffentlichte Vorwurf gegen den Verfügungskläger wohl auch diesem gegenüber nicht
geäußert wird, verhält sich – insoweit durchaus bestätigend – die eidesstattliche
Versicherung des Zeugen Dr. I2 hierzu ebenfalls. Hier ist ausgeführt, dass er aus
eigener Kenntnis der Person des Verfügungsklägers zu wissen glaubte, dass dieser
allergisch auf unrichtige, seine Person betreffende Presseäußerungen reagiert und er
deshalb befürchtet, dass er sich von der Zustimmung zu dem aus seiner und seiner
Mandantschaft Sicht wirtschaftlich sehr vernünftigen Fusionsvergleich abbringen lassen
würde.
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Auch im übrigen sprechen die von dem Verfügungskläger vorgebrachten
Glaubhaftmachungsmittel nicht gegen die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen
und glaubhaft gemachten Umstände, aus denen auf die Richtigkeit der Information
geschlossen werden kann. Gerade die zuletzt behandelte Passage in der
eidesstattlichen Versicherung von Dr. I2 belegt es, dass der Vorwurf nicht offen
gegenüber dem Verfügungskläger erhoben wird. Dass dies aber dennoch der Fall ist,
wird aus den unstreitigen Umständen hinsichtlich des bisherigen Vorgehens des
Verfügungsklägers deutlich.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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Streitwert: 25.000,00 €
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