Urteil des LG Köln vom 01.06.2006

LG Köln: nebenkosten, verwirkung, zukunft, abrechnung, heizung, bezahlung, stillschweigend, mietvertrag, unterlassen, irrtum

Landgericht Köln, 27 O 429/05
Datum:
01.06.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 O 429/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 12.294,50 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von
11.204,71 € seit dem 21.06.2005 und von 1.089,79 seit dem 12.07.2005
zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstre-ckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Mit Mietvertrag vom 3.9.1993 (Bl. 13 GA) mietete die L GmbH & Co. KG, T, von der W
KG, Köln, eine Verkaufsfläche im Erdgeschoss nebst Neben- und Lagerfläche in der F-
Straße in Köln. Die Kläger erwarben später das Objekt und sind damit in dem
Mietvertrag eingetretenen. Die Beklagte trat mit Schreiben vom 13.12.2000 mit
Zustimmung der Kläger in den bestehenden Vertrag ein. Das Mietverhältnis endete am
15.02.2004. Gemäß § 6 des Mietvertrages wurde die Beklagte bzw. ihre Vorgängerin
anteilig an den Nebenkosten beteiligt. Zu den von ihr zu tragenden Nebenkosten
gehörten danach gemäß § 6 lit e) und g) u.a. "sonstige Kosten gem. § 27 der zweiten
Berechnungsverordnung" und das "Verwalterhonorar".
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Die Kläger und ihre Vorgängerin haben die Abwicklung der Mietverhältnisse in dem
Objekt Verwaltergesellschaften übertragen, die auch die Nebenkostenabrechnungen
erstellten. Dies war zunächst die XX Immobilienbeteiligung und Verwaltung S GmbH
und anschliessend deren Rechtsnachfolgerin X Einkaufszentren Management- und
Verwaltungsgesellschaft S GmbH Köln, seit 2001 schließlich die Firma N GmbH. Für
die Jahre 1993 bis 2001 erstellten die Verwalter für die Kläger jeweils
Nebenkostenabrechnungen, in denen weder der Allgemeinstrom, noch Wartungskosten
für die Heizung, Verwaltergebühren noch Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen auf die
Beklagte oder ihre Vorgängerin umgelegt wurden. Mit den Nebenkostenabrechnungen
vom 23.9.2004 für die Jahre 2002 (Bl. 20 GA) und 2003 (Bl. 21 GA) machten die Kläger
erstmals die Umlage dieser Positionen geltend.
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Die Beklagte verweigerte die Bezahlung dieser Positionen in Höhe von 5.172,19 € für
das Jahr 2002 und 6.274,88 € für das Jahr 2003, weil sie der Ansicht sei, sie sei
rechtlich zur Bezahlung nicht verpflichtet.
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Schließlich erstellten die Kläger mit Schreiben vom 10.06.2005 (Bl. 22 GA) eine
Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 1.1. bis 15.2.2004 über 1.089,79 €, die
von der Beklagten nicht bezahlt wurde. Hinsichtlich dieser Rechnung erklären die
Kläger die Aufrechnung mit einem Guthaben des Beklagten aus der
Mietnebenkostenabrechnung für das Jahr 2001 in Höhe von 242,36 €.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 12.294,50 € nebst Zinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
von 11.204,71 € seit 21.06.2005 und von 1.089,79 seit 12.07.2005
zu zahlen.
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Die Beklagte erkennt den Anspruch hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung für das
Jahr 2004 in Höhe von 337,13 € an.
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Im übrigen beantragt sie,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, weil die Kläger und ihre Vorgängerin in früheren
Nebenkostenabrechnungen die genannten Positionen nicht in Rechnung gestellt habe,
sei stillschweigend vereinbart worden, dass diese Position nicht auf die Mieterin
umgelegt werde.
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Sie macht außerdem geltend, dass ein Anspruch der Kläger auf Umlage dieser
Nebenkosten wegen der achtjährigen abweichenden Praxis der
Nebenkostenabrechnung auch für die Zukunft verwirkt sei. Sie beruft sich insofern auf
den Rechtsgedanken des § 556 Abs. 3 BGB.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Die Forderung aus der Abrechnung für das Jahr 2004 hat die Beklagte insoweit
anerkannt, als mit dieser Abrechnung nicht die die Kosten für Allgemeinstrom,
Wartungskosten der Heizung sowie für die Schädlingsbekämpfung auf sie umgelegt
wurden, also hinsichtlich eines Betrages von 337,13 € nebst Zinsen seit dem
12.07.2005.
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Die Kläger haben darüber hinaus Anspruch auf Zahlung der restlichen
Nebenkostenforderungen für die Jahre 2002 bis 2004. Die Parteien haben in § 6 lit e)
und g) des Mietvertrages vereinbart, dass u.a. "sonstige Kosten gem. § 27 der II.
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Berechnungsverordnung" und das "Verwalterhonorar"als Mietnebenkosten anteilig von
der Beklagten zu tragen sind. Unter die sonstigen Kosten gemäß § 27 der II.
Berechnungsverordnung fallen die Kosten für Allgemeinstrom, Wartungskosten der
Heizung und Schädlingsbekämpfung, deren Bezahlung die Beklagte verweigert.
Der Mietvertrag wurde von den Parteien hinsichtlich dieser Nebenkosten nicht dadurch
stillschweigend geändert, dass die Kläger die Positionen "Allgemeinstrom",
"Wartungskosten für die Heizung", "Verwaltergebühren" und
"Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen" acht Jahre lang nicht geltend gemacht haben.
Zwar ist anerkannt, dass die Umlage einzelner sonstiger Betriebskosten durch
stillschweigend vereinbart worden sein kann, wenn der Vermieter über mehrere Jahre
hinweg Nebenkosten auf den Mieter umlegt, deren Umlage vertraglich nicht vereinbart
ist, und der Mieter jeweils diese Kosten vorbehaltlos bezahlt (vgl. BGH WuM 2004, 292
mwN). Entgegend der Ansicht der Beklagten gilt dies aber nicht ohne weiteres im
umgekehrten Fall, in dem Mietnebenkosten jahrelang nicht geltend gemacht wurden,
jedenfalls dann nicht, wenn weitere Anhaltspunkte für einen entsprechenden
Erklärungswillen der Parteien nicht vorliegen. Denn weder darf der Mieter das
Unterlassen der Berechnung ohne weiteres als eine Willenserklärung des Vermieters
verstehen, dass er auf die Geltendmachung dieser Position auch für die Zukunft
verzichten will, noch ist der Bezahlung durch den Mieter ein Erklärungsgehalt
beizumessen, der dahin geht, dass der Mieter alle nicht umgelegten Kosten auch als
nicht umlagefähig vereinbart ansieht. Vielmehr ist das Unterlassen der Geltendmachung
von Nebenkosten ein mehrdeutiges Verhalten, so dass der Mieter ohne weitere
Anhaltspunkte für einen entsprechenden Erklärungswillen des Vermieters davon
ausgehen muss, dass es sich um einen Irrtum des Vermieters, möglicherweise auch nur
um einen Verzicht für das abgerechnete Jahr handelt. Dies gilt auch dann, wenn die
entsprechenden Positionen über Jahre hinweg nicht geltend gemacht werden. Im Falle
der Kosten der Schädlingsbkämpfung kann der Mieter ohnehin nicht davon ausgehen,
dass diese in jedem Jahr anfallen.
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Der Anspruch auf Umlegung auf den Mieter ist auch nicht verwirkt. Verwirkung kann nur
dann angenommen werden, wenn ein Recht über einen längeren Zeitraum hinweg nicht
wahrgenommen wird und darüber hinaus der Vertragspartner darauf vertrauen durfte,
dass dieses auch künftig nicht mehr geltend gemacht werde, und er sich hierauf bereits
eingerichtet hat (BGH WuM 1984, 127, 128; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, VI Rnr. 101). Es ist zweifelhaft, ob das insoweit
erforderliche Zeitmoment gegeben ist. Zwar wurde die Verpflichtung zur Tragung der
genannten Nebenkosten durch die Kläger erstmals nach acht Jahren Mietzeit geltend
gemacht. Nach dem Ablauf eines solchen Zeitraums ist zwar an die Verwirkung der
bereits entstandenen Ansprüche zu denken.
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Allerdings führt der bloße Zeitablauf selbst nicht notwendig zur Verwirkung des
Anspruchs des Vermieters. Verwirkung tritt vielmehr erst dann ein, wenn über den
Zeitablauf hinaus weitere besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung
rechtfertigen, der Mieter habe darauf vertrauen dürfen, daß der Vermieter die Forderung
nicht mehr stellen werde (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 1666). Dem Umstand,
dass mehrere Verwaltungsgesellschaften die Abrechnung in gleicher Weise
durchgeführt haben, ist ein derartiger weiterer Vertrauenstatbestand nicht zu entnehmen.
Auch hier mußte die Beklagte davon ausgehen, dass die Unterbliebene Abrechnung auf
einem Irrtum beruhte und daher in Zukunft weiterhin mit der Geltendmachung dieser
Posten zu rechnen sei. Bei den Positionen Schädlingsbekämpfung konnte die Beklagte
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noch nicht einmal davon ausgehen, dass in den vorangegangenen Jahren insoweit
umlagefähige Kosten entstanden waren.
Zweifelhaft ist auch grundsätzlich, dass eine Verwirkung nicht nur die in der
Vergangenheit abgerechneten Nebenkosten beträfe, sondern auch für alle künftigen
Ansprüche gelte. Eine derartig weitreichende Folge ist auch unter Berücksichtigung des
Vertrauensinteresses des Mieters nicht gerechtfertigt. Denn dass der Mieter im
Vertrauen auf die Vollständigkeit der abgerechneten Nebenkostenpositionen für die
Dauer des gesamten Mietverhältnisses Vermögensdispositionen getroffen hat, ist in
aller Regel fernliegend, zumal der Mieter für die Zukunft neu disponieren kann. Etwas
anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung OLG
Düsseldorf NJW-RR 2001, 1666. Dieser Fall betraf eine Mieterhöhung durch
Gleitklausel, die über 4 Jahre hinweg nicht geltend gemacht worden war, wobei auch
hier zunächst nur die Mieten für die Vergangenheit verlangt wurden. Das Gericht hat in
der genannten Entscheidung aber keineswegs die Ansicht vertreten, dass eine
Berufung auf die Gleitklausel auch nach erneutem Eintritt der Voraussetzungen der
Mieterhöhung durch Verwirkung ausgeschlossen sei.
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Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in den Jahren 2002 und 2003 im
Vertrauen auf ein Unterbleiben der Umlage dieser Positionen Vermögensdispositionen
getroffen hat. Weder wurde vorgetragen, dass eine Kündigung des Mietvertrages in
Erwägung gezogen wurde, noch wurde substantiiert dargelegt, dass sich eine derartig
erhöhte Miete in irgendeiner Weise auf die Preiskalkulation ausgewirkt hätte. Das sich
ein Betrag von maximal 10.000,- € pro Jahr tatsächlich meßbar in der Preiskalkulation
niedergeschlagen hätte, darf angesichts der Lage des Geschäfts auch bezweifelt
werden.
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Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den nicht
nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 23.05.2006 ist nicht erforderlich.
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Der Höhe nach sind die geltend gemachten Nebenkosten unstreitig, so dass sich der
Anspruch der Kläger in der ausgeurteilten Höhe ergibt.
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Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
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