Urteil des LG Köln vom 29.06.2010

LG Köln (schwester, fonds, höhe, zug, zeuge, wert, beteiligung, verzug, agio, anleger)

Landgericht Köln, 3 O 510/08
Datum:
29.06.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 510/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 121.316,46 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 4. 12. 2008 zu zahlen, und zwar Zug um Zug
gegen Übertragung der von der Klägerin und ihrer Schwester A2 am 22.
11. 2000 gezeichneten Beteiligungen an der L GmbH & Co. Projekte Z/A
KG im Wert von je 110.000,- DM (= 56.242,11 EUR) (Anteilsnummer A1
#####/####1; Anteilsnummer A2 #####/####2).
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der
Abtretung der Rechte aus den von der Klägerin und ihrer Schwester A2
am 22. 11. 2000 gezeichneten Beteiligungen an der L GmbH & Co.
Projekte Z/A KG im Wert von je 110.000,- DM (= 56.242,11 EUR)
(Anteilsnummer A1 #####/####1; Anteilsnummer A2 #####/####2) in
Verzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97.413,24 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 4. 12. 2008 zu zahlen, und zwar Zug um Zug
gegen Übertragung der von der Klägerin und ihrer Schwester A2 am 19.
11. 2003 gezeichneten Beteiligungen an der T GmbH & Co. KG im Wert
von je 50.000,- EUR (Referenznummer A1 ##; Referenznummer A2
###).
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der
Abtretung der Rechte aus den von der Klägerin und ihrer Schwester A2
am 19. 11. 2003 gezeichneten Beteiligungen an der T GmbH & Co. KG
im Wert von je 50.000,- EUR (Referenznummer A1 ##; Referenznummer
A2 ###) in Verzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche
Anwaltskosten in Höhe von 4.356,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. 12. 2008 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem Recht und aus im Wege der Erbfolge
übergegangenem Recht auf Rückabwicklung der Beteiligung an dem L GmbH & Co KG
(im folgenden: L-Fonds) und dem T GmbH & Co KG (im folgenden: T-Fonds) in
Anspruch.
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Die am 1. 6. 1920 geborene Klägerin und ihre am 27. 3. 1922 geborene und im Jahr
2008 verstorbene Schwester waren langjährige Kunden der Beklagten. Beruflich waren
beide Schwestern bis zum Renteneintritt als Kassiererinnen im einem Supermarkt tätig
gewesen. Ende der neunziger Jahre erhielten sie aufgrund einer Erbschaft einen nicht
unerheblichen Geldbetrag.
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Am 22. 11. 2000 fand ein Beratungsgespräch zwischen der Klägerin und ihrer
Schwester und einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen C, statt. Der Zeuge C
empfahl der Klägerin und ihrer Schwester eine Beteiligung an der "L Dritte
Immobilienfonds GmbH & Co Projekte Z/A KG" (L-Fonds). Zwischen den Parteien sind
die Einzelheiten des Beratungsgesprächs sowie der Umstand streitig, ob der Zeuge C
den Emissionsprospekt übergab. Die Klägerin und ihre Schwester traten am gleichen
Tag dem L-Fonds bei und zwar mit Beteiligungen in Höhe von jeweils 110.000,- DM (=
59.054,22 EUR) zuzüglich 5 % Agio. In den von der Klägerin und ihrer Schwester
jeweils unterzeichneten Beitrittserklärungen (K 2 und 3, Anlagenheft) befinden sich
jeweils vorgedruckte Passagen, in denen der Erhalt des Emissionsprospektes bestätigt
wird.
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Am 11. 7. 20001 unterzeichneten die Klägerin und ihre Schwester nach Beratung durch
den Zeugen C Beteiligungen in Höhe von jeweils 30.000,- $ nebst 5 % Agio an der
Jamestown 22, L. P. Diese Beteiligung kündigten sie im Jahr 2006 nach Beratung durch
einen Bekannten wieder, wobei ihnen ein Verlust in Höhe von 10.219,66 EUR entstand.
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Im Jahr 2003 hatten die Klägerin und ihre Schwester wiederum einen größeren
Geldbetrag geerbt. Anlässlich eines Beratungsgesprächs am 18. 6. 2003 empfahl der
Zeuge C ihnen eine Beteiligung an einem Fonds, der zu diesem Zeitpunkt aber nicht
gezeichnet werden konnte. Bei einem weiteren Beratungsgespräch am 19. 11. 2003
unterzeichneten die Klägerin und ihre Schwester Beitrittserklärungen zu der "T GmbH &
Co KG" (T-Fonds) mit Beteiligungen von jeweils 50.000,- EUR nebst 5 % Agio. Aus der
Beteiligung flossen der Klägerin und ihrer Schwester von 2005 bis 2007 12.500,- EUR
(K 24, Bl. 190) zu. 2008 erfolgte eine zunächst angekündigte Ausschüttung nicht.
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Am 27. 11. 2008 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und ihrem
Prozessbevollmächtigten einerseits und zwei Mitarbeitern der Beklagten andererseits
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statt, in dem es um die Beteiligungen an den L- und T-Fonds ging, dessen Inhalt in den
Einzelheiten zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 2. 12. 2008 hob die
Beklagte die Vorteile des T-Fonds hervor; in einem anschließenden Telefonat am 4. 12.
2008 wies die Beklagte Schadensersatzansprüche der Klägerin zurück.
Die Klägerin behauptet, der Zeuge C habe sie und ihre Schwester weder am 22. 11.
2000 noch am 19. 11. 2003 über die mit den jeweiligen Anlagen verbundenen Risiken
aufgeklärt. Insbesondere sei kein Hinweis auf die feste Laufzeit der Beteiligung bis zum
Jahr 2020 bzw. 2017 und den Ausschluss des Kündigungsrechts erfolgt. Im Hinblick
darauf, dass sie und ihre Schwester ihre Ersparnisse lediglich sicher hätten anlegen
wollen, um damit später einen Platz in einem gepflegten Seniorenheim zu finanzieren,
habe die langfristige Kapitalbindung nicht ihren Interessen entsprochen. Zudem habe
der Zeuge C sie nicht auf die im Prospekt dargestellten Risiken und die Gefahr der
Nachschusspflicht hingewiesen. Die jeweiligen Emissionsprospekte seien ihnen nicht
mit dem Beitritt ausgehändigt worden, vielmehr seien sie ihr erst im Jahr 2008 bekannt
geworden. Sie behauptet, in dem Gespräch vom 27. 11. 2008 hätten die Mitarbeiter der
Beklagten die Wertlosigkeit der Beteiligung an dem L-Fonds eingeräumt und
andererseits den T-Fonds über die Maßen gelobt. Die Klägerin ist der Ansicht, sie
müsse sich die Steuervorteile aus den Beteiligungen im Hinblick auf die auf die
Schadensersatzleistung anfallenden Steuern nicht auf ihren Klageanspruch anrechnen
lassen. Hinsichtlich der Ausschüttungen erklärt sie die Aufrechnung mit Ansprüche auf
Ersatz entgangenen Gewinns. Dazu behauptet sie, sie und ihre Schwester hätten das
investierte Geld im Falle des unterbliebenen Beitritts mit 4 % verzinslich angelegt.
Insgesamt berechnet sie ihren Schaden auf aus dem L-Fonds auf 129.692,56 EUR,
wobei sie von Ausschüttungen in Höhe von 32.491,18 EUR und steuerlichen Vorteilen
in Höhe von 1.690,33 EUR ausgeht. Hinsichtlich des T-Fonds berechnet sie ihren
Schaden auf 106.016,74 EUR, wobei sei von Ausschüttungen in Höhe von – unstreitig –
12.500,- EUR ausgeht. Steuerliche Vorteile in Höhe von 1.027,87 EUR lässt sie sich
insoweit nicht anrechnen.
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Nachdem die Klägerin zunächst den jetzigen Antrag zu 1) im wesentlichen als
Hauptantrag und den jetzigen Antrag zu 2) als Hilfsantrag gestellt hatten, beantragt sie
nunmehr,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 118.108,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. 12. 2008 zu zahlen
und zwar Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den von der Klägerin
und ihrer Schwester A2 am 22. 11. 2000 gezeichneten Beteiligungen an der L
GmbH & Co. Projekte Z/A KG im Wert von je 110.000,- DM (= 56.242,11 EUR)
(Anteilsnummer A1 #####/####1; Anteilsnummer A2 #####/####2);
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2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte
aus den von der Klägerin und ihrer Schwester A2 am 22. 11. 2000 gezeichneten
Beteiligungen an der L GmbH & Co. Projekte Z/A KG im Wert von je 110.000,- DM
12
(= 56.242,11 EUR) (Anteilsnummer A1 #####/####1; Anteilsnummer A2
#####/####2) in Verzug befindet;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 105.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. 12. 2008 zu zahlen
und zwar Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den von der Klägerin
und ihrer Schwester A2 am 19. 11. 2003 gezeichneten Beteiligungen an der T
GmbH & Co. KG im Wert von je 50.000,- EUR (Referenznummer A1 #####/####2;
Referenznummer A2 ###);
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4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte
aus den von der Klägerin und ihrer Schwester A2 am 19. 11. 2003 gezeichneten
Beteiligungen an der T GmbH & Co. KG im Wert von je 50.000,- EUR
(Referenznummer A1 #####/####2; Referenznummer A2 ###) in Verzug befindet,
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5. die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Zeit vom 1. 12. 2000 bis zum 2. 12. 2008
Zinsen in Höhe von 8.388,74 EUR zu zahlen,
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6. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von
4.356,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 3. 12. 2008 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte
über die mit den Fondsbeteiligungen verbundenen Vor- und Nachteile beraten und
insbesondere auf die fehlende Kündigungsmöglichkeiten hingewiesen. Zudem sei der
jeweilige Prospekt übergeben worden. Sogar wenn der Zeuge C nicht über die fehlende
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Kündbarkeit der Beteiligung aufgeklärt hätte, sei dieser Beratungsfehler nicht für den
behaupteten Schaden kausal geworden, denn das Geld hätten die Klägerin und ihre
Schwester nicht zur Gewährleistung des Lebensstandards benötigt. Schließlich erhebt
die Beklagte die Einrede der Verjährung. Dazu behauptet sie, die Klägerin und ihre
Schwester hätten spätestens nach dem ihnen obliegenden sorgfältigen Lesen der
Emissionsprospekte erkennen können, dass sie von dem Zeugen C fehlerhaft beraten
worden seien. Sollten sie die Emissionsprospekte nicht gelesen haben, wäre dies als
grob fahrlässige Unkenntnis zu bewerten.
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 14. 4. 2010.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 18. Mai 2010 (Bl. 277 ff. d. A.) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zum weit überwiegenden Teil begründet.
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Die Beklagte schuldet der Klägerin Rückabwicklung der Beteiligungen an beiden Fonds
unter dem Gesichtspunkt eines zum Schadensersatz führenden Beratungsfehlers
gemäß § 280 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung
der Kammer fest, dass die dem Erwerb der beiden Beteiligungen jeweils
vorausgegangene Beratung durch den Zeugen C nicht anlegergerecht erfolgt ist.
Ausgangspunkt ist dabei, dass die beiden Fonds mit ihrer Laufzeit bis 2020 (L-Fonds)
bzw. 2017 (T-Fonds) für die Klägerin und ihre Schwester objektiv ungeeignet waren.
Bereits damals war klar, dass beide ein weit überdurchschnittliches Alter erreichen
mussten, um das Ende der Laufzeit zu erleben. Außer Streit steht auch, dass ein
Ausstieg aus den als Kommanditbeteiligungen strukturierten Kapitalanlagen vor Ende
der Laufzeit kaum möglich war.
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Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass auch in einer solchen Situation die
Empfehlung der Fonds nicht schlechthin unzulässig war. Es lassen sich tatsächlich
Situationen vorstellen, in denen auch für einen Anleger der Altersgruppe der Klägerin
und ihrer Schwester der Erwerb eines solchen Fonds sinnvoll wäre; beispielsweise,
wenn ein Vermögensaufbau im Hinblick auf Erben gewünscht ist oder es dem Anleger
nicht auf die Rückzahlung des Kapitals, sondern möglich hohe Auszahlungen ankommt.
Von einer solchen Situation darf ein Bankberater aber nicht prima facie ausgehen. Es
entspricht dem Kenntnisstand der Kammer, dass zahlreiche Menschen fortgeschrittenen
Alters großen Wert auf die Verfügbarkeit ihres Vermögens legen, da sie – objektiv
nachvollziehbar und vernünftigerweise – das Risiko unerwarteter schwerer
Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit berücksichtigen.
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Ein Bankberater ist daher gehalten, bevor er einen solchen Fonds empfiehlt, die
Situation und Bedürfnisse des Anlegers in Erfahrung zu bringen. Er hat dem Anleger
auch in gebotener Deutlichkeit die Nachteile, die gerade in seiner Situation mit der
Investition in einen solchen Fonds verbunden sind, vor Augen zu führen. Diesen
Anforderungen ist der Zeuge C nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gerecht
geworden. An die jeweiligen Beratungsgespräche hatte er keine konkrete Erinnerung
mehr; im Kern lässt sich seine Aussage darauf reduzieren, dass er der Klägerin und
ihrer Schwester die Standardberatung zukommen ließ, "wie ich es immer gehandhabt
habe, und wie ich es auch bei den Damen A1 und A2 gehandhabt habe" (Bl. 278 d. A.).
Soweit der Zeuge noch bruchstückhafte Erinnerungen an konkrete Einzelheiten hatte,
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sprechen sie gerade gegen eine Beratung, die der konkreten Situation der Klägerin und
ihrer Schwester gerecht geworden wäre. So meinte er sich zu erinnern, sie hätten das
Geld nicht benötigt, weil "keine größeren Anschaffungen anstanden". Dabei wären in
der Situation der Klägerin und ihrer Schwester weniger größere Anschaffungen als das
Risiko eines erhöhten Geldbedarfs wegen schwerer Erkrankungen oder
Pflegebedürftigkeit zu diskutieren gewesen.
Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift dagegen nicht durch. In
diesem Zusammenhang bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob der Klägerin und
ihrer Schwester die jeweiligen Fondsprospekte ausgehändigt worden sind.
Grundsätzlich trifft die Ansicht der Beklagten zu, dass ein Anleger im eigenen Interesse
gehalten ist, den ihm übergebenen Fondsprospekt zur Kenntnis zu nehmen. Tut er dies
nicht, und bleibt es ihm deswegen verborgen, dass Angaben im Beratungsgespräch
unzutreffend waren, während er dies durch die Lektüre des Prospekts hätte erkennen
können, so ist diese Unkenntnis von einer Falschberatung grundsätzlich als grob
fahrlässig zu bewerten. Dieser Grundsatz ist aber kein starres Schema; vielmehr ist bei
der Bewertung der Unkenntnis als grob fahrlässig auf die jeweiligen Umstände des
Einzelfalles abzustellen.
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Im vorliegenden Fall hätten die Klägerin und ihre Schwester nicht nur die
umfangreichen Prospekte zur Kenntnis nehmen müssen, sondern auch noch aus den
dort enthaltenen Hinweisen auf die Laufzeit, die fehlende Kündbarkeit und die
erschwerte Fungibilität der Anteile den Schluss ziehen müssen, dass ihr Geld bis zum
Ende der Laufzeit effektiv festgelegt war. Unter Berücksichtigung der Lebensumstände
der Klägerin und ihrer Schwester, die aufgrund ihres beruflichen Werdegangs über
keine Kenntnisse des Kapitalmarkts verfügen konnten, und auch des persönlichen
Eindrucks, den sich die Kammer von der Klägerin bei ihrer Anhörung am 18. 5. 2010
verschaffen konnte, erscheint es ihr als nicht gerechtfertigt, eine fehlende
Kenntnisnahme von den Fondsprospekten als grob fahrlässig zu bewerten.
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Danach hat die Beklagte der Klägerin die Anlagesummen zuzüglich des gezahlten
Agios Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligungen zurückzuzahlen. Im Fall
des L-Fonds entspricht dies einem Betrag von 118.108,42 EUR, im Fall des T-Fonds
einem Betrag von 105.000 EUR.
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Grundsätzlich hat die Beklagte der Klägerin den entgangenen Gewinn zu ersetzen, den
die Kammer entsprechend ihrer ständigen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen für
diesen Zeitraum auf jährlich 4% schätzt. Abzusetzen sind demgegenüber die erhaltenen
Ausschüttungen und auch die erzielten Steuervorteile. Dies gilt entgegen der Ansicht
der Klägerin auch für den T-Fonds. Grundsätzlich gehören Steuervorteile zu den auf
Schadensersatzansprüche anrechenbaren Vorteilen (BGH, Urt. v. 24. 4. 2007 – XI ZR
17/06 – NJW 2007, 2401, 2402). Zwar mag es sein, dass die Schadensersatzleistung
der Beklagten ihrerseits wieder steuerpflichtig sein wird. Aber einmal widerspricht es
den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts, einen erst künftig entstehenden
Schaden bereits in der Gegenwart zu ersetzen; außerdem ist die Höhe, in der eine
künftige Schadensersatzleistung steuerpflichtig sein wird, von den dann bestehenden
finanziellen und steuerlichen Verhältnissen des Anlegers abhängig, über die derzeit
allenfalls mehr oder weniger sichere Prognosen möglich sind. Für eine auf § 287 ZPO
zu stützende Schätzung künftiger Steuernachteile fehlt es damit an ausreichenden
Grundlagen (vgl. OLG München, Urt. v. 17. 2. 2008 – 19 U 3041/07 – juris Rn. 113). Dem
Anleger entsteht dadurch kein Nachteil, da er diesen künftigen Schaden ohne weiteres
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durch einen entsprechenden Feststellungsantrag abdecken kann.
Damit ergibt sich für die Schadensersatzansprüche der Klägerin folgende Berechnung
(alle Beträge in EUR):
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L-Fonds
Anlagesumme zuzüglich Agio
118.108,42
4 % Zinsen aus 118.108,42 EUR (L-Fonds) 1. 12. 2000 bis 2. 12. 2008
37.820,51
abzüglich Ausschüttungen
-32.491,18
abzüglich anrechenbare Steuern
-430,96
abzüglich Steuerersparnisse
-1.690,33
Summe
121.316,46
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T-Fonds
Anlagesumme zuzüglich Agio
105.000,00
4% Zinsen aus 105.000,00 EUR (T-Fonds) 1. 12. 2003 bis 2. 12. 2008
21.023,93
abzüglich Ausschüttungen
-12.500,00
abzüglich anzurechnende Steuern
-15.082,82
abzüglich Steuerersparnisse
-1.027,87
Summe
97.413,24
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Weiterhin kann die Klägerin als Teil ihres Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 BGB
auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 4.356,00 EUR geltend machen.
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Im Gegenzug hat die Klägerin die von ihr gehaltenen Beteiligungen an die Beklagte zu
übertragen. Dem berechtigten Einwand der Beklagten, die Klägerin habe nicht nur die
Rechte aus den Beteiligungen, sondern die Beteiligungen selber zurück zu übertragen,
hat die Kammer durch die entsprechende Formulierung des Tenors Rechnung getragen.
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Der Anspruch auf Verzugszinsen beruht auf § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Zwar ist durch das
Schreiben vom 2. 12. 2008 noch kein Verzug eingetreten, da sich aus ihm nicht
hinreichend deutlich entnehmen lässt, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerin
ablehnt; aber in dem Telefongespräch vom 4. 12. 2008 ist diese Ablehnung unstreitig
erfolgt. Mit dem Antrag auf Klageabweisung befand sich die Beklagte auch hinsichtlich
der Annahme der Gegenleistung in Verzug (§ 295 S. 1 BGB).
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
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Streitwert:
42
bis zum 21. 9. 2009 118.108,42 EUR
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ab dem 22.9. 2009 231.497,18 EUR
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