Urteil des LG Köln vom 22.10.2009

LG Köln (bundesrepublik deutschland, deutschland, internet, abweisung der klage, angebot, juristische person, stgb, gesetzlicher vertreter, unlauterer wettbewerb, uwg)

Landgericht Köln, 31 O 552/08
Datum:
22.10.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
31. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 O 552/08
Tenor:
1. Unter Abweisung der Klage im übrigen werden die Beklagten
verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € -
ersatzweise Ordnungshaft – oder der Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs
über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit
anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere
Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere
Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und
virtuelle Slotmachines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt
einzugehen und/oder abzuschließen und/oder diese Möglichkeit zu
bewerben, wie nachstehend beispielhaft wiedergegeben
(Es folgt eine mehrseitige Darstellung)
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Entgegennahme
von Spielaufträgen nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit
dem 18.03.2008 entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
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2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die
Umsätze, welche die Beklagte zu 1) durch die Entgegennahme von Spielaufträgen
nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 18.03.2008
erzielt hat.
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3. Die Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3.
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4. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern 1., 3. und 4. gegen Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt für die
Vollstreckung aus dem Tenor zu 1. 400.000 €, für die Vollstreckung aus dem
Tenor zu 3. 6.000 €, im übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.
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T A T B E S T A N D
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Die Klägerin ist die staatliche Lotteriegesellschaft des Landes Nordrhein-
Westfalen. Sie bietet über Lottoannahmestellen die Teilnahme an Lotterien und
Sportwetten an. Die Beklagte zu 1) ist eine juristische Person nach dem Recht von
Gibraltar. Sie bietet über das Internet Spiele um echtes Geld und Sportwetten an.
Sie ist in Inhaberin einer gibraltischen Glücks- und Spiellizenz. Der Beklagte zu 2)
ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
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Auf der Internetpräsenz "anonym1.com" bietet die Beklagte zu 1) bundesweit
Spiele mit echtem Geld und Sportwetten zu festen Odds an. Das Angebot der
Beklagten zu 1) wird in Deutschland seit 2003 beworben. Die Startseite der
Domain "anonym1.com" so wie die ihr untergeordneten Seiten erscheinen in
deutscher Sprache. Wegen der weiteren Einzelheiten der streitgegenständlichen
Internetseite wird auf die im Tenor eingeblendeten Screenshots verwiesen.
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Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) ist jeder
Teilnehmer verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass bei der Registrierung und
Teilnahme am Wett- und Spielangebot die jeweils geltenden gesetzlichen
Bestimmungen eingehalten werden.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Angebot der Beklagten zu 1) gegen § 4
GlüStV und gegen § 284 Abs. 1 StGB verstoße, sowie bei der Bewerbung ein
Verstoß gegen § 5 Abs. 3 GlüStV vorliege.
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Die Klägerin beantragt,
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1. Die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € -
ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in
Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu
verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten
sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette,
Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slotmachines sowie Kartenspiele und
Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen, sei es durch
Abschluss eines Wett- und/oder Spielvertrages mit der Beklagten zu 1) oder einer
Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), und /oder diese Möglichkeit zu bewerben,
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hilfsweise,
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Die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € -
ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das
Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten
und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen
Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black
Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slotmachines sowie
Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder
abzuschließen, sei es durch Abschluss eines Wett- und/oder Spielvertrages mit
der Beklagten zu 1) oder einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), und
/oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie in der im Tenor eingeblendeten
konkreten Form.
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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Entgegennahme
von Spielaufträgen nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit
dem 18.03.2008 entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
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3. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die
Umsätze, welche die Beklagte zu 1) durch die Entgegennahme von Spielaufträgen
nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 18.03.2008
erzielt hat.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind insbesondere der Auffassung, dass die Klageanträge nicht den
Bestimmtheitsanforderungen genügen, da sie rechtlich nicht näher bestimmte Begriffe
wie "Glücksspiele" enthalten. Ferner sind sie der Auffassung, dass die Klägerin ohnehin
nur ein auf Nordrhein - Westfalen beschränktes Unterlassungsgebot hinsichtlich des
Anbietens von Sportwetten erwirken könne. Es fehle an einem deutschlandweiten
Wettbewerbsverhältnis, da die Klägerin eine regionale Anbieterin sei. Hinsichtlich der
sog. Casinospiele fehle es gänzlich am Wettbewerbsverhältnis. Die Casinospiele seien
– im Gegensatz zum Angebot der Klägerin - auf eine schnelle Spielabfolge und
Interaktivität ausgerichtet.
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Vor allem stehen der Klage nach Auffassung der Beklagten jedoch
verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Bedenken entgegen. Der GlüStV
verstoße gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und die Dienstleistungsfreiheit nach
Art. 49 EGV. Insbesondere sei das Sportwettenmonopol in sich nicht ansatzweise
systematisch und kohärent, da die Monopolstellung auf fiskalische Gründe zurück zu
führen sei. Zudem genüge die deutsche Wettpolitik im Allgemeinen nicht dem Maßstab
des EuGH einer "systematischen und kohärenten" Eindämmung der Wettleidenschaft.
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Der Beklagte zu 2) ist darüber hinaus der Auffassung, dass sich das Internetangebot der
Beklagten zu 1) nicht an Teilnehmer in der Bundesrepublik Deutschland richte. Zudem
sei es auch gemeinschaftsrechtswidrig, da der GlüStV ungerechtfertigt in die
Niederlassungsfreiheit eingreife.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen überwiegend begründet.
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1. Die Klage ist zulässig, soweit sie nicht den Hauptantrag zu 1. betrifft.
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a. Der Hauptantrag zu 1. ist unzulässig. Die Klägerin hat trotz des erteilten Hinweises
in der mündlichen Verhandlung am 10.09.2009 einen nicht hinreichend
bestimmten Hauptantrag gestellt. Ein Antrag ist nur dann hinreichend bestimmt
i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch genau
bezeichnet. Eine genaue Bezeichnung erfordert vorliegend die Wiedergabe der
konkreten Verletzungsform des Unterlassungsgebots. Nur bei Wiedergabe der
konkreten Verletzungsform ist überprüfbar, ob ein Anbieten und Bewerben von
Glücksspielen und Sportwetten vom Kern des Tenors der Entscheidung erfasst ist.
An der Darstellung der konkreten Verletzungsform fehlt es im Hauptantrag zu 1.
Der Hauptantrag zu 1. geht damit über die konkrete Verletzungsform hinaus. Er
würde undifferenziert das Anbieten und Bewerben von jeglichen Glückspielen und
Sportwetten verbieten.
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b. Im Übrigen ist die Klage zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich insbesondere aus
der Zuständigkeit des Landgerichts Köln und der Bestimmtheit des Hilfsantrags zu
1., so wie der Anträge zu 2. und 3.
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1. Das Landgericht Köln ist international und örtlich zuständig, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO,
§ 14 Abs. 2 UWG. Der Erfolgsort der angegriffenen Handlung liegt in Deutschland.
Der angegriffene Internetauftritt der Beklagten zu 1) richtet sich
bestimmungsgemäß an Teilnehmer, die sich in der Bundesrepublik Deutschland
aufhalten. Der Internetauftritt ist in deutscher Sprache gehalten. Ungefähr ¾ aller
Muttersprachler der deutschen Sprache leben in der Bundesrepublik Deutschland.
Zudem erfolgt seit dem Jahr 2003 eine Bewerbung in Deutschland. Unter
Berücksichtigung der zuvor genannten Umstände erscheint der Einwand des
Beklagten zu 2) unglaubhaft, dass die deutsche Sprache wegen der bereits
erworbenen staatlichen Konzession in Österreich für die Durchführung von
Glücksspielen in Österreich gewählt worden sei. Gleiches gilt für den Vortrag des
Beklagten zu 2), dass die Einstellung des Internetauftritts von der Voreinstellung
im Browser abhängig sei. Den Beklagten steht es frei, eine andere Einstellung für
die Sprachvorauswahl zu nutzen. Denkbar wäre insoweit eine Einstellung über die
IP-Adresse.
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2. Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 1. ist ebenso wie die Anträge zu 2. und 3.
hinreichend bestimmt. Für die Beklagten ist aus dem Tenor ersichtlich, was sie zu
unterlassen haben, bzw. wozu sie verpflichtet sind. Dies ergibt sich insbesondere
aus der Darstellung der konkreten Form des Anbietens und Bewerbens von
Glücksspielen und Sportwetten durch die im Tenor eingeblendeten Screenshots.
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2. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von den Beklagten
Unterlassung der streitgegenständlichen Handlungen, sowie Schadensersatz und
Auskunft verlangen.
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a. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten aus §§ 8
Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz
des Landes NRW zum GlüStV, 284 Abs. 1 und 4 StGB zu.
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1. Die Klägerin und die Beklagte sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3
UWG. Danach besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn Unternehmer
versuchen, die gleichen oder gleichartigen Dienstleistungen innerhalb desselben
Abnehmerkreises abzusetzen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 2 Rn. 94).
Beide Parteien bieten Glücksspiele und Sportwetten zu festen Quoten an. Ein
Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels
für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die
Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Dies
gilt auch für die Casinospiele der Beklagten zu 1). Entgegen der Auffassung der
Beklagten kommt es also nicht darauf an, dass die Casinospiele der Beklagten zu
1) auf eine schnelle Spielabfolge und Interaktivität ausgerichtet sind. Ferner ist die
unterschiedliche Vertriebsart der Parteien unerheblich. Dies gilt auch schon
deshalb, weil es den Beklagten nicht zu Gute kommen kann, dass sie ihr Angebot
entgegen gesetzlicher Vorgaben über das Internet anbietet und die Klägerin nicht.
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2. Die streitgegenständlichen Internetangebote der Beklagten zu 1) verstoßen gegen
§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz des Landes
NRW zum GlüStV, 284 Abs. 1 und 4 StGB. Der Verstoß ist dem Beklagten zu 2)
als gesetzlicher Vertreter zurechenbar, da er Einfluss auf die Gestaltung der
streitgegenständlichen Internetseite hat.
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§§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz des Landes NRW zum GlüStV und
284 Abs. 1 und 4 StGB stellen Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da
sie insbesondere dem Schutz des Verbrauchers dienen.
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a. § 4 Abs. 4 GlüStV untersagt das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher
Glücksspiele im Internet. Mit ihrem Internetangebot unter "anonym1.com"
veranstaltet die Beklagte zu 1) öffentliche Glücksspiele.
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Dies gilt entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2) auch für die Spiele
Backgammon, Skat und Doppelkopf. Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 GlüStV
vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt
verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom
Zufall abhängt. Zwar ist zuzugeben, dass eine Erfahrung und eine gute
Auffassungsgabe des Spielers den Spielablauf bei Backgammon, Skat oder
Doppelkopf begünstigen. Dies macht die Spiele jedoch noch nicht zu
Geschicklichkeitsspielen. Entscheidend für ihre Einordnung ist es, dass bei den
Spielen das Zufallsmoment im Vordergrund steht, entweder durch ein "gutes Blatt"
oder durch "gute Würfel".
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Die Beklagte zu 1) veranstaltet und vermittelt das Glücksspiel auch in Deutschland.
Ein Glückssiel wird nach § 3 Abs. 4 GlüStV dort veranstaltet und vermittelt, wo dem
Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. An dem Angebot der
Beklagten zu 1) können Personen teilnehmen, die sich in Deutschland aufhalten.
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Es ist nicht ausreichend, dass die Beklagte zu 1) in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen darauf hinweist, dass nur Personen zur Teilnahme
berechtigt seien, die durch die Teilnahme am Glücksspiel oder den Sportwetten
nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Die Beklagte zu 1) müsste
vielmehr gewährleisten, dass eine Teilnahme an ihrem Angebot innerhalb der
Bundesrepublik Deutschland nicht durchführbar ist. Dies ist ihr auch technisch
möglich, in dem sie das Angebot beispielsweise für IP-Adressen sperrt, die der
Bundesrepublik Deutschland zugeordnet sind.
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b. Nach § 5 Abs. 3 GlüStV ist die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet
verboten. Die Beklagte zu 1) bewirbt ihr Glücksspielangebot unter der Domain
"anonym1.com" in der in den Screenshots des Tenors wiedergegebenen
konkreten Form.
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c. Die Veranstaltung von unerlaubten öffentlichen Glücksspielen erfüllt zudem den
Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB, die Werbung für dieselben den Tatbestand
des § 284 Abs. 4 StGB. Die Beklagte zu 1) verfügt nicht über eine behördliche
Erlaubnis zur Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels in der Bundesrepublik
Deutschland.
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d. Die Normen des GlüStV erfüllen die Anforderungen, welche das Verfassungs- und
Gemeinschaftsrecht an die Regelungen des Glücksspielrechts stellen.
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Es liegt bereits kein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV vor.
Der EuGH hat in der "Liga Portuguesa"- Entscheidung (Urteil vom 08.09.200.
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In der Rechtssache C - 42/07) ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für die
Anwendbarkeit der Grundsätze über die Niederlassungsfreiheit gegeben sind,
wenn der Betroffene ausschließlich über das Internet agiert. Vielmehr müsste für
die Anwendbarkeit von Art. 43 EGV dargelegt werden, dass die Beklagten sich in
dem betroffenen EU-Land niedergelassen haben oder dies zumindest
beabsichtigen. Entsprechendes haben die Beklagten nicht dargelegt.
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Der Eingriff in Art. 12 GG und Art. 49 EGV ist gerechtfertigt. Die Neuregelung des
Glücksspielrechts im GlüStV genügt im vollem Umfang den Anforderungen, die das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) für
die Rechtfertigung eines staatlichen Monopols für Sportwetten und einen Eingriff in
die Berufsfreiheit im Sinne einer objektiven Berufswahleinschränkung aufgestellt
hat.
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An der Geeignetheit dieser Maßnahme zur Erreichung des gesetzgeberischen
Ziels bestehen keine Zweifel. Zudem sind die Regelungen des GlüStV auch
erforderlich. Alternative, weniger einschneidende, aber ebenso geeignete
Maßnahmen sind unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des
Gesetzgebers nicht ersichtlich.
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Der GlüStV zielt auf die Verhinderung von Glücksspiel- und Wettsucht ab und
schafft eine wirksame Suchtbekämpfung. Dies ergibt sich schon aus den
vorliegend entscheidungserheblichen Normen der §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV.
Nach § 4 Abs. 4 GlüStV besteht ein grundsätzliches Verbot für das Veranstalten
und Vermitteln öffentlicher Glückspiele im Internet. § 5 Abs. 3 GlüStV regelt ein
Werbeverbot im Internet. Die Kammer kann aus eigener Sachkunde beurteilen,
dass gerade vor dem Hintergrund des im Rahmen der Suchtprävention besonders
wichtigen Jugendschutzes der Vertriebsweg und die Werbung über das Internet
sehr bedenklich sind. Im Internet ist eine effektive Alterskontrolle der Teilnehmer
nicht möglich. Ferner fehlt es bei dem Spielen am heimischen Computer an der
sozialen Kontrolle. Hinzu kommt eine geradezu grenzenlose Vielfalt des Angebots,
die dem Ziel der Begrenzung des Glücksspiels nach § 1 Nr. 2 GlüStV widerspricht.
(vgl. BVerfG, Urteil v. 28.03.2006, Az: 1 BvR 1054/01, Rn 139; BVerfG, Beschluss
v. 14.10.2008, 1 BvR 928/08, Rn. 40, 48, 59; Schlussanträge des Generalanwalts
Yves Bot in der Rechtssache C- 42/07 "Liga Portuguesa", Rn. 266 ff.; LG Köln,
Urteil v. 09.07.2009, Az. 31 O 599/08) Bestätigt wird das Ziel der Suchtprävention
durch die weiteren im GlüStV geregelten Beschränkungen (vgl. §§ 4 Abs. 3, 5 – 11
und 21 GlüStV) und die in § 1 GlüStV normierten Zielsetzungen.
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Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der mit der Regelung verfolgten
Gemeinwohlziele bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Rechtsfolgen des
GlüStV und des § 284 StGB verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Dabei ist
insbesondere zu berücksichtigen, dass sich aus den Regelungen im GlüStV kein
Verbot des Geschäftsmodells der Anbieter von grenzüberschreitenden Online-
Glücksspielen an sich ergibt. Das Angebot darf sich lediglich nur nicht an in
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Deutschland aufhaltende Personen richten. Den Beklagten ist eine Beschränkung
ihres Angebots durch die Überprüfung der IP-Adresse der Teilnehmer und ggf. der
Nutzung eines deutlich sichtbaren Disclaimers auch zumutbar.
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Da die Neuregelung des Glücksspielrechts im GlüStV keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist auch von einer Vereinbarkeit mit
dem Gemeinschaftsrecht auszugehen. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts
entsprechen insoweit denen des Grundgesetzes (BVerfG, Urteil v. 28.03.2006,
"Oddset", Az. 1 BvR 1054/01, Rn. 144; BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. 1 ZR 207/05,
Rn. 24). So zeigt auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH in der "Liga
Portuguesa"- Entscheidung (s. o.), dass er dem Gesetzgeber im einzelnen EU-
Mitgliedstaat eine weite Einschätzungsprägorative zuspricht. Dies gilt gerade im
Bereich des Glücksspielrechts, in dem beträchtliche sittliche, religiöse und
kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen.
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Es ist auch entgegen der Auffassung der Beklagten keine strengere Prüfung der
Systematik und Kohärenz im Glücksspielrecht insgesamt vorzunehmen. Es kommt
alleine auf die kohärente Regelung des vom GlüStV normierten Bereichs des
Glückspielrechts an (BVerfG, Beschluss v. 20.03.2009, Az. 1 BvR 2410/08, Rn. 17;
LG Köln, Urteil v. 09.07.2009, Az.: 31 O 599/08 m.w.N.) Der EuGH hat wiederholt
die Systematik und Kohärenz nur bezüglich einer einzelnen Regelung überprüft.
Beispielhaft sei auf die Überprüfung in der "Liga-Portuguesa"-Entscheidung (s. o.)
hingewiesen, in der es um die Beschränkung des Anbietens von Glücksspielen
über das Internet ging. Eine abweichende rechtliche Beurteilung kann auch nicht
aus der "Placanica"- Entscheidung (Urteil vom 06.03.2007 in der Rechtssache C-
338/04, 359/04, 360/04) hergeleitet werden. In dieser hat der EuGH das
Kohärenzerfordernis nur bezüglich der zahlenmäßigen Beschränkung der
Konzessionen überprüft. Er hat in dem Verfahren allerdings innerhalb des
konkreten Regelungsbereichs eine nationale Politik gesehen, die den Zielen,
welche die Einschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen könnten, deutlich
widersprach. Ein solcher Widerspruch ist im Regelungsbereich des GlüStV weder
von der Beklagten vorgetragen noch sonst erkennbar.
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3. Ob das Anbieten von Sportwetten durch die Klägerin von der ihrer Gesellschafterin
erteilten Erlaubnis gedeckt ist, hat die Kammer bei der Prüfung des
Unterlassungsanspruches nicht zu entscheiden. Es entspricht gefestigter
Rechtsprechung, dass der Einwand des Verletzers, der Verletzte handele ebenso
wettbewerbswidrig, jedenfalls dann unerheblich ist, wenn Interessen Dritter oder
der Allgemeinheit berührt werden (OLG Köln, Urteil v. 14.09.2007, Az. 6 U 63/06
m.w.N.) Vorliegend sind die Interessen der Allgemeinheit an der Verhinderung
bzw. der Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht betroffen.
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4. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht deutschlandweit. Ein Verhalten
ist im Interesse der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit grundsätzlich
bundesweit zu untersagen, wenn es bundesweit als unlauterer Wettbewerb
anzusehen ist. Dies ist vorliegend gegeben, da das Verhalten der Beklagten zu 1)
nicht nur in Nordrhein-Westfalen wettbewerbswidrig ist, sondern auch in allen
anderen Bundesländern gegen den GlüStV i.V.m. den landesrechtlichen
Ausführungsgesetzen und § 284 StGB verstößt.
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Die Beklagten können sich insoweit auch nicht auf die Ausführungen des BGH in
der Oddset - Entscheidung (Urteil v. 14.02.2008, Az. ZR 207/05) berufen. Der
dortigen Entscheidung lag ein Ausnahmefall zu Grunde, da das angegriffene
Verhalten jedenfalls in dem regional begrenzten Wirkungskreis der dortigen
Klägerin gerade nicht als wettbewerbswidrig angesehen wurde.
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5. Der Hilfsantrag ist unbegründet, soweit er sich auf eine Tochtergesellschaft der
Beklagten zu 1) bezieht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass die Beklagte zu 1)
eine Tochtergesellschaft hat noch welche Tätigkeiten diese konkret ausübt.
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b. Der Klägerin stehen die Annexansprüche gegenüber den Beklagten aus §§ 242
BGB, 9 UWG zu. Hinsichtlich des zeitlich beschränkten Auskunftsanspruchs ist die
Kammer an die Antragsfassung nach § 308 ZPO gebunden. In Bezug auf den
Schadensersatzanspruch erscheint es möglich, dass der Klägerin durch das
Angebot der Beklagten zu 1) ein Schaden entstanden ist. Es ist denkbar, dass an
dem angegriffenen Angebot der Beklagten Spieler aus Nordrhein-Westfalen
teilgenommen haben, welche andernfalls an dem Glücksspielangebot der
Klägerin teilgenommen hätten.
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c. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Bemessung der
Kostenquote hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klage nur mit dem
Hilfsantrag Erfolg hat, so weit sich dieser nicht auf eine Tochtergesellschaft der
Beklagten zu 1) bezieht.
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d. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bei
der Höhe der Sicherheitsleistung der Vollstreckung aus dem Tenor zu 1. hat die
Kammer das Interesse der Beklagten an der Fortführung ihres deutschen
Internetangebots berücksichtigt.
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Streitwert: 250.000 €
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