Urteil des LG Köln vom 29.04.2005
LG Köln: geschäftliche tätigkeit, verwechslungsgefahr, firma, namensrecht, unternehmen, rechtsschein, verkehr, papier, form, verwaltung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 81 O 163/04
29.04.2005
Landgericht Köln
1. Kammer für Handelssachen
Urteil
81 O 163/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.
T A T B E S T A N D:
Die Klägerin nimmt die Beklagte in Anspruch im Hinblick darauf, dass die Beklagte als "I
GmbH & Co. KG" firmiert; sie ist der Auffassung, die Beklagte verletze mit der Nutzung des
Firmenbestandteils "I" in konkreter Form – also ohne Hinzufügung eines weiteren Zusatzes
– das gegenüber der Beklagten unstreitig ältere Firmen- bzw. Namensrecht der Klägerin,
deren Firma "I GmbH" lautet.
Die Klägerin wurde im Jahre 1977 ins Handelsregister Düren eingetragen, um
Beteiligungen an Süddeutschen Gesellschaften zu halten; diese Beteiligungen sind in der
Folgezeit veräußert worden und heute stehen noch Wertpapiere im Eigentum der
Gesellschaft. Eingetragener Gegenstand der Klägerin ist
"Die Beteiligung und die Verwaltung von Beteiligungen an Gesellschaften,
insbesondere solchen, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Papier und
ähnlichen Erzeugnissen befassen, sowie die die Herstellung und der Vertrieb von Papier
und ähnlichen Erzeugnissen sowie die Verwaltung des eigenen Vermögens."
Nach ihrer Behauptung bemüht sich die Klägerin – bislang erfolglos – um den Erwerb von
Beteiligungen an Unternehmen in der Papierverarbeitungsbranche; sie verwaltet ihr
Vermögen.
Die Beklagte wurde 1972 gegründet als "F I & Söhne Metall + Kunststoffwerk KG", gemäß
Handelsregistereintragung mit Sitz in Kreuzau-Schneidhausen. Nach einer Änderung im
Jahre 1985 in "I Metall + Kunststoffwerk GmbH & Co." kam es im Jahre 2003 zur jetzt
streitgegenständlichen Firmierung "I GmbH & Co. KG"; wegen der Einzelheiten der
Entwicklung der Firmierung wird auf den Vortrag beider Parteien verwiesen. Sie befasst
sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Sanitärprodukten aus Kunststoff.
Die Klägerin hat ihre Ansprüche zunächst – in der Klageschrift – auf §§ 30, 37 HGB
gestützt und hierzu ausgeführt, dass beide Parteien im Handelsregister von Düren
eingetragen und im selben Kreis ansässig seien; jedenfalls aber – so meint sie – müsse
sich die Beklagte so behandeln lassen als sei sie im selben Ort ansässig wie die Klägerin,
denn sie habe einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt. Ergänzend hat sie darauf
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hingewiesen, dass sie auch aus § 12 BGB vorgehen könne.
In der Folgezeit hat vertieft zu § 12 BGB vorgetragen; sei meint, § 12 BGB sei vorliegend
anwendbar, weil § 15 MarkenG mangels einer Verwechslungsgefahr tatbestandlich nicht
eingreife. Die Beklagte nutze den Namen "I" im übrigen unbefugt im Sinne des Gesetzes,
weil die insoweit namensgebende Mitgründerin lediglich Strohmannseigenschaft gehabt
habe.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. im geschäftlichen Verkehr die Benutzung
a. der Firma
I GmbH & Co KG
und/oder
b. der Geschäftsbezeichnung
I
zu unterlassen
2. in die Löschung des Bestandteils
I
der im Handelsregister A des Amtsgerichts Düren unter Nr. HRA ####1
eingetrangenen Firma I GmbH & Co KG einzuwilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie leugnet irgendwelche Ansprüche der Klägerin, weil sie – die Beklagte – nicht in Düren
ansässig sei; Kreuzau sei mit Düren auch nicht durch eine einheitliche Bebauung
verbunden und den Anschein, in Düren ansässig zu sein, habe sie nie erweckt. Sie
bestreitet, dass die Klägerin überhaupt noch in irgend einer Form tätig sei und leugnet
deshalb jedwedes Interesse der Klägerin an den geltend gemachten Ansprüchen.
Jedenfalls sei der allenfalls in Betracht kommende § 12 BGB nicht anwendbar, weil beide
Parteien am geschäftlichen Verkehr teilnähmen und mangels unstreitig fehlender aktiver
gewerblicher Tätigkeit der Klägerin die für die Anwendbarkeit der Spezialvorschrift des §
15 MarkenG erforderliche Verwechslungsgefahr fehle.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den
Vorsitzenden einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
einschließlich der von beiden Parteien vorgelegten Rechtsgutachten verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten keine Unterlassung und keine Einwilligung nach
Maßgabe ihres Antrages verlangen, weil die Verwendung der Kennzeichnung I keine
Rechte der Klägerin verletzt.
Ein Anspruch aus §§ 30, 37 HGB scheitert schon daran, dass die Parteien unstreitig nicht
beide in Düren ihren Sitz haben; Kreuzau-Schneidhausen ist eine eigene Gemeinde und
die Klägerin hat dem Vortrag der Beklagte nicht widersprochen, wonach die beiden
Gebietskörperschaften auch vom äußeren Erscheinungsbild her keine Einheit bilden.
Es spricht auch alles gegen die Annahme, die Beklagte habe den Anschein erweckt, sie
sei in Düren geschäftsansässig; letztlich kann das dahinstehen, denn die Rechtsfolgen der
§§ 30, 37 HGB werden nur eine entsprechende tatsächliche Situation ausgelöst, nicht
durch einen Rechtsschein.
Die nach allem prozessentscheidende Frage nach dem Verhältnis zwischen §§ 5, 15
MarkenG einerseits und § 12 BGB andererseits ist zu Gunsten der Beklagten dahingehend
zu beantworten, dass § 15 MarkenG für seinen Regelungsbereich § 12 BGB ausschließt
und die vorliegende Sachverhaltsgestaltung in den Regelungsbereich des § 15 MarkenG
fällt.
Der Kern der Argumentation der Klägerin geht dahin, dass § 12 BGB schon dann
anwendbar ist, wenn § 15 MarkenG tatbestandlich ausscheidet; da dies hier der Fall sei –
es fehle an der Verwechslungsgefahr -, sei § 12 BGB anwendbar, der weder eine aktive
geschäftliche Tätigkeit noch eine Verwechslungsgefahr verlange.
Diese Auffassung ist unzutreffend.
In dem am 9.9.2004 verkündeten Urteil "mho.de" (I ZR 65/02), in dem sich ein
Krankenhausträger und eine Werbeagentur gegenüber standen, hat der Bundesgerichtshof
zu § 12 BGB und seinem Verhältnis zu § 15 MarkenG Folgendes ausgeführt:
"Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit
Namensfunktion auch ein Namensrecht nach § 12 BGB zu. Allerdings geht der
Schutzbereich des Namensrechts in der Regel nicht über den Schutzbereich des
Unternehmenskennzeichens hinaus. Denn der aus § 12 BGB abgeleitete namensrechtliche
Schutz einer Unternehmensbezeichnung ist auf den Funktionsbereich des betreffenden
Unternehmens beschränkt und reicht nur so weit, wie geschäftliche Beeinträchtigungen zu
befürchten sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1998 – I ZR 241/95, GRUR 1998, 696, 697 = WRP
1998, 604 – Rolex-Uhr mit Diamanten; BGHZ 149, 191, 197 f. – shell.de, m.w.N.). Eine
Anwendung des § 12 BGB scheidet daher meist aus, weil sich der Funktionsbereich des
Unternehmens in der Regel mit dem Anwendungsbereich des – das Namensrecht
verdrängenden – Kennzeichenschutzes aus §§ 5, 15 MarkenG deckt.
Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch durch
eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs
des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen kann der Namensschutz
ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen
werden, die – weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und
damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr – nicht mehr im
Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen."
Die Anwendbarkeit des § 15 MarkenG war dort gescheitert an der infolge der großen
Branchenferne fehlenden Verwechslungsgefahr, was vorliegend auch der Fall wäre, wenn
die Klägerin in ihrer beabsichtigten Branche (Papierverarbeitung) aktiv wäre; die Klägerin
kann keinen weitergehenden Anspruch haben, nur weil sie am Wettbewerb nicht aktiv
teilnimmt. Auf jeden Fall bedarf es angesichts dieser aktuellen Entscheidung keiner
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näheren Auseinandersetzung mit der von der Klägerin vorgelegten umfangreichen
gutachtlichen Stellungnahme, denn das Verhältnis der beiden Vorschriften ist damit
klargestellt.
Gleichwohl kann in Fällen dieser Art durchaus auch noch die Anwendung des § 12 BGB in
Betracht kommen, nämlich dann, wenn die Beklagte den Namen – hier: I – im Verhältnis
zur Klägerin aus Gründen unbefugt benutzt, die außerhalb von branchenabhängigen
Verwechslungsgefahren angesiedelt sind; dann nämlich läge der rechtsverletzende
Sachverhalt nicht mehr im Regelungsbereich des § 15 MarkenG.
Hiervon – von einer fehlenden Berechtigung der Beklagten, den Namen I zu führen - kann
aber vorliegend nicht ausgegangen werden:
Zum einen hat die Klägerin zunächst selbst vorgetragen, dass gegen einen
Firmenbestandteil I bei der Beklagten von ihrer – der Klägerin – Seite keine Bedenken
bestehen (Seite 5 ihres Schriftsatzes vom 4.8.2004, Bl. 55 d.A. in Verbindung mit Seite 1
ihres Schriftsatzes vom 17.8.2004, Bl. 65 d.A.: "Die Beklagte führt die
Geschäftsbezeichnung I (ohne Zusatz) unbefugt); damit macht die Klägerin nämlich
geltend, mit einem (z.B.) sachbezogenen Zusatz habe sie keinen Einwand gegen die Firma
der Beklagten; immerhin hat sie folgerichtig jahrzehntelang auch keine Einwände erhoben
gegen die früheren Firmierungen der Beklagten. Mit diesem Vortrag hat sie sich durch ihren
späteren Einwand gegen die Firmierung der Beklagten ("Strohmannsgründung") in
Widerspruch gesetzt, ohne dies auch nur mit einem Wort zu erläutern.
Zum andern aber – aus diesem Grund kann der Aspekt unzulässigen Vortrages infolge
Widersprüchlichkeit dahinstehen – ist der Vortrag einer Strohmannsgründung in
firmenrechtlicher Hinsicht als in Blaue hinein aufgestellt und damit unbeachtlich zu
bewerten, denn er ist nur damit begründet, dass das namensgebende Unternehmen
alsbald nach der Gründung wieder ausgeschieden ist. Dies kann so viele Gründe haben,
dass daraus auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten und die mangelnde
Befugnis zur Namensführung nicht geschlossen werden kann.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: € 20.000,-.